„Die Zukunft des Islams kann nur in einer Anpassung an das europäische Geistesleben bestehen, sonst sind seine Tage gezählt“ (Carl-Heinrich Becker, Islamwissenschaftler und später preußischer Kultusminister, 1924) (1).
„Die Beziehung von Okzident und Orient ist eine Beziehung von Macht, Herrschaft und verschiedenen Graden einer komplexen Hegemonie“ (Edward Said) (2).
Die Stärke und Wucht, mit der der antimuslimische Rassismus sich durchsetzte, wäre ohne die lange Geschichte des Feindbildes Islam in Europa nicht denkbar gewesen. Der Islam ist neben dem Judentum das älteste und wirkungsmächtigste Feindbild auf dem Kontinent. Die geographische Nähe zwischen Europa und der islamischen Welt, die gemeinsame wechselvolle und oftmals konfliktreiche Geschichte sowie die Tatsache, dass die islamische Welt Europa über Jahrhunderte überlegen war, haben dem Islam einen besonderen Stellenwert in der europäischen Imagination verliehen (3).
Als sich Europa im Mittelalter als Kontinent mit einer eigenen Identität zu konstituieren begann, tat es das unter Ausschluss aller orientalischen Einflüsse und in Abgrenzung gegen den Islam. Europäer sein hieß vor allem kein Muslim zu sein.
Viele der heute gängigen antimuslimischen Stereotype wurden bereits im Mittelalter ausgebildet und in der Folgezeit erweitert. Sie schlummerten im europäischen kollektiven Gedächtnis und es war ein Leichtes, sie zu gegebener Zeit wiederzubeleben.
Der Islam war seit seiner Entstehung im 7. Jahrhundert für Europa nicht nur eine religiöse, sondern auch eine geographische, machtpolitische und zivilisatorische Herausforderung. Bereits im 7. Jahrhundert fielen christliche Gebiete des byzantinischen Reiches wie Ägypten, Syrien und Palästina unter muslimische Kontrolle. Im Jahre 711 setzten arabische Truppen nach Europa über und gründeten in Andalusien eine blühende Zivilisation, die 800 Jahre Bestand hatte und den europäischen Kontinent maßgeblich beeinflussen sollte.
Im 9. Jahrhundert erreichte die arabische Eroberungswelle auch Sizilien und Süditalien. Arabische Schiffe brachten Händler und Räuber an die italienischen und französischen Mittelmeerküsten, wo sie Stützpunkte errichteten. Im 10. Jahrhundert stießen Muslime ins mittlere Rhonetal vor, griffen Piemont an und gelangten in das Gebiet der heutigen Ostschweiz. Innerhalb weniger Jahrzehnte entstand ein islamisches Weltreich, dessen Ausdehnung nur noch mit der des chinesischen Reiches zu vergleichen war. Die arabisch-islamische Welt wurde zu einer internationalen Handelsmacht mit einer hochentwickelten Zivilisation. Zwischen dem 8. und dem 16. Jahrhundert war der muslimische Osten dem christlichen Westen in jeder Hinsicht überlegen.
Die europäische Auseinandersetzung mit dem Islam begann direkt nach dessen Entstehung im 7. Jahrhundert und war größtenteils von Feindseligkeit geprägt. So schreibt der palästinensisch-amerikanische Literaturwissenschaftler Edward Said:
„Es war mir nicht möglich, in der europäischen oder amerikanischen Geschichte seit dem Mittelalter eine Periode zu entdecken, in der außerhalb eines von Leidenschaft, Vorurteil und politischem Interesse geschaffenen Rahmens über den Islam im Allgemeinen diskutiert oder nachgedacht wurde“ (4).
Die ersten, die sich über den Islam ereiferten, waren die Kirchenväter. Der Islam hatte Elemente der ihm vorausgehenden monotheistischen Religionen in sich aufgenommen. Er erkannte das Judentum und das Christentum als „Schriftreligionen“ an, erhob aber den Anspruch, diese zu transzendieren. Das Christentum seinerseits sah sich als allein seligmachender, letztgültiger Glaube und erkannte keine anderen Religionen an. Die Kirchenväter betrachteten den Islam zunächst als Heidentum und Götzenreligion und ab dem 12. Jahrhundert als Häresie. Die christlichen Traktate über den Islam waren von Polemik und Spott gekennzeichnet. Muhammad, der Prophet des Islams, wurde nach Kräften diffamiert, etwa als „Betrüger“ und „Anti-Christ“.
So hieß es beispielsweise, er sei Epileptiker – also nach damaligem Verständnis ein Geisteskranker – gewesen und somit die von ihm verkündeten Offenbarungen Ausdruck einer Geisteskrankheit. Andere behaupteten, der Prophet habe seine Inspiration von einer Taube bekommen, die ihm gewohnheitsmäßig Erbsen aus den Ohren pickte. Sehr beliebt war auch die Geschichte, dass ein abtrünniger christlicher Mönch dem Propheten seine Offenbarungen diktiert habe.
Einige wenige, zumeist von Geistlichen verfasste Schriften prägten das Islambild des frühen Mittelalters. Zu den wichtigsten gehörten die Schriften des Bischofs Isidor von Sevilla (gestorben 636). Dieser schrieb zwar nicht über den Islam, sondern über das biblische Volk der Ismailiten – die Nachkommen von Ismail, Abrahams Sohn mit der Magd Hagar –, was er aber den Ismailiten zuschrieb, wurde auf die Anhänger der neuen Religion Islam übertragen. So hieß es bei Isidor, Ismail habe die Anbetung von Götzen in Gestalt von Statuen oder Bildern eingeführt, in denen die Heiden Dämonen und den Teufel selbst anbeteten. Ein weiterer zentraler Text war der fiktive Briefwechsel zwischen einem Muslim und einem Christen am Kalifenhof, der von einem anonymen Autor verfasst wurde. Darin wurde auch auf das ausschweifende Sexualleben des Propheten – einer der gängigen Topoi der mittelalterlichen Islampolemik – eingegangen und am Ende der Schluss gezogen, dass der Koran nichts anderes als das Gesetz des Teufels sein konnte.
Der englische Mönch Beda Venerabilis (gestorben 735) verfasste ein ähnlich umfangreiches Werk wie Isidor von Sevilla, dem ebenfalls große Autorität zukam. Er beschäftigte sich mit dem Begriff der Sarazenen, der sich mehr und mehr als Bezeichnung für die Muslime durchsetzte. Das sei unlogisch, erklärte er, da diejenigen, die Sara(h)zenen genannt wurden, gerade nicht von Sarah (Abrahams Ehefrau) sondern von der Magd Hagar abstammten. Daher nannte er sie Agarenen, ein Wort, das sich von Hagar ableitet und in den Augen Bedas umso treffender war, da es sich von Hebräisch ger („Feind“) ableite. Mit der Zeit vermischte sich das Bild der heidnischen Sarazenen mit dem der heidnischen Römer, von denen die frühen Christen verfolgt worden waren.
Die Äbtissin Hrotsvit von Gandersheim (gestorben 975) war die erste lateinische Autorin, die Sarazenen mit den klassischen römischen Götzenanbetern gleichsetzte und damit eine neue literarische Tradition schuf. Hrotsvit schilderte einen Sarazenen, der von den Dämonen besessen ist, die er anbetet. „In seiner verwerflichen sexuellen Gier verlangt er nach christlichen Jungs, die er köpfen lässt, als sie ihm nicht zu Willen sind, bevor er mit seinem Flammenschwert in die Schlacht gegen die Christen zieht“ (5). Aber trotz der Polemik und Dämonisierung war die neue „Götzenreligion» zunächst nur einer von vielen Feinden und bei weitem nicht der wichtigste.
Eine neue Qualität der Auseinandersetzung kristallisierte sich im neuen Jahrtausend heraus, als am 27. November 1095 Papst Urban II. auf dem Konzil in Clermont zum ersten von sieben „Heiligen Kriegen“ der lateinischen Christenheit gegen den Islam aufrief. Dabei spielte die Idee des „christlichen Friedens“ eine zentrale Rolle. Die zahllosen innerchristlichen Kriege und Fehden sollten beendet und an ihre Stelle eine innerchristliche Allianz für den Krieg gegen die Muslime gesetzt werden. Die Idee, „das Heilige Land“ zu befreien, ergriff die Massen und machte die Kreuzzugsbewegung zu einer breiten Bewegung des Hochmittelalters. Es wurde propagiert, dass es die Verpflichtung aller Christen, ja gleichsam für das Seelenheil notwendig sei, in den Krieg gegen die „Heiden“ zu ziehen.
Bernhard von Clairvaux, der der Nachwelt als namhafter Theologe gilt und von der Kirche heiliggesprochen wurde, steht beispielhaft für dieses neue militante Christentum. In einer seiner Predigten, mit der er zum Kreuzzug mobilisierte, erklärte er:
„Ein Soldat Christi tötet sicher, stirbt aber noch sicherer. Für ihn nämlich ist es gut, wenn er stirbt. Für Christus aber, wenn er tötet. Nicht ohne Grund trägt er sein Schwert: als Diener Gottes ist seine Bestimmung das Böse zu rächen, das Gute aber zu verherrlichen“ (6).
Das im 11. Jahrhundert in diesem Zusammenhang entstandene „Rolandslied“ kann als Beispiel herausragender psychologischer Kriegsführung betrachtet werden. Raimund Rütten schrieb darüber:
„Der Missionierungsdrang der Christen steigert sich in diesen Versen des Rolandsliedes zu Fanatismus, der nicht mehr nur Bekehrung will, sondern Ausrottung der Unbekehrbaren fordert. Diese Alternative ist eines der Wesensmerkmale der Kreuzzüge, sei es der Normannenzüge gegen die Muslime in Sizilien, der ›Reconquista‘ in Spanien oder des ersten großen Kreuzzuges von 1096. Besonders jedoch die Kreuzzugsunternehmungen der französischen Ritter gegen die iberischen Muslime am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts prägt diese Atmosphäre der Intoleranz“ (7).
Bei der Eroberung Jerusalems durch die europäischen Kreuzritter 1099 wurde die multireligiöse und multiethnische Bevölkerung der Stadt massakriert. Danach wurde dort ein früher europäischer Siedlerkolonialismus errichtet, der 1187 unter der Führung von Salah al-Din al-Ayoubi beendet wurde. Die letzte Kreuzfahrerfestung in Akkon fiel 1291. Damit war der Traum der Wiedereroberung des Heiligen Landes für lange Zeit ausgeträumt.
Im Bewusstsein der arabischen Welt spielen die Kreuzzüge als historische Vorläufer der bis heute andauernden westlichen Aggression und Gewalt eine große Rolle (8).
Während der Kreuzzüge wirkten die Stereotype weiter, die sich bereits im frühen Mittelalter herausgebildet hatten, von denen einige bis heute im Umlauf sind. Die Chronisten des ersten Kreuzzugs schilderten den Islam noch immer als Götzenreligion, obwohl sie durch die Konfrontation mit der Realität eines Besseren hätten belehrt werden können. So schrieben sie, dass die muslimischen „Heiden“ im Felsendom, den sie Salomons Tempel nannten, ein silbernes Idol Muhammads anbeteten.
Erst während des Zweiten Kreuzzuges wurde das Bild, dass die Sarazenen Götzenanbeter seien, korrigiert. Bei der Dämonisierung der Muslime standen schon damals die Themen Gewalt und Grausamkeit einerseits und Sexualität und Frauen andererseits im Mittelpunkt. Das waren die Haupttopoi, mit denen Heiden und Häretiker allgemein verunglimpft wurden. Gräuelpropaganda wurde in Umlauf gebracht, wonach Muslime christlichen Kreuzfahrern bei lebendigem Leibe die Gliedmaßen abgehackt und mit einer Winde die Gedärme aus dem Leib gezogen hätten (9).
