Was tun, wenn die Politik nicht mehr die Interessen der Menschen vertritt, sondern Entscheidungen fällt, die im totalen Gegensatz zu den Interessen der Bevölkerung stehen? Früher gab es die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als korrigierende Instanz anzurufen. Doch mit der Berufung von Stephan Harbarth zu dessen Präsidenten, eines Menschen, der nicht nur tief mit der CDU verbandelt ist, sondern auch als Anwalt für Vertreter der Industrie und Lobbyisten fungierte, ist die Unabhängigkeit des Gerichts mehr als nur infrage gestellt. Wenn Richter des BVerfG zudem mit der Kanzlerin, über deren Politik sie nur wenig später zu urteilen haben, im Kanzleramt zum gemütlichen Stelldichein dinieren, dann gewinnen Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit die Oberhand.
Zweifel, die sich letztlich bestätigt haben. Zunächst winkte das Bundesverfassungsgericht die Maßnahmenpolitik einfach durch, ohne die Kläger um Gutachten zu bitten oder in einer öffentlichen Verhandlung zu Wort kommen zu lassen, beschloss dann eine 2G++-Regel für die Räumlichkeiten des Gerichtes, was bedeutet, dass nur noch Geimpfte und Genesene mit negativem PCR-Testergebnis das Gebäude betreten dürfen. Damit wird einem bedeutenden Teil der Menschen der gesetzliche Richter entzogen, ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass es gerade jene sein werden, die nun das Gericht nicht mehr betreten dürfen, deren Grundrechte faktisch abgeschafft wurden. Schließlich segnet das Gericht damit auch eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ab.
Dabei setzt sich hier nur ein Prozess fort, der schon seit Jahrzehnten andauert. TTIP, TISA, CETA, die Euro- und Bankenkrise, ESM, die Entrechtung von Arbeitslosen mittels Hartz IV, die Umwandlung der Bundeswehr in eine Angriffstruppe in Afghanistan, die Privatisierung von Autobahnen, Krankenhäusern und anderen Bereichen der Daseinsvorsorge. Immer größere Teile der deutschen Gesellschaft werden Finanz- und Wirtschaftsinteressen unterworfen, die Menschen ihnen ausgeliefert und von ihnen ausgebeutet.
Die Bundesrepublik und ihre Bürger werden dem Finanzkapital zum Fraß vorgeworfen, ausgeplündert und der Maschine als ewige Konsumenten und Arbeitskräfte unterworfen.
Hemmungslos bedienen sich Konzerne und Finanzinstitutionen, die zum Beispiel in Gestalt von Friedrich Merz längst selbst in den politischen Rängen sitzen, an staatlichen Geldern, betreiben mit ihrer Politik zugunsten der Pharma- oder Rüstungsindustrie eine staatlich durchgesetzte Umverteilungspolitik von unten nach oben. Die neuerlichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sowie die Ernennung von Harbarth zu dessen Präsidenten ist nur der vorläufige Höhepunkt dieser Unterwerfung der Menschen unter das Finanzkapital.
Kein Verlass
Damit ist offenkundig geworden, dass alle Institutionen, auf denen unsere Gesellschaft beruht, durch und durch korrupt sind und wir uns auf diese nicht verlassen können. Das Grundgesetz, einst das Fundament des Rechtsstaates und der Rechte des Einzelnen in der Bundesrepublik, ist nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben steht. Denn die Würde des Menschen und seine Freiheiten sind an die Bedingungen der Marktlogik und der Verwertbarkeit für das Kapital geknüpft. Was also machen Menschen, die sich einem korrupten Willkürregime unterworfen sehen? Sie erheben sich und laufen los, um das Alte zu erneuern. Genau das ist es, was passieren wird:
Orientiert an den Werten des Grundgesetzes setzen sich Verteidiger der Grundrechte und der Demokratie in Bewegung.
Unter dem Titel „Der Weg zur Verfassung" organisiert der Verein „Unsere Verfassung e.V." zwei Prozessionen: zunächst eine Prozession mit einem Grabmal des durch das Bundesverfassungsgericht nicht mehr verteidigten Grundgesetzes vom Parlamentsgebäude in Berlin zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe – und dann mit dem Sprössling einer Esche zum Ursprungsort des Grundgesetzes zum Chiemsee.
Das Grabmal hat schon eine längere Geschichte: Zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes am 23. Mai 2019 hatte der Verein das Stelenkunstwerk von Dani Karavan „Grundgesetz 49" am Bundestag um eine Buchenstele mit dem dort fehlenden Artikel 20 ergänzt. Er hielt es für nicht angemessen, dort nur die sogenannten Grundrechte (Artikel 1 bis 19), aber nicht die aus diesen Grundrechten gehobene Staatsstruktur (Artikel 20), die den eigentlichen Inhalt des Grundgesetzes ausmacht, repräsentiert zu finden, weil Grundrechte ohne eine aus ihnen gehobene Staatsstruktur nach seiner Ansicht nichts als leere Versprechen sind.
Den Artikel 20 hatte der Verein in eine – in Größe und Form den Karavan‘schen Glasstelen entsprechende – drei Meter hohe, dicke Buchenstele geschnitzt und die Buchstaben vergoldet. Kaum stand die Stele, wurde sie auf Anweisung des Bundestages von der Polizei beschlagnahmt und später ihre Vernichtung angeordnet, was für den Verein ein passgenaues Bild für die im Bundestag wirkenden Kräfte ist. Die Sache wird jetzt im Verwaltungsgericht verhandelt.
