Donald Trump steht wegen seiner demonstrativen Missachtung des Völkerrechts zu Recht am Pranger. Die Bombardements syrischer Einrichtungen „zur Vergeltung“ nach angeblichen Giftgaseinsätzen des Assad-Militärs sind fast einhellig international als Verstoß gegen die UN-Charta verurteilt worden.
Die deutsche Regierung nimmt dagegen in der Weltöffentlichkeit in Anspruch, überall und vehement für die Einhaltung des Völkerrechts einzutreten. Sie hat sich zwar in der Vergangenheit an vorderster Front für das Rom-Statut und den Aufbau des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) eingesetzt.
Sobald jedoch wirtschaftliche Interessen oder die Solidarität mit dem USA-geführten NATO-Bündnis in Rede stehen, ist davon nichts zu spüren. Die deutsche Regierung verweigert sich dann wie zum Beispiel beim Atomwaffenverbotsvertrag oder dem vom Bundestag 2010 geforderten Abzug der amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland. Oder sie bricht ebenfalls Völkerrecht, wie zum Beispiel bei der „nuklearen Teilhabe“: trotz Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag und mehrfach völkerrechtlich verbindlich erklärtem Verzicht auf Atomwaffen plant und übt sie mit deutschen Tornados in Büchel den Abwurf von Atombomben.
Nehmen wir das Beispiel Syrien. Deutschland ist tief verwickelt in diesen internationalisierten Krieg. Das beginnt schon früh.
Deutsche Firmen helfen, die syrische Giftgasproduktion aufzubauen
Syrien hat in den Jahren nach 1980 ein umfassendes Chemiewaffenprogramm aufgelegt, unter anderem für die Produktion von Sarin. Der Nervenkampfstoff Sarin – ein hochwirksames Giftgas – wurde von den IG Farben 1938 für den Einsatz im Krieg entwickelt und produziert. In den Jahren 1982 bis 1993 lieferten deutsche Unternehmen in über 50 Lieferungen nicht nur Pumpen, Steueranlagen, Kontrollventile und Chemiewaschanlagen nach Syrien, sondern auch 2.400 Tonnen Thionylchlorid für die Sarin-Produktion. Bekannt wurden auch Skizzen aus den Jahren 1983 und 1984 für den Bau von Vorproduktionsanlagen für die Herstellung von Sarin. Der deutschen Regierung liegt die Liste der beteiligten deutschen Unternehmen vor. Sie weigert sich aber, diese zu veröffentlichen: das könne für die betroffenen Firmen existenzbedrohende Folgen haben, außerdem seien Geschäftsgeheimnisse zu achten.
Dabei waren seinerzeit Syrien und Deutschland völkerrechtlich an die Haager Landkriegsordnung von 1907 wie auch das Genfer Giftgasprotokoll von 1925 gebunden, die zwar nicht die Produktion, wohl aber jeden Einsatz von Giftgas ächten. Die Chemiewaffenkonvention (CWC) von 1993, die nun ausdrücklich auch Herstellung, Besitz, und Weitergabe von Chemiewaffen verbietet und 1997 in Kraft trat, hat Deutschland sofort ratifiziert. Dennoch war die Unterstützung Syriens beim Aufbau einer Giftgasproduktion schon vorher völkerrechtlich bedenklich. Die damaligen Lieferungen nach Syrien unterfielen soweit bekannt zwar nicht dem engen Kriegswaffenkontrollgesetz, jedoch hätte die Bundesregierung nach Paragraph 7 Absatz1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) bei Dual-Use-Gütern – Waren, die zivil und militärisch verwendet werden können – die Genehmigung versagen müssen, „um eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhindern“ (1).
Noch im Jahr 2010 genehmigte die Bundesregierung die Ausfuhr von 20 Tonnen Fluorwasserstoff und 15 Tonnen Ammoniumhydrogendifluorid, Stoffe, die für die Produktion des Giftgases Sarin benötigt werden. Insgesamt gingen in den Jahren 2001 bis 2010 insgesamt 360 Tonnen derartiger Dual-Use-Chemikalien von Deutschland nach Syrien, obwohl allgemein bekannt war, dass Syrien als einer der letzten 5 Staaten der Welt noch nicht der CWC beigetreten war und Nervenkampfstoffe wie Sarin produzierte.
