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Der Weg zur Normalität

Der Weg zur Normalität

Hunderttausende Demonstranten in Berlin hatten gute Gründe, auf die Straße zu gehen.

„Da gefährden diese Vollidioten ihre und anderer Leute Gesundheit, nur weil sie keine Lust haben, sich beim Einkaufen für fünf Minuten den Mund zu bedecken. Wie unverantwortlich!“

So einfach legen sich viele Kritiker der Demonstration die Beweggründe der immerhin mehreren hunderttausend Menschen zurecht, die in Berlin auf der Straße demonstrierten. Dass der oben genannte Vorwurf niemanden von der Couch auf die Straße bewegt, dürfte aber doch jedem klar sein. Die Motive der Demonstranten müssen also vielschichtiger ausfallen. Wer meint, mit einem Kommentar wie dem obigen alles gesagt zu haben, ist nicht an Verständigung interessiert und damit automatisch nicht an demokratischer Auseinandersetzung. Es lohnt sich, genauer hinzusehen.

Der wohl wichtigste Grund, der die Menschen in Berlin zum Demonstrieren bewegte, ist die Unehrlichkeit der Regierung im Zuge der Coronakrise.

Viele Beispiele belegen, dass führende Politiker das Vertrauen der Bürger während der Krise missbrauchen. Schon im Mai nannten Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn falsche Infektionszahlen: Statt von 29.000 Infizierten sprachen sie von 40.000. Das ist kein kleiner Rechenfehler, sondern ein grober Schnitzer. Der Fehler wurde im Nachhinein auch offiziell eingeräumt.

Bald darauf, im April, äußerte Wolfgang Kubicki (FDP) deutliche Zweifel an der Korrektheit der Reproduktionszahl (R-Wert), die das Robert Koch-Institut veröffentlicht. Diese Zahl gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person in einer bestimmten Zeit im Durchschnitt ansteckt. Steigt der Wert über 1, breitet sich die Krankheit weiter aus. Liegt der Wert unter 1, sinkt die Zahl der Neuinfektionen. Und während Bayern, das Bundesland mit den meisten Infektionen, im April einen R-Wert von 0,57 verkündete, stieg der R-Wert bundesweit laut RKI von 0,9 auf 1,0 — kurz vor der Kultusministerkonferenz.

„Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Der R-Wert des RKI steigt ausgerechnet zur Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten, bei der vor weiteren Lockerungen gewarnt werden soll“, kommentierte Kubicki. Er fasste zusammen, die Zahlen des RKI „vermitteln eher den Eindruck, politisch motivierte Zahlen zu sein als wissenschaftlich fundiert“. Schätzungen des Helmholtz-Zentrums und der TU Ilmenau zum Reproduktionswert wichen deutlich von den Daten des RKI ab.

Und noch zur Anfangszeit der Corona-Krise behauptete unsere Regierung, dass FFP2- und FFP3-Masken nicht geeignet seien, um die Verbreitung des Virus aufzuhalten — Masken zu tragen, sei unnötig, hieß es. Dieselben Politiker führten bald darauf die allgemeine Maskenpflicht ein — aber erst, nachdem wieder Masken verfügbar waren. Werner Gleißner, Experte für Krisenkommunikation, bezeichnete diese Strategie in einem Interview als „kalkulierte Notlüge“.

Die Wiedereinführung der erweiterten Maskenpflicht in Österreich begründete der dortige Gesundheitsminister Rudolf Anschober übrigens nicht etwa mit gestiegenen Corona-Infektionszahlen, sondern mit Rhinoviren — normalen Erkältungsviren — und dem „virologischen Grundrauschen“. In einem weiteren Interview gab er später zu, dass es bei der Maskenpflicht „natürlich auch um einen psychologischen Effekt“ ginge. Dass die führenden Politiker hierzulande sehr ähnlich denken, kann mit Fug und Recht angenommen werden.

