Ich schloss letzten Monat meine dritte Vorlesung mit dem Hinweis, dass gewöhnliche Deutsche sich zunehmend aus Angst bis zum Schluss hinter das Regime stellten, obwohl die große Mehrheit von ihnen bereits Mitte 1943 wusste, dass der Krieg verloren war: Angst vor Vergeltung durch die Alliierten, Angst vor Vergeltung durch die Juden, aber auch Angst davor, was das Regime selbst denen antun könnte, die aus der Reihe tanzten. Die positiven Kräfte, welche die deutsche Gesellschaft bis dahin zusammenhielten, wurden von 1944 bis Anfang 1945 zunehmend durch negative ersetzt. Das galt für die Wehrmacht genauso wie für die Zivilbevölkerung.
Angst spielte eine entscheidende Rolle dabei, die Männer zum Weiterkämpfen anzuhalten. Viele spürten eine starke nationalistische Verpflichtung, Deutschland davor zu bewahren, in die Hände der Sowjets zu fallen.
Zudem bestand ein wesentlicher Teil der jüngeren Soldaten aus Nazis, die weiterhin an die Sache und ihren Führer glaubten. Wichtiger als diese beiden Faktoren war jedoch das Bedürfnis aufseiten der Soldaten, ihre Kameraden nicht im Stich zu lassen. Zunehmend aber kämpften die Truppen aus schierer Angst — Angst davor, was ihnen passieren würde, wenn sie vor dem Feind aufgeben würden, besonders an der Ostfront, und Angst vor ihren Vorgesetzten, sollten sie Anzeichen der Schwäche zeigen.
Während des gesamten Kriegsverlaufs wurde vor deutschen Kriegsgerichten die erschütternde Anzahl von geschätzt 3 Millionen Fällen verhandelt, von denen sich lediglich 400.000 gegen Zivilisten oder Kriegsgefangene richteten. Der Rest beinhaltete Vergehen durch die Mitglieder der Wehrmacht selbst, von Wehrkraftzersetzung bis Feigheit, von Diebstahl von Lebensmittelpaketen bis zu Desertion. Plünderung, Vergewaltigung und Misshandlung der Zivilbevölkerung in besetzten Gebieten wurden hingegen kaum geahndet.
Hitler selbst hatte Richtlinien zur Anwendung von sehr drakonischen Strafen erstellt. Folglich wurden nicht weniger als 30.000 Männer zum Tode verurteilt, und mindestens 21.000 von ihnen wurden exekutiert, was in Kontrast zu den Erfahrungen der Angehörigen des Reichsheeres im Ersten Weltkrieg stand, als die Gesamtzahl der von Kriegsgerichten durchgeführten Exekutionen 48 betrug.
Der Terror wurde auch an der Heimatfront angeheizt. Das Justizministerium erklärte Anfang 1940, dass „die Aufgabe des Justizsystem während des Krieges die Eliminierung von politisch schädlichen und kriminellen Elementen ist, welche in einem kritischen Moment der kämpfenden Front einen Dolch in den Rücken stoßen könnten“ (wie 1918). Sobald der Krieg ausgebrochen war, wurde die Todesstrafe auf alle angewendet, die öffentlich versuchten, „den Willen des deutschen Volkes zu militärischer Selbstbehauptung zu untergraben“, während ein weiteres Dekret für Diebstahl während der Verdunklungszeiten ebenfalls die Todesstrafe vorsah. Jeder, der einen „Schaden“ für die deutschen Kriegsanstrengungen verursachte, konnte exekutiert werden.
Anfang 1940 wurden mehr als 40 verschiedene Vergehen mit dem Tode bestraft, darunter viele — wie die von mir erwähnten — nur schwammig definiert. Infolgedessen schoss die Zahl der zum Tode verurteilten Täter von 137 im Jahr 1939 auf fast 1.600 im Jahr 1942 und nahezu 4.500 im Folgejahr in die Höhe. Insgesamt wurden 16.000 Täter während des Krieges von den Gerichten zum Tode verurteilt, von denen 12.000, meist mit der Guillotine, exekutiert wurden, während die verbleibenden Strafen umgewandelt wurden. Die Hälfte dieser Täter waren Deutsche, der Rest ausländische Arbeiter.
Hitler argumentierte 1942, dass im Krieg, wie er sagte, „immer die besten Männer getötet werden“. Im Gefängnis „werden Körper und Geist von absoluten Taugenichtsen die ganze Zeit liebevoll umsorgt“. Um das „Gleichgewicht der Nation“ davor zu bewahren, sich in Richtung degenerativer Elemente zu verschieben, ordnete er 1942 an, dass 20.000 Kriminelle aus den staatlichen Gefängnissen entlassen und der SS zum Zwecke der „Vernichtung durch Arbeit“ in einem Konzentrationslager übergeben wurden. Währenddessen wuchs die Anzahl der Gefängnisinsassen des alten Reichs in den Grenzen von 1937 von 100.000 zu Beginn des Krieges auf 158.000 im Jahr 1944; ein Viertel davon waren Frauen, die noch 1939 weniger als 10 Prozent ausmachten.
Gefängnisse waren zur Kontrolle von Fehlverhalten und abweichenden Meinungen schon immer wichtiger gewesen als Konzentrationslager, allerdings wurden die Konzentrationslager seit 1942 zu einer wichtigen Quelle von Arbeitskraft für die deutsche Kriegswirtschaft, und ihre Besetzung schnellte von 21.000 im Jahr 1939 auf 110.000 im September 1942 beziehungsweise 715.000 Anfang 1945 in die Höhe. Staats- und Parteiterror erreichten ihren Höhepunkt in den letzten Kriegsmonaten, als sie rücksichtslos gegen eine zunehmend kriegsmüde Bevölkerung eingesetzt wurden. Urteile von Schnellgerichten — falls man sie überhaupt Gerichte nennen kann — wurden gegen jeden verhängt, der Kapitulation oder Verhandlungen mit dem bereits innerhalb Deutschlands vorrückenden Feind befürwortete.
Menschen wurden an Ort und Stelle verurteilt und öffentlich aufgehängt. Die Rolle von Zwang und Terror bei der Weiterführung des Kampfes der Deutschen darf nicht unterschätzt werden.
Dennoch waren auch positive Wirkmechanismen im Spiel, zumindest in den letzten Monaten. Der wichtigste davon war Propaganda; nicht nur in Form drohender Auslöschung durch den Feind, welche weitestgehend die ehemalige Betonung des Sieges um Mitte 1943 abgelöst hatte, sondern auch in Form des Versprechens einer Rettung in letzter Sekunde durch eine neue Generation von Wunderwaffen. Die deutsche Wissenschaft war in einigen Fachgebieten zu Beginn des 20. Jahrhunderts weltweit führend, und Wissenschaftler entwickelten während des Zweiten Weltkriegs eine Reihe von Forschungsprojekten, die Goebbels der deutschen Öffentlichkeit als Möglichkeit vorstellte, eine Wende der negativen Entwicklung Deutschlands herbeizuführen.