Parallel dazu begann bereits im 10. Jahrhundert die christliche Eroberung der muslimisch kontrollierten Gebiete der iberischen Halbinsel. Das wurde als „Reconquista“ – Wiedereroberung – bezeichnet, obwohl es eine Conquista – eine Eroberung – war. Das heutige Spanien entstand erst im Kampf gegen das arabische Kalifat und die sie ablösenden Kleinkönigtümer.
Im 13. Jahrhundert begann die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Islam. Diese hatte freilich das Ziel, den Feind zu kennen, um ihn bekehren, oder besser: bekämpfen zu können.
Der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis (gestorben 1156), veranlasste die erste Übersetzung des Korans ins Lateinische, versehen mit vielen Randbemerkungen über den abergläubischen und teuflischen Inhalt des Textes, „damit bekannt werde, welch unflätige Häresie hier vorliegt“ (10).
Die Expansion des sich seit dem 14. Jahrhundert herausbildenden Osmanischen Reiches führte zu einer Wiederbelebung des Kreuzzugsgedankens.
Die Osmanen expandierten in einem ähnlich rasanten Tempo wie der frühe Islam. Im 14. Jahrhundert breitete sich das Osmanische Reich gleichzeitig in Kleinasien und Europa aus. Bis Ende des 14. Jahrhundert hatte es große Teile Südosteuropas unter seine Kontrolle gebracht und dort Vasallen eingesetzt. In den folgenden drei Jahrhunderten kam es kontinuierlich zu Kriegen, in denen christliche Herrscher versuchten, diese Gebiete zurückzuerobern, meist ohne Erfolg.
Die Eroberung von Konstantinopel, dem Zentrum des christlichen Byzanz, im Jahr 1453 durch die Osmanen war ein Schock für die europäische Christenheit. Obwohl Byzanz keine bedeutende Macht mehr war, wirkte das Prestige und die Bedeutung von Byzanz als „zweites Rom“ nach. Sofort wurden Anklagen über Grausamkeiten bei der Eroberung der Stadt durch die Türken in Umlauf gebracht – die sogenannten „türkischen Grausamkeiten“. Kardinal Enea Silvio Piccolomini, der nur wenige Jahre später zu Papst Pius II. wurde, rief bereits 1454 zu einem Kreuzzug gegen die Türken auf. Auch sein Nachfolger Pius III. (1439–1503) war ein wortgewaltiger Propagandist des Heiligen Krieges (11).
Nur wenig später trafen das Habsburgerreich, das sich zu einer der stärksten Mächte Europas entwickelt hatte, und das Osmanische Reich aufeinander. 1529 belagerten osmanische Truppen die Stadt Wien. „Türkengefahr“ und „Türkenfurcht“ prägten über Jahrzehnte das Klima in Europa. 1530 ließ Papst Clemens VII. den Koran zum Zeichen seiner Abscheu öffentlich verbrennen.
Martin Luther, der sonst kaum je mit dem katholischen Papst übereinstimmte, bezeichnete im selben Jahr den Koran als ein „verfluchtes, schändliches Buch voller Lügen“. In Türkenmessen, Türkenpredigten und Türkenglocken verbreitete die Kirche die „Türkengefahr“. Hinzu kamen Türkenlieder und illustrierte Druckblätter. Das erste Erzeugnis der Druckerpresse, die Johann Gutenberg nur ein Jahr nach dem Fall von Konstantinopel erfunden hatte, war eine Kampfschrift gegen die Türken gewesen (12).
Durch die illustrierten Druckblätter verbreitete sich das Feindbild Türke/Muslim über große Teile Europas, sodass sich in Frankreich das „Türkenbild“ nicht wesentlich von dem im Habsburgerreich unterschied. In der antitürkischen Propaganda wurden vor allem Grausamkeiten, Zerstörung der Familie, Vielweiberei und Homosexualität in den Vordergrund gestellt. Diese Propagandaanstrengungen waren auch deswegen nötig, weil das Osmanische Reich auf die bäuerliche Bevölkerung in Mittel- und Osteuropa eine gewisse Anziehungskraft ausübte.
Nicht nur gab es dort in Bezug auf die Religion eine größere Toleranz, die sich darin zeigte, dass Protestanten ihren Glauben in den von den Osmanen eroberten Gebieten frei von jeder Verfolgung ausüben konnten. Hinzu kamen Berichte über die sehr viel größere soziale Mobilität, die im Gegensatz zur europäischen Ständegesellschaft eine Würdigung von Verdiensten erlaube. So gab es innerhalb des Habsburger Reiches auf protestantischer Seite eine starke Gruppe von Befürwortern eines Zusammengehens mit den Osmanen. 1683 vor Wien kämpften auf Seiten der Osmanen auch ungarische Protestanten, die lieber von einem osmanischen Muslim regiert werden wollten als von den katholischen Habsburgern, von denen sie als „Ketzer“ verfolgt wurden. Diese protestantischen Ungarn wurden von ihren katholischen Gegnern verächtlich „Kuruzzen“ genannt. Daher kommt der bis heute im süddeutschen Sprachraum verbreitete Fluch „Kruzitürken“ (13).
1683 kam es im unter dem Großwesir Kara Mustafa zur zweiten Belagerung Wiens. Bei einem Sieg der Muslime würden alle Kirchen Wiens in Moscheen umgewandelt und der christliche Glaube rigoros unterdrückt werden, so hieß es. Das Ereignis wurde auf christlicher Seite als epochaler Entscheidungskampf zwischen Christentum und Islam dargestellt. „Der Kampf gegen die Moslems erzeugt Europa als Einheit, die Muslime selbst sind dabei zu oft nicht nur ‚Feind‘, sondern auch Gegenstand mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Apokalyptik, einer Naherwartung des Endes der Welt“, erklärt Stefan Hirsch.
„Das Osmanische Reich ist keine Bedrohung wie andere auch, im Spätmittelalter und früher Neuzeit kündet der ‚Türkensturm‘ die nahe Apokalypse an“ (14).
Die apokalyptische Stimmung schlug sich auch in der im 16. Jahrhundert aufkommenden Vorstellung von der Rückkehr der Juden nach Palästina nieder, wo sie gegen Sarazenen und Türken kämpfen, zum Christentum konvertieren und das protestantisch-englische Königreich Christi ausrufen würden. Zunächst wurde das als Ketzerei abgelehnt, konnte aber im 17. Jahrhundert Akzeptanz erlangen und prägt bis heute die Vorstellungswelt sehr vieler US-amerikanischer, evangelikaler Christen.
Zur Zeit der Türkenkriege begann die Verlagerung des religiös begründeten Feindbildes Islam auf das ethnisch begründete Feindbild „Türke“. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurde es üblich, Muslime und Türken gleichzusetzen. Das lag einerseits am schwindenden Einfluss der katholischen Kirchen und den innerchristlichen Kämpfen sowie andererseits an der beginnenden „Entklerikalisierung und Entsakralisierung des Weltlichen“ im Rahmen der frühkapitalistischen Entwicklung (15).
Diese tendenzielle Verlagerung des Feindbildes Islam zum Feindbild „Türke“ ging einher mit der Neudefinition der Christen als Europäer. Die ersten Ansätze dazu machten italienische Humanisten nach dem Fall von Konstantinopel im Jahr 1453. Flavio Biondo (1392–1463) entwarf Europa als ein Gebilde, mit dem man sich identifizieren konnte. Er deutete den ersten Kreuzzug, der in den mittelalterlichen Chroniken als Unternehmung der Franken galt, als paneuropäisches Projekt neu.
Die lateinische Christenheit definierte er als europäische Christenheit und verglich die Kreuzzüge mit dem Kampf gegen die Türken: Dadurch machte er aus den aggressiven, offensiven Kreuzzügen eine defensive Aktion, mit der Europa in der gleichen Weise vor einer Bedrohung von außen hätte geschützt werden müssen wie während der Auseinandersetzung mit den Türken. Diese Neudeutung des Kreuzzuges durch Biondi spielte eine wichtige Rolle „für die Wahrnehmung und Einordnung der osmanischen Expansion, für ihre Apperzeption (16) als eine die gesamte lateinische Christenheit bedrängende Türkengefahr und für die Ausbildung des Deutungsmusters ‚Europa‘ und die ‚Türken‘“ (17). Auch Piccolomini verwob Europa und das Christentum. Er wurde nicht müde zu betonen, dass das Christentum nun nach Europa zurückgedrängt worden sei.
Die Erfindung des rückständigen und irrationalen Orients während der Aufklärung
Nach der Zurückdrängung der osmanischen Angriffe auf Europa und der Eroberung vieler Gebiete, die unter osmanischer Kontrolle gestanden hatten, begann sich das Bild des Islams zu wandeln. Jetzt, da von Muslimen keine Gefahr mehr ausging, wurden sie und ihre Zivilisation verächtlich gemacht oder romantisch verklärt. In der Folgezeit setzte sich einerseits ein Bild vom minderwertigen Orient durch, und andererseits kam es in den besseren Kreisen der europäischen Gesellschaften zu einer regelrechten Orientschwärmerei.
Im ausgehenden 17. Jahrhundert wurde der Orient zur Projektionsfläche für ausschweifende Erotik und Rauschträume. Am französischen Hof von Ludwig dem XIV. wurden „Turqueries“ beliebt, galante Muslime bevölkerten die Theaterstücke. Antoine Gallands Übersetzung von Tausendundeine Nacht (1704–1717) lieferte den Hintergrund für die Vorstellungen vom exotischen Orient. Diese Orientschwärmerei hielt über Jahrzehnte an. Die Orientbilder französischer Maler wie Eugène Delacroix und Lamartine sowie die literarischen Werke britischer und französischer Schriftsteller wie Gustave Flaubert aus dem 19. Jahrhundert legen Zeugnis davon ab (18).
Parallel dazu wurden muslimische Gesellschaften während der Aufklärung als negative Gegenfolie des neuen Europas konstruiert, das sich als rational und der Wissenschaft huldigend betrachtete. Die Aufklärer machten sich daran, das Wissen der Welt zu sammeln. Sie verfassten Enzyklopädien und trugen erstmals auch Wissen über den Islam und muslimische Gesellschaften zusammen. Die französischen Aufklärer drückten dabei ein widersprüchliches Verhältnis zu dem von ihnen behandelten Gegenstand aus. Einerseits betrachteten viele von ihnen den Islam als eine tolerantere Religion als das Christentum, andererseits benützten sie den Islam und seinen Propheten in Angriffen, die eigentlich gegen die katholische Kirche gerichtet waren, als Platzhalter und projizierten all das, was sie am Christentum verurteilten, auf den Islam.
Ein Beispiel für die Betrachtung des Islams als Verkörperung von Toleranz ist Gottfried Ephraim Lessings Ringparabel. Auch Johann Wolfgang von Goethe stand dem Islam positiv gegenüber und würdigte den großen Einfluss des Orients auf die Entwicklung Europas, wie sein West-östlicher Divan zeigt. Voltaire hingegen porträtierte Muhammad in seiner allgemeinen Kritik der Religion als Hochstapler und Fanatiker, um damit der Kirche einen Spiegel vorzuhalten. Auch Denis Diderot und andere Aufklärer verbanden den Islam mit Fanatismus. Parallel dazu hielt das Motiv der Rückständigkeit Einzug.
Viele Aufklärer hoben die wissenschaftlichen und kulturellen Leistungen der islamischen Zivilisation in der Vergangenheit hervor, betonten aber gleichzeitig, dass diese Blüte vorbei sei. Die islamische Zivilisation befände sich nach der Niederlage der Osmanen im Verfall. Sie führten das auf den Islam zurück, der die orientalischen Gesellschaften daran gehindert habe, am Fortschritt, wie er sich in ihren Augen in Europa Bahn brach, zu beteiligen. Das war eine typische Projektion. Da es in Europa die Kirche war, die sich gegen Wissenschaft und Fortschritt gestellt hatte, meinten sie nun, der Islam habe im Orient eine ähnliche Rolle gespielt.