Im Mai wollte dann ein hochrangiges Mitglied des Bundesinnenministeriums eine Schadensanalyse der Folgen des Lockdowns in Auftrag geben und setzte sich mit dem Arzt Gunter Frank in Verbindung. Dessen erste Frage lautete etwas verblüfft, ob es denn noch keine solche Schadensanalyse gegeben habe. Allein die medizinischen Folgen der Maßnahmen sind bereits äußerst relevant — „über Monate nicht durchgeführte Operationen, Weiterbehandlungen, Früherkennungen oder Pflegeeinschränkungen“. Nein, es hatte noch keine Schadensanalyse gegeben. „Der Mitarbeiter des Bundesministeriums hätte dazu Vorstöße gemacht, aber sei jeweils auf taube Ohren gestoßen und es sei sogar mit Konsequenzen gedroht worden, sollte er nicht dazu schweigen.“

Gunter Frank arbeitete zusammen mit anderen Experten — von universitären Institutsleitern bis hin zu Klinikleitern — eine fachlich hochkompetente und belastbare Einschätzung zu den Schäden des Lockdowns aus. Dieser Bericht wurde anschließend vom Innenministerium zurückgehalten, der engagierte Mitarbeiter wurde suspendiert. Frank arbeitete das Geschehen in einem sehr lesenswerten Artikel gründlich auf.

Fragwürdiger Umgang mit Daten

Um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, soll außerdem fleißig die Corona-App der Bundesregierung genutzt werden, die im Hinblick auf den Datenschutz nicht wasserdicht ist. Und in letzter Zeit häufen sich die Berichte, dass die persönlichen Daten – wie der Name, die Anschrift, die Telefonnummer —, die wir in Restaurants oder Hotels hinterlegen müssen, von der Polizei eingesehen und ausgewertet werden können, um etwaige Augenzeugen zu Straftaten herauszusuchen. Zu Anfang hieß es, diese Daten dürften unter keinen Umständen an Dritte weitergegeben werden. Daran hält sich die Polizei offenbar nicht. Hier werden Einzelstraftaten über das allgemeine Recht auf Datenschutz gestellt.

Und einige Maßnahmen selbst sind, seien wir mal ehrlich, völlig inkonsistent. Beim Restaurantbesuch bleibt die Maske auf dem Weg zum Tisch vorm Gesicht, am Tisch dann nicht mehr. Beim Friseur müssen die Haare gewaschen werden, obwohl die Kontaktzeit deutlich reduziert werden könnte, würde das jeder einfach vorher zuhause erledigen. In Bayern wurde zu Beginn der Krise das Sitzen auf Parkbänken verboten — alleine und unter freiem Himmel!

Das alles sind Beispiele von teils absurden Regelungen, von Täuschungen oder sogar bewussten Lügen, die unsere Regierung in jüngster Zeit zu verantworten hat. Aus ihnen ergibt sich jenes Misstrauen, das sich mittlerweile bei vielen Menschen in Deutschland eingestellt hat — selbst unter Politikern, wie an der Kritik Kubickis zu sehen ist. Genau dieses Misstrauen, das Gefühl, an der Nase herumgeführt zu werden, brachte viele Menschen auf die Straßen Berlins.

Ein weiterer Grund ist der Umgang der Medien mit der Coronakrise — und vor allem der Umgang mit Kritikern der Regierungsmaßnahmen.

Wenngleich Beispiele wie die eben genannten zeigen, dass der Regierung in der Coronakrise nicht blind zu vertrauen ist, tragen alle großen Medienhäuser die Regierungslinie ohne laute Bedenken mit. Obwohl die Letalität von Covid-19 bei insgesamt circa 0,1 bis 0,3 und damit im Bereich einer starken Influenza (Grippe) liegt; obwohl das Sterberisiko für die Allgemeinbevölkerung einer täglichen Autofahrt zur Arbeit entspricht; obwohl bis zu 80 Prozent aller testpositiven Personen symptomlos bleiben — trotz all dieser Tatsachen schüren die meisten Medien weiterhin die Panik vor dem Virus, tragen die Regierungsmaßnahmen mit und verleumden alle Kritiker, die sich hiergegen aussprechen — unter ihnen zahlreiche hochqualifizierte Fachleute.

