Ingrid Obad: Herr Schubert, die erste Auflage Ihres Buches „Was uns krank macht, was uns heilt“ ist bereits 2016 erschienen. Was unterscheidet die „neue Medizin“, für die Sie plädieren, von der alten, deren Fortschritte doch für viele Menschen ein Segen waren und sind?
Christian Schubert: In der Schulmedizin stehen der Körper und seine Bausteine im Zentrum, damit ist sie in der Akutmedizin oder bei Unfällen auch erfolgreich. Wenn es aber um chronische Erkrankungen geht, versagt die Schulmedizin, weil sie den Menschen wie eine Maschine sieht. Eine neue biopsychosoziale Medizin sieht den Menschen als Ganzes, sie berücksichtigt in Diagnostik und Behandlung höher komplexe, psychosoziale und kulturelle Faktoren. Wenn man ein Symptom rein mit technischen Mitteln beseitigt, verschwindet es vielleicht, kommt aber an anderer Stelle wieder, weil das nicht sichtbare, oftmals unbewusste Grundproblem nicht gelöst ist und der Mensch erneut ein Ventil sucht, wo es gesehen wird. Das Symptom oder die Krankheit ist eben das Sichtbare.
Michael Hüter: Genau diese Struktur haben wir auch in den Bereichen Kindheit und Bildung. Wir trennen die Kinder sehr früh von der Familie. Das Bildungssystem trennt Mathematik, Physik, Sprachen et cetera. Früher hat ein Lehrer alle Fächer unterrichtet. Der ungarische Wissenschaftsphilosoph Ervin László sagte einmal: „Die Illusion des Getrenntseins ist eine der negativsten Mythen unserer Zeit.“ Kinder sollen funktionieren, ausführen, was wir ihnen vorgeben. Maschinenhafter Zugang, von klein auf.
Das Maschinenparadigma finden wir in allen Bereichen unserer Existenz — in Arbeitsprozessen, im Leistungssport oder ganz aktuell bei COVID-19: Das Immunsystem ist unwichtig, nur die Impfung zählt. Das Immunsystem sehe ich dabei nicht nur biologisch, sondern auch psychisch und sozial. Wenn man beispielsweise versucht, gesund zu leben, gehört das auch zum Immunsystem. Berücksichtigt man also das biopsychosoziale Immunsystem nicht, nimmt man dem Menschen seine größte Kraft, um eigenverantwortlich an seiner Gesundheit beteiligt zu sein und im Fall einer Krankheit wieder gesund zu werden. Patienten geben quasi an der Türklinke zur Klinik ihr Instrumentarium, gesund zu werden, ab.
In der Schule gibt das Kind an der Tür seine Bedürfnisse auch ab: Gefühle, Talente, seine Persönlichkeit. Das ist gefährlich und verursacht viel Krankheit und Leid.
Ich glaube, dass diese Coronakrise eine große Kulturkrise ist. Maschinen- und Industriekultur haben die Menschen zunehmend entfremdet. Viele Menschen wollen da raus, die Spaltung spitzt sich zu, beide Seiten, die, die noch am Alten festhalten, und die, die etwas Neues wollen, fühlen sich bedroht.
Diese Spaltung kann auch gefährlich werden. Wenn eine Gesellschaft im Angst-Panik-Modus gehalten wird, dient das der Machterhaltung, entmenschlicht aber. Wie sich dieses Versagen bei Kindern und Jugendlichen manifestiert, ist beispiellos in der Menschheitsgeschichte. Schon vor Corona hatte in Europa jedes zweite Kind eine chronische Krankheit. Krebs und Asthma nehmen bei Kindern und Jugendlichen seit Jahren zu. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. In der Dokumentation „Alte Freunde, neue Feinde“ sieht man, welche chronischen Krankheiten bei Kindern massiv zunehmen und warum. Wie ich in meinem Buch „Kindheit 6.7“ schon sichtbar gemacht habe: Schon vor „Corona“ hatten wir, was Physis und Psyche unserer Kinder betrifft, den schlechtesten Befund seit Jahrzehnten. Und auf diesen schrecklichen Vor-Befund werden jetzt auch noch die ungerechtfertigten, nicht evidenzbasierten „Corona-Schutzmaßnahmen“ draufgesetzt. Das ist schlicht ein Menschheitsverbrechen!