Hitler selbst stellte 1943 eine — wie er es nannte — „bis dahin unbekannte, einzigartige Waffe“ in Aussicht, die bald zum Einsatz kommen sollte. Auffallenderweise wurde am meisten über die Waffen berichtet, die als „V“-Waffen bezeichnet wurden, wobei das „V“ für Vergeltung stand. Mit anderen Worten: Ihr erklärter Zweck war, es den Alliierten für die von ihnen angerichteten Schäden heimzuzahlen. Die V1 war eine unbemannte fliegende Bombe, die durch ein intermittierendes Verpuffungsstrahltriebwerk angetrieben wurde und welcher der Treibstoff ausgehen sollte, sobald sie London erreichte.
Tatsächlich war sie ungefähr das, was wir heute Cruise Missile nennen würden. Die psychologische Wirkung war keineswegs vernachlässigbar, da die Einwohner von London nervös darauf warteten, dass das intermittierende Pochen der lauten Antriebe stoppte, um dann die Sekunden der Stille vor der Explosion zu zählen. Über 22.000 davon wurden von Mitte Juni 1944 bis Kriegsende abgefeuert. Aber sie kamen nur relativ langsam voran und konnten leicht von Flugabwehrgeschützen abgeschossen werden. Vielen von ihnen ging der Treibstoff zu früh aus, und aus diesen Gründen verfehlte fast die Hälfte von ihnen ihr Ziel. Als die Alliierten die Startrampen an der Küste überrannten, wurden die V1 stattdessen auf Belgien gefeuert.
Noch gefährlicher, zumindest prinzipiell, war die V2, eine vom jungen Wissenschaftler Wernher von Braun entwickelte ballistische Flüssigtreibstoff-Rakete. Im Oktober 1942 hatte er die schwierigen Probleme gelöst, eine stabile Flugbahn, wirksame Führungssysteme und aerodynamische Stabilität zu bestimmen, worauf Hitler den Beginn der Massenproduktion befahl. Die Raketen wurden himmelwärts abgeschossen und fielen dann senkrecht mit unaufhaltsamer Geschwindigkeit herab.
Die Alliierten waren sich der Bedrohung bewusst und bombardierten das Produktions- und Testgelände an der Ostseeküste. Himmler, Speer und von Braun verlegten die Fabrik in eine unterirdische Anlage in Mitteldeutschland, was Verzögerungen der Produktion verursachte. Dennoch wurden ab September 1944 die ersten Raketen auf London abgeschossen. Insgesamt wurden 3.200 gestartet, jedoch waren die meisten davon gegen Belgien gerichtet. Insgesamt wurden etwa 5.000 Menschen durch die V2 getötet. Die Raketen wurden von Gefangenen in Konzentrationslagern zusammengebaut, die unter so schlechten Bedingungen lebten, dass 20.000 von ihnen — ein Drittel der Gesamtzahl — infolge von Feuchtigkeit, Überbelegung, Krankheit, Mangelernährung und Brutalität der SS starben; somit kamen mehr Menschen bei der Produktion der Waffe um, als von ihr getötet wurden.
Die V2 konnte das Kriegsgeschehen nicht wenden, weil sie keinen Sprengkopf tragen konnte, der richtig schwere Schäden verursacht hätte. Die Aussicht auf einen solchen Sprengkopf wurde von Wissenschaftlern bestärkt, die an der Herstellung der Atombombe arbeiteten. Jedoch waren sie nie in der Lage, den nuklearen Spaltprozess zu kontrollieren, und es mangelte ihnen an notwendigen Rohmaterialien wie Wolframit und Uran. Produktion und Entwicklung der Bombe hätten Jahre gedauert, aber Deutschland hatte nicht so viel Zeit. Nervengase, unter anderem das von deutschen Wissenschaftlern 1938 erfundene Sarin, waren weitaus einfacher herzustellen. Aber sie waren so tödlich und verursachten so viele Tote und Verletzte unter den Arbeitern, die sie herstellten, dass allgemein klar war, dass ihr Einsatz auf dem Schlachtfeld oder aus Flugzeugen ein viel zu großes Risiko darstellen würde.
Zudem vermutete man, dass die Alliierten wohl in jedem Fall deutlich größere Vorräte an Nervengasen hätten und diese wohl auch einsetzen würden, sollte man dies zuerst tun. Um dieser Bedrohung zu begegnen, wurden in Deutschland während der späteren Abschnitte des Krieges Millionen von Gasmasken hergestellt. Letztlich wurde Gas nie eingesetzt. Viele weitere Waffen waren in der Entwicklung, wie etwa die V3, ein riesiges Geschütz, das auf London gerichtet werden konnte, ein strahlgetriebenes Kampfflugzeug, ein wärmesuchender Flugkörper, eine Boden-Luft-Rakete, eine neue Generation von U-Booten, die sehr lange unter Wasser bleiben konnten, ein Langstrecken-Aufklärungsflugzeug, eine Festbrennstoff-Rakete und noch viel mehr.
Und genau das war das Problem: Das Regime war nicht in der Lage zu priorisieren. Die Waffenproduktion wurde durch die für Nazideutschland so typischen politischen Grabenkämpfe erschwert. So waren die V1 und die V2 Konkurrenzprodukte der Luftwaffe und des Heeres, Werner Heisenbergs Atombomben-Team wetteiferte mit einem anderen, das dem Postministerium unterstellt war. Gelder wurden die ganze Zeit von einem zum anderen Projekt umgeschichtet, wenn eine Gruppe von Befürwortern die Oberhand gewann und sie anschließend wieder verlor. In allen Fällen mangelte es an Rohmaterialien. Die benötigte Zeit für Entwicklung, Test und dann Massenproduktion musste eher in Jahren als in Monaten gerechnet werden. Bombardierungen durch die Alliierten beschädigten oder zerstörten wiederholt Produktionsstätten und Treibstofflager.
Die Wunderwaffen waren als Propagandamittel am erfolgreichsten, indem sie zumindest einige Deutsche — vor allem entschlossene Unterstützer des Regimes — davon überzeugten, dass der Krieg doch noch gewonnen werden könne. Jedoch kursierten lange vor Ende 1944 Witze in der Öffentlichkeit, die darauf schließen lassen, dass die Menschen aufhörten, derartige Propaganda zu glauben. Ein Beispiel: „Zeitungsbericht aus dem Jahr 1950: Besprechung in Hitlers Hauptquartier zur Festlegung des Datums für die Vergeltungsmaßnahmen. Es wird einmal mehr verschoben, weil es keine Einigung darüber gibt, ob die beiden Flugzeuge nebeneinander oder hintereinander fliegen sollen.“
Am Ende konnte das Versprechen der „Wunderwaffen“ also nur einige wenige Unverbesserliche beruhigen, und dies nicht sehr lange. Um die deutsche Zivilbevölkerung bei der Stange zu halten, war der Nationalismus bedeutender, eine Kraft, die in den ersten und mittleren Jahren des Naziregimes viele Deutsche mit dem Dritten Reich und seiner Politik in Einklang gebracht hatte. Während der letzten Jahre des Krieges fingen immer mehr Deutsche an zu glauben, dass die Nazis Deutschland mit ihrem Extremismus und ihrem Übereifer betrogen hätten.
