Als Journalist waren mir schon immer jene Reportagen über Treffen zwischen führenden Staatsoberhäuptern ein Graus, die als „historisch“ oder „denkwürdig“ oder auch einfach nur „bedeutend“ angekündigt wurden. Solche Ansprüche sind meist geheuchelt – oder, sollte tatsächlich einmal etwas wirklich Interessantes geschehen, wird dessen Bedeutung übertrieben oder allzu sehr vereinfacht.
Auf „Plus ça change“ kann sich jedoch der vorsichtige Reporter nicht immer berufen, weil gelegentlich wirkliche Veränderungen stattfinden und professionelle Zyniker überraschen.
Es war kaum möglich, sich nicht von der enthusiastischen Atmosphäre anstecken zu lassen, als ich dieses Wochenende (27. bis 29. April 2018, Anmerkung der Übersetzerin) das „historische“ Treffen der beiden Staatschefs von Nord- und Südkorea am Panmunyom-Grenzübergang beobachtete und den Reportern zuhörte, wie sie sich vor Aufregung fast überschlugen.
Ich erinnere mich jedoch an andere Treffen, die einst als „weltverbessernd“ angepriesen wurden und nun großenteils vergessen sind. Wer erinnert sich noch an das Gipfeltreffen zwischen Reagan und Gorbatschow im Jahr 1986, das ehemals so wichtig erschien? Und dann gab es diesen berühmten Handschlag des israelischen Premierministers Jitzchak Rabin und des Palästinenserführers Jassir Arafat auf dem Rasen des Weißen Hauses, der 1993 ein Friedensabkommen zwischen Israel und Palästina besiegelte. Was immer danach passierte – einen Frieden erreichte der Handschlag nicht.
Rabin wurde zwei Jahren später von einem religiösen Fanatiker ermordet und Arafat starb, als seine Hoffnungen auf ein palästinensisches Selbstbestimmungsrecht in Scherben lagen. Skeptiker, die argumentiert hatten, dass das Missverhältnis zwischen Israel und Palästina bezüglich ihrer politischen und militärischen Stärke für eine echte Einigung zu groß sei, bekamen letztlich doch Recht.
Das Treffen in Panmunjong scheint mehr Substanz zu haben, vor allem, weil das Machtgleichgewicht zwischen den beiden ausgeglichener ist: Kim verfügt über Atomwaffen und behauptet, eine ballistische Rakete mit einer Reichweite bis in die USA zu besitzen. Reichweite und Zuverlässigkeit mögen ja übertrieben sein – aber niemand möchte auf die harte Tour herausfinden, wie weit es damit her ist.
Diese Interkontinentalraketen bewirken, dass Washington und der Rest der Welt Nordkorea als Staat ernst nehmen, wenngleich es im Übrigen eine unbedeutende, wirtschaftlich rückständige Familiendiktatur ist.
Trotz Kims Zusicherung, er strebe eine koreanische Halbinsel ohne Atomwaffen an, ist das wohl das Letzte, was wirklich passieren wird. Er wäre ja dumm, wenn er seinen einzigen ernstzunehmenden Verhandlungstrumpf aufgäbe. Nordkorea lockt schon lange mit atomaren Zugeständnissen, nur um sie dann später wieder zurückzuziehen.
Das bedeutet allerdings nicht, dass derzeit nichts Wichtiges vor sich gehe. Die Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea werden gerade symbolisch und – wie weit, wird sich zeigen – auch praktisch normalisiert. Es wird eine formelle Beendigung des Koreakrieges geben, die den Waffenstillstand von 1953 ersetzen wird, sowie eine Beendigung der „feindlichen Handlungen“ zwischen den beiden Staaten, Familienzusammenführungen, Straßen- und Bahnverbindungen und gemeinsame Sportveranstaltungen. Die rituellen Propaganda-Ausstrahlungen über die Demilitarisierte Zone (DMZ) hinweg sollen aufhören, wenngleich es auch interessant wäre zu erfahren, ob auch die Minenfelder der DMZ entfernt werden.
Präsident Trump beansprucht für sich, seine kriegslüsternen Twitter-Nachrichten und harten Sanktionen hätten Kim zum Verhandeln gezwungen. Vielleicht trugen sie ja auch dazu bei; den Wirkungen von Sanktionen gegen einen Diktator, der fest im Sattel sitzt, sind jedoch klare Grenzen gesetzt – erinnern wir uns an die Sanktionen gegen Saddam Husseins Irak zwischen 1990 und 2003. Trumps Drohungen von „Feuer und Zorn“ mögen den Staatschef Nordkoreas eingeschüchtert haben oder auch nicht – sie machen aber ganz sicher US-Verbündete nervös und vermindern ihre Bereitschaft, ihr Schicksal einseitig von einer unberechenbaren und dysfunktionalen Regierung in Washington bestimmen zu lassen.
Ziehen wir einen Vergleich der deeskalierenden Krise wegen Nordkoreas Atomwaffen mit der eskalierenden Krise, die das Atomabkommen von 2015 mit dem Iran betrifft, das Trump wahrscheinlich am 12. Mai für die USA aufkündigen wird. Das bringt uns zu dem zweiten internationalen Treffen dieser Woche, diesmal zwischen Trump und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Washington – bei dem nicht viel mehr zu sehen war als künstliche Jovialität.