Die Aufklärung brachte ein Islambild hervor, in dem all das, wovon Europa sich abgrenzen wollte, auf den Orient übertragen wurde: Rückständigkeit, Fanatismus, Wissenschaftsfeindschaft und Despotismus. Der Islam und die muslimische Welt wurden immer als genau das Gegenteil dessen, wie die neuen europäischen Eliten sich selbst sahen, dargestellt. Wieder spielte der Islam die Rolle des „Alter Ego“ Europas (19).
Orientalismus: Der koloniale Blick auf den Orient
Mit dem Aufstieg Europas im 15./16.Jahrhundert veränderte sich das Verhältnis zwischen Orient und Okzident grundlegend. Nach der Vertreibung der Muslime und Juden schickten sich Spanien und Portugal an, Weltmächte zu werden. Sie expandierten nach Nordafrika und eroberten und versklavten große Teile Lateinamerikas. Im 16. Jahrhundert begann die Unterwerfung von Gebieten des heutigen Indonesiens, die den holländischen Kolonialismus einleitete. Später kamen andere europäische Kolonialmächte hinzu. Die meisten westeuropäischen Länder waren zu unterschiedlichen Zeiten Kolonialmächte.
Europa wurde so stark, dass es bis zum 19. Jahrhundert 85 Prozent des Erdballes unterwerfen und kolonisieren konnte. Mit dem Kolonialismus kam der Rassismus. Die alte Feindschaft gegen den Islam bekam ein neues Gewand und eine neue Qualität. Die Vorwürfe des gegen Muslime gerichteten kolonialen Rassismus waren Rückständigkeit, Fanatismus und Frauenunterdrückung. Dieser koloniale Blick prägt die Wahrnehmung der westlichen Welt bis heute.
Aus dem kolonialen Machtverhältnis heraus bestimmte Europa, was der Orient sei und wie die Muslime und Araber seien. Als Orient galt damals mehr oder weniger alles östlich von Europa. Erst später verengte sich der Begriff auf die arabische und muslimische Welt. Aber in beiden Fällen gilt, dass „der Orient“ erst durch die Definition des Okzidents geschaffen wurde. Edward Said bezeichnet das als „imaginierte Geographie“ (20).
Der Begriff Orientalismus bedeutet nicht nur das Studium und die Lehre vom Orient, sondern darüber hinaus einen umfassenden Diskurs über „den Orient“, an dem auch Kolonialbeamte, Künstler, Politiker und Intellektuelle beteiligt waren – und weiterhin sind. Edward Said, der 1978 sein bahnbrechendes Werk „Orientalism“ vorlegte, benennt drei Ebenen des Orientalismus: die akademische, die allgemeine kulturelle und erkenntnistheoretische Ebene sowie die institutionelle und politische Ebene. Der Kern des Orientalismus ist, dass ein ontologischer und erkenntnistheoretischer Unterschied zwischen Orient und Okzident gemacht wird.
„Orientalismus ist ein Denkstil, der auf einer ontologischen und erkenntnistheoretischen Unterscheidung zwischen ‚dem Orient‘ und (meistens) ‚dem Okzident‘ basiert. So hat eine sehr große Anzahl von Autoren, darunter Dichter, Romanciers, Philosophen, politische Theoretiker, Ökonomen und imperiale Verwaltungsbeamte die grundlegende Unterscheidung zwischen Osten und Westen als Ausgangspunkt für komplizierte Theorien, Epen, Romane, soziale Beschreibungen und politische Berichte in Bezug auf den Orient, seine Bevölkerung, Sitten, ‚Geist‘ (mind), Schicksal und so weiter akzeptiert“ (21).
Die Hochzeit des klassischen Orientalismus in Europa setzt Edward Said ab dem Ende des 18. Jahrhunderts an. Der Orientalismus entwickelte sich parallel zur kolonialen Durchdringung der arabisch-islamischen Welt durch europäische Großmächte, allen voran Großbritannien und Frankreich. Ausgangspunkt war eine Position der Dominanz und Konfrontation sowie kulturelle Antipathie (22).
Die Grundannahmen des Orientalismus sind, dass „der Orient“ absolut anders als der Okzident und diesem unterlegen ist. Diese Vorstellung basiert auf der Dichotomie „westliche Zivilisation“ – „Orient“, wobei letzterer als negatives Gegenstück und Gegensatz zur „westlichen Zivilisation“, die per definitionem der Inbegriff des Positiven ist, gezeichnet wurde. Als zentrale Dogmen des Orientalismus bezeichnet Edward Said:
„Eines ist die absolute und systematische Differenz zwischen dem Westen, der rational, entwickelt, human überlegen ist, und dem Orient, der anormal, unterentwickelt, minderwertig ist. Ein weiteres Dogma ist, dass Abstraktionen über den Orient, insbesondere solche, die auf Texten basieren, die eine ‚klassische‘ orientalische Zivilisation repräsentieren, immer direkter Evidenz aus modernen orientalischen Realitäten vorzuziehen sind. Ein drittes Dogma ist, dass der Orient ewig, uniform und unfähig ist, sich zu definieren (…) Ein viertes Dogma ist, dass er im Grunde genommen etwas ist, das entweder zu fürchten ist (die gelbe Gefahr, die mongolischen Horden, die braunen Dominions) oder zu kontrollieren (durch Pazifizierung, Forschung und Entwicklung, offene Besatzung, wann immer möglich)“ (23).
In den Orientalismus sind die Erfahrungen der Kolonialmächte mit den von ihnen kolonisierten Bevölkerungen eingeflossen und teilweise als rassistische Stereotype verarbeitet worden. So erklärt sich das Vorhandensein von widersprüchlichen Stereotypen wie dem des fatalistischen Orientalen einerseits und des blutrünstigen Fanatikers andererseits. Typisch für den von kolonialem Rassismus durchdrungenen Orientalismus ist die Essenzialisierung, die Ausblendung jedes historischen und politischen Zusammenhangs. Das ermöglichte die Konstruktion des unveränderlichen Wesens „des Orientalen/der Orientalin“.
Da der Orient dem Okzident als das ganz Andere entgegengesetzt wurde, rückte ins Zentrum dieser Entgegensetzung das, was den Orient am stärksten vom Okzident unterschied: der Islam.
„Insofern als der Islam immer als zum Orient gehörend betrachtet wurde, war es sein besonderes Schicksal, innerhalb der binären Struktur des Orientalismus als in erster Linie monolithisch und mit einer sehr speziellen Feindseligkeit und Furcht betrachtet zu werden. Es gibt natürlich viele religiöse, psychologische und politische Gründe dafür, aber alle diese Gründe rühren aus einer Wahrnehmung, dass der Islam für den Westen nicht nur ein gefürchteter (formidable) Konkurrent sondern auch eine späte Herausforderung des Christentums war“ (24).
Der Orient wurde in der europäischen Geschichte zwar immer als minderwertig dargestellt, aber gleichzeitig auch als das territorial größere Gebiet, das mit einem größeren Machtpotenzial ausgestattet ist, das meist als destruktiv vorgestellt wurde. Hinzu kommt, dass sich die islamische Welt niemals vollständig der westlichen Dominanz unterworfen hat, so dass sie auch deswegen etwas Unberechenbares und Bedrohliches hat (25).
Vielfach mussten die Kolonialherren in muslimischen Ländern einen hohen Preis für ihre Politik zahlen. Im 19. Jahrhundert wurde das heute zu Indonesien gehörende Aceh zum „Friedhof“ für die holländischen Kolonialsoldaten. Im 20. Jahrhundert zwang die algerische Bevölkerung die französischen Kolonialherren durch einen erbitterten Kampf, der mindestens einer Million AlgerierInnen das Leben kostete, aus dem Land. Diese koloniale Periode mit ihrer unbeschreiblichen Gewalt prägt bis heute das Verhältnis zwischen dem Westen und dem Osten, vor allem weil sie nie wirklich aufgehört hat.
Der Orientalismus bestimmt die Wahrnehmung der westlichen Welt bis heute. Dessen wohl hartnäckigstes Erbe ist die Angewohnheit, alles, was die muslimische Welt betrifft, durch den Islam erklären zu wollen, wohingegen keiner auf die Idee käme, den Vietnam-Krieg durch das Christentum oder die Besetzung Palästinas durch das Judentum erklären zu wollen (26).
Diesem Ansatz liegt eine Essenzialisierung zugrunde, die rassistisch ist. Sie ermöglicht es, die islamische Welt als ewig und unveränderbar darzustellen. Alles, was dort geschieht, wird so gleichsam zu einer stetigen Wiederholung des Immergleichen, zur bloßen Verkörperung einer imaginierten islamischen Essenz. Die islamische Welt wird außerhalb der Geschichte gestellt und Muslime zu einer besonderen Spezies gemacht. Das nutzte und nutzt den imperialistischen Mächten, deren Politik die Entwicklungen in der arabischen und weiteren muslimischen Welt entscheidend geprägt haben. Dass nach dem 11. September 2001 versucht wurde, die Erklärung für die Angriffe auf das Pentagon und das World Trade Center im Koran zu suchen statt in der US-Außenpolitik, ist beredtes Zeichen für das Fortleben des Orientalismus (27).
Der Orientalismus ist aufs Engste mit dem ihm zugrunde liegenden kolonialen bzw. imperialistischen Machtverhältnis verknüpft. Da sich dieses Machtverhältnis im Kern nicht verändert hat, werden Araber und Muslime weiterhin orientalisiert, um innen- und außenpolitische Interessen durchzusetzen. Die globalen Nachrichtenagenturen, die weltweite Kulturindustrie und Wissenschaft werden nach wie vor von den USA und Westeuropa dominiert. Wissenschaftler aus nicht-weißen, nicht-europäischen Ländern müssen sich an den orientalistischen Vorgaben des Westens orientieren, sonst können sie im Westen nicht publizieren.
Was das bedeutet, zeigt der Fall des Leiters der Fakultät für Amerikanische Studien an der Universität Teheran, Muhammad Marandi. Dieser hatte mit einer renommierten US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift die Veröffentlichung eines Artikels verabredet, doch da er darin ein in den USA weit verbreitetes Klischee über den Iran in Abrede stellte, wurde sein Artikel nicht abgedruckt.
Im US-amerikanischen Orientalismus gibt es den Glauben, dass iranische Kämpfer während des Iran-Irak-Krieges 1980 goldene „Schlüssel zum Himmel“ um den Hals getragen hätten. Marandi, der an diesem Krieg teilnahm, bezeichnete das als orientalistische Phantasie, die an die Vorstellung von der Irrationalität der „Orientalen“ anknüpfe. Als einheimischer Augenzeuge hatte Marandi jedoch weniger Glaubwürdigkeit als die von US-Autoren veröffentlichten Bestseller.
Noch immer gilt, was Edward Said in seinem Buch „Orientalism“ herausgestellt hat:
Der „Orient“ kann sich nicht selbst repräsentieren. Er wird vom Westen repräsentiert. Dieses Machtverhältnis und der daraus resultierende Zwang führen teilweise dazu, dass „Orientale“ sich selbst orientalisieren, das heißt, dass sie sich selbst durch die Brille des dominierenden Westens sehen. Sie entfremden sich ihrer eigenen Kultur, Geschichte und Identität, identifizieren sich mit dem mächtigen Westen und übernehmen die Bilder, die sich dieser von ihrer Kultur gemacht hat.
In Indien gibt es dafür den Begriff des „brown sahib“, für die USA prägte Malcolm X den Begriff des „House Nigger“ (28). In Anlehnung daran bezeichneten kritische Araber in den USA Muslime, die versuchen, die Anerkennung der dominierenden weißen Bevölkerung zu erlangen, indem sie ihr all die Schauergeschichten erzählt, die diese so gerne über den Islam hört, als „House Muslims“. Auch in Deutschland gibt es diese Spezies, wenngleich noch kein Name für sie geprägt wurde (29).