Die Konferenz von Wilmersdorf
Nachdem im April 2011 die Unruhen in Syrien mit Militäreinsätzen der Assad-Regierung beantwortet wurden, weitete sich der Kampf rasch zum nicht-internationalen bewaffneten Konflikt aus. Die USA und die Türkei unterstützten ab Oktober die Rebellen mit Waffen und strebten offen den Regime-Change an. 2012 entstand so die „Gruppe der Freunde des syrischen Volkes“, in der sich die Gegner Assads zusammenschlossen, darunter auch Deutschland. Ab Januar 2012 unterstützte die Bundesregierung das Projekt „The Day After“ mit Geld, Visa und Logistik, durchgeführt von der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und dem vom US-State Department finanzierten United States Institute of Peace (USIP). In den Räumen der Stiftung SWP in Berlin-Wilmersdorf trafen sich geheim über Monate hin bis zu fünfzig aus aller Welt eingeflogene syrische Oppositionelle, darunter auch Angehörige der Freien Syrischen Armee (FSA), die damals die Kämpfe der Rebellen in Syrien anführte, um die Zeit „Nach-Assad“ vorbereitend zu planen.
Nach Volker Perthes, dem Direktor der SWP, war es das Ziel, „Prioritäten beim Umbau der Assad-Diktatur in eine Demokratie zu identifizieren“. Dabei handelte es sich der Sache nach eindeutig um eine völkerrechtswidrige Einmischung der deutschen Regierung in die syrischen Belange. Die „Friendly Relations Resolution“ der UN-Generalversammlung vom 24. Oktober 1970 sagt dazu:
„Jeder Staat hat die Pflicht, die Aufstellung oder die Förderung der Aufstellung irregulärer Streitkräfte oder bewaffneter Banden, namentlich von Söldnern, zu unterlassen, die für Einfälle in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates bestimmt sind. Jeder Staat hat die Pflicht, die Organisierung, Anstiftung oder Unterstützung von Bürgerkriegs- oder Terrorhandlungen in einem anderen Staat und die Teilnahme daran oder die Duldung organisierter Aktivitäten in seinem Hoheitsgebiet, die auf die Begehung solcher Handlungen gerichtet sind, zu unterlassen, wenn die in diesem Absatz genannten Handlungen die Androhung oder Anwendung von Gewalt einschließen.“
Auch in der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Sachen Nicaragua gegen USA vom 27. Juni 1986 heißt es unter Ziffer 241 der Gründe:
„The Court considers that in international law, if one State, with a view to the coercion of another State, supports and assists armed bands in that State whose purpose is to overthrow the government of that State, that amounts to an intervention by the one State in the internal affairs of the other“ (Übersetzt vom Verfasser: Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass nach internationalem Recht die Situation, dass ein Staat in der Absicht, gegen einen anderen Staat Zwang auszuüben, bewaffneten Verbänden in diesem Staat unterstützend beisteht, die darauf aus sind, die Regierung dieses Staates zu stürzen, einer Intervention des einen Staates in die inneren Angelegenheiten des anderen Staates gleichkommt).
Völkerrechtswidrig harte Sanktionen gegen Syrien
Noch vor Ausbruch der Unruhen in Daraa beschlossen die USA mit dem „Syria Freedom Support Act“ vom 6. März 2011, in Syrien aktiv auf den Umsturz hinzuarbeiten. Deutschland und die EU folgten und verhängten ebenfalls Sanktionen. Bereits Ende April 2011 kündigte Außenminister Westerwelle die Beschlagnahme von Vermögen und Reiseverbote für syrische Repräsentanten an. Die Ausfuhren aus Deutschland nach Syrien reduzierten sich rasch von 656 Millionen im Jahr 2010 auf nur noch 205 Millionen in 2012. Danach wurden die US-amerikanischen und EU-Sanktionen immer weiter verschärft und zwar zunehmend gegen die Zivilbevölkerung in den Gebieten, über die das Assad-Regime die Macht behielt. Ziel auch hierbei: der Regime Change, den jetzt offenbar die leidende Zivilbevölkerung erzwingen sollte.