Auf das hin würde ich gerne die These aufstellen, dass eine maschinenparadigmatisch ausgerichtete Gesellschaft nun in der COVID-Krise ihr kinderfeindliches Gesicht zeigt. Was in den vergangenen zwei Jahren mit den Kindern passiert ist — ihnen gezielt Angst zu machen und Masken aufzuzwingen, sie mit sozialer Distanz zu quälen —, lässt sich nur mit einer in der Gesellschaft tief verankerten Kinderfeindlichkeit erklären. Kinder haben wenig Wert in weiten Teilen des maschinenideologisch geprägten Neoliberalismus. Denn nur wer für den Zuwachs von materiellem Gewinn leistet, ist auch mehr wert.
Ein Kind bedeutet zunächst aber vor allem Beziehungsarbeit, die eine neoliberale, auf Gewinnoptimierung ausgerichtete Gesellschaft gern vermeidet, indem Kinder von ihren Bezugspersonen sehr früh getrennt werden und kindgerechtes, bindungssicheres Aufwachsen nicht möglich ist. Die Arbeit mit Kindern ist emotional und menschlich unglaublich belohnend, hat aber in einer Welt von Macht und Narzissmus wenig Wert. COVID deckt das auf noch dramatischere, noch zynischere, noch menschenfeindlichere Art auf.
Die Maschinenmedizin behandelt Symptome, im Schulsystem wird standardisiert zurechtgeschliffen, besondere Talente der Kinder werden kaum berücksichtigt. Sind Waldorf oder Montessori da noch anders gelagert?
Maria Montessori war ursprünglich Ärztin, und sie würde sich im Grab umdrehen, wenn sie sähe, was mit Kindern gerade passiert. Dass das Funktionieren so im Vordergrund steht, ist in der Menschheitsgeschichte beispiellos — in allen Epochen, Kulturen und Religionen. Dass seit eineinhalb Jahren fast alle mitspielen, erstaunt und erschüttert mich. Für mich als Historiker fühlt sich das so an, als hätten wir Krieg, und erstmals schicken wir auch die Kinder an die Front.
Bei einer Diskussionsrunde in Prag wurde John Bock, ein Freund von Václav Havel, gefragt, wie er die jetzige Situation erlebt, und er meinte, es sei schlimmer als damals im Kommunismus. Damals kannte man den Gegner, und die Bevölkerung zeigte sich untereinander solidarisch. Heute kennen wir weder den Gegner, noch haben wir einen Zusammenhalt innerhalb der Bevölkerung, schlimmer noch, die Bevölkerung ist gespalten in die Maßnahmen- und Impfbefürworter auf der einen und die Gegner auf der anderen Seite.
Wer auch immer aus welchem Grund von der COVID-19-Krise profitiert, für mich hat die Schulmedizin wegen ihrer tief entfremdeten, dehumanisierten Grundorientierung und ihrer erkenntnistheoretischen Irrtümer die COVID-19-Krise zu verantworten. Medizin und Politik spalten mit Unterstützung durch die Medien die Gesellschaft und treiben die hygienische Optimierung des Menschen voran. Diese Manipulation der Menschen könnte ganz übel ausgehen.
Dass der Supermarkt voll ist, wir Strom haben, alles funktioniert und kein Blut fließt, ist für uns Frieden. Aber die Abwesenheit von Krieg ist noch kein Frieden.
Krieg assoziieren wir üblicherweise mit Kampffliegern, Granaten, Bomben und so weiter, so wie das im Industriezeitalter war. Jetzt, in den Kondratieff-Zyklen Information und Gesundheit, wird Krieg aber perfide psychologisch geführt. Was jetzt mit unglaublicher medialer Inszenierung stattfindet, ist die Angst machende Pandemie, quasi das Schlachtfeld, ansonsten haben wir den Eindruck, alles sei normal. Die Impfung könnte eine tödliche Waffe in diesem Krieg sein. Wenn ich jetzt impfe und der Impfschaden tritt viel später auf, wird das nicht mehr in Verbindung gebracht mit der Impfung. Die Folgen stehen in nichtlinearer Verbindung zu den Ursachen. Das wäre eine neue Art von Krieg.
Ich sehe das als Informationskrieg. Mit Internet und so weiter sind Informationen sofort verfügbar, anders wäre diese weltweit kollektive Angststörung unmöglich gewesen. Angst wirkt sich in jeder Sprache, in jeder Kultur gleich aus: Sie macht gefügig. Deswegen haben wir so viele gehorsame Menschen. Nur wenn wir als Gesellschaft zusammenstehen, können wir die weitere Spaltung, psychologische Attacken, Fehlinformation und Verwirrung verhindern.