Edward Said hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Veränderung des negativen Bildes des Orientalen/Arabers/Muslims nicht allein eine Sache von Information und Aufklärung ist, sondern vielmehr eine politische Frage:
„Dass diese Verzerrung überhaupt stattgefunden hat, ist eine Funktion von Macht, und in diesem Fall sind Stil und Image direkte Indizes von Macht. Also müssen wir einräumen, dass jedweder tiefgreifende Versuch, die Zerrbilder des Islams und der Araber zu korrigieren, eine politische Frage ist, die die Entfaltung und den Einsatz von Macht beinhaltet“ (30).
In den 1970er-Jahren entstanden unter dem Einfluss der Entkolonisierung neue progressive theoretische Ansätze, die die Abkömmlinge der Kolonialwissenschaften wie den Orientalismus und andere Regionalwissenschaften einer kritischen Revision unterzogen.
Doch mit der Wiederbelebung der westlichen Kriegs- und Kolonialpolitik in der muslimischen Welt nach dem Sieg des kapitalistischen Lagers im Kalten Krieg verstärkte sich auch wieder der Orientalismus.
Die antimuslimische Unterströmung in der europäischen Kultur
Die antimuslimische Grundhaltung Europas schlug sich auch in dessen Kultur nieder. Im „Chanson de Roland“ (Rolandslied) aus dem Mittelalter, in dem Episoden aus den Kreuzzügen besungen werden, wurde der Islam als Götzenreligion dargestellt, in der eine unheilige Dreieinigkeit aus dem Propheten Muhammad und den beiden Dämonen Appolyon und Tervagant angebetet wurde. Der berühmteste Dichter seiner Zeit, der Italiener Dante Alighieri, verwies den Propheten Muhammad in seiner „Göttlichen Komödie“ im 14. Jahrhundert in die siebte Hölle, wo er für sein Prophetentum grausam bestraft wurde.
Generation auf Generation wurde Schülern in deutschen Schulen die antimuslimische Grundströmung der europäischen Kultur vermittelt. Noch in den 1970er-Jahren wurde dort der Kanon gelehrt:
„CAFFEE – trink nicht so viel Kaffee. Sei doch kein Muselman, der das nicht lassen kann.“
In Schulbüchern, in der Literatur und Kunst werden antimuslimische Stereotypen und orientalistische Klischees vermittelt. Das reicht von der Schilderung des Orients als erotisches Paradies in Gustave Flauberts Salambo über Mozarts „Türkenoper“ „Die Entführung aus dem Serail“ und den Büchern von Karl May, dem Besteller Exodus von Leon Uris mit seiner rassistischen Darstellung der Araber bis hin zu den unzähligen „Schleierbüchern“, die seit den 1980er-Jahren erschienen sind. Das erste davon war das 1988 erschienene „Nicht ohne meine Tochter“ von Betty Mahmoody. Acht Millionen Mal verkaufte sich das in viele Sprachen übersetzte Buch, davon zwei Millionen Mal in Deutschland. Da es so erfolgreich war, wurde es anschließend verfilmt.
In Hollywoodfilmen wimmelt es nur so vor laut herumschreienden, fanatischen, schießwütigen Arabern. Rassistische Bilder über Araber und Muslime sind in der westlichen Kultur so weit verbreitet und so fest verankert, dass sie gar nicht als solche erscheinen, sondern im Gegenteil als das „Normale“ gelten und damit für wahr gehalten gelten.
Das heißt, dass eine jede und ein jeder, die oder der in die westlichen Gesellschaften hineingeboren wurde, die tief verwurzelten orientalistischen Muster durch den Sozialisationsprozess und die Allgegenwart der antimuslimischen Stereotpye unbewusst in sich aufgenommen hat.
„All die Furcht, Animositäten und Misstrauen der Zeit (der großen Schlacht zwischen dem christlichen Europa und der Welt des Islams) (…) bilden einen Teil des literarischen Erbes jedes gebildeten Europäers, das in seinem Unterbewusstsein eine kleinere oder größere Anzahl von Vorurteilen (hinterlässt)“, erklärte Walid Khalidi bereits 1957 (31).
Zivilisationsrassismus: Der Westen und seine Werte
„Es ist niemals ein Dokument der Kultur, ohne zugleich ein solches der Barbarei zu sein“ (Walter Benjamin).
„Die Inferiorisierung auf Seiten der Eingeborenen entspricht der europäischen Superiorisierung. Haben wir den Mut es auszusprechen: Es ist der Rassist, der den Minderwertigen schafft“ (Frantz Fanon) (33).
Der antimuslimische Rassismus ist Ausdruck eines Zivilisationsrassismus, der tief in der europäischen Kultur verankert ist. Wie der alte koloniale Rassismus sich als „Zivilisierungsmission“ tarnte, kommt auch der moderne Rassismus scheinbar progressiv daher. Moderne Rassisten beziehen sich auf positive und progressive Werte, die in der „christlich-jüdischen abendländischen Kultur“ wurzeln sollen: Aufklärung, Menschenrechte, Toleranz, Emanzipation und dergleichen mehr. Diese „Werte“ werden gegen die Nicht-EuropäerInnen oder als nicht-europäisch vorgestellten muslimischen Europäer ins Feld geführt, um die eigene Überlegenheit zu demonstrieren.
Im „Kampf der Kulturen“ lebt die koloniale Überlegenheitsattitüde der Europäer wieder auf.
Doch so wie das Bild, das der Rassist vom Anderen konstruiert, unwahr ist, so ist auch das zur Begründung des Überlegenheitsanspruchs konstruierte Selbstbild unwahr. Die positive Identifikation als Europäer gelingt nur, weil die tatsächliche Geschichte Europas ausgeblendet und geschönt wird.
Europas blutige Geschichte
Der europäische Überlegenheitsanspruch hat eine lange Geschichte. Er geht bis auf das mittelalterliche Christentum zurück und gründete in der Überzeugung, im Besitz der allein seligmachenden Offenbarung zu sein. Als in Europa das Christentum ab dem 15. Jahrhundert nach und nach an Einfluss verlor, wurde dieser Überlegenheitsanspruch säkularisiert und mit einer zivilisatorischen Überlegenheit begründet (34).
Im 15. und 16. Jahrhundert löste sich die alte europäische Ordnung auf und die Weltwirtschaft entstand auf der Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise.
„Bevor die kapitalistische Produktionsweise sich festsetzen und als ein Prozeß der erweiterten Kapitalreproduktion – angetrieben durch den Motor der Mehrwertproduktion – erhalten konnte“, erklärt Maria Mies, „mußte genug Kapital akkumuliert werden, um diesen Prozeß in Gang zu setzen. Das Kapital wurde weitgehend zwischen dem 16. und dem 17. Jahrhundert durch Beraubung der Kolonien akkumuliert. Der Großteil dieses Kapitals wurde nicht mittels ‚ehrlichem‘ Handel durch die Handelskapitalisten erwirtschaftet, sondern zu weiten Teilen durch Räuberei, Piraterie, Zwangsarbeit und Sklavenarbeit“ (35).
Die erste Phase der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals war die des Kaufmanns- und Handelskapitals, das den menschlichen und natürlichen Reichtum der Kolonien plünderte und ausbeutete.
Im 16. Jahrhundert brachen portugiesische, spanische, holländische und englische Kaufleute auf, um das venezianische Monopol auf den Gewürzhandel mit dem Osten zu brechen. Den meisten „Entdeckungen“ der Spanier und Portugiesen lag das Motiv zugrunde, eine unabhängige Seeroute in den Orient zu finden.
„Die Ausbreitung des Handels erfolgte von Beginn an auf der Grundlage des Monopols. Die Holländer warfen die Portugiesen hinaus, die Engländer die Holländer. Man braucht sich nicht zu wundern, dass die holländischen Kaufleute, deren Profite vom Monopol im Gewürzhandel abhingen, das sie sich durch Eroberungen in der indonesischen Inselwelt gesichert hatten, dazu übergingen, auf den kleinen Molukken die Zimtbäume in massiver Weise zu zerstören, als in Europa der Preis zu sinken begann.
Die ‚Hongi-Reisen‘ zur Zerstörung dieser Bäume und zur Niedermetzelung der Bevölkerung, die seit Jahrhunderten ihren Lebensunterhalt durch den Anbau dieser Pflanzen erwirtschaftet hatte, gaben der Geschichte der holländischen Kolonisation ein schreckliches Gepräge. Sie hatten übrigens schon unter dem gleichen Zeichen begonnen, als Admiral J.P. Coen nicht davor zurückschreckte, die gesamte männliche Bevölkerung der Banda-Inseln auszurotten“ (36).
Doch nicht allein die Holländer wüteten auf diese Weise in den Kolonien. „Die Geschichte der spanischen Konquistadores, die Gegenden wie Haiti, Kuba und Nikaragua vollständig entvölkerten und ungefähr 15 Millionen Indianer ausrotteten, ist allzu bekannt“, schreibt Maria Mies. Bei der Eroberung der Amerikas wurden schätzungsweise 70 Millionen Menschen innerhalb von 50 Jahren von den europäischen Eroberern ermordet. Auch Vasco da Gama hinterließ nach seiner zweiten Ankunft in Indien in den Jahren 1502–1503 eine breite Blutspur:
„Es war eine Art Kreuzzug der Pfefferhändler, der Nelken- und Zimthändler. Er zeichnete sich durch schreckliche Grausamkeit aus; gegen die verabscheuten Muselmanen, den der Lusitanier überraschenderweise am Ende der Welt antraf (…) war anscheinend jedes Mittel erlaubt“ (37).
Karl Marx schreibt im 24. Kapitel des 1. Bandes des Kapitals:
„Die Entdeckung der Gold- und Silberländer in Amerika, die Ausrottung, Versklavung und Vergrabung der eingeborenen Bevölkerung in die Bergwerke, die beginnende Eroberung und Ausplünderung von Ostindien, die Verwandlung von Afrika in ein Geheg zur Handelsjagd auf Schwarzhäute bezeichnen die Morgenröte der kapitalistischen Produktionsära. Diese idyllischen Prozesse sind Hauptmomente der ursprünglichen Akkumulation“ (38).
Europa als „Nabel der Welt“
Mit der europäischen Expansion ab dem 15. Jahrhundert, die die strukturelle Ungleichheit zwischen Metropolen und Peripherie (globaler Norden, globaler Süden) schuf, entstand der Eurozentrismus. „Eurozentrismus (…) beinhaltet eine Theorie der Weltgeschichte und (…) ein globales politisches Projekt“, erklärt Samir Amin (39).
Eurozentrismus bedeutet, dass die Europäer sich als zivilisatorisch überlegen ansehen und daraus das moralische Recht zur Beherrschung der Welt ableiten.
Beginnend mit der Renaissance wurde die europäische Identität in der Wissenschaft und Literatur als ausschließliche und ausschließende weiße Identität konstruiert. Die Renaissance war der Ausgangspunkt der Eroberung der Welt durch das kapitalistische Europa.
„Es ist kein Zufall, dass 1492 sowohl die Entdeckung der Neuen Welt und die Anfänge der Renaissance markiert. Wenn die Periode der Renaissance einen qualitativen Bruch in der Geschichte der Menschheit markiert, dann ist es genau deshalb, weil von diesem Zeitpunkt an Europa sich der Idee bewusst wird, dass die Eroberung der Welt durch seine Zivilisation künftig ein mögliches Ziel ist.
Deswegen entwickeln sie ein Gefühl der absoluten Überlegenheit, obwohl die tatsächliche Unterwerfung anderer Völker noch nicht stattgefunden hatte. Europäer stellen die ersten wahren Karten des Planeten zusammen. Sie wissen von allen Bevölkerungen, die diese bewohnen und sie sind die Einzigen, die diesen Vorteil haben. Sie wissen, dass sie sogar, wenn ein bestimmtes Imperium noch die militärischen Mittel hat, sich zu verteidigen, letztendlich in der Lage sein werden, noch mächtigere Fähigkeiten zu entwickeln. Von diesem Moment an (…) kristallisiert sich der Eurozentrismus“ (40).
