Bei den Ereignissen am 18. und 20. Februar 2014 um den Kiewer Platz der Unabhängigkeit (Majdan Nesaleschnosti, ukrainisch: Майдан Незалежності) starben mehrere Dutzend der Aufständischen bei Zusammenstößen mit den Einsatzkräften der Polizei „Berkut“. Am 20. Februar starben vormittags viele von ihnen buchstäblich vor laufenden Kameras. Dennoch ist ihr Tod auch sechs Jahre später nicht aufgeklärt. Der Vorwurf, sie seien von den Spezialkräften des Innenministeriums und auf Befehl des Ex-Präsidenten Janukowitsch erschossen worden, konnte bislang juristisch nicht durchgesetzt werden — trotz der ganz offensichtlichen Einflussnahme der postmaidanen Regierung auf die Ermittlungen. Inzwischen gibt es dagegen viele Indizien, deren Spuren auf der Suche nach den Schuldigen ins Rebellenlager führen.
Dennoch hält der religiös angehauchte Heldenmythos über die „Himmlische Hundertschaft“ — so wurden diese Toten offiziell bereits ab dem 21. Februar 2014 genannt — nicht nur an, er ist vielmehr mittlerweile die Basis der neuen ukrainischen nationalen Ideologie. Auch in Deutschland wird der Maidanmythos mittlerweile an Hochschulen als ein Phänomen der osteuropäischen Erinnerungskultur behandelt und erforscht.
„Fünf Jahre nach den Majdanprotesten ist das Gedenken an die „Himmlische Hundertschaft“ in der heutigen Ukraine allgegenwärtig und nimmt dabei beinahe jede erdenkliche Form an“, steht in einer Studie aus dem Jahr 2019.
Deutsche Welle: Die Macht, die ihre Bürger tötete
Dabei werden oft sowohl in der Forschung als auch in den Medien die offizielle Sichtweise und die Terminologie der postmaidanen Regierung ohne die eigentlich nötige Distanz übernommen. Manche Medien, wie etwa die Deutsche Welle (DW), übernehmen sogar komplett die Wortwahl der heutigen ukrainischen Behörden. So reichte für den russischen DW-Ableger nur ein Fahndungsersuchen der ukrainischen Staatsanwaltschaft, um am 24. Februar 2015 zu behaupten:
„Am 20. Februar 2014 wurden 39 friedliche Demonstranten von den Kugeln der Spezialkräfte der Polizei getötet und mindestens 8 von in der Institutskaja-Straße verletzt.
Mit dem Tod von 107 Menschen und der Verwundung von mehr als tausend Demonstranten zwischen dem 18. und 20. Februar 2014 endete die Ära der Präsidentschaft von Wiktor Janukowitsch. Die Macht, die begann ihre Bürger zu töten, war dem Untergang geweiht“, schrieb das Portal der Deutschen Welle am 22. Februar 2019.
Der DW-Autor äußerte auch am fünften Jahrestag des Staatsstreiches seinen Unmut und sein Unverständnis, warum die Ermittlung über einen aus seiner Sicht so „klaren Fall“ noch nicht abgeschlossen sei. Unklar war für ihn nur, ob Janukowitsch auf „russischen Befehl“ handelte oder nicht.
Über die Unstimmigkeiten bei der Aufklärung der Morde, die in den ukrainischen Medien immer mehr zum Thema werden, wird dann aber kaum berichtet. Es gibt keinerlei Interesse, das Narrativ, wonach die edlen Rebellen im Kampf gegen ein angeblich autoritäres Regime im Namen der Freiheit starben, zu hinterfragen oder zu korrigieren.