Nach einigen weiteren Zwischenetappen hat der Verein als Zeichen des Protestes gegen das Abräumen und die angeordnete Vernichtung der Buchenstele am 23. Mai 2021, dem 72. Geburtstag des Grundgesetzes, ein „Grabmal des Grundgesetzes“ aus Beton am Ort der Konfiszierung in den Boden vor dem Bundestag eingelassen. Auch diese Grabplatte wurde zunächst von der Polizei konfisziert, überraschenderweise auf Anordnung der Staatsanwaltschaft aber wieder freigegeben.
Das Grabmal ist aus Beton gegossen. Darauf steht nicht der Originaltext des Artikel 20:
- Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
- Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
- Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
- Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Vielmehr ist der Gesetzestext im Sinne des heute im Bundestag wirkenden Ideals des Neoliberalismus umformuliert worden:
- Die Bundesrepublik Deutschland ist eine wirtschaftshörige, marktkonforme Demokratie.
- Alle Staatsgewalt geht von den Lobbyisten aus. Sie wird in abgeschotteten Hinterzimmern und in uneinsehbaren Geheimverträgen ausgeübt.
- Die Gesetzgebung ist an die Vorteile der Wirtschaft gebunden.
- Gegen jeden, der es unternimmt, gegen diese Ordnung Widerstand zu leisten, wird mit allen Mitteln vorgegangen.
Nun wird das Grabmal in einem circa sechswöchigen Marsch nach Karlsruhe gebracht, um es dort am 23. Mai, dem Geburtstag des Grundgesetzes, feierlich zu Grabe zu tragen.
Oft ist es erst der Schmerz des Verlustes, der den vollen Blick für die Bedeutung einer Sache erlaubt. Im Abschied ist zumeist die tiefste Form der Begegnung möglich. So soll in seinem Abschiedsgang der freiheitlich-demokratische Geist des Grundgesetzes in seiner reinsten Form erlebt werden können. Verabschiedet wird zudem nur der Geist des Lobbyismus, der das Grundgesetz verfassungswidrig außer Kraft gesetzt hat.
Die Reise geht weiter
Damit ist das Ziel jedoch noch nicht erreicht. In einem weiteren Schritt werden die Verteidiger des Grundgesetzes an das Ideal der Mütter und Väter des Grundgesetzes anknüpfen. Diese waren überzeugt davon, dass den Deutschen ihre Grundlage nicht gegeben werden kann, sie müssen sie sich selbst geben. Daher normiert Artikel 146 des Grundgesetzes die Möglichkeit für das deutsche Volk, sich eine Verfassung zu geben. Dies ist jedoch bislang nicht erfolgt. Das Grundgesetz wurde den Deutschen von den Siegermächten verordnet. Auch nach der Wiedervereinigung verzichtete die damalige Regierung und damit indirekt auch das deutsche Volk darauf, sich eine Verfassung zu geben.
Da dies aber jederzeit möglich ist, wenn das deutsche Volk es wünscht, soll dies nun nachgeholt werden. Der Verein „Unsere Verfassung e.V.“ hat daher eine dauerhafte Online-Abstimmung ins Leben gerufen, die nicht darauf abzielt, irgendeine neue Verfassung zu finden, sondern erst einmal zum Ziel hat, das Grundgesetz selbst zur Verfassung zu erheben. Hinzugefügt wird allerdings die Möglichkeit zur bundesweiten Volksabstimmung und es wird festgelegt, dass das Volk die Souveränität über seine Verfassung erhält. Dafür müssen jedoch große Teile der Deutschen dafür stimmen, was sie auf der Webseite des Vereins tun können.
Im Anschluss wird eine Verfassungsklärende Versammlung stattfinden, welche die Aufgabe hat, die verschiedenen Abschnitte des dann zur Verfassung erhobenen Grundgesetzes zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
Ziel ist es, dass eine vom Volk ausgehende Verfassung tatsächlich deren Interessen normiert, die Kompetenzen von Berufspolitikern begrenzt und dem eigentlichen Souverän seine Macht zurückgibt, indem er bei Gesetzesbeschlüssen gefragt werden muss.
Das auf der Webseite zu findende Abstimmungstool stellt die Innenseite der Aktion zur „Erneuerung der Bundesrepublik an ihren eigenen Idealen“ dar. Äußerlich geht der Weg so weiter, dass die Prozession zum Ursprungsort des Grundgesetzes, zum Chiemsee führt. Statt des Grabmales wird nun ein Gefäß den Gang begleiten, in welchem der Samen einer Esche ruht. Diese wird am Chiemsee eingepflanzt, sodass der Akt des Begräbnisses des Grundgesetzes letztlich zu einer neuen, einer lebendig sich verwurzelnden und entfaltenden Verfassung führt.
Die Aktion beginnt ungefähr Anfang April. Sechs Wochen soll die Prozession unterwegs sein, bis sie Karlsruhe erreicht. Währenddessen kann sie über ihren Telegramkanal sowie einen Blog verfolgt werden. Die Beteiligten freuen sich sehr über jede Form der Unterstützung, sei es durch Bereitstellung von Schlafplätzen, Organisation von Aktionen, Lesungen, Kundgebungen oder Vorträgen auf der Route. Denn jeder Mensch ist Souverän, der sich zusammenschließen und erheben muss, um seine Souveränität tatsächlich wieder zu erlangen und zu schützen.
In Anbetracht der zunehmenden Unterwerfung der Menschen, des kriegerischen Chaos, das überall auf der Welt entfacht wird, der immer mehr polarisierten Gesellschaft, sowie der wahnsinnigen Reichtums- und Machtkonzentration ist es notwendiger als jemals zuvor, dass der Souverän in seine Stärke zurückfindet. Denn nur er kann dem Wahnsinn einer aus dem Ruder gelaufenen Herrschaft des Finanzkapitals ein Ende bereiten und so letztlich wieder die Freiheit erlangen, die das nie erreichte Ideal westlicher Gesellschaften darstellt.