Europa konstruierte seine Geschichte und Identität auf eine Weise, die den Überlegenheitsanspruch begründen konnte. Die Darstellung der Geschichte dessen, was westliches Denken und westliche Philosophie genannt wird, beginnt immer mit dem alten Griechenland, dessen Vielfalt an philosophischen Schulen, der Entwicklung des Denkens frei von religiösen Beschränkungen, Humanismus und Triumph der Vernunft betont werden. Dieses alte Wissen der Griechen sei dann wundersamerweise wiederentdeckt und beginnend mit der Renaissance von Europa übernommen worden.
„Der Mythos der griechischen Ahnen nimmt eine essenzielle Funktion im eurozentrischen Konstrukt ein. Es ist ein emotionaler Anspruch (…) mit der Vorstellung, dass das griechische Erbe Europa für die Rationalität prädisponiert habe. In diesem Mythos war Griechenland die Mutter der rationalen Philosophie, während der ‚Orient‘ niemals über die Metapyhsik hinausgekommen ist“ (41).
In Wahrheit gibt keine europäische Geschichte, die von außereuropäischen Einflüssen getrennt wäre. Das alte Griechenland war nicht weiß und europäisch, sondern ein Amalgam aus verschiedenen kulturellen, ethnischen und religiösen Einflüssen. Der US-Wissenschaftler Martin Bernal hat in seinem dreibändigen Werk Black Athena aufgezeigt, dass afrikanische und orientalische Einflüsse die Entwicklung des alten Griechenlands maßgeblich beeinflussten. Aber alle außereuropäischen und nicht-weißen Einflüsse wurden in der europäischen Geschichtsschreibung systematisch getilgt.
Bernal bezeichnet das Konstrukt der weißen, europäischen Identität des alten Griechenlands als „gänzlich mythisch“. Ihm zufolge waren sich die alten Griechen durchaus bewusst, dass sie zur kulturellen Sphäre des Orients gehörten. Sie erkannten an, dass sie viel von den Ägyptern und Phöniziern gelernt hatten, ja nahmen ägyptische Vorfahren für sich in Anspruch. Bernal zeigt, dass die „Hellenomania“ des 19. Jahrhunderts vom Rassismus der Bewegung der Romantik inspiriert war, aus deren Reihen Edward Said zufolge auch der deutsche Zweig des Orientalismus hervorging.
Bernal legt dar, zu welchen abenteuerlichen Konstruktionen Linguisten griffen, um das alte Griechenland aus seinem levantinischen Kontext herauszulösen. Obwohl die griechische Sprache große ägyptische und phönizische Einflüsse aufweist, erfanden die Linguisten eine „proto-arische“ Sprache, um den Mythos von der „arischen Reinheit“ Griechenlands retten zu können. Diese in der Renaissance beginnende Konstruktion der europäischen Identität wurde von Schriftstellern wie Byron und Hugo zeitgleich zur imperialen Expansion Europas im 19. Jahrhundert verstärkt wieder aufgegriffen (42).
Der Name „Europa“ wurde von den Griechen geprägt, obwohl diese sich nicht als Europäer betrachteten. „Europa“ bedeutet „der Einbruch der Dunkelheit, nachdem die Sonne untergegangen ist“ und bezeichnet das Land des Abends (Abendland), im Kontrast zum Orient (Morgenland), wo die Sonne aufgeht.
„Es ist ironisch, dass Europa sich selbst mithilfe eines Namens versteht, welchen es von nicht-europäischen Ursprüngen geerbt hat. Anscheinend kann Europa nur zu sich selbst finden, indem es sich von einem Außerhalb abgrenzt“, stellt Nikita Dhawan, Professorin für politische Theorie an der Universität Innsbruck, fest (43).
Die Dialektik der Aufklärung
Diese Überlegenheitsphantasie der Europäer wurde während der Aufklärung, auf die sich heute im „Kampf der Kulturen“ von ganz links bis ganz rechts alle beziehen, weiterentwickelt und mit einer wissenschaftliche Grundlage versehen.
Dem Anspruch nach war die Aufklärung des 18. Jahrhunderts, wie Immanuel Kant, einer ihrer wichtigsten Philosophen in Deutschland, es formulierte, „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Als wesentliche Momente der Aufklärung werden die Befreiung von religiösem Obskurantismus und die Entwicklung der Wissenschaften angesehen.
Und es ist wahr: Der Aufklärung wohnte ein großes emanzipatorisches Potential inne.
Sie war die Ideologie des aufstrebenden Bürgertums, das im 18. Jahrhundert zur politischen Macht drängte. In Frankreich war die Aufklärung untrennbar verbunden mit der Revolution von 1789 und deren Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“.
In Deutschland jedoch misslang die bürgerliche Revolution. Hier gelangte das Bürgertum erst spät an die politische Macht und das auch erst, als es sich mit den alten Mächten verbündete, nicht, indem es sie wie in Frankreich zu Fall brachte. Die Befreiungsimpulse der Aufklärung schlugen sich in Deutschland (und Österreich) vor allem in der Musik und Philosophie nieder und weniger in der Politik.
Das hat zur Folge, dass die deutsche Bourgeoisie im Gegensatz zur britischen und französischen niemals eine liberale Phase durchlief. Sie wurde erst im Zeitalter des aufkommenden Imperialismus an der politischen Macht beteiligt, das heißt, das deutsche Bürgertum wurde direkt zu einem imperialistischen Bürgertum (44).
Auch in Frankreich wurde das Versprechen von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ nicht eingelöst, denn es entstand die bürgerliche Klassengesellschaft und von Gleichheit war schon bald nicht mehr die Rede. Da die politische Emanzipation nicht gelang, wurde aus „der Macht des Fortschritts der unaufhaltsame Fortschritt der Macht“. Die Aufklärung machte in ihrem weiteren Verlauf die Menschheit nicht mündig, sondern bereitete den Boden für deren totale Entmündigung. Der anfängliche geistige Schwung der Aufklärung verkümmerte zu „instrumenteller Vernunft“ im Dienste von Herrschaft.
Dass „die Aufklärung“ heute als gegen andere Kulturen gerichteter Kampfbegriff benutzt wird, bringt eine Wahrheit an den Tag, von der die Aufklärungsfetischisten lieber nichts wissen wollen:
Mit der Aufklärung entwickelte sich auch der wissenschaftliche Rassismus.
Historisch fallen der Aufstieg des Bürgertums, die Aufklärung als dessen Ideologie und die Entstehung des wissenschaftlich begründeten Rassismus zusammen. Die Entwicklung des Rassismus begann im 17. Jahrhundert; bis ins 19. Jahrhundert prägte er sich als vollentwickelter wissenschaftlicher Rassismus aus. Dieser spiegelte wider, dass der Aufstieg des Bürgertums einherging mit der Kolonisierung des Erdballs.
„Rassismus entstand als Erklärungs- und Rechtfertigungsideologie der welthistorischen materiellen, militärischen und technischen Überlegenheit der Europäer seit ihrer Expansion in Übersee“ (45).
Die ideologische Rechtfertigung dafür ging aus der Aufklärung hervor. Denn das Fortschrittsparadigma wurde auf die Entwicklung der Menschheit übertragen und das europäische Entwicklungs- und Zivilisationsmodell zum universal einzig gültigen Entwicklungsmodell erklärt. Der „aufgeklärte“, rationale weiße (besitzende) Europäer wurde zum Maßstab. Dadurch wurden die Menschen hierarchisiert und die Bevölkerungen der drei Kontinente zu Vorstufen der europäischen Entwicklung gemacht.
Immanuel Kant schrieb in seiner Physischen Geographie in Paragraph 4 über den Menschen, „seinen übrigen angeborenen Eigenschaften nach, auf dem ganzen Erdboden erwogen“, unter anderem:
„In den heißen Ländern reift der Mensch in allen Stücken früher, erreicht aber nicht die Vollkommenheit der temperierten Zonen. Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Race der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent. Die Neger sind weit tiefer und am tiefsten steht ein Theil der amerikanischen Völkerschaften.
Der Einwohner des gemäßigten Erdstriches, vornehmlich des mittleren Theiles desselben ist schöner an Körper, arbeitsamer, scherzhafter, gemäßigter in seinen Leidenschaften, verständiger als irgendeine Gattung in der Welt“ (46).
Das räumliche nebeneinander unterschiedlicher Gesellschaften wurde in den Rahmen eines zeitlichen Kontinuums gesetzt. Die Postulierung einer linearen Entwicklung der Menschheit von der Barbarei zu den höchsten Stufen der Zivilisation, die sich in den Europäern verkörperte, machte die anderen Gesellschaften zu bloßen Vorstufen des Homo europensis.
Diese „Verzeitlichung des räumlichen Nebeneinanders“, die ab dem 18. Jahrhundert begann, kommt deutlich in der Philosophie der Geschichte des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel zum Ausdruck:
„Jenes eigentliche Afrika ist, soweit die Geschichte zurückgeht, für den Zusammenhang mit der übrigen Welt verschlossen geblieben; es ist das in sich gedrungene Goldland, das Kinderland, das jenseits des Tages der selbstbewussten Geschichte in die schwarze Farbe der Nacht gehüllt ist. (…)
Der Neger stellt, wie schon gesagt worden ist, den natürlichen Menschen in seiner ganzen Wildheit und Unbändigkeit dar; von aller Ehrfurcht und Sittlichkeit, von dem, was Gefühl heißt, muss man abstrahieren, wenn man ihn richtig auffassen will: Es ist nichts an das Menschliche Anklingende in diesem Charakter zu finden“ (47).
Da diese Klassifzierung und Hierarchisierung die nicht-weißen, nicht-europäischen Menschen im globalen Süden nicht als vollständige Menschen zählen konnte, war ihre Unterdrückung, Ausbeutung, Misshandlung und Ermordung vertretbar.
Michaela von Freyhold zufolge gehört „der Rassismus zur abendländischen Kulturtradition und ist vor allem im Massenbewusstsein der Mittel- und Westeuropäer tief verwurzelt. Der Rassismus war ein Begleiter/Wegbereiter des Kolonialismus und des modernen Imperialismus, seine Geschichte eng mit Kolonialpolitik (Eroberung fremder Länder, Ausrottung, Versklavung ihrer Bewohner und Ausbeutung der Rohstoffquellen) verbunden. Der Kolonisierung folgte die Klassifizierung bzw. Katalogisierung der Menschheit durch eine pseudowissenschaftliche Rassenlehre, Anthropologie und Kraniologie (Lehre vom Schädelbau) auf dem Fuß.
Seit europäische Kolonialherren die Unterdrückung fremder Völker mit einer Herrenmenschenideologie zu rechtfertigen suchten, sind rassistische Denkmuster nicht nur den besitzbürgerlichen Gesellschaftsschichten in Fleisch und Blut übergegangen“ (48).
Menschengruppen als minderwertig zu erklären war notwendig, um die koloniale Barbarei zu rechtfertigen. Durch Rassismus konnte die Kluft zwischen den aus der Aufklärung hervorgegangenen Idealen der bürgerlichen Gesellschaft und der kolonialen Praxis aus den drei Kontinenten überbrückt werden. Rassismus war das Instrument, mit dem die Universalität der Menschenrechte, die die europäischen bürgerlichen Gesellschaften auf ihre Fahnen geschrieben hatten und der Ausschluss des größten Teils der Menschheit aus dieser Universalität miteinander vereinbart werden konnten.
Das Nachwirken des Kolonialismus
Europa hat seinen Kolonialismus niemals aufgearbeitet, so dass sich der „koloniale Blick“ als Kernbestandteil des eurozentrischen Zivilisationsmodells, der die Überlegenheit der Europäer und die Minderwertigkeit der Nicht-Europäer beinhaltet, ungebrochen gehalten hat (49).