Kritische Juristen: Blut und Lügen
Eine Gruppe von Kiewer Juristen, mehrere Blogger und kritische Journalisten aus der Ukraine haben das Thema jedoch über die Jahre verfolgt und tragen nun die Ergebnisse ihrer mühsamen Untersuchungen im Internet und im ukrainischen Fernsehen vor. Am 17. Februar fassten Elena Lukasch, die Justizministerin der Janukowitsch-Regierung und Andrej Portnow, ein Experte für Verfassungsrecht und langjähriger Berater von Julia Timoschenko wie auch und Wiktor Janukowitsch, auf dem Portal strana.ua die Zwischenergebnisse ihrer Untersuchung zusammen. Dabei stützen sie sich zum Teil auch auf die Untersuchungen des populären YouTube-Kanals Anatolij Scharij.
„Wir sind uns sicher, dass der Wert dieser Informationen für die Öffentlichkeit enorm ist. Schließlich sind die mythologisierten und verherrlichten Maidanopfer, die als die ‚Himmlische Hundertschaft‘ bezeichnet werden, zur Grundlage der Ideologie der letzten Jahre geworden. Zu Blut und Lügen, auf denen die Macht und die ihr dienenden Journalisten beruhen. Sie sind Tarnung, sind zugleich Rechtfertigung eines Verbrechens und selbst ein Verbrechen, das seit sechs Jahren nicht untersucht wird. Das deshalb nicht untersucht wird, weil die Regierung sich sonst als Schuldige hinstellen müsste.“
So beginnen sie, nicht ohne Pathos, ihre Studie über „Massenfälschungen in der Liste der 'Himmlischen Hundertschaft'. Offizielle Lesart und reale Fakten“. Beim Lesen wird jedoch schnell klar, wie massiv und frech inzwischen die Täuschungen und Manipulationen in der Sache um die „Himmlische Hundertschaft“ geworden sind. Das Erstaunliche und Wichtige dabei ist, dass die Untersuchung beider Juristen im Wesentlichen auf offiziellen und behördlichen Dokumenten basiert.
23 Polizisten getötet
Die Studie beginnt mit der offiziellen Statistik des Innenministeriums zur Zahl der Opfer der Ausschreitungen unter den Sicherheitskräften. Diese Zahl ist höher als bislang angenommen. Während der gesamten dreimonatigen Proteste und Zusammenstöße seien 23 Polizisten und Mitglieder der Sondereinheiten getötet, 919 verletzt worden, davon 257 schwer, 205 von diesen hätten wiederum Schusswunden.
„Sie wurden verfolgt, verurteilt, vergessen, gedemütigt, entlassen, ihr Tod oder ihre Verletzungen wurden nicht untersucht und in der Öffentlichkeit wurden sie als Kriminelle behandelt. Dabei haben sie ihre dienstliche Pflicht zum Schutz der öffentlichen Ordnung erfüllt, wurden aber beschuldigt und verraten“, so die Autoren.
Die Autoren halten fest, dass nach den Dekreten von Präsident Petro Poroschenko 112 Helden der Ukraine mit dem „Goldenen Stern“ (posthum) und vier als Ritter des Ordens der „Himmlischen Hundertschaft“ — (posthum) für „persönlichen Mut und heldenhafte Verteidigung der Grundlagen von Demokratie, Menschenrechten und Freiheiten, selbstlosen Dienst am ukrainischen Volk, demonstriert während der Revolution der Würde“ geehrt wurden. Jedem der anerkannten gefallenen Maidanhelden ist in ihren jeweiligen Heimatorten ein Denkmal errichtet worden, es gibt schon zahlreiche Museen dieser „Himmlischen Hundertschaft", Straßen und Plätze sind mittlerweile nach ihr benannt.
Im Museum der „Himmlischen Hundertschaft“ im westukrainischen Iwano-Frankowsk werden die Opfer der Ausschreitungen als Engel dargestellt.
