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Der nächste Feind

Der nächste Feind

Die USA sehen in China den neuen zu bekämpfenden Gegner. Exklusivabdruck aus „China verstehen“.

Vom „Wandel durch Handel“ zur Bekämpfung eines aufstrebenden Konkurrenten

Die USA hatten den Aufstieg Chinas im Interesse ihrer Wirtschaft lange Zeit begrüßt und einen „Wandel durch Handel“ angestrebt, d. h. eine Veränderung der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Landschaft Chinas durch enge Beziehungen und Einflussnahmen auf Gesetze und Strukturen.

Die Entwicklung des Handels und das Handelsdefizit

China und die USA haben die Kooperation im Handel rasant ausgeweitet. Nach Handelsdaten der USA stieg der wirtschaftliche Austausch zwischen den Ländern von 5 Milliarden US-Dollar im Jahr 1980 auf 636 Milliarden US-Dollar 2017. China ist der größte Markt für amerikanische Exporte außerhalb Nordamerikas und der größte Importeur in die USA. Die USA exportierten im Jahr 2017 Güter und Dienstleistungen im Wert von 130 Milliarden US-Dollar nach China. Die USA sind andererseits Chinas größter Exportmarkt.

Ein großer Kritikpunkt Trumps aus Wahlkampfzeiten ist das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China, das im Jahr 2017 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes der USA 375 Milliarden US-Dollar betrug. Die entsprechende Zahl der chinesischen Zollbehörden beträgt 298 Milliarden US-Dollar.

Hier wird der Transithandel anders berücksichtigt. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass viele Vor- und Zwischenprodukte, die in den USA oder in Asien erzeugt werden, nach China importiert, dort nur weiterverarbeitet und dann in die USA re-exportiert werden; das sind oft von US-amerikanischen Unternehmen aufgebaute Lieferketten.

„Der frühere Pekinger Repräsentant des US-Finanzministeriums, David Dollar, bezifferte ihren Anteil an allen China-Ausfuhren auf 37 Prozent“ (1).

Ein Beispiel: Die Kosten für die Bestandteile eines iPhone 7/7Plus betragen 258 US-Dollar. Nur 3–6 Prozent davon sind chinesische Wertschöpfung für den Zusammenbau. Der Rest geht nach Asien zu Samsung, Toshiba, SK Hynix etc. für Displays, Chips, und so weiter. Apple versandte 2017 61 Millionen iPhones 7/7Plus in die USA; hochgerechnet trug die iPhone-7-Serie 15,7 Milliarden US-Dollar zum Handelsdefizit der USA bei, das sind ca. 4,4 Prozent des gesamten Defizits (2).

Die USA nutzen allerdings nicht alle Exportmöglichkeiten. Zusätzlich zum bestehenden Waffenembargo halten die USA für wettbewerbsfähige amerikanische Hightech-Produkte weiterhin eine strenge Exportkontrolle gegen China aufrecht, obwohl es schon unter Barack Obama Gespräche gab, zumindest technisch überholte Teile davon auszunehmen. So informiert der chinesische Vizepremier Wang Yang mit konkreten Zahlen:

Am Beispiel integrierter Schaltkreise (IC) erklärte er, dass China im Jahr 2016 227 Milliarden US-Dollar an IC-Produkten importierte, mehr als die Importe von Rohöl, Eisenerz und Primärkunststoffen zusammengenommen, aber nur vier Prozent davon stammten aus den USA (3).

So schneiden sich die USA durch die restriktive Exportpolitik ins eigene Fleisch.

Protektionismus, oder: „Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen“ (4).

Mit der Begründung, dass China „unfaire Handelspraktiken“ (wie eine unterbewertete Währung, Subventionen und Diebstahl geistigen Eigentums) betreibe, verschärfen die USA die wirtschaftspolitischen Spannungen. In den USA beginnen nun Zeiten des Protektionismus heraufzuziehen, die die ganze Welt treffen. Die USA bezeichnen nun die Regeln, die sie selbst aufgestellt haben, als „unfair“ und halten sich einfach nicht mehr daran.

Bis 2016 hatten die USA schon 262 Untersuchungen wegen unfairen Handels (trade remedy investigations) gegen chinesische Produkte im Wert von mehr als 28 Milliarden US-Dollar geführt. Zudem verhängten sie Zollsätze von bis zu 500 Prozent auf einzelne Produkte in der Eisen- und Stahlbranche.

2018 hat Trump einen Zahn zugelegt. Er verlangte völlig unrealistisch von Bei-jing, das Handelsbilanzdefizit bis 2020 um 200 Milliarden US-Dollar zu verringern (5). Er erhebt aus dubiosen Gründen der „nationalen Sicherheit“ unter Berufung auf Paragraf 232 des Trade Law von 1962 Strafzölle für Stahl- und Aluminiumimporte, um China zu treffen (6). Dabei ist China nur der elftgrößte Stahlimporteur in den USA mit einem Anteil von unter 4 Prozent. Und die US-Stahlimporte aus China sind seit 2011 ohnehin um 30 Prozent gefallen.

Trump verhängte außerdem Strafzölle gegen chinesische Importe im Wert von 50 Milliarden US-Dollar und drohte, auf weitere Waren im Wert von 200 bis 500 Milliarden US-Dollar Strafzölle zu verhängen, wenn Bei-jing Retorsionsmaßnahmen gegen die Strafzölle ergreift. Ob die Ankündigung dieser Maßnahmen Teil der Trump’schen Drohkulisse ist oder die Zölle wirklich zumindest temporär verhängt werden sollen, ist derzeit (Stand Ende August 2018) nicht abschätzbar.

Die Trump-Regierung kündigte auch Strafzölle auf Grundlage einer Untersuchung nach Paragraf 301 des Trade Act von 1974 an. Die Beschuldigung: China zwinge US-Unternehmen, bei Investitionen in China Geschäftsgeheimnisse preiszugeben. Die USA haben aber offenbar keine Beweise für einen von der chinesischen Regierung „erzwungenen Technologietransfer“ bzw. für eine Unterstützung des Diebstahls von Geschäftsgeheimnissen (7), sonst wären sie zwecks einer Schlichtung des Konfliktes zur WTO gegangen.

Tatsächlich ist es so, dass China in manchen Bereichen Gemeinschaftsunternehmen vorsieht, aber keinen Technologietransfer vorschreibt. Die entsprechenden chinesischen Gesetze und deren Umsetzung können sicher verbessert werden, aber es gibt keine Verpflichtung zum Transfer von Firmengeheimnissen. Außerdem tut jede Firma, die in China investiert, dies freiwillig und wird nicht die aktuellste Technologie in ein Joint Venture einbringen, sondern eine etwas überholte Technik.

Es gibt kein anderes Land, das so viel für Lizenzen zur Verwendung intellektuellen Eigentums bezahlt wie China; nach Daten der Weltbank sind es rund 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr (8).

Alle protektionistischen Aktionen von Trump waren nach internationalem Recht nicht legal, da er den Weg zur WTO beschreiten hätte müssen, die entsprechende Schlichtungsverfahren anbietet (9), anstatt mit amerikanischen Gesetzen aus dem vorigen Jahrhundert zu hantieren.

Während China auf amerikanische Strafzölle mit Retorsion gemäß den WTO-Regeln in gleichem Ausmaß antwortete, hat es gleichzeitig angekündigt, sich weiter zu öffnen, die Beschränkung ausländischer Eigentumsanteile an Finanzinstituten auf 51 Prozent zu erhöhen, die Joint-Venture-Verpflichtung in der Automobilindustrie aufzuheben, die Zölle auf importierte Autos und andere Produkte abzusenken und den Schutz der geistigen Eigentumsrechte zu verbessern.

Die USA halten sich auch nicht an die Verpflichtungen nach Artikel 15 des Beitrittsprotokolls Chinas zur WTO, nämlich ab 11. Dezember 2016 im Rahmen von Anti-Dumping-Untersuchungen gegen China bei der Berechnung von Dumping-Exportspannen nicht Vergleichspreise eines beliebigen Drittstaates heranzuziehen. Durch Verwendung hoher Drittstaatspreise anstatt konkreter Dumpingkalkulationen wird China benachteiligt.

Während die USA sich zunehmend nach außen abschotten, öffnet sich China nach seinem eigenen Plan und Rhythmus langsam, je nachdem wie es die wirtschaftliche Lage erlaubt, aber es öffnet sich.

„China 2030“ (Washington) versus „China 2025“ ( Bei-jing)

Warum gehen die USA bei Beschwerden nicht den Weg über die WTO, wollen nicht verhandeln, wie bei Tarif- und Handelsproblemen üblich und wie es viele Firmen und Wirtschaftsexperten vorschlagen, sondern erheben Strafzölle und poltern? Es geht um mehr als Handel.