Das soll nun nicht heißen, dass Sars-CoV-2 ungefährlich wäre, denn das ist das Virus mit völliger Sicherheit nicht. Die Verbreitung des Coronavirus ist keine „Test-Epidemie“, wie einige Menschen in Anlehnung an die Schweinegrippe behaupten. Bei bestimmten, meist älteren und vorbelasteten Patienten führt das Virus zu schweren Krankheitsverläufen mit Komplikationen in der Lunge, dem Gefäß- und Nervensystem und weiteren Organen, die teilweise noch monatelang nachwirken können. Es muss daher ein Ziel sein, diese Risikogruppen zu schützen.

Die unbeachteten Folgen der Maßnahmen

Dennoch muss es auch möglich sein, offen über die Frage zu diskutieren, ob die rigorosen Maßnahmen zu diesem Zweck der Gesamtbevölkerung aufgebürdet werden müssen, wenn einige von ihnen — wie die Einschränkung der Versammlungsfreiheit — sogar gegen das Grundgesetz verstoßen und andere von ihnen die Existenzgrundlage zahlloser Menschen bedrohen.

Dass tausende prekär Beschäftigte, befristete Angestellte, Restaurantbesitzer, Klein- und Mittelstandsunternehmer, aber auch Eltern, Künstler oder Selbstständige durch die Corona-Maßnahmen nicht nur in ihrem persönlichen Alltag, sondern in ihrer Existenzgrundlage bedroht sind, geht im medialen Hohelied auf die Regierungsmaßnahmen völlig unter. Auch vonseiten der Regierung fühlen sich diese Menschen nicht wahrgenommen, geschweige denn vertreten. Auf der einen Seite stehen tausende Menschen mit brutalen, ehrlichen Existenz- und Abstiegsängsten, auf der anderen einige wenige wohlsituierte Politiker und Medienkonzernmanager, die konsequent die Augen verschließen vor den Problemen der Menschen, die sie nicht ansehen wollen.

Nicht nur werden diese Menschen nicht gehört, sie werden oftmals auch noch öffentlich diffamiert. Im Falle von Experten wie Wolfgang Wodarg oder Sucharit Bhakdi, die, nachdem sie jahrelang wertvolle und auch wertgeschätzte Arbeit geleistet haben, nun medial an den Pranger gestellt werden, ist diese undemokratische Dynamik besonders gut zu beobachten.

Auch dagegen gingen die Menschen in Berlin auf die Straße. Die meisten Teilnehmer hatten das Gefühl, dass der Korridor des Sagbaren in einer Frage eingeschränkt wird, die uns alle etwas angeht, und dass wir über die Corona-Pandemie eine offene Debatte brauchen — keinen Gesinnungskrieg. Was wir definitiv nicht brauchen, ist die geifernde Panikmache, das ständige Gerede von allgegenwärtiger Angst und die Hetze gegen Menschen, die sich dagegen aussprechen.

Und der dritte Aspekt, der die Menschen in Berlin bewegt hat, ist die begründete Sorge vor einem zunehmend autoritären Staat, der seine eigenen Gesetzesmissachtungen mit dem „Wohl der Allgemeinheit“ begründet, wenngleich diese Maßnahmen selbst Leid und Existenznöte erzeugen.

Dass Kanzlerin Merkel und ihrer Partei immer wieder schnippisch die selbst gewählte Vokabel „alternativlos“ als Gegenstück zur demokratischen Problemlösung entgegengehalten wird, ist meines Erachtens kein Zufall — und nicht zu unterschätzen. Es hat schon einen sehr unangenehmen Beigeschmack, wenn politische Entscheidungen in einer Demokratie als „alternativlos“ dargestellt werden. Genau das wird nun jedoch im Zuge der Corona-Pandemie wieder getan. Und immer dann, wenn diese Einseitigkeit politisch verkündet und medial wiederholt wird, kommt notwendiger Fortschritt ins Stocken. Das ist bei der Klima-Krise, die weitaus bedrohlicher ist als Covid-19, nunmehr seit Jahrzehnten der Fall. Dort ist die Kohleindustrie „alternativlos“, bei Corona sind es die Regierungsmaßnahmen. Im ersten Fall ist der Bevölkerung klar, dass ein Wandel stattfinden muss. Und auch der zweite Fall ist nicht so eindeutig, wie er präsentiert wird.