In Deutschland wird viel über die Aufarbeitung der Vergangenheit gesprochen. Diese beschränkte sich jedoch auf den Antisemitismus und den Holocaust – und auch an diesem Punkt fand sie nicht wirklich statt. Die koloniale Vergangenheit Deutschlands, die die Voraussetzungen für den Massenmord an den europäischen Juden überhaupt erst schuf, wird bis heute kaum thematisiert. Im Gegenteil wird die Rolle Deutschlands als Kolonialmacht fortlaufend heruntergespielt. Zwar wird im Koalitionsvertrag von 2018 erstmals die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit erwähnt, doch nur in sehr allgemeinen Worten und ohne die genaueren Ausführungen, die zu den anderen beiden aufzuarbeitenden Epochen – dem Nationalsozialismus und der „SED-Diktatur“ – gemacht werden.
Die deutsche Beteiligung an der europäischen Expansion und Kolonialisierung reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Große Handels- und Geldhäuser wie die Welser, Fugger und Ehinger beteiligten sich schon früh daran. Der „große Kurfürst» Friedrich Wilhelm Brandenburg (1620–1688) stieg im 17. Jahrhundert in den transatlantischen Sklavenhandel ein (50).
Nach der deutschen Einigung 1871 wurde Deutschland kurzzeitig zum Empire. Im Rahmen des europäischen Wettlaufs um Afrika errichtete es ab 1884/85 die Kolonie Deutsch-Ostafrika, die die Gebiete des heutigen Tansania, Ruanda und Burundis umfasste. Hinzu kamen die Kolonie Deutsch-Südwestafrika – das heutige Namibia – sowie Kamerun, Togo und Ghana. Nach der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg musste Deutschland seine Kolonien an die anderen europäischen Kolonialmächte abgeben.
Im heutigen Namibia errichtete Deutschland die ersten Konzentrationslager und beging den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1904 und 1908 wurde dort von deutschen Truppen ein Aufstand der einheimischen Herero und Nama niedergeschlagen, dabei wurden 65.000 Herero und 10.000 Nama – 80 Prozent der gesamten Herero-Bevölkerung und 50 Prozent der Nama-Bevölkerung – getötet. Die Überlebenden der Kämpfe wurden in die Wüste getrieben, wo sie verdursteten, andere wurden in Konzentrationslager gesperrt, wo sie verhungerten oder an Entkräftung durch Zwangsarbeit starben. Die deutschen Kolonialisten verstanden den Krieg gegen die Einheimischen als „Rassenkampf“, in dem sich am Ende die überlegene „Rasse“ durchsetzen müsse.
Vielen Toten wurden die Schädel abgetrennt und diese zu anthropologischen Untersuchungen nach Deutschland geschickt. Bis heute sind Tausende von Schädeln im Besitz von Museen und anderen Institutionen. Die kolonialen Gräuel waren der deutschen Bevölkerung durchaus bekannt. Die deutschen Siedler und Soldaten schickten Postkarten, die Hereros mit Ketten um den Hals zeigten und in den Zeitungen wurde über die Brutalität in den Kolonien berichtet, Kolonialromane verklärten die koloniale Unternehmung.
Da die afrikanische Bevölkerung – „die Neger“ oder „die Hottentotten“, wie sie genannt wurden – ohnehin nicht als vollwertige Menschen galt, war die Tatsache, dass sie abgeschlachtet wurde, kein Grund zur Beunruhigung.
Zur Niederschlagung des etwa zeitgleich stattfindenden Maji-Maji-Aufstandes in der Kolonie Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, setzte die deutsche Armee Hunger als Waffe ein. Sie betrieb eine Politik der verbrannten Erde, raubte oder vernichtete alle Vorräte in den Dörfern und brannte die Felder nieder. 100.000 bis 300.000 Menschen wurden dadurch getötet.
Einer der berüchtigten Kolonialbeamten in Tansania war der Gouverneur des Kilimanjaro-Gebietes Carl Peters. Er war verantwortlich für Zwangsarbeit, unmenschliche Behandlung, hohe Besteuerung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung. Diese musste in Zwangsarbeit eine Eisenbahnstrecke bauen; wer versuchte, sich der Zwangsarbeit zu entziehen, wurde ermordet. Die Nazis benannten eine Straße im Berliner Stadtteil Wedding nach Carl Peters.
Erst in den 1980er-Jahren erklärte Berlin aufgrund öffentlichen Drucks, die Straße nach dem Kämpfer gegen den Faschismus Hans Peters umzubenennen. Doch die Aktivsten kritisierten das als nicht weitgehend genug, durch den Erhalt des Namens Peters bleibe die Assoziation zu Carl Peters bestehen. Viele andere Straßen im Wedding sind weiterhin nach kolonialen Orten oder Figuren benannt, wie zum Beispiel der Nachtigal-Platz, mit dem des Gründers der westafrikanischen Kolonie Gustav Nachtigal gedacht wird (51).
Die ehemalige Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) erkannte während eines Aufenthalts in Namibia 2004 als erste den Massenmord an den Herero und Nama als Völkermord an und bat um Vergebung. Dadurch erreichte sie, dass eine 2001 in Washington eingereichte ATCA-Klage von Herero gegen deutsche Firmen auf zwei Milliarden US-Dollar Entschädigung auf Eis gelegt wurde. Laut dem „Aliens Tort Claims Act“ von 1789 ist es möglich, das Nicht-US-Bürger in den USA Schäden infolge von Verstößen gegen internationales Recht weltweit in den USA einklagen können.
Doch Wieczorek-Zeuls Äußerung war eine private Äußerung, keine offizielle Erklärung. Die Bundesregierung schließt eine rechtsverbindliche Anerkennung des Völkermords aus, um keine Entschädigung zahlen zu müssen. Seit Jahren gibt es Verhandlungen zwischen Deutschland und der Regierung Namibias, aber die Nachkommen der Opfer werden entgegen ihrer Forderung nicht einbezogen. Deswegen wurde im Januar 2017 von diesen in New York eine ATCA-Klage gegen Deutschland erhoben. Die Kläger fordern unter anderem Reparationen für den Völkermord.
Deutschland bestreitet die Zuständigkeit des Gerichts und bezieht sich auf den Grundsatz der Staatenimmunität. Außerdem greift es auf die formale Begründung zurück, dass es keinen Völkermord an den Herero und Nama gegeben habe, weil der Tatbestand des Völkermords erst seit 1948 juristisch existiere. Zudem sei, so der Sonderbeauftragte der Bundesregierung in den Verhandlungen mit Namibia, Ruprecht Polenz, die jetzige Urenkelgeneration nicht unmittelbar persönlich von dem Völkermord betroffen und habe daher keinen Anspruch auf Entschädigung.
Den Völkermord an den europäischen Juden hat die BRD allerdings anerkannt, obwohl auch dieser begangen wurde, bevor der Tatbestand des Völkermords existierte. Bei den ersten beiden Anhörungen zu Namibia vor dem Gericht in New York im März 2017 ließ sich kein Vertreter Deutschlands blicken (52).
Die mit dem Kolonialismus einhergehende Brutalisierung schuf die Voraussetzungen für den Faschismus. Diese Erkenntnis wird mittlerweile auch von der deutschen Wissenschaft formuliert, aber dass die Auseinandersetzung damit erst vor wenigen Jahren – vor allem auf Druck von AfrikanerInnen innerhalb und außerhalb Deutschlands – begonnen hat, wirft doch ein bezeichnendes Licht auf die selektive Wahrnehmung der deutschen Geschichte.
So gibt es zwar in Berlin ein Holocaust-Museum, aber keines zum Völkermord an den Herero und Nama in Namibia. Den afrikanischen Opfern und ihren Nachkommen wurde bis heute keine Gerechtigkeit getan. Sie fordern eine Anerkennung des Völkermords, eine Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung, doch die Bundesrepublik verweigert dies.
Dieser ungleiche Umgang mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit erweckt den Eindruck, dass weiße Opfer mehr zählen als schwarze.
Der antikoloniale Theoretiker Aimé Césaire warf den „ach so distinguierten, ach so humanen, ach so christlichen Bürgern des zwanzigsten Jahrhunderts“ bereits in den 1950er-Jahren in seiner Schrift Über den Kolonialismus vor, „dass im Grunde das, was er Hitler nicht verzeiht, nicht das Verbrechen an sich, das Verbrechen am Menschen, dass es nicht die Erniedrigung des Menschen an sich, sondern, dass es das Verbrechen gegen den weißen Menschen ist, dass es die Demütigung des Weißen ist und die Anwendung kolonisatorischer Praktiken auf Europa, denen bisher nur die Araber Algeriens, die Kulis in Indien und die Neger Afrikas ausgesetzt waren“ (53). Angela Merkel scheint das mit ihrer Bezeichnung „Zivilisationsbruch“ für den Holocaust im April 2018 zu bestätigen (54).
Der Holocaust verkörpert die Kontinuität des Umgangs des deutschen Imperialismus mit rassistisch konstruierten „Anderen“. Das einzige, was in diesem Zusammenhang mit „Zivilisationsbruch“ gemeint sein kann, ist, wie Aimé Césaire erklärt hatte, dass erstmals Weiße andere Weiße in großer Zahl systematisch vernichteten. Den Holocaust als einzigen schwarzen Fleck in der deutschen Geschichte zu behandeln und ihn nicht in Zusammenhang mit der kolonialen Barbarei zu stellen, zeugt von einer eurozentristischen Denkweise (55).
Kolonialer Blick und struktureller Zivilisationsrassismus prägen auch die Errichtung des Humboldt-Forums im wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss. Dort sollen Tausende von Exponaten aus den Völkerkundemuseen gesammelt und einem interessierten Publikum dargeboten werden. Diese wurden unter kolonialen Machtverhältnissen angeeignet. Anders als bei der Raubkunst des Faschismus gibt es in Bezug auf in der Kolonialzeit geraubte Exponate jedoch keinerlei Unrechtsbewusstsein. Da afrikanische Länder schwach und abhängig sind, wird die Rückgabe der Exponate nicht in Erwägung gezogen.
Die durch lautstarke Proteste von Aktivisten und kritischen Wissenschaftlern zumindest ansatzweise erzwungene Auseinandersetzung über koloniale Raubkunst wurde am Ende mit dem Argument, es handle sich um ein „gemeinsames Kulturerbe“ abgebügelt (56). Aber die Symbolik spricht für sich: Das nach der Wiedervereinigung in der Weltpolitik erstarkende Deutschland, das seit den 1990er-Jahren wieder Interventionstruppen in alle Welt schickt, baut das Berliner Stadtschloss der Hohenzollern wieder auf, um Glanz und Gloria der deutschen Geschichte zu demonstrieren. Das Berliner Stadtschloss steht nicht nur für Monarchie und Militarismus, sondern auch für die aggressivste Phase des deutschen Imperialismus mit seinem kolonialen Ausgreifen. Dort die im 19. Jahrhundert geraubten Kunstschätze aus den Kolonien auszustellen, rundet das Bild vollends ab, das sich Deutschland von seinem neuen Platz in der Welt macht.
Hinzu kommt, dass seit den 1990er-Jahren immer wieder versucht wird, den Kolonialismus zu rehabilitieren. So erklärte der Politikwissenschaftler Bassam Tibi, auch wenn der Kolonialismus nicht nett gewesen sei, überwiege doch dessen zivilisatorische Leistung (57).
Das lässt sich durchaus vergleichen mit einem öffentlichen Nachdenken darüber, ob der Faschismus nicht auch gute Seiten gehabt habe, denn schließlich habe Hitler die Autobahnen gebaut und die hohe Arbeitslosigkeit beseitigt. Die Anstößigkeit dessen wäre wohl den meisten bewusst, in Hinsicht auf den Kolonialismus ist ein Räsonieren dieser Art jedoch statthaft. Wie die Soziologin Birgit Rommelspacher bemerkte, verschwinden die Gräueltaten des Kolonialismus „als gleichsam geringeres Übel“ hinter dem Nationalsozialismus (58).