Wenn die Menschen dachten, Deutschland solle weiterkämpfen, dann zunehmend, um das Land zu bewahren, und nicht, um die Nazi-Bewegung zu retten. Dies stand im Wesentlichen im Zentrum des deutschen Widerstands gegen Hitler.
In den 1930er-Jahren waren kommunistische und sozialdemokratische Widerstandsgruppen von der Gestapo vernichtet worden, und nur sehr wenige konnten während des Krieges weitermachen: Am bemerkenswertesten war wohl das sogenannte Rote Orchester, ein lockeres Netzwerk von Linkssozialisten und Kommunisten, die versuchten, durch den heimlichen Druck und die Verteilung von Flugblättern Stimmung gegen die Nazis zu machen. Sie halfen politischen Flüchtlingen, Deutschland zu verlassen, und sie nahmen Kontakt zu den sowjetischen und amerikanischen Botschaften auf und schickten ihnen Informationen über die Kriegswirtschaft.
1942 wurde die Gruppe von der Gestapo aufgelöst, und 50 ihrer Mitglieder wurden hingerichtet. In München druckte und verteilte eine idealistische Studentengruppe, die von der Jugendbewegung der 1920er-Jahre inspiriert war, auch Flugblätter, die den Völkermord an den Juden und die an Polen und Slawen begangenen Gräueltaten anprangerten. Sie nannten sich selbst „Weiße Rose“ und wurden ebenso entdeckt und hingerichtet.
Nichts von alldem hätte jedoch zum Sturz des Regimes geführt, weil keiner der Beteiligten dazu in der Lage gewesen war. Nur die Militärs verfügten über die Mittel, einen Staatsstreich durchzuführen. Als sie Ende der 1930er-Jahre damit begonnen hatten, Pläne dafür zu entwerfen — im Glauben, Hitlers überstürzte Außenpolitik führe Deutschland in den Ruin —, rückten diese Anfang der 1940er-Jahre in den Hintergrund, als die deutschen Heere ihre größten Erfolge erzielten.
Die Diskussionen darüber setzten sich zwar 1942 fort, aber erst die dramatische Wende des deutschen militärischen Geschicks im folgenden Jahr spornte wieder zum Handeln an. Mehrere verschiedene, sich überschneidende Gruppen entstanden. Es gab konservative Politiker, die sich um Carl Goerdeler gruppierten, den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister, es gab Militäroffiziere, insbesondere im Heeresnachrichtendienst und in den mittleren und jüngeren Rängen des Stabes des Heeresgruppenzentrums Ost, und es gab die jungen Aristokraten, die sich auf dem Gut von Helmuth von Moltke in Kreisau in Niederschlesien trafen, um über das Wesen eines postnazistischen Deutschlands zu diskutieren.
Viele, wenn nicht die meisten dieser Männer, hatten irgendwann den Nationalsozialismus unterstützt, und ein paar davon hatten die Politik gegen die Juden sogar selbst umgesetzt. Dennoch gab es in der Entstehung des militärisch-aristokratischen Widerstands ein unbestreitbares Element moralischer Empörung über den Massenmord an den Juden, vor allem im Kreisauer Kreis, selbst wenn Goerdeler und andere die Pläne für fortgesetzte, wenn auch relativ milde Rassendiskriminierung von Juden in einer postnationalsozialistischen Welt ausarbeiteten. Wie Goerdeler es ausdrückte:
„Die Judenverfolgung ... (unter den Nazis) hat die unmenschlichsten, unbarmherzigsten und zutiefst beschämende Formen angenommen.“
All diese Gruppen lehnten die parlamentarische Demokratie der Weimarer Republik ab, die sie für eine der Hauptursachen für den Triumph des Nationalsozialismus hielten. Sie hielten sie für oberflächlich, spalterisch und unverantwortlich — eine Sichtweise, die natürlich nicht weit entfernt von jener der Nazis selbst ist. Sie wollten stattdessen eine Form von autoritärem Regime, das von der Aristokratie dominiert wird, oder alternativ, im Falle des Kreisauer Kreises, einen dezentralisierten Staat mit Machtausübung durch selbstverwaltete lokale und regionale Gemeinschaften. Alle waren sich einig, dass Deutschland auf Grundlage konservativer christlicher Werte neu gegründet werden müsse. In vielerlei Hinsicht blickten sie alle zurück auf die radikalen preußischen Reformer der frühen 1800er-Jahre wie Baron Karl vom Stein.
Hinzu kommt, dass sich die nationalistischen Überzeugungen des militärisch-aristokratischen Widerstands in der Annahme äußerten, dass sie mit den Alliierten — sobald Hitler weg war — einen Frieden auf der Grundlage der deutschen Grenzen von 1914 aushandeln konnten, plus Österreich, das Sudetenland und Südtirol sowie ein autonomes Elsass-Lothringen. Eine völlig unrealistische Idee, die im Mai 1944 noch immer angepriesen wurde, lange nachdem die Alliierten vereinbart hatten, dass nur eine bedingungslose Kapitulation von den Deutschen akzeptiert werden würde.
Der Kreisauer Kreis und einige der zivilen Politiker lehnten die Idee eines Attentats als unmoralisch ab, aber die jüngeren Heeresoffiziere erkannten, dass Hitler gewaltsam beseitigt werden musste. Eine Reihe von Versuchen scheiterte, manchmal durch puren Zufall, aber am 20. Juli 1944 gelang es Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg, einem hochdekorierten Armeeoffizier, der kürzlich einen Posten mit der Möglichkeit erhalten hatte, Hitlers Feldhauptquartier in Rastenburg zu besuchen, eine Bombe zu zünden, die er in seinem Koffer zurückgelassen hatte, bevor er die Baracke verließ, in der Hitler eine Besprechung der militärischen Lage durchführte. Nachdem er weggegangen war, wurde die Baracke von einer gewaltigen Explosion in die Luft gesprengt. In der Überzeugung, dass Hitler tot sei, mogelte sich Stauffenberg zu einem Kleinflugzeug durch und flog damit nach Berlin. Dort löste er mit seiner Bestätigung von Hitlers Tod die „Operation Walküre“ aus, einen ausgeklügelten Plan für einen Militärputsch.
Als Einheiten des Heeres damit begannen, Regierungsgebäude zu übernehmen, stellte sich jedoch heraus, dass Hitler überlebt hatte. Stauffenberg, der im Gefecht einen Arm und mehrere Finger der anderen Hand verloren hatte, war dadurch bei der Vorbereitung der Bombe behindert, wobei er zudem noch von einem Pfleger gestört wurde. Er konnte daher nur die Hälfte der Sprengladungen aktivieren, bevor er seine Tasche packen musste. Hitler hatte auf der gegenüberliegenden Seite eines schweren Holztisches gestanden, als die Bombe hochging und die Explosion die Fensterscheiben zerbrach und die Wände der schwachen Baracke zerstörte, sodass ihre Kraft ins Leere ging.