Zweierlei Maß

Es ist doch sehr auffällig, dass die (zu begrüßenden) Black-Lives-Matter-Demonstrationen gegen Rassismus in ganz Deutschland politisch nicht nur gebilligt, sondern auch gelobt wurden – obwohl dort die Teilnehmer Maskenpflicht und Abstandsregelungen völlig missachteten. Saskia Esken, die halbe SPD-Parteispitze, sprach sich voll des Lobes für den friedlichen Protest gegen Rassismus aus. Doch wenn Kritiker der Regierungsmaßnahmen eine Großdemonstration organisieren und diese Maßnahmen ebenso missachten, gefährden — O-Ton Esken — „tausende Covidioten“ unverantwortlich die Gesellschaft. Das ist nicht nur unsachlich, es ist beleidigend. Saskia Esken, die an der Spitze der SPD steht, nimmt die Sorgen zahlreicher Arbeitnehmer nicht ernst und spuckt ihnen noch ins Gesicht.

Der Fokus scherte noch während der Demonstration mal eben alle Teilnehmer als „Virus-Leugner“ über einen Kamm. Was für eine billige Vereinfachung! Noch Tage nach der Demonstration halten Medien und Politik an der absurd niedrigen Teilnehmerzahl von 17.000 bis 20.000 Demonstranten fest, die sowohl von den Teilnehmern — wir selbst waren live vor Ort — als auch von den Aufnahmen der Demonstration widerlegt wird. In diversen Videos ist zu sehen, dass zur Hochzeit der Demonstration über die Außenbildschirme der Polizeiwagen flimmerte: „Achtung! Kundgebungsplatz überfüllt!“

Sehr genau durchgerechnet, wie viele Menschen auf der Straße des 17. Juni Platz finden können, haben die Kollegen beim Magazin multipolar, die allein für die Straße des 17. Juni auf 160.000 bis 320.000 Teilnehmer kommen. „Dass eine solche Menge tatsächlich auf diesem Staßenabschnitt Platz findet, wird bestätigt durch Aussagen des Leiters des Straßen- und Grünflächenamtes Berlin Mitte, Harald Büttner, von 2013, demzufolge 300.000 Besucher auf der Partymeile möglich wären.“ Momentaufnahmen fangen den konstant weiterlaufenden Strom an Demonstranten nicht ein.

Außerdem sind die Busunternehmer Alexander Ehrlich und Thomas Kaden bereit, auch vor Gericht zu bezeugen, dass ihnen für ihre Aktion „Honk for Hope“ bereits gegen Mittag des 1. August 2020 seitens der Polizei der Zugang zum Demonstrationszug mit der Begründung verwehrt wurde, derselbe hätte bereits geschätzte 800.000 Teilnehmer, weitere seien aus Sicherheitsgründen nicht zugelassen.

Die massenmedial verbreitete Zahl von 20.000 Teilnehmer bei der Demonstration am 1. August 2020 ist falsch. Es waren deutlich mehr.

Diese Falschberichterstattung ist ein eklatantes Beispiel für die Bereitschaft von Politik und Medien, unliebsame Kritik kleinzureden und unglaubwürdig zu machen. Das steht genau für den Vertrauensverlust, der die Menschen überhaupt erst auf die Straße drängte. Ebenso, wie Trump sich die Besucherzahlen bei seiner Amtseinführung 2016 zurechtlog, verzerren unsere Politiker das Bild einer Realität, die ihnen nicht gefällt.