Das dahinterstehende Ziel der USA sind nicht nur die Verringerung des Handelsdefizits und mehr Arbeitsplätze in der US-amerikanischen Stahlindustrie (10); Washingtons protektionistischer Zug soll verhindern bzw. verzögern, dass China in der industriellen Wertschöpfungskette hochklettert und eine moderne Hightech-Industrie aufbaut. Trumps Leute wollen, dass die chinesische Regierung die Maßnahmen umsetzt, die in der 2013 veröffentlichten Studie „China 2030“ der Weltbank (11) gemeinsam mit (neoliberalen) Ökonomen des chinesischen Forschungszentrums des Staatsrates für Entwicklung propagiert wurden. Ein Ausschnitt aus der Zielformulierung der Studie:

Es ist zwingend erforderlich, dass China … ein marktorientiertes System mit solider Grundlage entwickelt, in dem öffentliche Mittel die Bereitstellung wichtiger öffentlicher Güter und Dienstleistungen finanzieren, während ein starker privater Sektor die wichtigere Rolle für das Wirtschaftswachstum spielt.

Im Klartext: Der Staat möge sich aus der Wirtschaft heraushalten und die Volkswirtschaft dem Kapital überlassen. Washington möchte konkret, wie bei Verhandlungen der Trump-Leute mit chinesischen Vertretern formuliert, dass China die starke wirtschaftspolitische Rolle der Staatsbetriebe einstellt, die staatliche Unterstützung für Hightech-Unternehmen aufgibt, staatliche Förderungen und Unterstützung für das „China-2025“-Überholprogramm einstellt, also keine Industriepolitik betreibt. China soll auch jede Politik betreffend Technologietransfer aus den USA beenden (12).

Passenderweise sind 70 Prozent der Produkte, die auf der zweiten Trump‘schen Strafzollliste stehen, Produkte, die in Zusammenhang mit „China 2025“ stehen. „China 2025“ entwickelt sich im Jahr des zweihundertsten Geburtstages von Karl Marx zum wirtschaftspolitischen Gespenst für die USA.

Die USA befürchten, dass sie auf der Ebene des Wettbewerbs nicht mit China mithalten können und versuchen deshalb mit protektionistischen Mitteln, China in die Knie und zu einem politischen Systemwechsel zu zwingen. Flankierend soll sich China sofort bedingungslos und vollständig öffnen und den US-Technologiekonzernen den internen Markt in den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz, usw. freimachen. China hat einer realistischen Verringerung des Handelsbilanzdefizits zugestimmt, eine Abkehr von „China 2025“ ist jedoch nicht zu erwarten.

Die USA messen mit zweierlei Maß. Was sie „vergessen“ haben, ist, dass bis 1980 auch die Fonds der USA für Forschung und Entwicklung mehrheitlich vom Staat finanziert waren, nicht privat (13). Ihre Luft- und Raumfahrtbehörde (NASA), ihre Atomenergiekommission (AEC) und ihr Verteidigungsministerium investierten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Forschung und Entwicklung, mit dem Ergebnis, dass eine Reihe bahnbrechender Technologien entwickelt wurde. Mitte der 1960er Jahre finanzierte die US-Regierung zwei Drittel der Forschung und Entwicklung, nur ein Drittel war privat. Genau diese Politik wird heute China vorgeworfen.

Das Thema wird die Welt noch länger beschäftigen, da die US-Forderungen nicht realistisch und nicht nur auf den Handel begrenzt sind.

Auslandsinvestitionen chinesischer Unternehmen werden behindert und blockiert

Nach Angaben des Büros für wirtschaftliche Analysen des US-amerikanischen Handelsministeriums lag Großbritannien 2016 mit 598,3 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) an erster Stelle, gefolgt von Kanada, Japan und Deutschland. China war mit nur 58,2 Milliarden US-Dollar nicht einmal in der Lage, die Top-10 zu knacken und investierte nur fast ein Fünftel so viel wie Irland. Die Investitionen chinesischer Firmen sind 2017 um 35 Prozent auf 29 Milliarden US-Dollar zurückgegangen und betreffen 141 Transaktionen. In den letzten Jahren wurden 80 Prozent der Investitionen von privaten Unternehmen getätigt, wobei nach amerikanischen Experten die meisten mit kommerziellen Überlegungen erklärt werden können und keine staatliche Strategie dahintersteckt (14).

Die Nationale Sicherheitsstrategie der USA von Ende 2017 definierte nun China als „strategischen Rivalen“, eine gravierend neue Einschätzung (15).

Die anfangs aufgrund der Schaffung von Arbeitsplätzen begrüßten Investitionen chinesischer Firmen werden zunehmend zum Konfliktpunkt, der von den USA mit der Keule „Problem für die nationale Sicherheit“ behandelt wird. Man vermutet hinter chinesischen Direktinvestitionen paranoid einen geheimen Plan der Kommunistischen Partei Chinas zur Aushöhlung der technologischen Basis und Sicherheit der USA. Sogar der Kauf eines Großbetriebes für Schweineschlachtung und Fleischverarbeitung (Smithfield) wurde von dem zuständigen Komitee für Auslandsinvestitionen in den USA (CFIUS, untersteht dem Finanzministerium) untersucht, ob er nicht die nationale Sicherheit gefährde.

Die Rolle des ursprünglich gegen japanische Investitionen gegründeten CFIUS als Werkzeug im Kampf gegen Investitionen chinesischer Unternehmen in Hochtechnologieunternehmen wurde noch weiter ausgebaut.

„Mein übergeordnetes Anliegen ist der Schutz unserer nationalen Sicherheit und die ausdrückliche Bewahrung der militärischen Überlegenheit der USA für die Zukunft“ (16), sagt der für den Gesetzentwurf federführende konservative US-Senator John Cornyn. Es ist ihm nicht nur wichtig, den Kauf von Firmen durch chinesische Unternehmen untersuchen zu lassen, sondern auch Joint Ventures bis hin zu Minderheitsbeteiligungen zu beobachten.

„Zu den Bereichen, die sie in die CFIUS-Liste aufnehmen wollen, gehören Roboter, autonome Systeme wie selbstfahrende Autos, künstliche Intelligenz, Halbleiter, Immobilien und sogar Medien“ (17).

Das würde auch Unternehmen wie Google, Ford oder General Motors bei Kooperationen mit chinesischen Partnern betreffen, die in diesen Bereichen aktiv sind. Gegen dieses Gesetz gibt es erheblichen Widerstand von US-amerikanischen Technologieunternehmen, die ihre Exportmöglichkeiten behindert sehen (wie Google, Facebook, IBM, Intel und Qualcomm), Unternehmen, die Kapitalspritzen benötigen, die es im Inland nicht gibt (z. B. Xcerra) und natürlich von den Beratungsunternehmen, die solche Deals finanziell und juristisch begleiten (18).

Die Verhandlungen innerhalb des CFIUS sind geheim und es gibt keine rechtliche Einspruchsmöglichkeit gegen seine Entscheidungen. Das bedeutet eine ungeheure Einschränkung der Eigentumsrechte von amerikanischen Aktionären und Firmeninhabern.

Die USA regieren damit politisch in andere Länder hinein und setzen sie unter Druck, insbesondere auch Deutschland. So wurde Berlin auf Druck der USA der Verkauf des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron an den chinesischen Fujian Grand Chip Investment Fund untersagt — gegen den Wunsch der deutschen Eigentümer, die eine ungewisse Zukunft für das Unternehmen sehen. Auch der Kauf der von Daimler, BMW und Audi gehaltenen 10 Prozent des niederländischen Landkartentechnologieunternehmens HERE durch die chinesische Navinfo wurde von CFIUS verboten. Hintergrund: mögliche internationale Verwendung der Landkarten im Zusammenhang mit dem chinesischen Satellitennavigationssystem Beidou und der Versuch, eine Konkurrenz zum US-amerikanischen System GPS zu blockieren.

Es gibt auch Überlegungen, chinesischen Unternehmen, die ganz oder teilweise in öffentlichem Eigentum sind, die Übernahme von US-Unternehmen überhaupt gesetzlich zu untersagen. Das wäre eine grobe Ungleichbehandlung chinesischer Unternehmen, wobei laut einer UNCTAD-Studie sogar wesentlich mehr EU-Staatsmultis international tätig sind als chinesische (19).

In Washington greift offensichtlich Panik um sich: Der US-Präsident überlegt auch, unter Anwendung des Gesetzes über wirtschaftliche Befugnisse bei einem internationalen Notstand („International Emergency Economic Powers Act“, IEEPA) von 1977 informelle Partnerschaften zwischen chinesischen und US-amerikanischen Unternehmen im Technologiebereich, jegliche Investitionen chinesischer Unternehmen in Technologieunternehmen sowie Grundstückskäufe in der Nähe von amerikanischen Militäranlagen zu verbieten (20). Dazu müsste er einen internationalen Notstand ausrufen, um solche Investitionen zu verhindern.