Die größten europäischen Kolonialmächte des 19. und 20. Jahrhunderts waren indessen Großbritannien und Frankreich. Auch sie haben ihre koloniale Geschichte nicht aufgearbeitet.
Die Folgen des Kolonialismus wirken bis heute nach. Auf der Seite der Täter ist das Bewusstsein über die in der Vergangenheit verübten Verbrechen noch immer gering. Die Legitimierung des Kolonialismus im Namen der „Zivilisierung der Welt“ und die Tatsache, dass die kolonialen Gräuel in weiter Ferne stattfanden, tragen entscheidend zu dieser Verblendung der Bevölkerung bis heute bei.
Das Vereinigte Königreich (UK)
44 Prozent der Briten erklärten 2016 in einer Umfrage, ihr Land könne stolz sein auf die Kolonialzeit (59). Auch im Vereinigten Königreich (UK) gibt es immer wieder Versuche, den Kolonialismus zu rehabilitieren. Wie Deutschland erkennt auch das Königreich die Verbrechen der Kolonialzeit nicht an. So weigerte sich der britische Premierminister David Cameron während eines Aufenthalts in der indischen Stadt Amritsar 2013, sich für das dort von britischen Truppen 1919 begangene Massaker zu entschuldigen. Später erklärte er, dass es auch Gutes in der Geschichte des Empire gegeben habe, worauf man stolz sein könne.
2017 diskutierten britische Akademiker darüber, dass der Kolonialismus nicht nur schlecht gewesen sei, sondern im Gegenteil den Kolonisierten zahlreiche Vorteile gebracht habe, etwa den Ausbau der Infrastruktur und ökonomische Entwicklung. Losgetreten wurde die Debatte im September 2017 von Bruce Gilley, Professor an der Portland State University, der in der renommierten Zeitschrift Third World Quarterly einen Aufsatz mit dem Titel „The Case for Colonisation“, veröffentlichte, in dem er erklärte:
„Der westliche Kolonialismus war im Allgemeinen objektiv vorteilhaft und subjektiv legitim an den meisten Orten, wo er vorkam.“
Gewalt, Ausbeutung und Raub vonseiten der Kolonialherren kommen in dieser Sichtweise nicht vor. Im Irak zum Beispiel wurden 1919 und 1920 diejenigen Einheimischen, die keine Steuern an die Kolonialverwaltung zahlten – entweder weil sie es nicht konnten oder weil sie es nicht wollten – mit Luftangriffen bestraft. Gilley aber meint, der Kolonialismus habe den schlechten Namen nicht verdient, der ihm in den letzten 100 Jahren anhaftete. Vielmehr trat er dafür ein, den westlichen Kolonialismus in „schwachen Staaten“ wieder einzuführen, „um versäumte Reformen in die Wege zu leiten“ (60).
Der Chefredakteur von Current Affairs, Nathan Robinson, erklärte daraufhin, dass die Ignorierung oder Verharmlosung kolonialer Gräueltaten das moralische Äquivalent zur Holocaustleugnung sei (61).
Frankreich
In Frankreich sieht es auch nicht besser aus. Die französische Bevölkerung hält sich in weiten Teilen noch immer für die „Grande Nation“. Politiker, Kulturindustrie und staatstragende Wissenschaft äußern sich noch immer positiv über Frankreichs „koloniale Unternehmung“. Zahlreiche Denkmäler und Straßennamen zelebrieren weiterhin die imperialen Schlächter der Kolonialarmee, koloniale Vordenker und Politiker. Die Beziehung Frankreichs zu seinen ehemaligen Kolonien in Afrika ist weiterhin neokolonial.
Der Kolonialismus erfuhr vor dem Hintergrund der verstärkten westlichen Interventionspolitik in der arabischen Welt und in Afrika in den 2000er-Jahren eine erneute Legitimierung. 2005 verabschiedete das französische Parlament ein Gesetz, das Geschichtslehrer anwies, die „positiven Aspekte“ des Kolonialismus im Unterricht zu diskutieren, musste es aber aufgrund heftiger Proteste zurückziehen. Der ehemalige Ministerpräsident François Fillon bezeichnete den Kolonialismus im Jahr 2016 als das „Teilen von Kultur“.
Unter Ausblendung der Millionen von Toten und der Zerstörung von Ländern und Gesellschaften erklärte er, „Frankreich trifft keine Schuld dafür, dass es seine Kultur mit den Völkern Afrikas, Asiens und Nordamerikas hatte teilen wollen“ (62). Ministerpräsident Emmanuel Macron bezeichnete während des Wahlkampfes zwar Frankreichs Kolonialismus in Algerien, dem mindestens eine Millionen Menschen zum Opfer fielen, als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, nahm dies aber sofort zurück, als er mit dieser Äußerung auf Protest stieß.
Der Journalist Mohamed Amjahid bezeichnet Frankreich als das „weißeste“ – rassistischste – Land Europas.
Obwohl Frankreich schon in den 1940er-Jahren Menschen aus den afrikanischen Kolonien ins Mutterland holte – teilweise als Zwangsarbeiter, teilweise als „Belohnung“ für deren Beteiligung am französischen Kolonialkrieg in Südostasien – sind diese bis heute aus der exklusiven weißen Gesellschaft ausgeschlossen.
Die Metropole Paris spiegelt den globalen Nord-Süd-Konflikt in seiner Struktur wider. Im Zentrum der Stadt leben die Weißen, in den heruntergekommenen Vororten mit ihrer oftmals menschenfeindlichen Architektur – den Banlieus – die Nachkommen der afrikanischen kolonisierten Bevölkerungen. Sie leben meist unter elenden Bedingungen, hangeln sich von schlecht bezahltem Job zu schlecht bezahltem Job oder halten sich mit Sozialhilfe über Wasser. Sozialer Aufstieg ist kaum möglich, die Türen von Hochschulen, großen Unternehmen und Behörden bleiben vor ihnen verschlossen.
Die französische Gesellschaft ist eine segregierte Gesellschaft. Die Weißen bleiben unter sich, die Nicht-Weißen, die zugleich auch den größten Teil der Armen ausmachen, werden in Elendszonen konzentriert, wo sie mit brutaler Polizeigewalt in Schach gehalten werden. Immer wieder kommt es in den Banlieus wegen dieser Polizeigewalt, der regelmäßig junge (Nord)Afrikaner zum Opfer fallen, zu Unruhen. Als im Jahr 2005 nach der Ermordung eines jungen Arabers ein tagelang anhaltender Aufstand ausbrach, erklärte der damalige Innenminister und spätere Präsident Nicolas Sarkozy:
„Ich werde die Straßen von diesem Abschaum reinigen.“
Der Rassismus der französischen Mehrheitsgesellschaft ist berüchtigt und vergiftet die Beziehungen zwischen den weißen und den nicht-weißen Bevölkerungsgruppen. Dieser Rassismus äußert sich kontinuierlich in der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo, auf die 2015 ein Anschlag verübt wurde. Die aus den Banlieus stammenden Täter reagierten damit einerseits auf persönliche Diskrimierungs-, Unterdrückungs- und Gewalterfahrungen und andererseits drückte sich in ihnen indirekt das Nachwirken des Kolonialismus in der kollektiven Erfahrung der (nord)afrikanischen Communities aus.
Der Journalist und Autor Amjahid fuhr nach Paris, um die Hintergründe der Motive der Attentäter zu ergründen. Er fand heraus, dass Amedy Coulibaly, einer der Attentäter auf Charlie Hebdo, ein Nachkomme von aus der französischen Kolonie gekommenen Nordafrikanern war, die in den in den 1930er-Jahren hastig hochgezogenen Sozialbauten des Pariser Vorortes von Grigny untergebracht worden waren. Seine Biographie ist typisch für viele der marginalisierten Bewohner der Banlieus: ohne Schulabschluss und Berufsausbildung wurde er mangels Alternative zum Kleinkriminellen. Einer seiner Freunde wurde bei einer Verfolgungsjagd von der Polizei erschossen.
„Amedy, so erzählen es die Großväter im ‚Café Grigny‘, hasste demnach die Polizei, den Staat, das System, die Weißen aus vollem Herzen. Er schloss sich der Terrororganisation ‚IS‘ an und tötete unschuldige Menschen, um sich an Frankreich zu rächen. Die menschenverachtende Propaganda der Dschihadisten bezieht sich unter anderem auf die Gräueltaten der Franzosen während der Kolonialzeit, Nachkommen von nicht-weißen Familien, die durch den Kolonialismus beinahe zerstört worden sind, fühlen sich dadurch angesprochen und fallen auf den islamistischen Hass herein.“
In gewisser Weise sind die von den Bewohnern der Banlieus begangenen Anschläge auch eine Wiederkehr des verdrängten kolonialen Erbes, das sich nicht nur auf der Seite der Täter und ihrer Nachkommen fortsetzt, sondern auch auf der Seite der Opfer und ihrer Nachkommen.
„Die Franzosen haben uns hierher gezwungen, wir haben geschuftet, und jetzt töten unsere Söhne sie“, fasste einer der Männer im Café Grigny die Entwicklung zusammen. In der weißen Mehrheitsgesellschaft herrschen Selbstgerechtigkeit und Selbstbeweihräucherung vor. „Wir haben ihnen die Zivilisation, Krankenhäuser und Schulen gebracht, und nun danken sie es uns mit Gewalt und Islam“, kommentierte eine weiße Französin in Marseille, die während der Kolonialzeit in Algerien unterrichtet hatte, die Anschläge von 2015 (63).
Dass mangelnde Reflexion und mangelndes Unrechtsbewusstsein durchaus typisch für einen großen Teil der weißen französischen Gesellschaft sind, zeigt nicht zuletzt das kontinuierliche Anwachsen der rassistischen Front National.
Das Fortleben des Kolonialismus
Der Kolonialismus ist nicht vergangen und solange Europa ihn nicht aufarbeitet, das begangene Unrecht eingesteht und Entschädigung leistet, werden die Beziehungen vergiftet bleiben.
Mohamed Amjahid hat es gut auf den Punkt gebracht:
„Der Rassismus vergangener Tage – und auch der von heute – gleicht einer Plastikflasche, die man in den Müll wirft und von der man glaubt, man habe sie entsorgt. Dabei landet die Flasche vielleicht im Meer und Fische ersticken an den Plastikmolekülen, oder sie wird auf einer Mülldeponie verbrannt, so dass die giftigen Stoffe in die Atmosphäre gelangen, oder sie liegt Hunderte Jahre irgendwo herum und will sich partout nicht zersetzen. Genauso wie diese Plastikflasche belastet der koloniale Rassismus auch heute noch die Umwelt von People of Colour. Auch wenn die meisten Weißen heute nicht mehr viel damit zu tun haben, können sie doch in vielen Ländern beobachten, was ihre Großväter und Großmütter angerichtet haben“ (64).
Da sich die globalen Machtverhältnisse bis heute nicht grundlegend geändert haben, dauert die Ausplünderung der drei Kontinente, die Verwüstung ihrer Länder und die Zerstörung Abertausender Leben unvermindert an. Das geschieht nach wie vor unter Bezug auf „westliche Werte“. Da diese dem Rest der Welt so unvergleichlich überlegen seien, wird ausgesprochen oder unausgesprochen erwartet, dass sich alle Menschen diese „westlichen Werte“ zu eigen machen. Für die Menschen im globalen Süden bedeuten die „westlichen Werte“ größtenteils Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt.
Der Theoretiker des antikolonialen Befreiungskampfes in Algerien Frantz Fanon schrieb in den 1960er-Jahren:
„Es geschieht aber, daß der Kolonisierte, wenn er eine Rede über die westliche Kultur hört, seine Machete zieht oder sich doch versichert, daß sie in Reichweite seiner Hand ist. Die Gewalt, mit der sich die Überlegenheit der westlichen Werte behauptet, die Aggressivität, die die siegreiche Konfrontation mit den Lebens- und Denkweisen der Kolonisierten gezeichnet hat, führt durch eine legitime Umkehr der Dinge dazu, daß der Kolonisierte grinst, wenn man diese Werte vor ihm heraufbeschwört. Im kolonialen Kontext hält der Kolonialist erst dann in der Zermürbung des Kolonisierten inne, wenn dieser mit lauter und vernehmbarer Stimme die Überlegenheit der weißen Werte anerkannt hat“ (65).