Und es ist auch leicht zu erklären, wie es zur Verbreitung dieser Falschzahl kam. Noch während der Demonstration schrieben alle Mainstream-Medien unisono von 17.000 Teilnehmern — weil sie alle denselben Artikel brachten. Ob Spiegel, Focus, web.de — unter jedem der Artikel zeichnet dpa verantwortlich. Die Beiträge selbst waren über Passagen hinweg völlig identisch — der einzige Unterschied war die jeweilige Überschrift, eine reißerischer als die andere. Hier brachten alle Medien denselben Artikel, wie es bei dpa-Artikeln oft vorkommt.

Die Masse der Berichte spiegelt also nicht wider, wie viele Journalisten die jeweiligen Medienhäuser vor Ort hatten, sondern lediglich, dass sich alle nur auf eine Quelle verließen.

Hier gilt wohl das Prinzip: Wahr ist, was oft genug wiederholt wird. Da macht es auch nichts, wenn das der immer selbe Artikel ist. Somit steht eine einzige Artikel-Schablone gegen hunderte Live-Streams, tausende Tweets und hunderttausende Teilnehmer. Nun ist diese falsche Berichterstattung die Grundlage für Forderungen aus der Politik, die Maßnahmen noch zu verschärfen.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass Gesundheitsämter in mehreren Bundesländern fordern, Kinder müssten bereits bei Ansteckungs-Verdacht zuhause isoliert werden. Keine gemeinsamen Mahlzeiten mehr, Maskenpflicht in den eigenen vier Wänden, Isolation der Kinder in anderen Räumen. Eltern sollen ihre Kinder quasi zuhause einsperren. Bei Zuwiderhandlung wurde den Eltern gedroht, ihre Kinder für die Dauer der Quarantäne in Heime „abzusondern“. Staatliche Behörden drohen Eltern damit, ihnen die Kinder wegzunehmen. Das ist schlicht ungeheuerlich! Die Traumata, die hierdurch ausgelöst werden, können Eltern-Kind-Beziehungen noch jahrelang belasten.

Und bei dieser unmenschlichen Regelung werden wieder die Probleme der Menschen ignoriert, die finanziell nicht abgesichert sind. Nicht jede Familie wohnt in einer Drei-Zimmer-Wohnung! Dass bei dieser Regelung manche Kinder aus ihren Familien gerissen werden „müssen“, scheint fast schon vorprogrammiert.

Die Corona-Krise wird immer mehr zu einer Grundsatzfrage: Wie viel Macht gestehen wir, der Souverän, den Regierenden zu?

Absurde Strafen

Dabei sind einige der Bestrafungen bereits völlig unverhältnismäßig. Allein die Gastronomie reicht aus, um das zu verdeutlichen: In meinem Wohnort wurde noch zu Anfang der Krise einem kleinen Imbiss-Lokal eine Strafe von 5.000 Euro angedroht, da die Inhaber nicht gut genug darauf geachtet hätten, dass die Besucher auch den Mindestabstand einhalten — auf einer belebten Straße. Als ich kürzlich ein anderes Restaurant besuchte, erfuhr ich, dass den Gastwirten eine Strafe von bis zu 50.000 Euro droht, wenn sie dabei „erwischt“ werden, dass die Maskenpflicht in ihrem Lokal nicht eingehalten wird — unter freiem Himmel. Und wer aus Datenschutzgründen Fantasienamen wie „Mickey Mouse“ oder „Guy Fawkes“ auf den Datenzetteln einträgt, dem droht ein Bußgeld. Erst werden diese Zettel durch die Polizei veruntreut, und wer sich dann dagegen wehrt, wird auch noch belangt.

