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Der Selbstmord

Der Selbstmord

Durch den Mueller-Report haben die US-Medien jede Glaubwürdigkeit verloren.

Die kategorische Aussage des Mueller-Reports, es gäbe keine Verschwörung Donald Trumps und seines Wahlkampfteams mit Russland, beendet eine der beschämendsten Phasen des modernen amerikanischen Journalismus — eine Phase, die dem geistlosen Anfeuern des Irakkrieges durch einen Großteil der Presse gleichkommt. Weiterhin beschädigt sie — womöglich fatal — die Glaubwürdigkeit einer Presse, die unerschütterlich den größten Teil des Landes hat unsichtbar werden lassen und die wenig mehr darstellt als ein Aufgebot von tratschenden Höflingen der Eliten.

„‚Aus der Untersuchung lässt sich nicht schließen, dass Mitglieder des Trump-Wahlkampfteams sich mit der russischen Regierung bei ihren Aktivitäten zur Beeinflussung der Wahl verschworen oder abgestimmt hätten‘“, heißt es im Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller, wie als direktes Zitat in einem offiziellen Brief des US-Justizministers William Barr zu lesen ist.

Bei den Vorwürfen, Russland habe sich die Präsidentschaftswahl von 2016 zu Eigen gemacht, Wladimir Putin besäße geheime „Pinkel-Aufnahmen“, auf denen sich Trump in einem Moskauer Hotel mit Prostituierten vergnügt, oder dem Vorwurf, Trump sei seit langem ein „Kreml-Spion“ — wiederholt von Reportern, die ich in der Vergangenheit bewunderte — handelt es sich um eine ebenso schädliche Hetze wie bei den niederträchtigen Spottrufen und rassistischen Reden, die aus dem Weißen Haus kommen.

Die Presse wiederholte derartige Behauptungen ununterbrochen, während sie sowohl die sich ausbreitende soziale Ungleichheit und das Leid eines Landes, in dem die Hälfte der Bevölkerung in Armut lebt, als auch den Zusammenbruch unserer demokratischen Institutionen ignorierte. Diese Fakten — nicht die russische Einmischung — trieben aufgebrachte amerikanische Wähler dazu, einen Demagogen zu wählen, der zumindest die Eliten schlechtredet, auch jene in der Presse, die die Wähler verraten haben.

Die Anschuldigung, Trump sei ein Werkzeug Russlands gewesen, ist unterhaltsam. Sie bringt Werbeeinnahmen in Milliardenhöhe. Sie erlaubt es der Presse, sich als Moralapostel darzustellen.

Doch innerhalb der letzten drei Jahre hat diese Besessenheit einen Großteil der von dieser Regierung tatsächlich begangenen Verbrechen sowie die von den meisten Amerikanern erduldete Realität getilgt.

Unterhaltung statt Journalismus

Die Mainstream-Presse, die im Besitz jener Unternehmen ist, die den demokratischen Staat ausgelöscht haben, die die Öffentlichkeit ausnehmen und das für uns überlebenswichtige Ökosystem zerstören, zieht ihre Arbeitgeber nicht zur Rechenschaft. Das leere Gerede über Russland — auch in der New York Times — enthüllt das Versagen der US-Medien. Die Sender MSNBC und CNN, die Journalismus schon vor langer Zeit zugunsten von Unterhaltung aufgegeben haben, haben den Äther in atemloser Geschwindigkeit mit lächerlichen Verschwörungstheorien und Fantasien verstopft und diese genutzt, um einen falschen Kreuzzug zu rechtfertigen.

Erwarten Sie nicht, dass sich daran irgendetwas ändern wird. Rachael Maddow (MNSBC-Moderatorin mit eigener Polit-Talkshow; Anmerkung der Übersetzerin) wird — ebenso wenig wie Jack Tapper (CNN-Moderator, ebenfalls mit eigener Talkshow; Anmerkung der Übersetzerin) oder irgendein anderer einfältiger Nachrichten-Promi — dafür zur Rechenschaft gezogen werden, diese Fiktion Nacht für Nacht breitgetreten zu haben. Maddow wird nach wie vor ihr Jahresgehalt von 10 Millionen Dollar einsacken.