Die verhinderte Lieferung von Pflanzenschutz- und anderen landwirtschaftlichen Produktionsmitteln führt zu einer Versorgungskrise. Die Wasserversorgung leidet unter dem Embargo von Ersatzteilen für Pumpen und Wasseraufbereitungsanlagen. Medizinische Verbrauchsmaterialien sind kaum mehr verfügbar, pharmazeutische Fabriken mussten die Produktion einstellen, weil keine Rohmaterialien mehr geliefert wurden. So sind die Sanktionen inzwischen die Hauptursache für den Niedergang des syrischen Gesundheitssystems. Vor allem verhängte die EU noch in 2011 ein Importverbot für syrisches Öl – den Hauptdevisenbringer – und schnitt das Land vom internationalen Finanzmarkt ab.
Obwohl EU-Vertreter immer wieder zusichern, die Sanktionen zum Schutz der Zivilbevölkerung auch wieder zu lockern, geschah das nur einmal im April 2013: die Ausnahmen für das Ölembargo und Lockerungen des Waffenexportverbots kamen aber damals nur den Rebellen zugute, die das erbeutete syrische Öl verkaufen und ihre Waffenbestände auffüllen konnten. Selbst medizinische Hilfsorganisationen können keine Bankkonten eröffnen, ihren Mitarbeitern kein Geld anweisen. Für Mobiltelefone gibt es keine SIM-Karten, PayPal verweigert die Weiterleitung von Spenden et cetera. Die Sanktionen behindern so inzwischen auch die Lieferung humanitärer Hilfe.
Sanktionen sind zulässig, soweit sie sich gegen die jeweiligen Machthaber richten und diese zur Rückkehr zum Völkerrecht zwingen sollen. So heißt es auch in Ziffer 6 der EU-Basic Principles on the Use of Restrictive Measures (Sanctions) vom 7. Juni 2004:
„Sanctions should be targeted in a way that has maximum impact an those whose behaviour we want to influence. Targeting should reduce to the maximum extent possible any adverse humanitarian effect or unintended consequences for persons not targeted.“
(Übersetzt vom Verfasser: Sanktionen sollten so angelegt sein, dass sie ihre maximale Wirkung bei denen haben, deren Verhalten geändert werden soll, und im höchsten Maße jede schädliche humanitäre Auswirkung oder unbeabsichtigte Konsequenzen vermeiden bei Personen, die nicht getroffen werden sollen).
Wenn Sanktionen bewusst so gestaltet werden, dass sie die Versorgungswirtschaft lahmlegen, Massenarbeitslosigkeit schaffen und die ganze Bevölkerung in Armut und Elend treiben, sind sie nicht völkerrechtskonform, sondern als unzulässige Intervention in die inneren Angelegenheiten des sanktionierten Staates zu bewerten.
Die deutsche Regierung sollte im Rahmen ihrer humanitären Verpflichtungen darauf hinwirken, die EU-Sanktionen über den EU-Rat künftig so einzuschränken, dass die Grundbedürfnisse der syrischen Bevölkerung – Nahrung, Gesundheit, Bildung und so weiter – nicht betroffen werden. Zuletzt hat der EU-Rat im Mai 2018 die Sanktionen verlängert bis 1. Juni 2019.
Beteiligung an der völkerrechtswidrigen Militäroperation „Inherent Resolve“ in Syrien gegen IS, Nusra-Front und andere Aufständische
Deutschland beteiligt sich an „Inherent Resolve“ mit AWACs-Besatzungen, Tornado-Aufklärungsflügen und einem Tankflugzeug. Diese westliche Ad-hoc-Koalition agiert in Syrien ohne ermächtigenden Sicherheitsratsbeschluss, ohne Einverständnis der syrischen Regierung und ohne sich auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 UN-Charta berufen zu können. Denn keiner der hier agierenden westlichen Staaten ist von Syrien oder aus Syrien angegriffen worden. Die syrische Regierung kämpft selbst gegen die Rebellengruppen und hat vom Westen dafür keine Hilfe erbeten.