Der Kampf gegen das Telekomunternehmen Hua-wei

Besonders unbeliebt beim US-Kongress ist das chinesische Telekomunternehmen Hua-wei. Es gab vor vielen Jahren den Anfangsverdacht, dass Hua-wei über „Hintertüren“ in seinen Netzen und Routern Daten stehlen würde. Damit war dann die offizielle Legitimation für CIA, NSA und FBI verbunden, Hua-wei auszuspionieren, wie der US-amerikanische Aufdecker Edward J. Snowden enthüllt hat.

Die NSA brach in die Server des Hauptquartiers der Firma in Shenzhen ein und suchte einerseits zu erfahren, wie man Softwarefehler und Backdoors bei Hua-wei-Kunden ausnutzen könnte, und andererseits Beweise für den Verdacht, dass Hua-wei eine enge Verbindung zum chinesischen Militär unterhält. Obwohl letzteres nicht gelang und eine Untersuchung des US-Kongresses keine Beweise vorlegen konnte, kam der zuständige Ausschuss zu folgendem Schluss:

Der Geheimdienstausschuss erklärte nach einer einjährigen Untersuchung, er sei zu dem Schluss gekommen, dass die chinesischen Unternehmen Hua-wei Technologies und ZTE Inc. wegen ihrer Versuche, vertrauliche Informationen von amerikanischen Unternehmen zu gewinnen und wegen ihrer Loyalität gegenüber der chinesischen Regierung eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen (21).

Das Ergebnis war, dass sich Hua-wei vom US-amerikanischen Telekom-Markt zurückziehen musste, da US-amerikanischen Telekomunternehmen die Zusammenarbeit aus Gründen der nationalen Sicherheit untersagt wurde. In einem neuen Gesetz von 2018 wurde auch beschlossen, dass Regierungsbehörden und externe Auftragnehmer keine Hua-wei- und ZTE-Geräte in ihren Systemen verwenden dürfen. Auch der Handyverkauf wird erschwert. Die Netzbetreiber AT&T und Verizon wurden gezwungen, Hua-wei-Handys aus dem Sortiment zu nehmen. Da Hua-wei sowie ZTE unter den ersten Handyherstellern mit 5G-Datenverbindungen sein werden, werden sie auch im Handybereich von den USA blockiert.

Die Untersuchung, ob Geräte Daten abzweigen, wäre ja nicht kompliziert durchzuführen. Man bräuchte sich nur die Geräte und die Software aushändigen lassen und untersuchen (was China macht). Die nationale Sicherheit dürfte auch hier eine Ausrede sein für das größere Ziel, einen wichtigen Konkurrenten für die amerikanische Telekom- und Handyindustrie, namentlich für Apple, zu blockieren.

Wirtschaftskrieg durch sekundäre Sanktionen

Neben direkten Sanktionen verhängen die USA auch gigantische Strafen gegen ausländische Firmen (oder Personen), die gegen US-Sanktionen verstoßen. Meist geht es um US-Sanktionen (nicht UNO-Sanktionen, die selbstverständlich für alle Länder weltweit gelten) gegen Kuba, Iran, Nordkorea, Syrien oder Russland, sogenannte „sekundäre Sanktionen“. „Wir machen die Welt aufmerksam: Die Spielchen sind vorbei“, sagte Handelsminister Wilbur L. Ross.

„Diejenigen, die unsere Wirtschaftssanktionen und Ausfuhrbeschränkungen missachten, werden nicht ungestraft bleiben — sie werden die härtesten Konsequenzen erleiden“ (22).

Die USA maßen sich die international umstrittene extraterritoriale Anwendung von US-amerikanischem Recht auf ausländische Firmen und Personen in weiter Auslegung des Völkerrechts an (23). Es reichen schon die Verwendung eines Servers in den USA für den Transfer eines E-Mails für eine Bestellung oder die Verwendung von US-Dollar für die Bezahlung (24) dafür, dass sich US-amerikanische Institutionen zuständig erklären und ein Rechtsverfahren eröffnen.

Der börsennotierte private chinesische Telekomausrüster ZTE wurde wegen des Verkaufs von Elektronikprodukten an die unter US-Sanktionen stehenden Länder Iran und Nordkorea zu einer Strafe von 1,2 Milliarden US-Dollar verurteilt. Zusätzlich verbot Washington 2018 US-Unternehmen, Produkte an ZTE zu verkaufen (25).

Auch wurde der US-Chipfirma Qualcomm untersagt, Chips für Handys zu liefern. Diese Sanktion, die den Ruin des Unternehmens und Entlassung von 80.000 Mitarbeitern bedeutet hätte, wurde letztlich abgeschwächt, hängt aber wie ein Damoklesschwert über ZTE und seinen Kunden.

Diese aggressive Methode der USA, ihre Hegemonie durch weltweite Anwendung US-amerikanischen Rechtes durchzusetzen, hatte bereits katastrophale Auswirkungen auf europäische Unternehmen. So musste die französische Bank BNP Paribas 8,9 Milliarden US-Dollar, die britische HSBC 1,9 Milliarden US-Dollar und die deutsche Commerzbank 1,5 Milliarden US-Dollar an Strafen bezahlen. Die Deutsche Bank zahlte im Zusammenhang mit sekundären Sanktionen ca. 900 Millionen.

Der amerikanische Traum: Spaltung Chinas und „Farbrevolution“

Die USA spielen eine ganze Reihe von Karten aus, um China zu spalten und langfristig einen Regimewechsel herbeizuführen.

Die Tibet-Karte

Viele westliche Buddhisten und Sympathisanten des Buddhismus haben die romantische Vorstellung, dass Tibet einst ein spirituell orientiertes Königreich, frei von egoistischem Lebensstil, materieller Orientierung und weltlichen Lastern war. Wenn sie sich mit der Geschichte Tibets befassen würden, wären sie schwer enttäuscht: In 170 Jahren wurden fünf Dalai Lamas trotz ihres gottähnlichen Status von ihren hohen Priestern oder anderen Höflingen ermordet (26).

Der 5. Dalai Lama holte die Mongolen ins Land, um eine konkurrierende Sekte ausmerzen zu lassen. Die nun herrschenden Gelugpa (Gelbmützen) setzten sich durch, doch es gibt weiterhin einige andere buddhistische Konfessionen, die parallel agieren (27).

Es gab und gibt schockierende blutige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Konfessionen des tibetischen Buddhismus (28). Auch der jetzige, 14. Dalai Lama, gekleidet in rote und gelbe Roben und Worte von Frieden und Weisheit auf den Lippen, war nicht zimperlich, um spirituelle Konkurrenz auszustechen. Er kritisierte den seit dem 17. Jahrhundert von vielen Menschen verehrten Schutzgott Dorje Shugden als „bösen Geist“ und forderte, dass seine Anbetung eingestellt wird. Die Anhänger von Dorje Shugden wiederum forderten vom Dalai Lama Religionsfreiheit. Bei den weltweiten Auftritten des Dalai Lama fanden laufend Demonstrationen gegen diesen statt (29).

Die Realität in Tibet vor der Befreiung von ausländischen Kräften (vor allem England) und von der Leibeigenschaft durch die chinesische Volksbefreiungsarmee wird im Westen aus politischen Gründen verschwiegen; es ist einer der großen Skandale westlicher Desinformation.

Die Dalai Lamas waren Herrscher über eine unterentwickelte, feudale Gesellschaft mit extremer Ungleichheit und Armut. Nach einer jahrhundertealten Tradition war bei der Einsetzung eines Dalai Lama die Zustimmung Chinas (zuletzt der Guo-min-dang-Regierung) einzuholen, um die Wahl des Dalai Lama und des Panchen Lama zu bestätigen. Als der jetzige 14. Dalai Lama in Lhasa eingesetzt wurde, geschah dies mit einer bewaffneten Eskorte chinesischer Soldaten und unter Anwesenheit eines chinesischen Gesandten. Da hatten die tibetischen Lamas und Adeligen kein Problem unter dem Titel „nationale Unabhängigkeit“. Erst als kommunistische Truppen kamen, stellten sie sich quer, da sie um ihren Reichtum fürchteten.

Das meiste bebaubare Land in Tibet gehörte herrschaftlichen Gutshöfen und wurde von leibeigenen Bauern bearbeitet, die Frondienste bzw. Sklavenarbeit leisten mussten (39). Diese Gutshöfe waren im Besitz zweier sozialer Klassen: reiche Lamas in Klöstern sowie reiche weltliche Grundbesitzer. Man stellt sich im Westen tibetische Klöster als Orte der Meditation und Spiritualität vor. Das waren sie auch, aber viele waren gleichzeitig riesige Wirtschaftsunternehmen mit großer Ausbeutung.

Einer der größten Landbesitzer war das Kloster Drepung mit 185 Landgütern, 25.000 Leibeigenen, 300 Viehweiden mit 16.000 Viehzüchtern. Der Reichtum der Klöster war in den Händen einer kleinen Anzahl hoher Lamas; die meisten Mönche lebten bescheiden. Der Dalai Lama selbst lebte im vierzehnstöckigen Palast Potala mit eintausend Räumen bzw. in seinem Sommerpalast Norbulingka. Er und die von ihm geführte Gelugpa-Sekte hatten die größten Anteile an der Macht.