Ich finde diese Strafen unverhältnismäßig, denn wie wirksam etwa die Maskenpflicht vor allem im Freien ist, ist noch immer nicht eindeutig nachgewiesen (1). Wie in der Klimakrise handelt die Politik nicht evidenzbasiert, sondern stellenweise nach Belieben, beziehungsweise nach Vorlieben. Dass die Pharma-Industrie durch Tests, Impfungen und Beratungen ordentlich an der Krise mitverdient, dürfte kein Geheimnis sein. Und dass Pharma-Lobbying in Deutschland ein großes und ernstzunehmendes Problem ist, wird schon daran deutlich, dass ein ehemaliger Pharma-Lobbyist das Amt des Gesundheitsministers bekleidet. Wer den Einfluss der Privatwirtschaft auf die Politik verleugnet, hat leider etwas Grundsätzliches nicht verstanden.

Verleumdung an der Tagesordnung

Eben habe ich das Impfen angesprochen. Auch das wird medial und politisch ausgeschlachtet: Als „Impfgegner“ wurden viele Demonstranten diffamiert. Nun bin ich kein Impfgegner, im Gegenteil. Für mich steht außer Frage, dass Impfungen essentiell für die Bekämpfung einiger Krankheiten sind, in der Vergangenheit viel Gutes bewirkt haben und auch zukünftig weiter Gutes bewirken werden. Aber das liegt vor allem daran, dass Impfungen in Deutschland — und auch in Europa — strengen Auflagen unterliegen.

Impfstoffe müssen im Kern zwei Kriterien erfüllen: Sie müssen effektiv sein, und sie müssen sicher sein.

Effektiv heißt, dass sie tatsächlich vor der Krankheit schützen, gegen die sie entwickelt worden sind. Und sicher heißt, dass im Entwicklungsprozess durch Tests an Tier und Mensch sichergestellt wurde, dass die Impfung keine gravierenden Risiken oder Nebenwirkungen mit sich bringt.

Während der Coronakrise werden diese Auflagen nun offenbar leichtfertig über Bord geworfen. Amerikanische Firmen wie Biontech werben damit, schon im kommenden Jahr 1,2 Milliarden Impfstoffdosen verteilen zu können. Dafür erhielten sie von der US-Gesundheitsbehörde den sogenannten „Fast Track“-Status. Das ist eine hochbrisante Entwicklung, denn üblicherweise wird die Entwicklung eines Impfstoffs sehr viel strenger und umfassender kontrolliert, bevor er in den Handel kommt. Der Impfstoff des US-Unternehmens Moderna etwa übersprang die ansonsten üblichen Tierversuche.

Bis ein herkömmlicher Impfstoff unter Beachtung der EU-Auflagen marktreif ist, dauert es im Schnitt fünf Jahre ab dem Entwicklungsstart. Ein Nukleinsäureimpfstoff, bei welchem DNA in die Zellen des Impflings eingebracht wird, ist neu und braucht noch mehr Zeit. Es handelt sich dabei um ein hochriskantes Verfahren, das erst in den Kinderschuhen steckt — Nukleinsäureimpfungen sind für die Anwendung im Menschen noch nicht einmal zugelassen. Viele Risiken können erst Jahre später sichtbar werden. Die Entwicklung und Prüfung eines solchen Verfahrens würde mindestens sieben Jahre dauern.

Obwohl der Moderna-Impfstoff während der Testphase am Menschen so starke Nebenwirkungen aufweist, dass einige der Probanden ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, geht die Entwicklung weiter. Robert F. Kennedy Jr. bemerkte dazu: „Jedes andere Medikament (…), das in seiner ursprünglichen Phase-Eins-Studie ein derartiges Profil hätte, wäre ‚bei Ankunft tot‘“. Doch während der Coronakrise werden all die strengen Auflagen, die über Jahre garantiert haben, dass neue Impfstoffe sicher und effektiv sein müssen, einfach beiseitegeschoben. In nur ein oder zwei Jahren Entwicklungszeit kann diese Sicherheit schlicht nicht gewährleistet werden.

Es ist absolut unverantwortlich, unter diesen Umständen eine allgemeine Impfpflicht zu fordern.