Die Verschwörer hatten es versäumt, die Telefonverbindung mit Rastenburg zu kappen, und Hitler, Himmler und Goebbels teilten den zaudernden Kommandeuren in Berlin — ebenso wie in Paris und Wien, wo Operation Walküre auch anlief — rasch mit, dass der Führer noch am Leben war. Tatsächlich kam Hitler im Radio, um der Öffentlichkeit zu versichern, dass der Anschlag auf ihn gescheitert war. Nun wurde auch klar, dass die Verschwörer es lediglich geschafft hatten, sich die Unterstützung einer relativ kleinen Anzahl von Heeresoffizieren zu sichern.
Die anderen betrachteten ihren Treueeid auf Hitler als bindend oder befürchteten, dass ein „Dolchstoß“ wie jener, der — wie sie glaubten — Deutschlands Glück im Ersten Weltkrieg zerstört hatte, nur kontraproduktiv sein konnte. Hitlers charismatische Autorität verblasste zwar, aber die Unterstützung durch Göring, Goebbels und Himmler war immer noch ausreichend, eine Reihe hoher Offiziere davon zu überzeugen, ihre Unterstützung zurückzuziehen oder gegen die Verschwörer vorzugehen.
Stauffenberg und einige der Hauptwiderstandskämpfer wurden festgenommen und im Oberkommando des Heeres in Berlin erschossen, andere begingen Suizid. Mehr als 5.000 Menschen, darunter die Familienangehörigen der Schlüsselpersonen, wurden auf Himmlers Anordnung hin festgenommen.
Eine Reihe von Schauprozessen folgte, in denen viele der Angeklagten vom Richter — dem Nazianwalt und Präsidenten des Volksgerichtshofes Roland Freisler — mit Beleidigungen überschüttet wurden. Sie ertrugen das mit aller Gelassenheit. Ihnen wurde jede Gelegenheit verwehrt, dem Gericht ihre Motive darzulegen, aber ein paar schafften es doch, zu Wort zu kommen. Als Freisler einem von ihnen erklärte, dass er bald in der Hölle schmoren werde, verbeugte sich der Angeklagte und erwiderte rasch: „Ich erwarte dort Ihre unmittelbar bevorstehende Ankunft, Euer Ehren.“
Insgesamt starben etwa 1.000 Menschen. Die überlebenden Hauptverschwörer wurden mit besonders dünnen Seilen aufgehängt, damit sie langsam an der Strangulierung starben. Hitler ordnete an, dass diese absichtlich erniedrigenden Exekutionen für ihn gefilmt wurden, um sich in späten Nachtsitzungen daran zu ergötzen. Bereits lange vor dem Attentatsversuch waren sich die helleren Köpfe des Widerstands im Klaren darüber, dass ihr Plan Deutschland nicht retten würde. Es war mehr eine moralische Geste, um noch etwas von Deutschlands Ehre zu retten. Im Erfolgsfalle wäre das wahrscheinlichste Ergebnis ein Bürgerkrieg zwischen den Unterstützern in der Wehrmacht und dem Rest der Streitkräfte gewesen, der von SS und NSDAP unterstützt wurde. Dennoch hätte dies den Krieg verkürzt und Millionen von Leben gerettet, auch deutsche Leben, was sicherlich genug Rechtfertigung für den Versuch gewesen war.
Der Zeitpunkt des Bombenanschlags war teilweise zufällig — es gab seit vielen Monaten eine Reihe von vorausgegangenen Versuchen —, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass die Invasion der Alliierten in der Normandie dem Projekt eine größere Dringlichkeit verschaffte. Nach der Schlacht von Kursk übernahm die Rote Armee wieder die Initiative und drang im von einigen Militärhistorikern sogenannten „vergessenen Kriegsjahr“ von Juli 1943 bis Juni 1944 unaufhaltsam vorwärts, wobei sie im Mai 1944 auf der Krim 120.000 deutsche und rumänische Soldaten aufrieb und im Juni 1944 eine großangelegte Einkesselung mit mehr als eineinhalb Millionen sowjetischen Soldaten im Bereich der zentralen Ostfront startete. Unter dem Decknamen „Operation Bagration“ wurden dabei 300.000 deutsche Soldaten in weniger als zwei Wochen getötet oder gefangen genommen.
Bei einer Art römischer Triumphparade wurden 57.000 deutsche Kriegsgefangene in Moskau vorgeführt. Viele davon hatten aufgegeben, denn sie wollten nicht dieselben Leiden erdulden, wie die deutschen Truppen sie in Stalingrad durchgemacht hatten. Bald darauf war die Rote Armee weitere 300 Kilometer nach Westen vorgestoßen und stand vor den Toren von Warschau. Da rief Stalin die Einwohner der Stadt zum Aufstand gegen die Nazis auf, aber als dieser unter Führung von polnischen Nationalisten am 1. August 1944 begann, hielt sich Stalin zurück, bis die deutschen Einheiten von SS und Polizei die Aufständischen niedergeschlagen hatten, wobei ein Großteil der Stadt dem Erdboden gleichgemacht wurde.
In zwei Monaten verzweifelter Straßenkämpfe wurden 26.000 deutsche Soldaten getötet, denen auf polnischer Seite 200.000 getötete Männer, Frauen und Kinder gegenüberstanden. Die Szenen von Mord und Zerstörung ähnelten jenen von 18 Monaten zuvor, als die letzten Überlebenden des Warschauer Ghettos sich gegen die deutschen Besatzungstruppen erhoben, anstatt in die Vernichtungslager deportiert zu werden. Auch sie wurden in ähnlicher Weise vernichtet.
Einer der Gründe für die deutsche Niederlage in der „Operation Bagration“ war einmal mehr, dass Hitler Truppen in den Westen abkommandiert hatte — diesmal im Hinblick auf die erwartete Invasion der westlichen Alliierten über den Ärmelkanal. In der Nacht vom 5. auf 6. Juni 1944 brachten mehr als 4.000 Landungsschiffe und über 1.000 Kriegsschiffe alliierte Truppen zur Küste der Normandie, die kaum geschützt war, weil Täuschungsmanöver der Alliierten die Deutschen glauben machten, die Anlandung würde anderswo stattfinden.
Die deutsche Marine und Luftwaffe waren zu schwach, um nennenswerten Widerstand zu leisten. Nun wurde der Krieg an zwei Fronten geführt. Als die alliierten Verbände sich gegen Ende 1944 der deutschen Grenze näherten, startete Hitler den Gegenangriff der Ardennenoffensive, bei dem deutsche Panzer in einem Versuch, den Erfolg von 1940 zu wiederholen, eine große Ausbeulung in die alliierten Linien schlugen, die dem Unternehmen seinen Namen gab (1).