Der „Inherent Resolve“-Einsatz ist als Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta insgesamt völkerrechtswidrig. Das Verdikt trifft auch den deutschen Beitrag. Was die Bundeswehr dort tut, ist ein Bruch des völkerrechtlichen Interventionsverbots. Das gilt auch für jede militärisch-logistische Unterstützung:
„Ein Staat, der einem anderen Staat bei der Begehung eines völkerrechtswidrigen Handelns (...) hilft oder ihn unterstützt, ist völkerrechtlich dafür verantwortlich“ (2).
Dennoch unterstützt die deutsche Regierung die Rebellen durch Waffenlieferungen in großem Stil an die Türkei, Jordanien und Katar, durchaus in Kenntnis, dass die Waffen von dort an die Rebellen weitergeleitet werden.
Kaum diskutiert wurde hier, dass die Aufklärungsbilder der deutschen Tornados dafür verwendet werden, Angriffe der anderen Partner vorzubereiten: bei der Bombardierung einer Schule bei Rakka am 20. März 2017 durch die USA starben 33 völlig unbeteiligte Zivilisten, Flüchtlinge aus anderen Landesteilen. Die Aufklärungsbilder stammten von Tornados der Bundeswehr, die nicht selbst bombt, aber bomben lässt – wie seinerzeit in Kundus.
Ebenso ist nicht allgemein bekannt, dass auch für den Syrienkrieg die US-Airbase Ramstein als Drehscheibe funktioniert für US-Waffentransporte an syrische Rebellen (3). Hier verfolgt die deutsche Regierung wie beim großenteils völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA über Ramstein die Politik des Nicht-Wissen-Wollens, um nicht eingreifen zu müssen.
Offenbar ist die fehlende völkerrechtliche Grundlage für den Syrieneinsatz der Bundeswehr im Verteidigungsministerium durchaus bekannt. Dieter Weingärtner, vor kurzem noch dort als Leiter der Rechtsabteilung tätig, veröffentlichte am 22. November 2018 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen Beitrag „Zur Verteidigung? Wehrverfassung in Not: Wie sich die Bundesregierung bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr das Grundgesetz zurechtbiegt.“ Der Titel nimmt Bezug auf den für die Wehrverfassung zentralen Artikel 87a Absatz 2 Grundgesetz: „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt“.
Weingärtner äußert, die deutsche Sicherheitspolitik tendiere dazu, die Verfassungslage zu ignorieren, wenn sie von der zunehmenden Bedeutung von Ad-hoc-Kooperationen unter Beteiligung der Bundeswehr zur internationalen Krisen- und Konfliktbewältigung spreche, dabei aber ausblende, dass das Grundgesetz dafür keine Basis bietet. Mit Blick speziell auf die Beteiligung an „Inherent-Resolve“ in Syrien äußert Weingärtner:
„Notfalls biegt die Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Grundlagen eines Einsatzes zurecht – und erhält dazu auch noch die Zustimmung des Bundestages.“
Anstatt sich am Völkerrechtsbruch durch unterstützende Militäraktionen zu beteiligen, sollte die Bundesregierung den Verbündeten in den Arm fallen und sie daran erinnern, dass die NATO-Partner sich in Artikel 1 des Nordatlantikvertrags verpflichtet haben,
„sich in ihren internationalen Beziehungen jeder Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung zu enthalten, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist“ (4).
Beteiligung an Vergeltungsangriffen gegen Syrien wegen angeblichen Einsatzes von Giftgas durch das Assad-Regime?
Inzwischen hat die syrische Regierung die bewaffneten Rebellenorganisationen weitgehend von ihrem Staatsgebiet vertreiben können. Nur in der Provinz Idlib im Nordwesten halten noch große, gut bewaffnete Verbände Teile des Landes besetzt. Dort droht tatsächlich noch eine große militärische Auseinandersetzung. Die US-Regierung plant für den Fall, dass dort Giftgas eingesetzt wird, erneut einen Militärschlag ohne Ermächtigung durch den Sicherheitsrat gegen Syrien und hat die deutsche Regierung aufgefordert, sich dann daran zu beteiligen. Seither wird in Deutschland darüber heftig diskutiert.