Die Zahnräder passen sehr gut zusammen. Höchst gefährlich, und nur eine Minderheit schaut hin und kann das erkennen.
Stichwort Angst. Seit eineinhalb Jahren wird Angst gemacht. Angst vor dem Virus, Angst vor Jobverlust — für viele ein Grund, sich impfen lassen. Bei Kindern ist es Angst vor Ausgrenzung, sie wollen einfach ein normales Miteinander. Wir haben keine Ahnung, welche Folgen da noch auf uns zukommen. Wir haben in den westlichen Ländern seit Langem sinkende Geburtenzahlen und sind in Europa nicht einmal mehr reproduktionsfähig. Und jetzt fügen wir grundlos (!) den wenigen Kindern, die wir haben, so unendlich viel Leid zu. Das werden wir gesellschaftlich wie kulturell noch bitter bereuen. Früher waren Kinder geschützt, bei Rettungsaktionen hieß es „Frauen und Kinder zuerst“. Was wir schleunigst machen sollten, ist Kinder und Jugendliche da raushalten.
Dass wir sie wie kleine Erwachsene behandeln, passt auch nicht. Vieles, was im Schulsystem gleichgeschaltet ist, passiert unter dem Deckmantel „Qualitätssicherung“, zum Beispiel Pisa.
Da sind wir wieder beim Maschinenhaften, einem Prozess der Enthumanisierung.
In der Menschenfeindlichkeit sind wir gar nicht weit entfernt von der schrecklichen Zeit vor 80 Jahren. Sie kommt nur in einem anderen Kleid daher. Corona deckt auf, dass da ganz tiefe Themen nie wirklich beseitigt wurden und auch die dehumanisierte Medizin jetzt in einer ganz bösen Form wieder ihren Zynismus zum Vorschein bringt. Gedeckt von Politik und Medien, kommt es wieder zu einer experimentellen Verwendung und Diskriminierung von Menschen, die irgendwie nach dem riecht, was wir schon einmal erlebt haben. Es entsteht der Eindruck, es geht hier nicht um Gesundheit, sondern um etwas ganz anderes. Möglicherweise um viel Macht und Geld. Das Erschreckende ist, dass wir eigentlich wieder in einem Zyklus sind, in einer Welle, die äußerst gefährlich ist und vor der ich mehr Angst habe als vor einem Virus.
Was viel zu wenig diskutiert wird, ist der Missbrauch der Wissenschaft generell. Missbrauch war in der Vergangenheit immer dann am stärksten, wenn es in Richtung größerer Kriege und Totalitarismus ging. Physiker, die die Kernspaltung erfunden haben, wollten keine Atombombe bauen. Oder die Psychologie. Diese junge Disziplin hat aus der Geschichte mehr gelernt als die Medizin, aber die Psychologie hat sich, das wissen die wenigsten, vom Nationalsozialismus massiv missbrauchen lassen. Psychologen wussten, dass man mit traumatisierten Menschen alles machen kann. Mit der Virologie ist es wieder die Medizin, die sich missbrauchen lässt. Ich glaube, ein Großteil der Virologen sieht nicht, dass sie missbraucht werden und dass sie damit langfristig auch der Medizin unheimlichen Schaden zufügen. Der Vertrauensverlust am Ende wird riesig sein.
Innerhalb der COVID-Krise gibt es neben dem stofflichen Aspekt des Virus zwei weitere nicht stoffliche pathologische Aspekte: Angst und Missbrauch. Es wurde in den vergangenen zwei Jahren unglaublich viel Angst geschürt. Diese Angst hat die Grundlage für Missbrauch geschaffen. Viele Menschen lassen sich impfen, weil sie Angst vor dem Virus haben oder weil sie ihre Freiheit, die alte Normalität wieder wollen. Medizin, Regierung und Medien schaffen gerade Missbrauchsopfer, eine gewaltige Traumatisierung innerhalb unserer Bevölkerung, weil manche Menschen — genötigt vom System — etwas mit ihrem Körper tun, was sie eigentlich gar nicht tun wollen.
Ich habe von weinenden Menschen gehört, die sich nur impfen lassen, weil sie genötigt werden, weil sie sonst zum Beispiel den Job verlieren. Das ist Missbrauch. Und Missbrauch ist Traumatisierung. Menschen, die traumatisiert werden, sterben früher. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Was man jetzt mit COVID-Maßnahmen und Impf-Nötigung erzwingt, um das Virus einzudämmen, kostet in Summe Milliarden Lebensjahre. Das ist eine Tragödie ungeahnten Ausmaßes.