Allerdings gab es diesmal keinen Durchbruch. Die alliierten Kräfte waren weitaus stärker und zahlreicher, die deutschen Generäle waren skeptisch und zögerlich, und den deutschen Panzern ging der Sprit aus. Ein Gegenschlag der Amerikaner brachte den Vorstoß zum Stillstand und die deutschen Kräfte wurden bald wieder zu ihren Ausgangspunkten und noch weiter zurückgedrängt. Das war die letzte ernstzunehmende Anstrengung der Deutschen, um den Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. In der Schlacht wurden 700 deutsche Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zerstört. Sie konnten nicht mehr ersetzt werden, wohingegen die Amerikaner keine Schwierigkeiten hatten, ihre Verluste auszugleichen. Als die Rote Armee die Reichsgrenzen von Osten her erreichte, war das Ende eindeutig absehbar.
Zu dieser Zeit zeigte die deutsche Gesellschaft ganz klar Zerfallserscheinungen. Nach dem Bombenanschlag hatte Hitler mehr Macht an die SS und die Partei übertragen. Himmler war seit nahezu einem Jahr Reichsinnenminister. Die Behörden verrichteten ihre normale Arbeit, aber die Armeeführung wurde mehr und mehr kaltgestellt, vor allem durch die SS, deren militärische Abteilung zunehmend eine Führungsrolle bei den Kämpfen übernahm. Dennoch konnten die Vereitelung des Bombenanschlags und die rasche Verschärfung von Sicherheitsmaßnahmen und Terror den Zerfall der deutschen Gesellschaft in den letzten Kriegsmonaten nicht mehr verhindern. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es zumindest noch so etwas wie ein normales soziales und kulturelles Leben.
Die Schauspielhäuser in Deutschland erfreuten sich zu Beginn des Krieges mit etwa 40 Millionen verkauften Eintrittskarten eines starken Anstiegs bei den Kartenverkäufen. Auch das Kino erlebte mit über einer Milliarde verkaufter Eintrittskarten 1942 — was mehr als fünfmal so viel war wie 1933 — eine Art Boom in dieser Ära vor dem Aufkommen des Fernsehers. Mehr als 20 Millionen Zuschauer sahen regelmäßig die Ausgaben der Wochenschau, in der Berichte von „eingebetteten“ Reportern und Kamerateams von Einheiten an der Front gezeigt wurden.
Außerdem wurden höhere Auflagen der führenden Tageszeitungen als je zuvor verkauft. Es gab einen weitverbreiteten Hunger nach Neuigkeiten, insbesondere bei Familien mit an der Front kämpfenden Söhnen, Ehemännern oder Vätern. Dementsprechend vermieden die Wochenschauen die Erwähnung von Niederlagen und zeigten nie Bilder von Verwundeten oder Toten. Das von ihnen dargestellte Bild des Krieges, genau wie das von den offiziellen Kriegskünstlern gezeichnete, war von negativen Aspekten bereinigt und eher heroisch als realistisch. Das wurde in den frühen, siegreichen Phasen des Krieges akzeptiert, später jedoch, als die Menschen von ihren Freunden und Verwandten erfuhren, dass die Wehrmacht eine Niederlage nach der anderen einfuhr, begannen sie, sich davon zu distanzieren, und beklagten sich darüber, dass ihnen nicht mehr die Wahrheit erzählt würde.
Die meisten Menschen zu Hause in Deutschland wollten aber Unterhaltung. Goebbels hatte das erkannt. Sein Propagandaministerium produzierte natürlich riesige Mengen an Propaganda, unter anderem über 32 Millionen Plakate und 65 Millionen Flugblätter, jedoch sei es „wichtig für den Krieg, unsere Bevölkerung bei guter Laune zu halten“, wie er 1942 bemerkte.
„Wir haben es während des (Ersten) Weltkriegs versäumt, das zu tun, und mussten dafür mit einer furchtbaren Katastrophe bezahlen. Dieses Beispiel darf sich unter keinen Umständen wiederholen.“ Goebbels sorgte dafür, dass viele Unterhaltungsfilme produziert wurden. Sie trugen Titel wie Wunschkonzert und Die große Liebe. 41 von 74 in Deutschland produzierten Filmen des Jahres 1943 waren Komödien.
Goebbels Versuch, die antisemitische Stimmung mit seinem plumpen Propagandafilm Der ewige Jude anzuheizen, wurde laut Berichten des SS-Sicherheitsdienstes von vielen Zuschauern negativ aufgenommen. Jud Süß hingegen, ein aufwendig produzierter Spielfilm mit hochkarätigen Schauspielern und einer dramatischen Handlung über Aufstieg und Fall eines jüdischen Hofbankiers im 18. Jahrhundert, war sehr populär und hatte den erwünschten Effekt. Es gab zahlreiche Berichte, dass Zuschauer aufstanden und Beleidigungen gegen die Leinwand ausriefen, wenn der jüdische Antiheld einige seiner niederträchtigsten Verbrechen und Untaten beging.
Mit dem Radio verhielt es sich ähnlich. Bis 1944 waren von den 190 Stunden wöchentlicher Programme der wichtigsten staatlichen Rundfunkkanäle 71 Stunden Unterhaltungsmusik, 55 Stunden allgemeine Unterhaltung und 24 Stunden klassische Musik, wobei noch 32 Stunden für Gespräche und Propaganda sowie 8 für allgemeine Kultursendungen übrig blieben. Soldaten und Zivilisten mochten gleichermaßen die Wunschkonzert-Sendungen. Soldaten drängten sich in ihren Bunkern in Stalingrad zusammen, um Radioübertragungen von sentimentalen Liedern in der Vorweihnachtszeit zu hören.
Das bekannteste aller deutschen Lieder aus der Kriegszeit war natürlich „Lili Marleen“, wobei es eine wechselhafte und kontroverse Geschichte hatte. Es erzählt von einem Soldaten, der seiner Liebsten unter einer Straßenlaterne vor der Kaserne Lebewohl sagt, und erinnerte damit viele an die Schmerzen der Trennung. Allerdings war seine Botschaft eine pessimistische, da der Soldat mit der Frage schloss, zu wem sie stehen würde, wenn er tot sei.
Pikant wurde das Lied auch dadurch, dass es von einer Frau gesungen wurde, der beliebten Sängerin Lale Andersen. Goebbels ließ sie im September 1942 wegen Untergrabung der Truppenmoral durch das Lied festnehmen und verbot ihr öffentliche Auftritte. Als er nachgab, tat er dies nur unter der Bedingung, dass sie nicht „Lili Marleen“ sang; allerdings sang es das Publikum bei ihrem ersten Konzert selbst, als sie dessen Wunsch nach dem Lied ablehnte. Im August 1944 wurde es komplett verboten, aber die Alliierten, die es ursprünglich vom starken deutschen Radiosender in Belgrad aufgenommen hatten, sendeten es über die Frontlinien hinweg und versuchten damit, die Deutschen zu demoralisieren und somit natürlich zu beweisen, dass Goebbels am Ende vielleicht doch recht hatte.