Und die wenigen Reporter, die journalistische Integrität gezeigt haben — Glenn Greenwald, Matt Taibbi, Aaron Maté, Robert Scheer, Max Blumenthal und Katrina vanden Heuvel — werden weiterhin eine Existenz an den Rändern der Medienlandschaft fristen. Die Presse ist ein Auswuchs der unternehmerfinanzierten Farce, die das politische Leben unseres Landes ersetzt und öffentliche Debatten in eine riesige Reality-Show verwandelt hat.

Je mehr sich die großen Nachrichten-Agenturen bemühen, mit diesem Bericht Meinungsmache zu betreiben, und dabei behaupten, sie müssten den vollständigen Bericht sehen anstatt der Zusammenfassung des Justizministers, oder dass Jared Kushner versucht habe, das Kommunikationsnetz der russischen Diplomaten zu nutzen, desto mehr werden sie an Glaubwürdigkeit verlieren. Und viel Glaubwürdigkeit besitzen sie nicht mehr.

Die schmutzigen Einzelheiten der angeblichen sexuellen Beziehungen des Präsidenten zu einem Pornostar und einem Playboy-Bunny sowie Details über „Russiagate“ haben den Journalismus ersetzt. Diese Geschichten haben nichts zu tun mit dem Leben der meisten Amerikaner.

Dieser Abstieg in geist- und geschmacklose Sphären verleiht Trump Immunität. Indem er die Presse attackiert, attackiert er eine Institution, die von den meisten Amerikanern verabscheut wird — und das aus gutem Grund.

Die Presse stärkt — unabsichtlich — einen Präsidenten, den sie zu zerstören sucht. Und ihr Niedergang — beschleunigt durch ihre Zusammenarbeit mit den liberalen demokratischen Eliten, die Russland zum Sündenbock erklären, um sich nicht ihrer eigenen Verantwortung für die Zerstörung des Landes im Dienste von Unternehmens-Oligarchen zu stellen — ist noch nicht am Ende angelangt. Kaum etwas von dem, was die Presse über Trump sagt, wird man ihr nun noch glauben.

Unterdrückte Wahrheiten

Natürlich hat eine massive Einmischung in unsere Wahl durch eine ausländische Macht stattgefunden — nämlich durch Israel. Doch versucht man, diese nackte Wahrheit laut auszusprechen, wird man dem Rufmord ausgesetzt sein — skandiert von einem vereinten Chor in der Presse und der politischen Hierarchie beider Parteien. Ilhan Omar, Abgeordnete im Repräsentantenhaus, musste dies erleiden.

Die Kraft, die unsere Feindseligkeit gegenüber Russland antreibt, geht von der Waffenindustrie aus. Mit der Ausbreitung der NATO bis an die Grenzen Russlands — eine Ausbreitung, die zu Zeiten der deutschen Wiedervereinigung noch ausgeschlossen wurde — verdient diese Industrie Milliarden von Dollar durch den Verkauf von Waffen an osteuropäische Staaten. Die Situation verschärft auch die Spannungen zwischen den beiden weltgrößten Atommächten. Doch das ist bloß eine weitere unterdrückte Wahrheit.

Die Trump-Regierung hat Maßnahmen durchgeführt, die, anstatt russischen Interessen zu dienen, unserer Beziehung zu Moskau weiter abträglich sind. Sie hat Sanktionen verhängt. Sie versucht offen, die Regierung eines Landes zu stürzen, das von Russland unterstützt wird — Venezuela. Sie versucht, den Verkauf russischen Gases nach Europa zu unterbinden. Sie hat Waffen an die Ukraine, einen Feind des Kremls, verkauft. Sie hat syrische Rebellen bewaffnet und Luftschläge durchgeführt, selbst während russische Truppen versuchten, das syrische Regime aufrechtzuhalten. Sie hat den INF-Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme aufgekündigt. Doch Fakten bedeuten wenig für jene, die Behauptungen über eine russische Verschwörung verbreiten.

Es ist nicht nur Trump, der die Grenze zwischen Fakt und Fiktion verwischt hat. Es ist die Presse. Sie betrieb einen Hype um Anschuldigungen, die sie niemals untersuchte oder bestätigte. Und indem sie dies tat — und dabei Fehler wiederholte, die sie auch in ihrer Berichterstattung über den Irakkrieg begangen hat — hat sie Selbstmord begangen. Ein Staat, dem eine funktionierende Presse fehlt, wird zur Tyrannei. Das ist nicht Trumps Schuld, sondern unsere eigene.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Mueller Report Ends a Shameful Period for the Press “ Er wurde von Melina Cenicero aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.

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