Den weltlichen Grundbesitzern ging es auch nicht schlecht. So hatte der Oberbefehlshaber der tibetischen Armee, ein Mitglied des Laienkabinetts des Dalai Lama, ein Landgut mit 4000 Quadratkilometern Land und 3500 Leibeigenen. Ein großer Teil des Reichtums wurde durch die Ausbeutung von Arbeit, durch Handel und Geldverleih angehäuft.

Und wie ging es den Leibeigenen, den Sklaven (meist Hausbedienstete), Bettlern und der kleinen Anzahl freier Bauern? Ausbeutung, Hunger und Rechtlosigkeit beschreiben ihr Los. Die Leibeigenen und Sklaven mussten Frondienste für die Klöster und andere Grundbesitzer sowie für die Regierung leisten. Sie konnten frei gehandelt und verkauft werden. Wenn sie Geld leihen mussten, dann zu hohen Zinsen; Schulden wurden über Generationen weitervererbt. Sie durften ihre Grundbesitzer nicht verlassen. Wenn sie dennoch flüchteten, wurden sie schwer bestraft.

Schon für die kleinsten Vergehen gab es harte Körperstrafen, vom Auspeitschen über Blenden bis zum Abschneiden von Händen, Füßen, Zunge, Nase oder Lippen. Bildung existierte nur für die Kinder der Adeligen. Für 90 Prozent der Bevölkerung gab es keine medizinische Versorgung. Heiraten konnten einfache Leute nur mit Zustimmung des Feudalherren oder Lama. Viele Frauen wurden mit mehreren Männern (häufig Brüdern) verheiratet, da es zu wenige Mädchen gab.

Junge Knaben wurden Familien oft weggenommen und in Klöster gesteckt, um lebenslang dort zu dienen. Viele wurden von Mönchen sexuell missbraucht. Mönche zwangen junge rechtlose Frauen zum Sex mit der Begründung, dass diese Frauen dann „Erleuchtung“ erfahren könnten.

Auch die religiösen Lehren des tibetischen Buddhismus bestätigten die Legitimität dieser Klassenteilung: Den Armen wurde weisgemacht, dass ihre erbärmliche Lage in Missetaten während früherer Leben begründet sei, sie müssten dieses Karma nur akzeptieren, dann würde sich ihr Los in einem der nächsten Leben verbessern. Die guten Verhältnisse der Reichen wurde mit guten Taten in früheren Leben begründet.

Man kann sich also lebhaft vorstellen, dass einige Bevölkerungsgruppen in Tibet durch den Sieg der Kommunistischen Partei Chinas über Tschiang Kai-schek und durch die Gründung der Volksrepublik China stark beunruhigt waren. Als die Volksbefreiungsarmee 1950 in Tibet auftauchte, war die herrschende Klasse alarmiert, da die Kommunistische Partei gerade durch die Befreiung der Bauern und die Umverteilung von Land so viele Menschen für den Kampf gegen Japan und Tschiang Kai-schek mobilisieren konnte.

Während die chinesische Regierung in Tibet auf Grundlage des Siebzehn-Punkte-Abkommens für die friedliche Befreiung Tibets, das sie 1951 mit der tibetischen Führung abgeschlossen hatte, anfangs sehr vorsichtig vorging (31), begann die herrschende Klasse in Zusammenarbeit mit der CIA, Widerstand zu organisieren, der im Aufstand von 1959 kulminieren sollte.

Die USA hatten dem jungen Dalai Lama schon 1951 Druck gemacht und ihm zu verstehen gegeben, dass er, wenn er Unterstützung von den USA wollte, Tibet verlassen und alle Verträge mit China annullieren müsse (32). Bis 1959 verweigerte der Dalai Lama dies.

Die USA beschlossen — übrigens in demselben Regierungskomitee, das später die Invasion in der Schweinebucht auf Kuba vorbereitete —, die CIA einzusetzen.

Das Tibet-Programm der CIA war eine verdeckte Operation im Rahmen des Kalten Krieges, bestehend aus politischer Aktion, Propaganda, Sabotage, paramilitärischen Aktionen und Spionageaktivitäten. Es basierte auf Vereinbarungen der US-Regierung mit zwei älteren Brüdern des Dalai Lama. Der zweitälteste Bruder, Gyalo Dön-drup, half der CIA mit seinen Kontakten innerhalb Tibets.

Dön-drup war 1942 im Alter von vierzehn Jahren nach Nanjing geschickt worden, der Hauptstadt der Republik China. Er lernte Tschiang Kai-schek kennen, von 1947 bis 1949 nahm er am Familientisch der Tschiangs seine Speisen ein. Von Tschiang ausgewählte Lehrer lehrten ihn Chinesisch und chinesische Geschichte. 1948 heiratete Dön-drup Zhu Dan, die Tochter eines Guo-min-dang-Generals. Dön-drup eignete sich also bestens zum Kollaborateur mit der antikommunistischen Guo-min-dang sowie mit den US-Geheimdiensten.

Das Ziel des CIA-Programms war die Destabilisierung Chinas. Die CIA-Operationen zielten auf die Stärkung der isolierten tibetischen aufständischen Gruppen, die teils innerhalb des Landes, teils von Nepal aus operierten. Die CIA bildete tibetische Aufständische auf der von den USA besetzten Pazifikinsel Saipan und in Camp Hale in Colorado aus. CIA-Agenten, Saboteure und militärischer Nachschub wurden von Flugzeugen über Tibet abgesetzt.

Eine Reihe von tibetischen Kommandanten und Agenten waren Oberhäupter von Adelsgeschlechtern oder deren Söhne. Viele Lamas und Laien aus der Elite und große Teile der tibetischen Armee nahmen 1959 am Aufstand teil; der Großteil der einfachen Bevölkerung von Lhasa und Umgebung verhielt sich passiv (33).

1961 wurden die adeligen Großgrundbesitzer und Klöster enteignet; das Land wurde zur Nutzung an die Leibeigenen verteilt und Viehherden in Genossenschaften der Halter übertragen. Die geflohenen Adeligen und Mönchsbonzen träumen noch heute von einer Rückübertragung ihres früheren Eigentums.

Das CIA-Programm endete nach der Annäherung Chinas und der USA Anfang der 1970er Jahre und dem Nixon-Besuch in China 1972. 1973 ging die letzte Zahlung an die Aufständischen. Der Dalai protestierte gegen die Einstellung des Programms — kein Wunder, denn die jährlichen Apanagen der CIA an ihn selbst wurden ebenfalls gestrichen.

Auch Dön-drup war frustriert und fühlte sich missbraucht, wie er 2009 dem Wall Street Journal anvertraute:

„Amerika wollte nicht Tibet helfen. Es wollte nur China Probleme bereiten. Amerika hatte keine weitsichtige Politik für Tibet“ (34).

Die CIA-Eingreiftruppe war von Roger E. McCarthy aufgebaut worden, der nach Einstellung der Operation ähnliche Aufgaben in Vietnam und Laos übernahm (35).

Aber hat die CIA wirklich alle Operationen eingestellt? Informationen aus indischen Geheimdienstkreisen lassen darauf schließen, dass weiterhin Geld von der CIA an tibetische Abnehmer floss und dass die „spontanen“ Demonstrationen in Tibet anlässlich der Olympischen Spiele 2008 in Bei-jing von außen finanziert und orchestriert waren. Eine solche Operation kann nicht ohne Mitwissen der CIA abgelaufen sein (36).

Im Juni 2007 war in Neu Delhi eine Konferenz der „Freunde Tibets“ organisiert worden, eine Konferenz für die Abspaltung Tibets von China. Hier wurden offensichtlich die geplanten Aktionen diskutiert. Am 4. Januar 2008 war in Indien eine „Aufstandsbewegung des tibetischen Volkes“ gebildet worden, mit dem Ziel, am 10. März 2008 einen Aufstand in Tibet zu initiieren.

Als der Aufruf veröffentlicht wurde, traf sich der US-Botschafter in Indien, David Mulford, in Dharamsala mit dem Dalai Lama. Paula Dobriansky, die stellvertretende Außenministerin der USA für Demokratie und globale Angelegenheiten und Mitglied des neokonservativen Projekts für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert, besuchte ebenfalls Dharamsala. Sie hatte aus Osteuropa Erfahrung in der Organisierung von „Farbrevolutionen“ (37).

Der amerikanische Geldfluss an die Freunde des Dalai Lama geht also weiter. Die „Tibetische Zentralregierung“, die sich im Exil in Dharamsala befindet, ist in der Finanzierung weitgehend von China-feindlichen Regierungen abhängig. So erhielt sie — zusätzlich zur Unterstützung durch Indien - von der amerikanischen USAID 23 Millionen US-Dollar für 2016 bis 2021 zugesagt. Bei Treffen mit dem ultrarechten republikanischen Senator und Trump-Unterstützer Tom Cotton, dem neokonservativen Senator und Unterstützer der amerikanischen Waffenindustrie Lindsey Graham, dem rechten republikanischen Senator Marco Rubio, einem Lobbyist der Waffenindustrie, sowie Nita Lowey, einer der reichsten Kongress-Abgeordneten von der Demokratischen Partei, im Dezember 2017 erhielten die tibetischen Separatisten weitere finanzielle Zusagen.