Die scheinbare Normalität, die durch solche Unterhaltungsprogramme gestützt wurde, endete im Sommer und Herbst 1944. Die Bombenangriffe der Alliierten zerstörten deutsche Kinos, Konzerthallen und Theater. Als Goebbels 1944 zum Reichsbevollmächtigten für den totalen Krieg ernannt wurde, ließ er die wenigen noch verbliebenen schließen. Kunstwerke waren lange vorher in Kohlebergwerke und ähnliche Anlagen geschafft worden, um ihre Zerstörung bei den Angriffen zu vermeiden. Goebbels verpflichtete auch 16.000 Studenten an die Front und 31.000 zum Dienst in der Kriegsindustrie. Nur kriegsrelevante Fächer wie Physik, Mathematik, Ballistik und Elektronik wurden weiterhin gelehrt.
Universitätsgebäude und Bibliotheken konnten wegen der Bombardierungen immer weniger genutzt werden, und Studieren war infolgedessen mehr oder weniger unmöglich geworden. Die Energien der Menschen konzentrierten sich etwa während des letzten Kriegsjahres immer mehr aufs bloße Überleben.
Als sich die militärische Lage verschlechterte und immer mehr deutsche Soldaten getötet oder gefangen genommen wurden, senkte das Regime die Altersgrenze für die Rekrutierung so lange, bis sogar 14- und 15-Jährige zum Kampf eingezogen wurden. Mädchen und Jungen wurden verpflichtet, Luftabwehr-Batterien und Suchscheinwerfer-Einheiten zu besetzen.
Am 26. September 1944 ordnete Hitler die Bildung des sogenannten Volkssturms an, einer Art von Opa-Armee, die aus allen verbliebenen Männern der Zivilbevölkerung zwischen 16 und 60 bestand. Himmler verglich die Bildung dieser Organisation mit dem Volksaufstand, der 1813 angeblich Napoleon besiegte. Ohne Uniformen, Waffen und Ausrüstung und kaum ausgebildet war sie jedoch eine traurige Ausrede für eine Armee. Es kursierten Witze über sie: „Zettel an einem Altersheim: Wegen der Einberufungen geschlossen“ oder: „Zwei Männer gehen über einen Friedhof. Da ruft ihnen ein alter Mann zu: Ihr wollt also die Verstärkung für den Volkssturm ausgraben?“ Die Realität war weniger lustig: 175.000 Angehörige des Volkssturms wurden bei Auseinandersetzungen mit den kampferprobten Truppen der Alliierten getötet.
Die Unterbrechung von Straßen und Zugverbindungen durch alliierte Bombardements machte es stetig schwerer, sich mit Essen und lebensnotwendigem Grundbedarf zu versorgen. Elektrizitäts- und Gasversorgung wurden immer häufiger abgeschaltet, und längere Unterbrechungen wurden durch die Schäden der Luftangriffe auf Kraftwerke und Versorgungsnetze verursacht.
Bis Ende 1944 wurden die Nahrungsmittelrationen mehr oder weniger auf demselben Niveau gehalten, aber dann wurden sie drastisch reduziert, was die Menschen zum Schwarzmarkthandel zwang. Zigaretten wurden zu einer Ersatzwährung. Plünderungen wurden alltäglich, in Essen wurden beispielsweise im Herbst 1944 mehr als 90 Lebensmittelläden innerhalb von zwei Wochen geplündert. In den Untergrund gegangene Fremdarbeiter lebten in ausgebombten Häusern und bildeten große Banden, die mit gestohlenen und geplünderten Nahrungsmitteln und Kleidern handelten. Insbesondere im Ruhrgebiet gab es Kämpfe mit der Polizei, bei denen Revolver und sogar Maschinengewehre zum Einsatz kamen.
Als die Rote Armee von Osten nach Deutschland vorrückte, befahl Himmler die Evakuierung der Konzentrationslager auf ihrer Route. SS-Wachen ließen die Häftlinge oft ziellos nach Westen marschieren und erschossen Nachzügler oder massakrierten manchmal ganze Gruppen. Die anderen waren durch Krankheit und Unterernährung geschwächt, und viele überlebten nicht. Von den 715.000 Häftlingen, die sich Anfang 1945 in den Lagern befanden, war bis Mitte des Jahres die Hälfte tot. Viele der Märsche endeten im Sammellager Bergen-Belsen, wo die Zahl der Ankommenden die Aufnahmefähigkeit der Einrichtung überstieg und Tausende starben, wobei der SS-Kommandant tatenlos zusah.
Immer noch besessen von dem Vorbild von 1918, ließ Hitler nun eine Reihe prominenter Gefangener töten, darunter den ehemaligen kommunistischen Parteichef Ernst Thälmann und Widerstandskämpfer wie Admiral Canaris und Dietrich Bonhoeffer. Eine große Gruppe — darunter der ehemalige Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, der selbst in den Bombenanschlag verwickelt war, der ehemalige französische Premierminister Léon Blum, der österreichische Ex-Kanzler Kurt Schuschnigg und viele andere — wurde im April 1945 in die Alpen gebracht, um erschossen zu werden, konnte aber durch das Eingreifen des örtlichen Kommandeurs gerettet werden.
Verschärft wurde das Chaos durch den wachsenden Zustrom deutscher Flüchtlinge aus dem Osten — im Februar 1945 waren es mehr als 8 Millionen —, die erkältet und hungrig waren, ihre Habseligkeiten auf Lastwagen oder Karren mit sich schleppten und nach einer Bleibe suchten. Die vollständige Kontrolle des Luftraums erlaubte es britischen und amerikanischen Bombern nach Belieben, immer weiter über Deutschland hinwegzufliegen.
Im Februar 1945 zerstörten sie die Barockstadt Dresden in einem gewaltigen Feuersturm, der fast 30.000 Menschenleben forderte. Die alliierten Armeen kamen am Boden nur langsam voran, da die Deutschen die inneren Linien hielten und darum kämpften, ihr eigenes Land zu verteidigen; aber je weiter sie vorrückten, desto weniger Ressourcen standen den deutschen Streitkräften zur Verfügung und desto schneller verloren sie Zusammenhalt und Ausrichtung.
Deutschlands Verbündete begannen 1944 das Deutsche Reich im Stich zu lassen, und in einem verzweifelten Versuch, sich Ungarns Ölvorräte zu sichern, besetzte Hitler Ungarn und setzte den langjährigen autoritären Landesführer Miklós Horthy ab. Doch Hitler wollte nicht nur Öl. Er hatte auch mehr als einmal versucht, Horthy dazu zu bringen, die große jüdische Bevölkerung des Landes auszuliefern, was ihm jedoch nicht gelungen war. Jetzt, im Sommer und Herbst 1944, trafen Adolf Eichmann und die SS im Gefolge der deutschen Wehrmacht ein und schickten mehr als 400.000 ungarische Juden nach Auschwitz in den Tod.