Quellen und Anmerkungen:
(1) Rodinson, Maxime, Islam und Kapitalismus, Frankfurt/Main 1986 S. xxxi
(2) Said zitiert nach Akashe-Böhme, Farideh, Exotismus, Naturschwärmerei und die Ideologie von der fremden Frau, in: Foitzik, Andreas; Leiprecht, Rudi; Marvakis, Athanasios; Seid, Uwe (Hg.), „Ein Herrenvolk von Untertanen». Rassismus – Nationalismus – Sexismus, Duisburg 1992, S. 120
(3) Childers, Erskine B., Amnesia and Antagonism. In: Farish, Noor A., Terrorising the Truth. The Shaping of Contemporary Images of Islam and Muslims in Media, Politics and Culture, Penang 1997, S. 125-149
(4) Said, Edward W., Islam through Western Eyes, The Nation, 26.4.1980
(5) Höfert, Almut, Das Gesetz des Teufels und Europas Spiegel, in: Attia, Iman (Hg.), Orient- und Islambilder. Interdisziplinäre Beiträge zu Orientalismus und antimuslimischem Rassismus, Münster 2007, S. 93
(6) Rührdanz, Karin, Wandlungen des Feindbildes Islam vom europäischen Mittelalter bis zum „American Empire», Trend Onlinezeitung 10/05, S. 2
(7) Zitiert nach Rührdanz, a.a.O. , S. 2
(8) Abu Khalil, As‘ad, The Legacy of the Crusades in Contemporary Muslim World, Aljazeera. 28.12.2016
(9) Höfert, a.a.O., S. 85-110; Heine, Peter, Konflikt der Kulturen oder Feindbild Islam, Freiburg/Breisgau, 1996; Rotter, Gernot, Die verlorene Nähe – Islam und der Westen in: Weiss, Walter (Hg.), Dumonts Handbuch Islam, Köln 2002, S.101ff.
(10) Höfert, a.a.O., S. 94
(11) Benz, Wolfgang, Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet, München 2012, S. 54; Schweizer, Gerhard, Mohammed in der Hölle, Zeit Online, 5.11.2017
(12) Höfert, a.a.O., S. 98ff.
(13) Rührdanz, a.a.O., S. 4f.
(14) Hirsch, Stefan, Feindbild Islam, Ursachen und Funktion der Islamophobie, Intifada Nr. 25, 6.5.2008; siehe auch: Höfert, Almut, Die „Türkengefahr» in der Frühen Neuzeit in: Thorsten Gerald Schneiders (Hg.), Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen, Wiesbaden 2009, S. 61-70
(15) Rührdanz, a.a.O., S.5
(16) Apperzeption laut Duden: (Psychologie) bewusste Wahrnehmung, aktive Aufnahme von (sinnlich) Gegebenem ins Bewusstsein; (Philosophie) durch Relexion des unterscheidenden Verstandes bewirktes Erfassen und Einordnen in einen Bewusstseinszusammenhang)
(17) Konrad, Felix, From the „Turkish Menace» to Exoticism and Orientalism: Islam as Antithesis of Europe (1453-1914)?, European History Online, 14.3.2011, S. 6
(18) Ebd., S. 19; Pinn, Irmgard; Wehler, Marlies, Europhantasien. Die islamische Frau aus westlicher Sicht, Duisburg 1995/2010, S. 13f.
(19) Konrad, a.a.O., S. 20-30
(20) Said, Edward, Orientalism Reconsidered, in: ders., Reflections on Exile and Other Essays, Cambridge, MA, 2000. S. 199
(21) Said, Edward W. Orientalism, London/New York 1995 (3. Aufl.), S. 2f.
(22) Said, Edward W., Covering Islam, New York 1981, S. 155
(23) Said, Orientalism, a.a.O., S. 300f.
(24) Said, Covering Islam, a.a.O, S. 4
(25) Ebd. S.4ff.; Wallerstein, Immanuel, Islam, the West and the World, in: ders., The Decline of American Power. The U.S. in a Chaotic World, New York/London 2003, S. 120
(26) Vgl. Said, Covering Islam, a.a.O., S. 8
(27) Abu Khalil, As‘ad, Shattering Illusions: Orientalism Alive and Well, in: Malik, Aftab A., (Ed.), Shattered Illusion. Analyzing the War on Terrorism, Bristol 2002, S. 312
(28) Marandi, Mohammad S., „Western Values» and the Colonization of the Mind, Youtube, eingestellt am 12.12.2017; Ders., Academic Imperialism – Seyyed Mohammad Marandi, Youtube, eingestellt am 19.8.2010
(29) Vgl. Ikhras, Western Media hearts House Muslims, 25.5.2011 unter: www.ikhras.com/western-media-hearts-house-muslims/; Dabashi, Hamid, Scholarship and the Imperial Native Informer, Aljazeera, 5.2.2018; Dabashi, Hamid, Native Informers and the Making of the American Empire, Al-Ahram Weekly, Issue No.797., 1-7.June 2006
(30) Said, Edward W., Islam through Western Eyes, The Nation, 26.4.1980
(31) Zitiert nach Childers, Erskine B., Amnesia and Antagonism, in Noor, Farish A., Terrorising the Truth. The Shaping of Contemporary Images of Islam and Muslims in Media, Politics and Culture, Penang 1997, S. 125
(32) Benjamin, Walter, Über den Begriff der Geschichte, unter: www.textlog.de/benjamin-begriff-geschichte.html
(33) Zitiert nach: Keskinkılıç, Ozan, Antimuslimischer Rassismus: Figuren, Funktionen und Beziehungen zum Antisemitismus, Heimatkunde, Migrationspolitisches Portal, Heinrich-Böll-Stiftung, 24.11.2016
(34) Rührdanz, Karin, Wandlungen des Feindbilds Islam vom europäischen Mittelalter bis zum „American Empire», Trend Onlinezeitung 10/05, S.5
(35) Mies, Maria, Patriarchat und Kapital. Frauen in der internationalen Arbeitsteilung, Zürich 1990, S. 110
(36) Ebd., S. 111
(37) Ebd.; Terkessidis, Mark, Psychologie des Rassismus, Wiesbaden 1998, S. 86
(38) Zitiert nach Melber, Henning, Rassismus und eurozentrisches Zivilisationsmodell. Zur Entwicklungsgeschichte des kolonialen Blickes in: Autrata, Oger; Kaschuba, Gerrit; Leiprecht, Rudolf; Wolf; Cornelia (Hg.), Theorien über Rassismus, Hamburg 1990 (2. Auflage), S. 31
(39) Amin, Samir, Eurocentrism, New York 1989, S. 75
(40) Ebd., S. 72
(41) Amin, Samir, a.a.O., S. 90f.
(42) Ebd., S. 92f.
(43) Dhawan, Nikita, Doch wieder! Die Selbst-Barbarisierung Europas, in: Do Mar Castro Varela, Maria; Mechril, Paul (Hg.), Die Dämonisierung der Anderen. Rassismuskritik der Gegenwart, Bielefeld 2016, S. 74
(44) Kühnl, Reinhard, Formen bürgerlicher Herrschaft. Liberalismus. Faschismus, Hamburg 1971, S. 64-69
(45) Geiss, Immanuel, Geschichte des Rassismus, Frankfurt/Main 1989, 2. Aufl. S. 15
(46) Kant zit. in: Melber, Henning, Rassismus und eurozentrisches Zivilisationsmodell. Zur Entwicklungsgeschichte des kolonialen Blickes, in: Autrata, Otger; Kaschuba, Gerrit; Leiprecht, Rudolf; Wolf, Cornelia (Hg.), Theorien über Rassismus, Hamburg 1990 (2.Auflage), S. 32f.; siehe auch: Hund, Wulf D., It must come from Europe. The Racism of Immanuel Kant, in: Hund, Wulf D.; Koller, Christian; Zimmermann, Moshe (Hg.), Racisms made in Germany, Münster 2011, S. 70-98
(47) Melber, Rassismus und eurozentrisches Zivilisationsmodell, a.a.O., S. 33
(48) Von Freyhold, Michaela, Rassistische Mobilisierung in England in: Butterwegge, Christoph; Jäger, Siegfried, Rassismus in Europa, Köln 1993, S. 194f.
(49) Melber, Henning, Rassismus und eurozentrisches Zivilisationsmodell. a.a.O., S. 48-55
(50) Schwarzer, Anke, Das verdrängte Verbrechen, Blätter für deutsche und internationale Politik 6/2018, S. 85-92
(51) Sharma, Gouri, Germany: Confronting the Colonial Roots of Racism, Aljazeera, 17.8.2017; Kössler, Reinhart; Melber, Henning, The Genocide in Namibia (1904–1908) and its Consequences, Pambazuka, 20.3.2012; Hamann, Ulrike, Prekäre koloniale Ordnung. Rassistische Konjunkturen im Widerspruch. Deutsches Kolonialregime 1884-1914, Bielefeld 2016
(52) Melber, Henning, Scheiß-Kolonialismus. Gegen revisionistische Verharmlosungen deutscher Gewaltgeschichte, Graswurzelrevolution 422, Oktober 2017; Johnson, Dominic, Sühne für einen Völkermord, Die Tageszeitung, 25.1.2018; Kimmerle, Elisabeth, Wem gehört der Schädel?, Die Tageszeitung, 4.2.2018
(53) Zitiert nach: Ziai, Aram, Unsere Farm in Zhengistan. Koloniale Muster in der Gegenwart, in: Do Mar Castro Varela, María; Mecheril, Paul (Hg.), Die Dämonisierung des Anderen. Rassismuskritik der Gegenwart, Bielefeld, 2016; S. 197
(54) Tagesspiegel, Merkel sagt Israel entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus zu, 19.4.2018
(55) Vgl. Plumelle-Uribe, Rosa Amelia, Weisse Barbarei. Vom Kolonialrassismus zur Rassenpolitik der Nazis, Zürich 2004; van Rinsum, Leila, Das dumme Spiel der schlafenden Schönheit. Kolonialismus und Kapitalismus, ZAG 70, 2015
(56) Opoku, Kwame, Looted Artefacts Now Declared a „Shared Heritage», Pambazuka, 9.9.2015; Zimmerer, Jürgen, Humboldt-Forum: Das koloniale Vergessen, Blätter für deutsche und internationale Politik, Juli 2015
(57) Pinn, Irmgard; Wehler, Marlies, EuroPhantasien. Die islamische Frau aus westlicher Sicht, Duisburg, 1995/2010 S. 117
(58) Zitiert nach: Bildungsstätte Anne Frank, Deutscher Kolonialismus – ein vergessenes Erbe? Postkolonialismus in der rassismuskritischen Bildungsarbeit, Frankfurt/Main, 2015, S. 6
(59) Izzidien Ruqaya; Reintroducing Colonialism Won‘t Rewrite History, The New Arab, 4.1.2018
(60) Ebd.
(61) Robinson, Nathan, J., A Quick Reminder of Why Colonialism Was Bad, Current Affairs, 14.9.2017
(62) Deltombe, Thomas, The Forgotten Cameroon War, Jacobin, 12.10.2016; siehe auch Ziegler, Jean, Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren, München 2011, S. 69-80
(63) Amjahid, a.a.O., S. 129-139; siehe auch Mechai, Hassina, Islamophobia Becoming Undeclared Racism in France, says Alain Gresh, Middle East Eye, 14.1.2015
(64) Amjahid, a.a.O., S.144; siehe auch: Ziegler, Jean, Der Hass auf den Westen, München 2011
(65) Fanon, Frantz, Die Verdammten dieser Erde, Hamburg 1969, S. 33f