So bewilligte der Kongress für das Haushaltsjahr 2018 17 Millionen US-Dollar. Auch das Amt für Bevölkerung, Flüchtlinge und Migration (PRM) des US-Außenministeriums machte wieder Geld locker für tibetischsprachige Programme von Radio Free Asia, Voice of America und für Projekte des National Endowment for Democracy (NED) (38).

Die Taiwan-Karte

Nach der Niederlage im ersten Chinesisch-Japanischen Krieg (1894–1895) wurde China gezwungen, mit Japan den Vertrag von Shi-mo-no-se-ki zu unterzeichnen und u. a. Taiwan an die Kolonialmacht Japan abzutreten.

Nach der japanischen Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkrieges stellten die Alliierten Taiwan wieder unter chinesische Souveränität, ausgeübt durch die 1911 gegründete Republik China.

Wegen der absehbaren Niederlage im Bürgerkrieg auf dem Festland beschloss Präsident Tschiang Kai-schek, nachdem er eine politische Position auf zweiter Ebene abgelehnt hatte, die ihm die Kommunisten auf dem Festland angeboten hatten, sich mit den Gold- und Devisenreserven, den wertvollsten Kunstschätzen des Landes und mit den Resten seiner Soldateska nach Taiwan abzusetzen. Sein Ziel war es, mit Unterstützung der USA von Taiwan aus China wiederzuerobern.

Die Soldaten Tschiang Kai-scheks verhielten sich auch in Taiwan als Unterdrücker. Proteste der Bevölkerung wurden mit Gewalt niedergemacht, es kam zum Massaker vom 28. Februar 1947 und der daran anschließenden Zeit des „Weißen Terrors“ und des Kriegsrechtes vom 20. Mai 1949 bis Mitte der 1980er Jahre. Dabei wurden bis zu 30 000 Taiwanesen getötet (39). Innerhalb von zwei Tagen nach Ausbruch des Korea-Krieges im Juni 1950 bekam Tschiang Kai-schek noch dazu die von ihm verlangte Zusage der USA, ihn vor einer Wiedervereinigung Taiwans mit dem Festland unter Flagge der am 1. Oktober 1949 gegründeten Volksrepublik China zu schützen.

Die USA setzten auch durch, dass das kleine Taiwan als Vertretung Chinas in den Vereinten Nationen verblieb. Die Taiwan-Lobby in Washington — im Bund mit den Falken John Foster Dulles und General Douglas MacArthur — hatten sich gegenüber denjenigen im Außenministerium durchgesetzt, die Tschiang Kai-schek aufgrund seiner undemokratischen und brutalen Regierungsweise negativ gegenüberstanden.

Die Volksrepublik China sieht Taiwan als integralen Bestandteil des „einen China“ mit der Hauptstadt in Bei-jing. Die faktische Integration soll mit friedlichen Mitteln erreicht werden (40).

Warum ist Taiwan für China so wichtig? Historisch ist Taiwan der letzte Teil Chinas, der von Kolonialherren besetzt worden war und bis heute nicht wieder mit dem Mutterland vereinigt ist. Für patriotische Chinesen ist das langfristig ein unhaltbarer Zustand, noch dazu in einer Situation, wo einer der ehemaligen Kolonialherren, nämlich die USA, versucht, die Wiedervereinigung zu untergraben. Für Europäer ist das schwer vorstellbar, da sie „auf der anderen Seite“ waren, nämlich der der Kolonialisten. Aber die nationale Souveränität und Nichteinmischung von außen war eine wichtige Errungenschaft im antikolonialen Kampf. Außerdem ist Taiwan in der jetzigen strategischen Situation des Aufmarsches der USA im Westpazifik und der Einkreisungspolitik gegen China ein Tor zum Westpazifik.

Im Jahr 1971 begannen sich die Beziehungen zwischen China und den USA zu normalisieren, die Volksrepublik übernahm 1971 den Sitz Taiwans im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, und Taiwan ist seit damals kein Mitglied der Vereinten Nationen mehr. Eine „Republik China“ wird heute nur mehr von weltweit siebzehn kleineren Staaten anerkannt.

Auch der Vatikan als letztes europäisches Land ist dabei, die Beziehungen mit Bei-jing sowohl auf staatlicher als auf religiöser Ebene zu normalisieren und die offiziellen Beziehungen zu Taiwan abzubrechen.

Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den USA und China erfolgte 1979. Die USA erkannten damals die Volksrepublik China als einzigen chinesischen Staat an und brachen die offiziellen Beziehungen zur „Republik China“ auf Taiwan ab.

Drei Kommuniqués — das Shanghai-Kommuniqué, das Gemeinsame Kommuniqué über die Aufnahme Diplomatischer Beziehungen und das Kommuniqué vom 17. August 1982 — bilden die politische Grundlage der chinesisch-amerikanischen Beziehungen (41).

Im Shanghai-Kommuniqué von 1972 (Nixon/Kissinger-Besuch in Bei-jing) erkannten die USA die „Ein-China-Politik“ an und dass Taiwan ein Teil Chinas sei. Sie bestätigten den Abzug aller US-Truppen und militärischer Einrichtungen aus Taiwan als Ziel.

Im Gemeinsamen Kommuniqué von 1979 wurde die gegenseitige Anerkennung sowie Aufnahme diplomatischer Beziehungen festgelegt und die Volksrepublik China als einzige rechtmäßige Regierung Chinas anerkannt. Die USA behielten sich vor, nicht-offizielle Beziehungen mit Taiwan aufrechtzuerhalten.

1979 beschloss der Kongress der USA das Gesetz über die Beziehungen zu Taiwan (TRA-1979), das festhält, dass die USA andere als nur friedliche Methoden (auch Boykott oder Embargo) zur chinesischen Wiedervereinigung als Bedrohung für den westpazifischen Raum ansehen. Das Gesetz regelt auch die Versorgung Taiwans mit amerikanischen Waffen „defensiven Charakters“ und fordert von den USA, das Militär bereit dafür zu halten, auf eine gewaltsame Vereinigung zu reagieren. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde das American Institute in Taiwan als inoffizielle Interessensvertretung der USA eingerichtet. Es ist eine eklatante Einmischung in innerchinesische Angelegenheiten. Unter Bill Clinton wurde darüber hinaus festgelegt, dass das TRA-1979 für die Politik der USA gegenüber Taiwan höhere Priorität als die drei Kommuniqués habe.

Im dritten Kommuniqué, dem Kommuniqué vom 17. August 1982, wurde nochmals festgehalten, dass die Regierung der Volksrepublik China die einzig legitime Regierung Chinas ist, dass es nur ein China gibt und Taiwan ein Teil Chinas ist. Die chinesische Seite betont ihr Ziel der friedlichen Wiedervereinigung Taiwans mit dem Mutterland, und dass diese Frage eine innere Angelegenheit Chinas ist. Es wird festgehalten, dass die Lieferung amerikanischer Waffen nach Taiwan ein Problem für die beiderseitigen Beziehungen darstellt.

Die USA erklärten, dass sie keine langfristige Politik des Waffenverkaufs an Taiwan verfolgen und dass sie die Absicht hätten, den Waffenverkauf schrittweise zu reduzieren. In den „Sechs Zusicherungen“ von Ronald Reagan im selben Jahr weichten die USA ihre Positionen allerdings gleich wieder auf: Punkt eins lautet, dass die USA keinem fixen Datum für ein Ende der Waffenlieferungen zugestimmt hatten. Die Devise, niemals einem Papier zu trauen, das die USA unterschrieben haben, galt schon damals.

Die Verteidigungszusicherungen und Waffenlieferungen an Taiwan reduzieren in Wirklichkeit die Chancen einer friedlichen Lösung, da sie diejenigen Personen in Taiwan stärken, die die Unabhängigkeit Taiwans betreiben und sich Illusionen darüber machen, dass sie militärisch gestärkt einen Krieg gewinnen könnten und das Thema der Wiedervereinigung nicht ernsthaft betreiben müssten. Der Kern der Verteidigungsdoktrin Taiwans ist, dass es genug Waffen benötigt, einem Angriff vom Festland zwei Wochen lang standhalten zu können, dann käme ohnedies Hilfe aus den USA oder von der internationalen Gemeinschaft.

Die Beziehungen zwischen den USA und Taiwan waren schon immer das Betätigungsfeld rechter Falken in den USA; der Vorsitzende des US–Taiwan Business Council ist der neokonservative Kriegstreiber Paul Wolfowitz. Als Präsident fungiert Rupert J. Hammond-Chambers, im Hauptberuf Managing Director der Bower Group Asia in Taiwan.