Manche Politiker plädieren auch dafür, die Maßnahmen solange in Kraft zu lassen, bis ein Impfstoff entwickelt ist. Nicht nur ist das angesichts der Pathogenität von Covid-19 übertrieben. Es würde einen Lockdown von mindestens fünf Jahren bedeuten, vorausgesetzt, dass die bisherigen gesetzlichen Impf-Auflagen weiterhin beachtet werden.

Wenn also bei der nächsten Demonstration wohlfeil von „dummen Impfgegnern“ gesprochen wird, sollte man sich ins Gedächtnis rufen, dass Bedenken bezüglich einer übereilten und möglicherweise zwangsverordneten Corona-Impfung die einzig vernünftige Einstellung sind.

Fazit

Ich habe in diesem Artikel ausführlich dargelegt, dass die Beweggründe der Demonstranten am 1. August keinesfalls einfältig waren. Nur, weil man sich an der Maske in der Kassenschlange stört, ist dort niemand auf die Straße gegangen. Und es war auch kein Halbwissen, das Hunderttausende einmal mehr auf der Straße des 17. Juni für ihre Rechte hat einstehen lassen.

Vielen der Demonstranten werden die Argumente bewusst gewesen sein, die in diesem Beitrag aufgelistet und erörtert wurden. Viele sehen sich, wenngleich sie sich selbst hervorragend informiert und Arbeit in ihre Position gesteckt haben, einem reißerischen Journalismus gegenüber, der in diesen Zeiten lieber hetzt als anständig argumentiert. Kritiker der „offiziellen“ Meinung werden gemaßregelt durch einen Regierungs-Goliath, der, von seiner eigenen Herrlichkeit geblendet, nach Gutdünken einschneidend in Millionen Leben eingreift und keine Verantwortung für die Schattenseiten seines Handelns übernehmen will.

Die Demonstration am 1. August war, verglichen mit diesen schweren Geschützen, eine Steinschleuder. Doch wir wissen, wozu auch sie fähig ist — wenn David weiß, was er tut.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Zur Wirksamkeit der Maskenpflicht folgt ein Ausschnitt aus dem aktuellen Rubikon-Newsletter, den Sie hier abonnieren können:

Verschiedene Länder diskutieren eine teilweise Maskenpflicht in der Allgemeinbevölkerung oder haben diese bereits eingeführt. In den Updates vom Juni und Juli 2020 wurde indes dargestellt, dass die Evidenz für die Wirksamkeit von Stoffmasken in der Bevölkerung, entgegen der Darstellung in vielen Medien, weiterhin sehr schwach ist.

Bei früheren Grippe-Pandemien hatten Stoffmasken keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Das oft genannte Maskenland Japan hatte seine letzte Grippe-Epidemie mit über fünf Millionen Erkrankten erst gerade vor einem Jahr, im Januar und Februar 2019. Auch den Ausbruch der Covid-Pandemie in Wuhan konnten die dort verbreiteten Masken nicht aufhalten.

Aufgrund der deutlich geringeren Hospitalisierungs- und Sterberate von Covid-19 (im Vergleich zu den ursprünglichen Annahmen) ist eine Maskenpflicht nicht unbedingt erforderlich, um „die Kurve abzuflachen”.

Im Zusammenhang mit Masken stellt sich auch die Frage, ob das neue Coronavirus durch Aerosole weiträumig übertragen werden kann. Eine echte Aerosol-Übertragung auch im Freien erscheint laut Fachleuten weiterhin unwahrscheinlich — die Verbreitung des Virus würde sonst eine andere Dynamik aufweisen und wäre entgegen der Realität oftmals nicht rückverfolgbar. Doch eine aerosolartige Übertragung in Innenräumen — insbesondere bei einer geschlossenen Luftumwälzung durch Ventilatoren oder bei intensiven Aktivitäten wie Singen und Tanzen – erscheint aufgrund verschiedener Vorfälle zunehmend wahrscheinlich beziehungsweise gesichert.

Bei einer Übertragung durch Aerosole dürften Stoffmasken aufgrund ihrer Porengröße und ungenauen Passform allerdings noch weniger Schutz bieten als bei Tröpfchen.

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