Dabei kann überhaupt kein Zweifel sein, dass ein Militärschlag dieser Art flagrant gegen das Völkerrecht verstoßen würde, wie bereits die früheren Militärschläge gegen Syrien vom 7. April 2017 – die USA bombardieren den Flugplatz von Scha‘Irat nach dem Giftgaseinsatz in Khan Sheikhoun vom 4. April 2017 – und vom 14. April 2018 – die USA, Frankreich und England bombardieren verschiedene Ziele in Syrien nach dem Giftgaseinsatz vom 4. April 2018 in Duma/ Ostghuta.
Die beiden Militärschläge von April 2017 und April 2018 wurden ausgeführt ohne jeden Versuch, vorab zu klären, wer jeweils das Giftgas eingesetzt hatte. Darauf kommt es völkerrechtlich gesehen allerdings auch nicht an: selbst wenn das Assad-Regime sich dafür verantwortlich erklärt hätte, dürfte kein anderer Staat in einer Art Selbstjustiz Syrien mit einem militärischen Angriff „bestrafen“. In früheren Jahrhunderten wurde der Einsatz militärischer Gewalt gegen einen anderen Staat, um die Verletzung einer internationalen Konvention zu ahnden, für zulässig gehalten. Spätestens mit Verabschiedung der UNO-Charta sind derartige „Repressalien“ als Verstoß gegen das umfassende Gewaltverbot völkerrechtlich verboten. Das ist international ganz unstrittig. Die Friendly Relations Declaration von 1970 bestätigt das, ebenso die Sicherheitsratsresolution 188/64 und der Internationale Gerichtshof (IGH) im Nicaragua-Urteil von 1986.
Die USA und Frankreich haben sich nicht einmal bemüht, ihren Angriff rechtlich irgendwie zu legitimieren. Nur Großbritannien versuchte – für Völkerrechtsexperten in keiner Weise überzeugend – sich auf eine neue Art humanitärer Intervention zu stützen.
Wenn sich Deutschland in naher Zukunft an einem derartigen Vergeltungsakt beteiligen würde, sollten sich die Abgeordneten, die einem solchen Bundeswehreinsatz im Ausland zustimmen, vor Augen halten, dass sie auch persönlich dafür einstehen müssen und sich unter Umständen nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) strafbar machen.
Paragraph 13 Absatz 4 VStGB: „Strafbar macht sich eine Person, die „tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.“
Zu diesem eindeutigen Ergebnis kommt auch das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags vom 10. September 2018 (5).
Die Luftangriffe des Westens zur Vergeltung waren nicht nur nicht gerechtfertigte Maßnahmen, sondern jeweils ein schwerer Völkerrechtsbruch, konkret des Gewaltverbots nach Artikel 2 Ziffer 4 UN-Charta. Es handelte sich um „völkerrechtliches Faustrecht“, um „verbotene Selbstjustiz“. Die Regierungen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die die Angriffsbefehle gaben, haben sich des „Kriegsverbrechens der Aggression“ strafbar gemacht.
Ein Skandal ist es, wenn die Bundesregierung den Rechtsbruch der angreifenden Westmächte nicht beim Namen nennt und scharf verurteilt, sondern den Angriff der USA auf Syrien von April 2017 für „nachvollziehbar“ erklärt und die Angriffe von April 2018 sogar als „erforderlich und angemessen“ bezeichnet. Immerhin handelt es sich um die Billigung von Straftaten und Völkerrechtsverbrechen. Wo bleibt die Einleitung von Strafverfahren nach dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch gegen Trump, May, Macron und die Kanzlerin Merkel durch den Generalbundesanwalt?
Quellen und Anmerkungen:
(1) vgl. § 7 Absatz1 Außenwirtschaftsgesetz (AWG), Ausfuhrliste Teil I A „Chemikalien für Waffen“
(2) vgl. Artikel 16 des Entwurfs der Staatenverantwortlichkeit von 2001 – sie gilt nach h.M. als Völkergewohnheitsrecht
(3) Süddeutsche Zeitung vom 12.September 2017
(4) vgl. P. Aust: „Völkerrechtswidrigkeit benennen: Warum die Bundesregierung ihre Verbündeten für den Syrien-Luftangriff kritisieren sollte“, in: verfassungsblog vom 16. April 2018
(5) WD 2-3000-130/18, „Rechtsfragen einer etwaigen Beteiligung der Bundeswehr an möglichen Militärschlägen der Alliierten gegen das Assad-Regime in Syrien“