Diese Denkfabrik und Lobby-Organisation mit engen Kontakten zum Pentagon haben wir schon im Abschnitt über das Südchinesische Meer kennengelernt. Sie arbeitet auch auf den Philippinen mit dem früheren Außenminister del Rosario zusammen und versucht, Kompromisse zwischen den Philippinen und China betreffend das Südchinesische Meer zu hintertreiben und die Philippinen zur Aufrüstung zu motivieren. Unter dem Einfluss dieser mit dem militärisch-industriellen Komplex verbundenen Falken im Kongress ist keine Lösung des Problems der Waffenlieferungen in Sicht — im Gegenteil.

Die gegen China gerichteten Waffenverkäufe der letzten Jahre beinhalteten Kriegsschiffe (Fregatten), Panzerabwehrraketen, Stinger-Luftabwehrraketen, Informations- und Kommunikationssysteme sowie Raketen zur Zerstörung von Radaranlagen (42). 2017 verkauften US-amerikanische Unternehmen Waffen im Wert von fast 1,5 Milliarden US-Dollar nach Taiwan.

Darüber hinaus gibt es im Militärbudget der USA für 2018 im Abschnitt 1259 den Auftrag, die Verteidigung von Taiwan zu stärken und einen Bericht über die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Anlaufens taiwanesischer Häfen durch US-Kriegsschiffe zu erstellen. Das Pentagon wird aufgefordert, Kriegsgerät an Taiwan zu liefern, speziell die Bekämpfung chinesischer U-Boote durch Taiwan zu stärken sowie militärische Ausbildungen durchzuführen (43).

Der Senat und das Repräsentantenhaus gossen Anfang 2018 weiter Öl ins Feuer, indem sie ein Gesetz verabschiedeten, das gegenseitige Besuche von hohen amerikanischen und taiwanesischen Regierungsmitgliedern anregt — ein Rückfall in die Zeit vor Ende der 1970er Jahre, als die USA beschlossen, alle offiziellen Regierungskontakte einzustellen. Präsident Trump ging schon mit schlechtem Beispiel voran, als er einen Anruf von Präsidentin Tsai Ing-wen annahm, vordergründig zur Gratulation zu seinem Wahlsieg. Er ließ Tsai Ing-wen auf ihrer Tour durch pazifische Inseln auch in Hawai‘i zwischenlanden.

Ein weiterer Pro-Taiwan-Mann, Randall G. Schriver, wurde 2017 zum stellvertretenden Verteidigungsminister für den asiatisch-pazifischen Raum ernannt. Schriver, ein früherer Bush/Cheney-Mitarbeiter und Marine-Spionagefachmann, ist Chef des Projekt 2049 Institute, einer Denkfabrik mit Schwerpunkt Sicherheit in Zentralasien und Asien-Pazifik. Er möchte den Waffenverkauf an Taiwan weiter ausbauen (44). Im Vorstand des Instituts finden wir Rupert Hammond-Chambers wieder, den Taiwan-Lobbyisten.

Ein weiterer Affront der USA gegen China, der die Beziehungen verschlechtern wird, ist die in Zukunft zweimal jährlich stattfindende Konferenz von Vertretern der amerikanischen Rüstungsindustrie mit taiwanesischen Amtsträgern. 2018 ist es das erste Mal seit 26 Jahren, dass eine solche Konferenz stattfindet.

Zwischen der Volksrepublik China und Taiwan haben sich in den letzten fünfzehn Jahren auf Grundlage des gemeinsamen „Konsens von 1992“ sehr enge Wirtschaftsbeziehungen (das Festland ist der größte Handelspartner Taiwans), ein reger Touristenverkehr, direkte tägliche Schiffs- und Flugverbindungen und auch politische Kontakte entwickelt.

2015 fand in Singapur ein historisches Treffen der beiden Führer Xi Jin-ping und Ma Ying-jeou statt, das große Hoffnungen für die Zukunft erwarten ließ. Bei dem Treffen wurde der von Bei-jing und Taibei erzielte „Konsens von 1992“ mit dem Schwerpunkt der „Ein-China“-Politik betont. Beide Seiten sprachen sich für friedliche Zusammenarbeit und für eine Vertiefung der Beziehungen aus.

Präsidentin Tsai Ing-wen, deren Partei sich die Ausrufung der Unabhängigkeit Taiwans auf die Fahnen geschrieben hat, will den „Konsens von 1992“ und dass Taiwan Teil des „einen China“ ist, nicht bestätigen. Ihre Wahl im Jahr 2016 führte daher zu einer raschen Verschlechterung der Beziehungen.

Die USA betreiben die Verschlechterung der Beziehung zwischen Taiwan und der Volksrepublik China als Möglichkeit, China weitere Probleme zu machen und ihre Hegemonie in Asien aufrechtzuerhalten. Die US-Politik ist wie im Südchinesischen Meer rein destruktiv, ohne auf Problemlösungen hinzuarbeiten.

NGOs als Werkzeuge für „Farbrevolutionen“

Die USA sind noch nicht aus ihrem Traum von einer Abspaltung von Teilen Chinas und von einem Regimewechsel durch eine „Farbrevolution“ erwacht. Diese Versuche sind eine Verletzung des Artikels 55 der Charta der Vereinten Nationen, der den Grundsatz der „Selbstbestimmung der Völker“ festhält. Eine wichtige Rolle in der langfristigen Strategie der USA spielen neben politischen Attacken und Druck von außen — Vorwürfe betreffend mangelnder Demokratie in China — in China selbst tätige NGOs.

Wenn man „NGO“ hört, denkt man normalerweise an Organisationen, die Bedürftigen helfen, Umwelt-, Tierschutzorganisationen usw. Der Begriff „NGO“ sagt aber nichts über die Tätigkeit der Organisation aus. So ist z. B. die Interessenvertretung der Unternehmer in Österreich, die Wirtschaftskammer (WKO), ebenfalls eine NGO. Der bei den Menschen positiv besetzte Begriff „NGO“ wird im politischen Bereich für andere Ziele missbraucht (45).

Die USA — staatliche Organisationen, Milliardäre und Großkonzerne — haben ein Netz von NGOs aufgebaut, die in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem US-Außenministerium als verlängerter Arm der Regierungspolitik dienen und international dort tätig sind, wo die USA Veränderungen der politischen Landschaft erreichen wollen.

Tätigkeiten, die sich für offizielle staatliche Organe diplomatisch „nicht schicken“, werden an diese NGOs ausgelagert. Regimewechsel ist dabei ein zentrales Thema. Unter dem Vorwand, „Demokratie“ zu fördern, werden Regierungen anderer Länder unterwandert, mit viel Geld lokale Organisationen unterstützt, deren Mitglieder sich — oft naiv — in dem Glauben, dass die USA wirklich Demokratie exportieren wollen, vor den imperialen Karren der US-Außenpolitik spannen lassen.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das auf Wunsch des damaligen CIA-Direktors William Casey 1983 unter Ronald Reagan vom US-Kongress gegründete „National Endowment for Democracy“ (NED, „Nationale Stiftung für Demokratie“):

Der Kongress gründete die NED als halbstaatlichen Arm der Außenpolitik. Trotz der staatlichen Finanzierung handelt es sich rechtlich um eine private, gemeinnützige Organisation. Das ermöglicht dem Staat die Weitergabe von Haushaltsmitteln an ausländische Organisationen über einen Dritten (46).

Die Idee dahinter war die Schaffung einer nach außen hin unabhängigen Organisation, die, gelenkt von Außenministerium und von der CIA, deren politische Ziele in Lateinamerika (z. B. in Nikaragua, Kuba, El Salvador und Grenada) unterstützen sollte, sowohl in den jeweiligen Ländern als auch in der öffentlichen Meinung in den USA und anderswo. Zunehmend werden auch Großkonzerne aus Industrie und Finanzwelt sowie Milliardäre zur Finanzierung des NED motiviert. Der Vorteil für Privatfinanciers besteht darin, in ihrem eigenen Interesse lokale NGOs in Ländern einsetzen zu können, deren Regierungen den Interessen dieser Konzerne widerstreben.

Schon 1941 war das „Freedom House“ gegründet worden, dessen Mitarbeit an CIA-Propagandaaktionen der Enthüllungsjournalist Robert Parry anhand von Dokumenten aus der Reagan-Bibliothek nachwies (47). Das „Freedom House“ war 2016 zu 86 Prozent aus Regierungsgeldern finanziert, vor allem über die NED (48). Aber auch multinationale Konzerne tragen zum Budget bei, wie der Telekomkonzern AT&T, die Rüstungsgiganten BAE Systems und Northrop Grumman, Caterpillar, Google, Facebook sowie die Investmentbank Goldman Sachs.