Die Besetzung Ungarns trug wenig dazu bei, den unaufhaltsamen Vormarsch der Roten Armee zu stoppen. Der tiefe und bittere Zorn der russischen Soldaten auf die Deutschen — sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich — infolge der Leiden und Verluste, die sie in den Jahren seit der deutschen Invasion im Juni 1941 erlitten hatten, verstärkte sich zur Weißglut, als sie die Tötungszentren Majdanek und Auschwitz entdeckten. Als sie Deutschland selbst erreichten, staunten sie über seinen Reichtum. Warum waren die Deutschen in Russland einmarschiert, wenn sie zu Hause so gut lebten?
„Wir werden Rache nehmen“, schrieb ein Soldat der Roten Armee, als er im Januar 1945 nach Ostpreußen kam, „Rache für all unsere Leiden.“ Plünderungen und Beschlagnahmungen waren ebenso Teil der sowjetischen Politik wie zuvor der deutschen. Die Amerikaner entdeckten zum Beispiel, dass vor ihrer Ankunft 80 Prozent der Industriemaschinen von Berlin in die Sowjetunion verbracht wurden. Einzelne Soldaten plünderten auch nach Belieben — Armbanduhren waren begehrt, aber auch Radios, Fahrräder, fast alles.
Mitte Mai warteten 20.000 Eisenbahnwaggons voller Beutegut in Kursk darauf, entladen und in die Heimat der Soldaten weitergeschickt zu werden. Die russischen Truppen entfesselten auch eine systematische Vergewaltigungskampagne gegen deutsche Frauen, die nun die große Mehrheit der Zivilbevölkerung an der Heimatfront bildeten. Die Zahl der Opfer ist ungewiss, aber es bestehen kaum Zweifel, dass es sich um Hunderttausende, vielleicht sogar um mehr als eine Million handelt.
Als die Russen auf Berlin vorrückten, zog sich Hitler in seinen Bunker unter der Reichskanzlei zurück, von wo aus er weiter seine Heere zur Verteidigung gegen die eindringenden feindlichen Kräfte befehligte, auch wenn die Mehrzahl der Bataillone, die er auf der Karte herumschob, nur noch in seiner Vorstellung existierte. Im März 1945 erließ er den sogenannten Nerobefehl, mit dem er die Zerstörung der verbliebenen Infrastruktur von Industrie und Grundversorgung anordnete, damit sie nicht in die Hände des Feindes fiel. Die größten Auswirkungen hätte dies jedoch auf die Situation der deutschen Zivilbevölkerung gehabt, die noch verzweifelter geworden wäre, und der Wiederaufbau nach dem Krieg wäre erschwert worden.
Rüstungsminister Albert Speer versuchte, den Befehl ins Leere laufen zu lassen, indem er Offizielle vor Ort dazu aufrief, ihm nicht nachzukommen. Hitler entzog ihm daraufhin die meisten seiner Befugnisse, aber nach einer angespannten Unterredung, in der ihm Speer in emotionaler, jedoch unverbindlicher Weise, seine Loyalität zusicherte, gestattete ihm Hitler, den Befehl selbst umzusetzen, womit es für Speer möglich wurde, ihn weiterhin zu umgehen.
An seinem letzten Geburtstag, dem 20. April 1945, trat Hitler zum letzten Mal in der Öffentlichkeit auf, um die Parade einer Einheit der Hitlerjugend abzunehmen, die bei der Verteidigung der Hauptstadt mitgekämpft hatte. Die meisten der Führungspersonen des Regimes verließen nun Berlin. Hitler gab kurzzeitig der Verzweiflung nach und sagte den Verbliebenen, dass alles verloren sei und er sich erschießen werde. Seine Entschlossenheit wurde bestärkt, als er vom schändlichen Tod des faschistischen italienischen Diktators Mussolini erfuhr, der am 27. April 1945 von kommunistischen Partisanen gefangen genommen und erschossen wurde. Sein Leichnam und der seiner Geliebten Clara Petacci wurden auf einen Platz in Mailand geworfen, wo eine Menschenmenge die Leichen schändete und sie kopfüber an einer Tankstellenüberdachung aufhing.
Als die Rote Armee bis ins Zentrum Berlins vordrang und auch der letzte vergebliche Versuch scheiterte, die Stadt von außen zu entlasten, heiratete Hitler seine langjährige Lebensgefährtin Eva Braun. Am 30. April 1945 nahm sie Gift und er schoss sich in den Kopf. Ihre Leichen wurden in den Garten der Kanzlei verbracht, wo sie verbrannt wurden und später nur anhand ihrer Gebisse identifiziert werden konnten. In seinem Testament forderte Hitler die Nachwelt auf, seinen Kampf gegen „den Weltvergifter aller Völker, das internationale Judentum“, fortzusetzen, und behauptete, er habe Millionen von Juden als Vergeltung für den Krieg töten lassen, den sie, wie er schrieb, begonnen hatten.
Hitlers Suizid war der Höhepunkt einer gewaltigen und historisch beispiellosen Welle von Suiziden, die seit März über Deutschland hinwegfegte.
Weitere führende Nazis töteten sich zu dieser Zeit oder kurz danach, unter ihnen Goebbels und seine Frau, die zunächst ihre sechs Kinder vergifteten, Himmler nach seiner Ergreifung und Identifizierung durch britische Truppen, Martin Bormann, der Gift nahm, als er von Soldaten der Roten Armee festgenommen wurde, Herman Göring viele Monate später nach seiner Verurteilung zum Tode durch Erhängen für Kriegsverbrechen, Hans Krebs, letzter Generalstabschef des Heeres, der Führer der Arbeiterfront, Robert Ley, Justizminister Otto-Georg Thierack, Erziehungsminister Bernhard Rust, der Führer der Sudetendeutschen, Konrad Henlein, der Führer der Reichsärztekammer, Leonardo Conti, sowie viele andere wie etwa 8 von 41 Gauleitern, 7 von 47 SS-Spitzenbeamten, 53 von 554 Heeresgenerälen, 14 von 98 Luftwaffengenerälen und 11 von 53 Marineadmiralen.
Magda Goebbels drückte die Überzeugung aus, die diese Menschen dazu veranlasste, sich selbst und in einigen Fällen auch ihre Familienangehörigen umzubringen, als sie schrieb: „Die Welt, die nach dem Führer und dem Nationalsozialismus kommt, wird nicht lebenswert sein.“ Hitler hatte ihrem Leben Bedeutung und Zweck gegeben, und nun sahen sie keinen Sinn mehr darin, weiterzumachen.
Bei einigen Militärführern spielte der Aspekt der Scham vor der bevorstehenden Kapitulation eine Rolle oder wegen Kriegsverbrechen vor Gericht gestellt zu werden. Viele gewöhnliche Deutsche fühlten sich auch orientierungslos, verzweifelt, überwältigt von den enormen Problemen, inmitten des Chaos weiterzumachen, oder unfähig, sich eine Zukunft ohne den Nazismus vorzustellen.