Sie nennen auch große Geldsummen — Millionen von Euro, die an die Hinterbliebenen und Verletzten von der Regierung und zahlreichen privaten Geldgebern gezahlt worden sind, und berichten über zahlreiche Fälle des Missbrauchs, wenn manche Menschen nach Jahren ihre Verletzungen als Maidanverletzungen klassifizieren lassen wollten — um die Statistik über die Zahl der Opfer nach oben zu schrauben. Sie heben auch eine besonders spendable Geldgeberin hervor — die Tochter des in Russland ermordeten russischen Politikers Boris Nemzow und DW-Mitarbeiterin Schanna Nemzowa, die 700.000 Euro an die Ukraine, darunter auch für Maidanopfer aus einem ihr verliehenen Preis spendete. Auch die Soros-Stiftung „Erweckung" (ukrainisch: Відродження) als Finanzier der ukrainischen Staatsanwaltschaft und von Juristen wird genannt. Inzwischen sei faktisch eine millionenschwere Entschädigungswirtschaft um den Maidan herum entstanden.
Krankheiten und Unfälle als Todesursache bei einem Drittel der „Helden“
Dann gehen die Autoren zum Kernstück der Studie über: zur kritischen namentlichen Auflistung der echten und der angeblichen zu Helden erklärten Opfer und zu deren wirklichen Todesursachen.
So haben sie bei den in der Untersuchung insgesamt betrachteten 105 Mitglieder der „Himmlischen Hundertschaft“ zwei große Gruppen unterschieden — 69 Demonstranten, die unmittelbar während der Proteste oder kurz danach infolge von Schussverletzungen starben und 36 andere Todesfälle, die nicht mit den Kämpfen zu tun hatten oder sogar zu ganz anderer Zeit und an ganz anderem Ort eingetreten seien. Die Ursachen der anderen Todesfälle waren in der Regel Selbstmorde, schwere Erkältungen oder sonstige Krankheiten oder auch Unfälle. Ihre Eintragung in die Liste der Maidan-Helden sei heute zumeist „unerklärlich“. Oft waren diese Menschen niemals auf dem Maidan. Die Autoren schreiben über jeden dieser Fälle unter Angaben der Quelle und legen alle Unstimmigkeiten offen.
Exemplarisch ist dabei ein besonders prominenter Vorfall, als ein Demonstrant von einem anderen Demonstranten mit einem Lastwagen tödlich angefahren wurde. Einer der Protestler, Sergej Dazjuk, stahl am 14. Februar 2014 einen LKW und fuhr mit ihm in die Menge der Polizisten, mit dem erkennbaren Zweck, sie zu überfahren. Unter die Räder sei aber ein anderer Demonstrant geraten. Der Fall wurde schließlich einem Polizisten angelastet, weil er angeblich mit seinem Gummiknüppel den Getöteten an seinem Versuch auszuweichen hinderte. Das Gericht sprach den Todesfahrer frei und verurteilte stattdessen den Polizisten. So wurde sogar das Opfer eines anderen Protestteilnehmers zu den Helden der „Himmlischen Hundertschaft“ gezählt.
Auch Brandopfer sind dabei
Zwei Brandopfer, die durch einen von den Aufständischen gelegten Brand im Kiewer Gewerkschaftshaus am 19. Februar umkamen, wurden ebenfalls der „Himmlischen Hundertschaft“ zugerechnet. Die Autoren zitieren den Bericht der forensischen Expertise der Feuerwehr vom September 2014:
„Die direkte Ursache des Brandes im Haus der Gewerkschaften war die Einführung zahlreicher Brandsätze in Bereichen mit brennbarem Material und die entsprechende Vorbereitung des Ereignisses.“
Im von den Maidan-Aktivisten erstürmten Gewerkschaftshaus befand sich ein Geheimlabor für die Herstellung von Bomben und sonstigem explosiven Material. Laut Vereinbarung der Opposition mit der Regierung sollte das Haus jedoch geräumt werden. Der Brand sollte deshalb die Spuren des illegalen Labors verwischen.
Schusswunden: Kaliber der Projektile sind entscheidend
Nun bleiben aber die 69 Personen, die nachweislich infolge von Schussverletzungen gestorben waren. Die beschuldigten Beamten der Sondereinheit „Berkut“ haben bislang den Gebrauch von den Gewehren mit scharfer Munition und zum Zweck, Demonstranten zu töten, stets bestritten. Man kann jedoch anhand des Kalibers der Projektile zumindest teilweise darauf schließen, wie viele Opfer durch Waffen von Polizisten getötet worden sein könnten.