Das Treffen gehört zur schlimmsten Art eines Staatsbesuchs – zu der Art, wo Regierungen und die Medien sich zusammentun, um den Eindruck zu erwecken, es herrschten echte Freundschaft und Einverständnis. Küsschen und Handschläge wurden ausgetauscht, und Bilder von Trump, der Haarschuppen von Macrons Jackett strich, gingen um die Welt, als wären sie von Bedeutung. Früher benutzten Reporter die kitschige Phrase „zwischenmenschliche Chemie“, um eine nicht existente Wärme zwischen den Staatschefs zu beschreiben; dies wird heute durch „vertrauensvolles Verhältnis“ ersetzt, was kaum weniger abstoßend ist.
Starke gefühlsmäßige Bindungen zwischen Trump und anderen Menschen erscheinen angesichts seiner manischen Selbstsucht eher unwahrscheinlich.
Er ähnelt einem Monarchen des 18. Jahrhunderts, der einem Hofstaat vorsteht, an dem sich eine ständig wechselnde Schar von Höflingen tummelt, die heute mächtig sind und schon morgen wieder entlassen werden.
Manche US-Kommentatoren haben Gründe dafür gefunden, warum die beiden sich verstehen müssten. Ganz besonders gefällt mir ein Tweet von „The Discourse Lover“ (etwa „Der Liebhaber von Debatten“, Anmerkung der Übersetzerin), der sarkastisch schreibt: „Ich wette, Trump und Macron verstehen sich richtig gut – Trump ist genau der Typ vulgärer, gewinnsüchtiger Trottel, für den die Franzosen alle Amerikaner halten, und Macron ist genau der Typ herausgeputzter, arroganter Widerling, den Amerikaner für typisch französisch halten.“
Macron machte sich keine Illusionen darüber, dass sein „vertrauensvolles Verhältnis“ ihn beim Thema Iran weiterbringen würde. Er bestätigte, dass Trump sehr wahrscheinlich „aus innenpolitischen Gründen“ das Atomabkommen mit dem Iran beenden und dem Staat „sehr harte Sanktionen“ auferlegen würde. Angela Merkel ist heute (30. April, Anmerkung der Übersetzerin) in Washington, wird aber wahrscheinlich Trumps Haltung gegenüber dem Iran oder auch anderen Themen nicht ändern.
Die Iran-Krise ist sehr gefährlich – so gefährlich, wie es die Nordkorea-Krise nie war.
In Korea sprechen wir von einem Friedensabkommen, das den Waffenstillstand von Panmunjom 1953 ersetzen wird, dort gab es aber, abgesehen von ein paar sporadischen Zusammenstößen, keinen 65 Jahre währenden Krieg. Vergleichen wir das mit der Position des Iran, der mit den USA um Einfluss konkurriert in einem grausamen Krieg in Syrien wie auch dem Irak. Der Krieg im Irak ist derzeit abgeflaut, könnte aber jederzeit wieder aufflammen.
Die Krise in den Beziehungen zwischen den USA und dem Iran besteht nun schon so lange – im Wesentlichen seit dem Sturz des Schahs 1979 –, dass die Menschen zu abgestumpft sein könnten, um auf dessen letzte und gefährlichste Phase zu reagieren. Trump wird sich aus einem Abkommen zurückziehen, bei dem sich alle Unterzeichner – die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China – darüber einig sind, dass der Iran alle Bedingungen erfüllt. Die USA werden dem Iran wieder Sanktionen auferlegen, die dem Iran zwar schaden werden, aber lange nicht so schmerzhaft sein werden wie die vor dem Abkommen 2015, weil die USA diesmal mit deutlich weniger internationaler Unterstützung rechnen können.
Der Iran wird unausweichlich das durch das Abkommen von 2015 gestoppte Nuklearprogramm erneut ganz oder teilweise aktivieren, weil er von einer Einhaltung des Abkommens nicht mehr profitieren wird. Trump mag einen härteren Deal aushandeln wollen, sein willkürliches Handeln hat jedoch den diplomatischen und wirtschaftlichen Spielraum der USA eingeschränkt, den er dazu bräuchte. Möglicherweise wird der Iran auch sehr vorsichtig auf Trumps Demarche reagieren, um die USA zu isolieren und eine Krise hinauszuziehen, die die Amerikaner mehr als die Iraner schwächen wird.
Mangels diplomatischer Optionen wird das Weiße Haus möglicherweise einen militärischen Einsatz gegen den Iran als zunehmend verlockenden Ansatz sehen.
Die Iran-Krise und die Nordkorea-Krise unterscheiden sich erheblich, in beiden Fällen jedoch verhält sich Trump, als würden die USA erstarken, obwohl sie doch, dank seiner Führung, in der Tat an Einfluss verlieren.
Patrick Cockburn ist ein irischer Journalist und seit 1979 Korrespondent im Mittleren Osten, zunächst für die Financial Times, seit 1990 für den Independent.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „De-escalation With North Korea, Escalation With Iran“ (https://www.counterpunch.org/2018/04/30/de-escalation-with-north-korea-escalation-with-iran/). Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam korrigiert.