Von 28 Asien-NGOs, die von der NED finanziert werden, haben 18 China-Bezug. Die meisten dieser Mittel gehen an Organisationen, die „Demokratie“ und „Menschenrechte“ propagieren, wie Human Rights in China, das China Strategic Institute, die Laogai Research Foundation und die Chinese Urgent Action Working Group des Schweden Peter Dahlin. Wenn die von den USA unterstützten Organisationen nach „Demokratie“ oder freien Wahlen rufen, meinen sie in Wirklichkeit Regierungswechsel zu einem den USA wohlgesonnenen Freund vor Ort.

Eine weitere wichtige Rolle spielt das National Democratic Institute for International Affairs (NDI). Es wurde von der früheren Außenministerin Madeleine Albright gegründet. Seine Finanzierung erhält es zum Teil direkt von der US-Regierung über die United States Agency for International Development (USAID) und das Außenministerium, zum Teil indirekt durch das „National Endowment for Democracy“ (NED) (49).

Es berät, wie man regierungsfeindliche Aktionen plant, initiiert, organisiert und durchführt; sogar eine eigene Software wurde dafür entwickelt und zur Verfügung gestellt.

Auch die staatliche USAID, eine Organisation in enger Abstimmung mit dem Außenministerium und zeitweise mit dem US-Militär, ist in China tätig. Die politisch subversive Rolle von USAID unter dem Deckmantel von „Entwicklung“ kam vor einigen Jahren wieder einmal ans Tageslicht, als aufgedeckt wurde, dass vorgeblich humanitäre Projekte in Kuba initiiert wurden, deren eigentliches Ziel es jedoch war, die Regierung zu stürzen (50).

NGOs evangelikaler Christen aus den USA versuchen, über christliche NGOs vor Ort politische Aktivitäten (z. B. gegen das Recht auf Abtreibung) zu entfalten. Sie sind gelegentlich in Spionageaktivitäten verwickelt und arbeiten auch mit dem US-Verteidigungsministerium zusammen. So wurden in Hilfslieferungen der Humanitarian International Services Group nach Nordkorea militärische Sensoren, Kurzwellenempfänger und militärische Ausrüstung versteckt; Empfänger waren nordkoreanische Partner der CIA. Der Leiter der Organisation, Kay Hiramine, arbeitete verdeckt für das Pentagon, die Missionare und freiwilligen Mitarbeiter wussten nichts davon und wurden für diese gefährlichen Aktionen missbraucht (51).

In China sind ca. 7000 ausländische NGOs tätig gewesen. Dass die Regierung versucht, neben dem generellen Bemühen, die Gesetzgebung zu diversen Lebensbereichen zu vervollständigen, einen Überblick zu bekommen und die Arbeit der kleinen Minderheit an NGOs, die umstürzlerische politische Tätigkeiten betreiben, einzuschränken, ist verständlich. NGOs müssen eine chinesische NGO-Partnerorganisation als Sponsor suchen und sich offiziell registrieren. Es gibt dazu Aussagen, dass dieser Prozess zeitaufwendig, aber problemlos verläuft, wie beispielsweise von der Ford Foundation (52).

Die „Regenschirm-Revolution“ in Hongkong ist ein Beispiel für die Tätigkeit von US-amerikanischen NGOs mit dem Ziel, in China Chaos und Unregierbarkeit zu bewirken.

Im Oktober 2014 entstand in Hongkong ein Studentenprotest, dessen Ziel die Änderung eines von China mit Großbritannien vereinbarten Vertrages in Richtung Direktwahl des Gouverneurs der Sonderverwaltungszone Hongkong war. Nach einem Bericht der BBC waren die Demonstrationen nicht spontan, sondern waren schon zwei Jahre vorher vorbereitet worden (53).

Mit Rat und Unterlagen aus dem Westen wurden eintausend Aktivisten ausgebildet, die das Rückgrat der Proteste stellen sollten. Die Demonstranten, die das Zentrum von Hongkong und die Geschäftstätigkeit lahmlegten, vertraten nur eine Minderheit der Hongkonger Bevölkerung, behaupteten aber, sie sprächen für „das Volk“.

Die USA hatten mittels der NED hunderttausende Dollar investiert, um die Bewegung zu schüren. Joshua Wong Chi-fung (inzwischen sogar Verfechter der Unabhängigkeit Hongkongs), der damals siebzehnjährige Anführer der größten Studentenorganisation, hat enge Beziehungen zur US-Regierung, inklusive regelmäßiger Sitzungen im US-Konsulat. Der selbsternannte Anführer der „Occupy-Central“-Bewegung, Benny Tai Yiu-ting, ist ein Professor für Rechtswissenschaften und regelmäßiger Kooperationspartner des vom NDI finanzierten Zentrums für vergleichendes und öffentliches Recht.

Ein weiteres führendes Mitglied der Bewegung, der Mitbegründer der Hongkonger Democratic Party, Martin Lee Chu-ming, war im April 2014 in den USA und traf den damaligen Vizepräsidenten Joseph Biden. Er nahm an einer von der NED organisierten Diskussionsrunde zum Thema „Warum Demokratie in Hongkong von Bedeutung ist“ teil. Die Debatte hatte offensichtlich die Aufgabe, die Öffentlichkeit auf eine positive Aufnahme der noch zu lancierenden Bewegung vorzubereiten. Lee hatte schon 1997 den Demokratie-Preis der NED erhalten.

Ein weiteres führendes Mitglied, der Medienmogul Jimmy Lai Chee-Ying, traf im Juni 2014 auf seiner Jacht Paul Wolfowitz. Mit dabei war ein leitender Mitarbeiter von Lai, Mark Simon, der in früheren Jahren als Analyst im Pentagon gearbeitet hatte.

Das NDI versucht, die Hongkonger Jugendlichen mit seinen Studien auf einen harten Kurs gegen die Regierung von Hongkong zu bringen. Man hetzt naive, gutgläubige Menschen in Auseinandersetzungen, die sie nicht gewinnen können.

Es gibt ja schon Erfahrungen aus Ägypten, Syrien und der Ukraine, wie das abläuft: Zuerst friedliche Demonstrationen, dann werden radikalere Personen tätig, die die Situation verschärfen. Die Polizei greift ein, es gibt Verletzte, vielleicht Tote, die USA verurteilen die Gewalt durch die Regierungen, es werden vielleicht Sanktionen verhängt, bis hin zu militärischer Unterstützung der Radikalen. Das Ergebnis ist bekannt: Es gibt Chaos, wirtschaftlichen Niedergang, viele Tote — jedenfalls keine Spur von Demokratie. Demokratie kann nur von innen wachsen.

Die USA hofften, durch die Proteste „Solidaritätsaktionen“ auf dem chinesischen Festland initiieren zu können und so über Hongkong zur Destabilisierung ganz Chinas beizutragen.


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Robert Fitzthum: „China verstehen. Vom Aufstieg zur Wirtschaftsmacht und der Eindämmungspolitik der USA“, Promedia 2018, 224 S.


Quellen und Qnmerkungen:

(1) Johnny Erling: Handelskrieg USA und China: Nach Drohen kommt Feilschen, Der Standard, 1. April 2018, http://derstandard.at/2000077096489/
(2) Adam Jourdan: Designed in California, made in China: how the iPhone skews U.S. trade deficit, Reuters, 21. März 2018, https://www.reuters.com/article/us-usa-trade-china-apple/designed-in-california-made-in-china-how-the-iphone-skews-u-s-trade-deficit-idUSKBN1GX1GZ
(3) Chinese vice premier upbeat about China–U. S. economic cooperation, China.org.cn, 19. Juli 2017, http://www.china.org.cn/world/Off_the_Wire/2017-07/19/content_41244410.htm
(4) Nach einem chinesischen Sprichwort (jiàn fēng zhuaˇn duò 见风转舵).
(5) Wobei Trump offenbar nicht weiß, dass er kein Billionen-Dollar-Staatsdefizit finanzieren kann, wenn er das Außenhandelsdefizit reduziert. Ausländer, die amerikanische Staatsanleihen kaufen, können dies nur mit US-Dollar tun, die sie zuvor beim Export in die USA verdient hatten.
(6) Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer, der die Politik der Strafzölle betreibt, ist ein früherer Rechtsberater der Stahlindustrie.
(7) Sie stützten sich nur auf Aussagen von Industrielobbies und Beratungs­unter­nehmen.
(8) David P. Goldman: Trump moves to Navarro-Navarro Land, Asia Times, 21. Juni 2018, http://www.atimes.com/article/president-trump-moves-to-navarro-navarro-land/
(9) Der US-Handelsbeauftragte Robert Lighthizer blockiert derzeit die Neubestellung von Schlichtern, da einige Ergebnisse von Schlichtungsverfahren den USA nicht gepasst haben. Damit versuchen die USA, durch Schaffung von Personalengpässen die WTO-Verfahren auszuhebeln.
(10) Wobei der Verlust an Arbeitsplätzen in der US-Stahlindustrie zu ca. 50 % durch Rationalisierungen erfolgte, nicht durch Außenhandel.
(11) China 2030: Building a Modern, Harmonious, and Creative Society, The World Bank / Development Research Center of the State Council, the People’s Republic of China, 2013, https://www.worldbank.org/content/dam/Worldbank/document/China-2030-complete.pdf
(12) Details des unverschämten US-Forderungsprogramms siehe Enda Curran, Keith Zhai: Here’s What the U. S., China Demanded of Each Other on Trade, Bloomberg, 4. Mai 2018, https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-05-04/here-s-what-u-s-demanded-of-china-at-the-start-of-trade-talks
(13) Andrew P. Hunter: A U. S. Investment Strategy for Defense, in: James Andrew Lewis (Hg.): Meeting the China Challenge, Responding to China’s Managed Economy, Center for Strategic and International Studies, 29. Januar 2018, https://www.csis.org/analysis/meeting-china-challenge
(14) Siehe die Aussage von Thilo Hanemann, Direktor und Ökonom der Rhodium-Gruppe: Hearing on Chinese investment in the United States: impacts and issues for policy makers, US-China Economic and Security Review Commission, Januar 2017, https://www.uscc.gov/Hearings/hearing-chinese-investment-united-states-impacts-and-issues-policymakers
(15) National Security Strategy of the United States of America, White House, Dezember 2017, https://www.whitehouse.gov/wp-content/uploads/2017/12/NSS-Final-12-18-2017-0905.pdf
(16) Deborah Lehr: Foreign Investments and National Security: A Conversation With Senator John Cornyn, Council on Foreign Relations, 22. Juni 2017, https://www.cfr.org/event/foreign-investments-and-national-security-conversation-senator-john-cornyn
(17) William McConnell: Washington Hellbent on Strengthening Cfius, The Street, 24. Juni 2017, https://www.thestreet.com/story/14193995/2/washington-hellbent-on-strengthening-cfius.html
(18) Patrick Tucker: What’s the ‘Risk’ in China’s Investments in US Artificial Intelligence? New Bill Aims to Find Out, Defense One, 22. Juni 2017, http://www.defenseone.com/technology/2017/06/how-not-win-ai-arms-race-china/138919/
(19) World Investment Report 2017, UNCTAD, http://unctad.org/en/pages/PublicationWebflyer.aspx?publicationid=1782
(20) Saleha Mohsin: U. S. Weighs Emergency Powers to Curb China Tech Investments, Bloomberg, 20. April 2018, https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-04-19/u-s-weighs-emergency-powers-to-curb-tech-investments-by-china
(21) Michael S. Schmidt, Keith Bradsher, Christine Hauser: U. S. Panel Cites Risks in Chinese Equipment, New York Times, 8. Oktober 2012, http://www.nytimes.com/2012/10/09/us/us-panel-calls-Hua­wei-and-zte-national-security-threat.html
(22) Paul Mozur, Cecilia Kang: U. S. Fines ZTE of China $1.19 Billion for Breaching Sanctions, New York Times, 7. März 2017, https://www.nytimes.com/2017/03/07/technology/zte-china-fine.html
(23) Zur völkerrechtlichen Auslegung siehe die kurze Stellungnahme des Schweizer Parlaments: Extraterritoriale Anwendung von US-Recht, Die Bundesversammlung — Das Schweizer Parlament, 26. Dezember 2010, http://ws-old.parlament.ch/affairs/20023555
(24) Ein weiterer Grund für chinesische Unternehmen, den Renminbi als Zahlungsmittel im Außenhandel zu forcieren und ein eigenes Zahlungsverkehrssystem aufzubauen.
(25) An der Verhängung der neuen Sanktionen 2018 trifft das Management von ZTE ein gerüttelt Maß Mitschuld, da vorherige Vereinbarungen mit dem US-Handelsministerium nicht umfassend eingehalten wurden.
(26) Stuart Gelder, Roma Gelder: The Timely Rain: Travels in New Tibet, Monthly Review Press, 1964.
(27) Michael Parenti: Friendly Feudalism: The Tibet Myth, http://www.
michaelparenti.org/Tibet.html
(28) Erik D. Curren: Buddha’s Not Smiling: Uncovering Corruption at the Heart of Tibetan Buddhism Today, Alaya Press, Delhi 2009.
(29) https://en.wikipedia.org/wiki/Dorje_Shugden_controversy
(30) Zur Situation im feudalen Tibet siehe Michael Parenti, a. a. O.; Albert Ettinger: Freies Tibet? Staat, Gesellschaft und Ideologie im real existierenden Lamaismus, Zambon-Verlag, Frankfurt 2014.
(31) Das bestätigt auch ein freigegebener CIA-Bericht, Geographic Intelligence Memorandum: Resistance in Tibet, CIA, 21. Juli 1958, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/CIA-RDP79-01006A000100090001-7.pdf
(32) Melvyn C. Goldstein: A History of Modern Tibet, Bd. 2: The Calm Before the Storm, 1951–1955. University of California Press, 2007.
(33) Michael Parenti, a. a. O.
(34) Gyalo Thondup (= Gyalo Döndrup): Interview Excerpts, Wall Street Journal, 20. Februar 2009, https://www.wsj.com/news/articles/SB123510349274730343
(35) Richard M. Bennett:Tibet, the »great game« and the CIA, AsiaTimes Online, 26. März 2008, http://www.atimes.com/atimes/China/JC26Ad02.html
(36) Bennett, a. a. O.
(37) Gary Wilson: Tibet and the March 10 commemoration of the CIA’s 1959 ‘uprising’, Workers World, 19. März 2008, https://www.workers.org/2007/world/tibet_0327/
(38) Susan V. Lawrence: The Tibetan Policy Act of 2002: Background and Implementation, Congressional Research Service, 5. November 2014, https://fas.org/sgp/crs/row/R43781.pdf
(39) Zum Wüten der Soldateska Tschiang Kai-scheks siehe den auf Tatsachen basierenden Roman von Vern Sneider: A Pail of Oysters, Camphor Press 2016.
(40) Im Falle einer Unabhängigkeitserklärung Taiwans oder besonderer Bedingungen ist der Einsatz „nicht-friedlicher Methoden“ wohl nicht auszuschließen.
(41) Texte auf Englisch siehe: Key U. S. Foreign Policy Documents for the Region, American Institute in Taiwan, https://www.ait.org.tw/our-relationship/policy-history/key-u-s-foreign-policy-documents-region/
(42) 2016 sowie 2017 Report to Congress of the U. S.-China Economic and Social Review Commission, https://www.uscc.gov/sites/default/files/Annual_Report/
Chapters/Chapter%203%2C%20Section%202%20-%20China%20and%20Taiwan.pdf, 2017 Report to Congress of the U.S.-China Economic and Security Review Commission, https://www.uscc.gov/sites/default/files/annual_reports/2017%20Executive%20Summary%20and%20Recommendations_1.pdf
(43) H.R.2810 — National Defense Authorization Act for Fiscal Year 2018, https://www.congress.gov/bill/115th-congress/house-bill/2810
(44) Schriver eyes deeper US-Taiwan ties, Taipei Times, 18. November 2017, http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2017/11/18/2003682471
(45) Die CIA verwendet Hilfsorganisationen als Deckmantel für die Organisation des Nachschubs an Spezialkommandos. So beauftragte sie eine für UNICEF und das Internationale Rote Kreuz im Jemen arbeitende US-Logistikfirma mit der Versorgung von CIA-Spezialkommandos im Jemen. So eine Vorgangsweise gefährdet Hilfsorganisationen. Details siehe Adam Goldman, Eric Schmitt: Aid Coordinator in Yemen Had Secret Job Overseeing U. S. Commando Shipments, New York Times, 6. Juni 2017, https://www.nytimes.com/2017/06/06/world/middleeast/scott-darden-transoceanic-yemen-pentagon.html
(46) https://de.wikipedia.org/wiki/National_Endowment_for_Democracy
(47) Robert Parry: CIA’s Hidden Hand in ‘Democracy’ Groups, Consortium News, 8. Januar 2015, https://consortiumnews.com/2015/01/08/cias-hidden-hand-in-democracy-groups/
(48) https://en.wikipedia.org/wiki/Freedom_House
(49) https://de.wikipedia.org/wiki/National_Democratic_Institute_for_International_Affairs
(50) USAID programme used young Latin Americans to incite Cuba rebellion, The Guardian, 4. August 2014, https://www.theguardian.com/world/2014/aug/04/usaid-latin-americans-cuba-rebellion-hiv-workshops
(51) Matthew Cole: The Pentagon’s Missionary Spies, The Intercept, 26. Oktober 2015, https://theintercept.com/2015/10/26/pentagon-missionary-spies-christian-ngo-front-for-north-korea-espionage/
(52) Elizabeth Knup: Our Registration Story: the Ford Foundation, China Development Brief, 21. August 2017, http://chinadevelopmentbrief.cn/articles/our-registration-story-the-ford-foundation/
(53) Laura Kuenssberg: Oslo Freedom Forum: Activists gather to share secrets of successful protest, BBC, 21. Oktober 2014, http://www.bbc.com/news/world-europe-29708917

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