So gehörten die Maschinengewehre vom Typ Kalaschnikow mit dem Kaliber 7,62×39 als Dienstwaffen zum Bestand des Innenministeriums. Das ist eines der gebräuchlichsten Kaliber weltweit. Gerichtsmediziner stellten insgesamt bei 13 Toten Projektile mit diesem Kaliber sicher. Diese könnten aber auch in den Gewehren eingesetzt worden sein, die bei den Militanten unter Aufständischen gesichtet wurden, so Lukasch und Portnow.
Die in den Körpern gefundenen Projektile mit den Kalibern 9×18 (Pistole vom Typ Makarow), 7,64×54 und 7,64×51 (beides Scharfschützengewehre) hätten den Tod von insgesamt vier Personen verursacht. Waffen mit diesen Kalibern waren jedoch nicht im Bestand der Sonderpolizei Berkut. Drei Personen starben durch Schrotflinten oder dergleichen, die schon gar keine Waffe der Polizei sein konnten.
Bei 23 Toten wurden Durchschüsse festgestellt. In diesen Fällen sei es daher schwer bis unmöglich, auf die Schusswaffe zu schließen. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Ermittler erst nach vier Jahren der Ermittlung eine Ausschreibung für die Suche nach Projektilen und deren Spuren in den umliegenden Gebäuden veröffentlicht hatten.
Die Autoren weisen in ihrer Studie auch daraufhin, dass eine Kommission für forensische ballistische Untersuchung (Nr. 3403/14-33/5-204) am 17. Januar 2015 feststellte, dass 17 Demonstranten nicht durch Kalaschnikow-Sturmgewehre der Sondereinheiten getötet worden sein konnten. Die Staatsanwaltschaft und der ukrainische Geheimdienst SBU bauten jedoch ihre Vorwürfe gegen die Berkut-Polizei wesentlich auf einen Fund von 23 zersägten Gewehrteilen in Februar 2016, die angeblich nach dem Maidan in einem Kiewer See versenkt wurden.
Diese Fundstücke wurden auch in einem Video von Spiegel-TV gezeigt. Für den Reporter reichte der Fund als Beweisstück für die Schuld Janukowitschs aus, und er sagte:
„Hier am Regierungsviertel ließ Janukowitsch auf sein Volk schießen. Monate später hat die Ermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft erklärt, dass der Anführer einer Maidantruppe die Waffen im See selbst platziert habe.“
Die ersten sakralen Opfer
Drei besonders prominente Todesfälle behandeln die Autoren ausführlicher — die Todesfälle von Sergej Nigojan, Michail Shisnjewski und Roman Senik. Der Armenier Sergej Nigojan mit dem bärtigen „Christus-Gesicht“ rezitierte nur wenige Tage vor seinem Tod die Gedichte des ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko vor der Kamera und war durch sein Charisma kurz davor, zu einer Ikone des Widerstandes zu werden, zu einem Symbol dafür, dass der Kampf um die Freiheit ein universelles Gut ist, der auch Nicht-Ukrainer in seinen Bann zieht. Zu einer wahren Ikone wurde Nigojan dann aber erst posthum. Sein Gesicht ließen die Kämpfer später auf ihre Blechschilde malen.
Das Gleiche gilt für den aus Weißrussland angereisten Aktivisten Michail Shisnjewski. Er, Nigojan und der aus der Westukraine stammende Roman Senik waren alle noch im Januar aus kurzer Distanz von nur wenigen Metern erschossen worden, just zu dem Zeitpunkt, als die Proteste an Wut und Dynamik zu verlieren drohten. Alle Sicherheitskräfte befanden sich zur Tatzeit zu weit von den Erschossenen und konnten sie nicht erschießen, zumal sie alle drei durch ganz verschiedene Projektile starben — von Schrot bis zu einem sogenannten 12 mm-„Blondo“-Projektil. Viele Indizien deuten darauf hin, dass alle drei Aktivisten aus dem eigenen Lager getötet wurden, schreiben die Juristen. Es sei jedoch wenig wahrscheinlich, dass die wahren Täter gefunden werden könnten.
In jenem Januar kursierten viele Schauergeschichten über die angebliche Brutalität der Sicherheitskräfte. Der prominenteste Fall war das Verprügeln der Aktivistin Tatjana Tschernowol. Sie erlangte schon zuvor Bekanntheit als kritische Journalistin, die über den Zaun auf das Grundstück um das Anwesen von Janukowitsch eindrang und sich dabei filmen ließ. Sie wurde Ende Dezember 2013 von Halbkriminellen bei einem Streit auf der Autobahn brutal zugerichtet. Das stellte sich aber erst viel später heraus, und die Täter wurden erst 2018 angeklagt. Damals wurde die Tat zunächst sofort den Janukowitsch-Kräften angelastet. Ihr bis zur Unkenntlichkeit angeschwollenes Gesicht wurde zum Symbol für die Brutalität des „Regimes", was den Zorn der Proteste wieder entfachte.
Provokateure
„Sakrale Opfer" sind zwar seit jeher ein stetes kulturelles Phänomen jeder Protestbewegung, aber solange die Täter nicht gefasst sind, gehören jegliche Mutmaßungen über deren absichtliche Tötung eigentlich in den Bereich der Verschwörungstheorie. Strana.ua befasst sich in ihren Publikationen zum Maidan mit gesicherten Daten. Die Autoren weisen auf eine überraschende Feststellung zum Anfang der Schießerei am 20. Februar 2014 hin. Es waren die späteren Ermittlungsbehörden, die selbst den Beschuss der Polizisten durch bewaffnete Kämpfer im Endeffekt feststellten und dies als Provokation mit dem Zweck einer Eskalation bewerten.
„Eine Gruppe von Personen — Bewohner der Region Lwow —, die die Ziele der Protestaktionen, die nicht auf den Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung, sondern auf ihren Schutz abzielten missbilligten, beschloss daher, diese Verhandlungen und die erzielten Vereinbarungen (Verzicht auf gegenseitige Gewalt und Aussicht auf eine Kompromisslösung – Anmerkung der Redaktion) zu verhindern. Dafür hat sie einen Angriff mit Schusswaffen auf das Leben von Ordnungskräften, die am Schutz der öffentlichen Ordnung in der Stadt Kiew beteiligt waren, getätigt, was unweigerlich zu einer Eskalation der Konfrontation führen würde“, zitieren die Autoren aus einem Behördenschreiben.
Dieses Schreiben — der „Verdachtsentwurf“ — stammt aus dem Jahr 2019. Unter Verdacht standen bis zu zwei Dutzend Personen, die zum Zweck der Provokation am 19. Februar aus der Westukraine angereist waren und sich mit Gewehren bewaffnet hatten. Sie schossen vor allem aus dem Philharmonie-Gebäude, das unter Kontrolle der Aufständischen war.
Einer der Schützen, Iwan Bubentschik, sorgte noch im Jahr 2016 für Schlagzeilen, als er in einem Interview damit geprahlt hat, den ersten Schuss am 20. Februar abgefeuert und zwei Kommandeure der Polizisten getötet zu haben. Am frühen Morgen jenes tragischen Tages hatte die Polizei als erste Seite dieses Konflikts drei Tote gemeldet. Das zitierte Dokument räumt mit dem ganzen Konzept „Janukowitsch ließ auf sein Volk schießen“ auf. Wenn die Sicherheitskräfte am 20. Februar mit scharfer Munition tatsächlich geschossen haben sollten, dann war dies ein durch Maidankämpfer provozierter Schusswechsel und kein Schießen auf Unbewaffnete mehr.
„Sie schossen und organisierten die Schießerei. Die Frage, wen sie genau erschossen haben und wo sie geschossen haben, ist offen. Die Untersuchung ist eingefroren. Es passte einfach nicht in den Mythos des ‚heiligen Maidans'... “, so die Kiewer Juristen.
Das Ergebnis des Angriffs auf Polizisten von „Berkut" war deren überstürzter Rückzug und das Erscheinen von zwei Dutzend Vertretern der Sondereinheit auf der Bühne.
Die Medien nennen sie die „schwarze Kompanie“, und die Maidan-Sympathisanten sind sich sicher, das Blut der Protestierenden hänge an den Händen dieser Gruppe. Ehemalige Beamte des Innenministeriums behaupten das Gegenteil: In ihrer Interpretation deckte die Truppe den Rückzug ihrer Kollegen vom zentralen Platz und dem Oktoberpalast. Und sie sollen auf den Boden und nicht auf Demonstranten geschossen haben.
Strana.ua veröffentlichte die Liste der verdächtigen Schützen unter den Militanten, darunter waren die bekannten Namen vom Vater und Sohn Sinowij und Wladimir Parasjuk. Wladimir Parasjuk, der eine der paramilitärischen Maidanhundertschaften angeführt hat, wurde am nächsten Tag berühmt, als er auf der Maidanbühne die Menschenmenge aufrief, das Abkommen mit Janukowitsch zu verwerfen und mit Waffen weiterzukämpfen. Gegen sie kann jedoch nicht ermittelt werden, weil alle Maidankämpfer vor gerichtlicher Verfolgung durch ein spezielles „revolutionäres Amnestiegesetz“ geschützt sind.
„Schießt uns nicht in den Rücken“
Das Jahr 2019 war durch den Streit zwischen der Hauptermittlungsbehörde der Staatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft selbst gekennzeichnet. Die Ermittler beschuldigten den Staatswalt Jurij Luzenko die Ermittlung zu „zerstören“. Auch sagte Luzenko in den letzten Monaten seiner Dienstzeit, die bis August 2019 dauerte, die Ermittlungen würden auseinanderfallen.
Die Autoren behandeln in ihrem Artikel keine Beteiligung der mutmaßlichen georgischen Schützen, die angeblich in den Rücken der Aufständischen aus den umliegenden Gebäuden geschossen haben sollten. Mehrere georgische Staatsbürger haben in Interviews behauptet, sie seien dafür vom georgischen Sicherheitsdienst angeworben worden. Lukasch und Portnow weisen nur darauf hin, dass die Führungskräfte der Aufständischen während der Attacke riefen:
„Jungs, schießt uns nicht in den Rücken!“
„Wir bestehen nicht auf Vollständigkeit dieser Ermittlungen, für eine vollständige Objektivität benötigen wir Materialien aus allen Kriminalfällen und eine gründliche Analyse aller Manipulationen. Keine Mythen über ‚Revolution‘, sondern eine ehrliche Untersuchung und Bestrafung der Schuldigen wäre die beste Antwort für die Angehörigen der Toten, für uns alle“, schreiben sie.
Die Berkut-Polizisten kehren nach Kiew zurück
Im Zuge des Häftlingsaustausches Ende Dezember 2019 zwischen den nicht anerkannten Donbass-Republiken und der Ukraine kamen die fünf verdächtigten Berkut-Polizisten frei und verließen das ukrainische Gebiet. Sie verbrachten Jahre hinter Gittern. Zwei von ihnen haben am 8. Februar ihre Rückkehr nach Kiew bekanntgegeben. In einem offenen Brief an die Regierung und den Präsidenten Wladimir Selenskij bitten sie die Verantwortlichen, die Generalamnestie für Teilnehmer am Maidan aufzuheben und eine objektive Untersuchung der Ereignisse des Jahres 2014 unter der Teilnahme internationaler Beobachter und Experten zu gewährleisten.
„Fünf Jahre lang war der Prozess die Hauptquelle der Wahrheit über den Maidan, und er sollte fortgesetzt werden. Wir werden an den Gerichtsverhandlungen teilnehmen“, heißt es in ihrem Appell.
Quellen und Anmerkungen:
Dieser Text erschien zuerst bei Russia Today.