Die Zahl der registrierten Suizide in Berlin schnellte von 238 im März 1945 auf 3.881 im April hoch und ging im Mai wieder auf 977 zurück — ein Trend, der an vielen anderen Orten ebenso beobachtet wurde. Vor allem in Ostdeutschland haben sich ganze Familien aus Angst vor der Roten Armee umgebracht, und viele Frauen begingen aus Scham Selbstmord, nachdem sie vergewaltigt worden waren. Die ganze Zeit über hatte der Nationalsozialismus die Doktrin der Selbstaufopferung und des Heldentodes für seine Sache gepredigt, am Ende folgten dem viele Deutsche aus dem einen oder anderen Grund.
Für die große Mehrheit der Deutschen dürfte das Ende des Dritten Reiches jedoch eine willkommene Erleichterung gewesen sein. Die Nazipartei zerfiel, und es gab keinen ernsthaften Versuch, sie wiederzubeleben. Goebbels versuchte vor seinem Tod, eine Widerstandsbewegung zu gründen, die er „Werwolf“ nannte, die jedoch so gut wie keine Anhänger hatte. Überall im von den Deutschen besetzten Europa waren Widerstandsbewegungen entstanden, aber — außer in Serbien — erst, als klar geworden war, dass die Deutschen den Krieg nicht gewinnen würden. In den Jahren ihrer größten Triumphe, von 1939 bis 1941, sah niemand viel Sinn darin, eine Widerstandsbewegung zu gründen. In Deutschland wurde nach Kriegsende sehr deutlich, dass die Alliierten einen vernichtenden Sieg errungen hatten und dass Widerstand sinnlos war.
Deutschland war fast vollständig zerstört worden, und viele Menschen warfen Hitler vor, bis zum Ende weitergekämpft zu haben, anstatt früher aufzugeben. Der Glaube an ihn hatte das Regime zusammengeschweißt und das Volk an ihn gebunden. Als er tot war, sahen viele nichts mehr, wofür sie kämpfen konnten. Auch hatte der Nationalsozialismus die ganze Zeit eine Propagandaflut produziert mit Parolen wie „Die Macht hat immer recht“, „Dem Sieger gehört die ganze Beute“ oder „Der Gewinner bekommt alles“. Nun wandte sich dieser Glaube gegen das Dritte Reich selbst, das so vollkommen und restlos zusammenbrach wie kein anderes Regime in der deutschen Geschichte vorher. Nicht zuletzt war die alliierte Besatzung so umfassend und erdrückend, dass die Perspektive auf einen erfolgreichen Widerstand selbst den verbliebenen Nazi-Fanatikern, die ihn noch in Betracht zogen, eindeutig aussichtslos erschien.
Rückblickend ist es weniger überraschend, dass Deutschland den Krieg verloren hat, sondern dass das Dritte Reich in seinen Anfangsjahren so erfolgreich war.
Es war besser vorbereitet als seine Feinde, es schlug sie mit neuartigen Taktiken, die sie nur langsam zu kontern lernten, es hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite und eine Menge Glück. Seine Feinde waren gespalten, verwirrt und schlecht koordiniert. Aber Deutschland fehlten die wirtschaftlichen Ressourcen, um gegen das Britische Weltreich, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika gleichzeitig zu kämpfen, und selbst als es die fortgeschrittenen Volkswirtschaften Westeuropas und die Getreidevorräte der Ukraine erobert hatte, verspielte es das mit seiner brutalen Ausbeutungspolitik.
Am Ende ist es müßig zu fragen, was passiert wäre, wenn die Dinge anders gelaufen wären — wenn Hitler beispielsweise nicht in die Sowjetunion einmarschiert wäre oder wenn er den Vereinigten Staaten nicht den Krieg erklärt hätte oder wenn Großbritannien einen separaten Frieden unterzeichnet hätte oder wenn die Nazis den Krieg beendet hätten, als sie am Gewinnen waren. Nichts davon war eine realistische Perspektive. Der Nationalsozialismus war keine rationale Ideologie der Real- und Machtpolitik. Er war grenzenlos in seinem Ziel der Weltherrschaft und seiner Doktrin des immerwährenden Krieges und Konflikts, grenzenlos in seiner Abscheu und Verachtung gegenüber Juden, Slawen und anderen, die er als seine rassischen Feinde betrachtete, grenzenlos in seiner Verherrlichung der Gewalt und seiner Bereitschaft, sie um jeden Preis einzusetzen.
Am Ende hinterließ der Nazismus in der Tat nichts als Zerstörung. Die Kosten des Krieges waren enorm. Mehr als fünf Millionen deutsche Angehörige der Streitkräfte und eine weitere halbe Million Zivilisten starben. Elf Millionen Deutsche flohen oder wurden aus Osteuropa vertrieben. Nach eigenen Schätzungen verlor die Rote Armee elf Millionen Männer; andere Schätzungen nennen eine mehr als doppelt so hohe Zahl.
Die Russen verloren 100.000 Flugzeuge, 300.000 Artilleriegeschütze und fast 100.000 Panzer und Selbstfahrlafetten. Sechs Millionen Juden und viele Tausend Angehörige anderer Minderheiten wurden getötet, darunter Sinti und Roma, Homosexuelle, sogenannte „Asoziale“, psychisch Kranke und Behinderte — 200.000 allein in Deutschland. Millionen von Zivilisten kamen durch Massaker, Schießereien, Hunger und Krankheiten in Griechenland, Serbien, Kroatien und Osteuropa um. Es brauchte viele Jahre, um die physischen Zerstörungen von Städten und Gemeinden in Mittel- und Osteuropa wieder zu beseitigen.
Die alliierte Besetzung Deutschlands dauerte fast ein halbes Jahrhundert, bis 1990. Sie begann mit einem massiven Programm von Entnazifizierungs- und Kriegsverbrecherprozessen, die trotz all ihrer Unzulänglichkeiten und Unvollkommenheiten im Rückblick als erfolgreich angesehen werden können. Die Erfahrung des Nationalsozialismus und des Krieges zerstörte die alten Traditionen des deutschen Nationalismus vollständig, ebenso wie die Überwindung des Erbes des Klassenkonflikts, der eine so unheilvolle Rolle bei der Machtergreifung der Nazis gespielt hatte. Es gab kein Wiederaufleben des Nationalsozialismus, außer an den äußeren Rändern der Politik, es wird kein Viertes Reich geben. Faschismus sowie Antisemitismus, und darüber hinaus Rassismus allgemein, sind weitgehend diskreditiert worden. Der Zweite Weltkrieg hat Deutschland und die Deutschen für immer verändert, er hat auch die Welt verändert, und fast 70 Jahre später leben wir immer noch in seinem Schatten, wenn auch in weniger scheinbarer und offensichtlicher Weise als noch vor einem halben Jahrhundert.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The fall oft he third reich“. Er wurde von Detlev Wagner vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.