Die Mehrheit dieser „Generation Maske“-Kinder — über ein Jahr lang Maske tragen, testen und jetzt auch noch impfen — wird die erste Generation seit rund 100 Jahren, die nicht durchschnittlich 80 Jahre alt wird.
Weil man den Menschen in den letzten zwei Jahren Angst und Panik eingejagt hat und damit viele indirekt und direkt zur Impfung nötigt. Das ist ein kaltherziger und gesundheitsschädlicher Umgang. Die Psychoneuroimmunologie zeigt demgegenüber, dass ein warmherziger sozialer Umgang das Immunsystem der Menschen stärkt und sie länger leben lässt. Ich kann mir vorstellen, dass der Mensch locker 150 Jahre alt werden würde, wenn psychologische Schutzmechanismen in der Kultur verankert wären, die vor Nötigung und Missbrauch schützen. Corona deckt auf, dass es diese Schutzmechanismen derzeit nicht gibt.
Ein Großteil der Menschen weiß nicht, dass sie jetzt im großen Stil missbraucht werden, sehen diese Dinge gar nicht. Es ist überhaupt kein Erkenntnisprozess da, dass das, was da gerade passiert — der Raub der Grundrechte, die Panikmache und Nötigung, die Spaltung der Gesellschaft — höchst gefährlich für unsere Gesundheit ist und dass wir uns wehren müssen gegen solche Tendenzen. Nein, die meisten Menschen erkennen es nicht beziehungsweise wehren sich nicht . Wenn sich die Medizin dem Menschen annähert, könnte ich mir vorstellen, dass wir in 100 oder 200 Jahren Menschen haben, die 150 werden, weil sie einen ganz anderen Zugang haben zum Leben, zu Kultur und zu Gesellschaft.
Herr Schubert sagte, die Schulmedizin behauptet, sie hätte die Menschheit gerettet, Gesundheit und Zuwachs an Lebenszeit gebracht.
Das Verdienst der Medizin ist dabei aber klein. Was wir vergessen: Wir haben in den letzten 70 Jahren zumindest hier in Europa den Hunger hinausgebracht. Wir haben soziale und hygienische Revolutionen erlebt, wir haben Kanalisation, jeder hat einen gewissen weißstaatlichen Schutz, vor allem bei Arbeitslosigkeit, wir haben sozialen Frieden geschaffen in den letzten 70 Jahren, dafür haben aber 200 Jahre vorher Menschen gekämpft. Dass in den letzten Jahrzehnten mit Kindern liebevoll umgegangen wurde, war lebensverlängernd. Natürlich leistet die Medizin in manchem Hervorragendes, aber eine gesunde, friedfertige, humane Gesellschaft — da gehört schon auch eine Menge anderer Dinge dazu.
Letzte Frage an Herrn Schubert: Wie kriegen wir die Kurve?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Wir haben heute von so komplexen Phänomenen gesprochen, von Angst, die sich jetzt auf dieses Virus projiziert und wo jetzt in der Impfung das Heil gesehen wird. Damit Menschen von der Angst weg und zu adäquater Traumatherapie kommen können, müssen sie von der pathologischen Fokussierung auf das Virus weg. Derzeit habe ich keine große Zuversicht, Prozesse wie diese dauern lang.
In diesen eineinhalb Jahren sind wir so mürbe gemacht worden, dass wir dankbar sind, wenn wir die alte Freiheit wieder kriegen. Diese Dankbarkeit lässt uns großzügig über das Trauma hinwegsehen. Herr Hüter, haben Sie eine Idee für ein schönes Ende heute?
Ja, ich glaube es gibt eine Chance: Wir können unsere Kinder schützen. Es ist Zeit, dass sich Eltern diese ursächlichste Aufgabe von Elternschaft in Erinnerung rufen. Die Kinder rausnehmen aus dem System, wenn es nicht anders geht; mit anderen liebevolle, schützende Gemeinschaften gründen und Kinder wieder Freude erleben und lachen und spielen lassen. Irgendwann gibt’s eine Zeit danach.
Das heißt, die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, sein eigenes Kind schützt oder vielleicht ein zweites, befreundetes Kind dazu, dann ist schon viel getan. Vielleicht schaffen wir das.
Vielen Dank für die anregende Diskussion!
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter unter dem Titel „Corona und der maschinenhafte Mensch“ bei Kirchbacher Berichte. Der Artikel wurde von der Redakteurin Ingrid Obad verfasst. Das vollständige Interview ist auch auf YouTube zu sehen: