Herbert Kickl hat als FPÖ-Klubobmann das Maskentragen im Parlament verweigert. Er lässt sich — anders als sein Vorgänger Norbert Hofer — nicht impfen. Und er hat sogar auf der Straße gegen die Grundrechtseinschränkungen mobilisiert und als Redner vor Tausenden Menschen sehr klare Worte gefunden. Und anders als die globalistischen Regimemedien verbreiten, ist Kickl nicht „rechter“ als seine Vorgänger, sondern in wesentlichen Aspekten eher „linker“.
Natürlich hat Kickl als Klubobmann auch bisher schon eine wesentliche Rolle gespielt und mit seiner pointierten Linie zum Wiederaufschwung der FPÖ entscheidend beigetragen. Als Parteichef wird er diesen Kurs noch prägnanter fahren können. Er wird in verschiedenen Fragen erheblichen Druck auf andere Parteien ausüben, die Situation für Bundeskanzler Sebastian Kurz massiv verschlechtern und für die Demokratie- und Freiheitsbewegung gegen das Corona-Regime einige Veränderungen bringen.
Wurzeln der FPÖ
Anders als die AFD in Deutschland hat die FPÖ eine lange Geschichte. Sie selbst sieht sich — mit einigem Recht — in der Tradition der Revolution von 1848, also liberal, national, republikanisch, antimonarchisch, antiklerikal. Zwischen den Weltkriegen war das — neben Christlich-Sozialen und Sozialdemokraten — sogenannte dritte Lager heterogen und bestand vor allem aus dem Landbund, der die nicht-klerikalen Teile der Bauernschaft in Oberösterreich, der Steiermark und in Kärnten organisierte, und der mitgliederschwachen Wahlformation Großdeutsche Volkspartei, die schließlich von der NSDAP verdrängt und aufgesaugt wurden.
Nach 1945 rekrutierte die SPÖ, die viele Parteiführer verloren hatte, einiges Kaderpersonal unter Ex-Nazis, die Mehrheit der „Ehemaligen“ bewegte sich aber in Richtung ÖVP. Um diese Entwicklung abzuschwächen, förderte die SPÖ die Gründung des „Verbandes der Unabhängigen“ 1949 durch zwei liberal-konservative Bürgerliche. Der VdU wurde schließlich zu einem Auffangbecken für Kriegsheimkehrer, aus Tschechien und Südosteuropa vertriebene Deutsche und ehemalige Nazis. Bei der Nationalratswahl 1949 erreichte der VdU aus dem Stand beachtliche 11,7 Prozent, in seiner Hochburg Oberösterreich bei Betriebsratswahlen in großen Industriebetrieben wie der VOEST oder den Stickstoffwerken 47 beziehungsweise 55 Prozent.
Mit dem Wirtschaftsaufschwung und der Sozialpartnerschaft verlor das „dritte Lager" seine Arbeiterbasis aber zunehmend an die SPÖ. Dazu kam das von ÖVP, SPÖ und KPÖ forcierte Konzept einer „österreichischen Nation“, mit dem Österreich als „erstes Opfer" der Nazis hingestellt wurde und sich die heimische herrschenden Klasse bequem vom Desaster des NS-Regimes lossagen konnte. Dass sich damit ein zunehmender Teil der Bevölkerung identifizierte, hatte für das deutschnationale Lager natürlich Konsequenzen. Nach etlichen internen Konflikten um die Ausrichtung des VdU kam es Mitte der 1950er-Jahre zur Neuformierung als Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) unter Führung des Ex-Nazis Anton Reinthaller.
Die Wahlergebnisse bewegten sich in den nächsten Jahrzehnten zwischen 5 und 7 Prozent. 1958 übernahm Friedrich Peter die Führung der Partei und richtete sich verstärkt liberal aus. Diese FPÖ wurde sowohl von ÖVP als auch von SPÖ als mögliches „Zünglein an der Waage“ hofiert. Und tatsächlich unterstützte die FPÖ 1970 eine SPÖ-Minderheitsregierung von Bruno Kreisky. Und nach den Nationalratswahlen 1983 trat die FPÖ mit dem neuen Obmann Norbert Steger als Vizekanzler in eine Koalition mit der SPÖ ein. In all diesen Jahren war die FPÖ eine nationalliberale Kleinpartei, die ein gewisses kleinbürgerliches, burschenschaftliches Milieu vertrat und keinerlei Einfluss in der Arbeiterklasse hatte (1).
Zwischen Populismus und Regierungsbeteiligung
Das änderte sich ab 1986. Angesichts der Stagnation der Partei wurde der aus einer Nazi-Familie stammende Jörg Haider an die Spitze gehievt. Die Folgen waren weitreichend: Erstens kündigte die SPÖ unter Franz Vranitzky die Koalition mit der FPÖ auf, zweitens begann unter Haider ein rascher Aufstieg der FPÖ in der Gunst der Wähler. Bei der Nationalratswahl 1990 erreichte die FPÖ 16,6 Prozent, bei der Landtagswahl in Kärnten gar 29 Prozent — und Haider wurde mithilfe der ÖVP Landeshauptmann. Hintergrund des Aufstieges unter Haider waren neben seinem rhetorischen Geschick vor allem seine Kritik am ÖVP-SPÖ-Proporzsystem im Land, an Korruption und Freunderlwirtschaft, die Aufnahme von sozialen Themen durch die FPÖ sowie die Ablehnung der Zuwanderung von Ausländern nach Österreich.
Die Grundlage dafür waren freilich die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Die Spielräume für Sozialpolitik waren geringer geworden und die neoliberale Offensive der internationalen Kapitalistenklasse wurde in Österreich von der SPÖ-ÖVP-Regierung umgesetzt. Das bedeutete nicht nur Sparprogramme auf Kosten der Lohnabhängigen, sondern in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre weitreichende Angriffe auf die Verstaatlichte Industrie und ihre Beschäftigten, die von der SPÖ selbst gegen ihre eigene Basis durchgeführt wurde. Die Haider-FPÖ schaffte es, sich zunehmend als die Opposition gegen diese Entwicklungen in Szene zu setzen. Waren anfänglich vor allem ÖVP-Anhänger zur FPÖ gewechselt, waren es nun auch immer enttäuschte SPÖ-Wähler — die Haider mit positiven Bezügen auf Kreisky auch gezielt bediente.
Gleichzeitig bediente Haider aber auch das rechtsextreme Lager — mit Aussagen über eine „ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis — was ihm den Posten als Landeshauptmanns kostete — und einer anbiedernden Rede vor Veteranen der Waffen-SS. Und bei Haider fanden sich auch die im österreichischen Deutschnationalismus traditionelle antislawische Frontstellung sowie etliche antisemitische Töne. Letztere waren auch mit einer ausgeprägten pro-arabischen und pro-islamischen Linie verbunden. So war er auch ein prominenter Befürworter eines EU-Beitritts der Türkei und förderte einen türkisch-islamischen Verein finanziell — während die FPÖ nach Haider den Kickl-Spruch „Daham statt Islam“ plakatierte.
Bei der Nationalratswahl 1999 erreichte die FPÖ schließlich fast 27 Prozent der Stimmen und bildete eine Koalition unter der Kanzlerschaft der gleichstarken ÖVP. Haiders Regierungsmannschaft folgte der ÖVP bei einem rabiaten Angriff auf die Arbeiterklasse: Privatisierungen, Steuersenkungen fürs Kapital, Kürzungen im Sozialbereich. Viele Arbeiter, die FPÖ gewählt hatten, wandten sich entsetzt ab und die Umfragewerte der FPÖ rasselten in den Keller. Nach einem Desaster bei den EU-Wahlen spaltete sich die FPÖ im Jahr 2005: Haider und die Regierungsmitglieder auf der einen Seite, Parteivordenker Andreas Mölzer, der Wiener Obmann Heinz-Christian Strache und die Mehrheit der Landesorganisationen auf der anderen (2).
Bedeutende Änderungen der FPÖ
Haiders Neugründung Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) überlebte seinen Unfalltod 2008 nicht lange. Für die FPÖ begann 2005 eine Phase der Neuformierung und des Wiederaufstieges. Dabei übernahm nun eine neue Generation die Führung. Neben Heinz-Christian Strache waren da vor allem Herbert Kickl, Harald Vilimsky und Norbert Hofer zu nennen, allesamt aus einfachen Verhältnissen, allesamt keine Akademiker. Diese neue FPÖ bemühte sich — im Kampf um die Wiedergewinnung der verlorenen Wähler — um eine Abgrenzung von der FPÖ-Regierungspolitik, von den Sparmaßnahmen und von Haiders teilweise beliebigem Populismus und seinem Glamourfaktor. Sie betrieb konsequente Themensetzung: nämlich vor allem die sich durch Zuwanderung ändernde ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung und damit in Zusammenhang gesetzte soziale Fragen.
Die von Kickl erfundene Formulierung „soziale Heimatpartei" wurde zum Kernbegriff der FPÖ.
Mit der Abspaltung des BZÖ hat die FPÖ die direkte Unterstützung von Großkapitalisten weitgehend verloren, etwa den Politiker und Großindustriellen Thomas Prinzhorn, aber auch die guten Kontakte des Großgrundbesitzers Haider in dieses Milieu und zur Wörthersee-Schickeria, und vorher schon die Seilschaften von Finanzminister Grasser mit Swarowski & Co. Die große Mehrheit des Großkapitals unterstützt heute die ÖVP, eine relevante Minderheit hat gute Beziehungen zur SPÖ: Androsch, Siemens-Management, etliche Bankiers, die Gemeinde-Wien-nahen Konzerne. Die FPÖ gilt dem Establishment als unfein und primitiv. Die Großkapitalisten stören sich an der sozialen Rhetorik der FPÖ und wollen die „EU-Partner“ nicht verschrecken.
Auf dieser Grundlage gelang der FPÖ ein kontinuierlicher Aufstieg. Bei den ersten Nationalratswahlen erzielte man 2013 bereits 20,5 Prozent. Bei der Bundespräsidentschaftswahl 2016 kam Norbert Hofer im ersten Wahlgang auf 35,1 Prozent. In der Stichwahl gegen den grünen Kandidaten Alexander van der Bellen scheiterte er nur ganz knapp — gegen massiven politischen, ökonomischen und medialen Druck des in- und ausländischen Establishments. Unter den Arbeitern, die nicht türkischer, sondern südosteuropäischer oder österreichischer Herkunft sind, haben wohl zwischen 80 und 90 Prozent für Hofer gestimmt. Auch von den Angestellten stimmte ein großer Teil für Hofer. Nur in zwei relevanten Gruppen der Arbeiterklasse war die FPÖ nicht in der Mehrheit: Das sind die türkischstämmigen Arbeiter und das sind die öffentlich Bediensteten.
Aber auch inhaltlich gab es unter Mölzer, Strache und Kickl nun Neuausrichtungen. In Abgrenzung zum Nationalsozialismus entsorgte man die noch unter Haider vorhandene antislawische Schlagseite. Strache trug jahrelang die Brojanica, ein serbisches Armband. Dass es dabei nur um serbische Wählerstimmen geht, greift sicherlich zu kurz; was hier stattfand, war eine strategische Neuausrichtung. Das zeigt auch der — in einer NS-Tradition undenkbare — positive Bezug der FPÖ auf Russland. Gegen Globalisierung, Amerikanisierung, außereuropäische Zuwanderung und Multikulturalismus, gegen Obama, Clinton, Juncker und Merkel wurden die slawischen Länder und insbesondere Russland als Verbündete bei der Verteidigung der europäischen nationalen Identitäten und der europäischen Kultur gesehen. Ein positiver Aspekt dabei war, dass sich die FPÖ seit Jahren den antirussischen Kampagnen der Pro-NATO-Kräfte verweigert.
Im selben Zusammenhang ist die von der FPÖ — im Gegensatz zur alten Haider-Linie — demonstrative Zurückweisung von Antisemitismus zu sehen.
In diesem neu-rechten Konzept werden die Juden/Jüdinnen als wichtiger Teil der europäischen Kulturtradition und der Aufklärung gesehen — und Israel von manchen als Vorposten der europäischen Zivilisation im Orient. Gegen das Vordringen von Islam, Islamismus und anderen „rückständigen“ außereuropäischen Kulturen sind die Juden/Jüdinnen und Israel dann natürliche Verbündete. In diesem Sinne sind die Verurteilung von Antisemitismus und die Hinwendung zu Israel seitens der FPÖ keineswegs irgendein Bluff, sondern ebenfalls eine strategische und ernst gemeinte Linie.
Es muss aber auch erwähnt werden, dass es gleichzeitig in der FPÖ eine Aufweichung der traditionellen deutschnationalen Ablehnung gegenüber Kirche und Monarchie gab. Ausgegangen ist das vor allem von dem kreuzschwingenden Strache und ÖVP-Verbinder Hofer. Diese rückschrittlichen Dinge stehen natürlich auch in Zusammenhang mit der Generallinie der FPÖ-Verteidigung der europäischen Kultur und Tradition, bei der man dann bei Kirche und Adel landet. Logisch zwingend ist das keineswegs, denn die FPÖ könnte sich bei dieser Verteidigung auch auf die Bauernkriege und die Revolution von 1848 beziehen, auf Aufklärung, Sozialstaat und Freiheit, auf die Errungenschaft der Trennung von Kirche und Staat.
Regierungsbeteiligung diesmal erfolgreicher
Dass die FPÖ 2016/17 in Umfragen zwischen 30 und 35 Prozent lag, führte zu Panik im globalistischen Parteienkartell. Die erste Reaktion war der Umsturz in der ÖVP, als die Clique um den damaligen Außenminister Sebastian Kurz den bisherigen Parteichef stürzte, die Koalition mit der SPÖ aufkündigte und mit Anti-Zuwanderungsversprechen der FPÖ den Wind aus den Segeln nahm. 31,5 Prozent für die türkise „neue ÖVP“ und 26 Prozent für die FPÖ bei der Nationalratswahl im Oktober 2017 schufen die Grundlage für eine neuerliche Rechtsregierung mit Kurz als Kanzler, seinem Freund Gernot Blümel als Finanzminister, mit Strache als Vizekanzler und Kickl mit dem entscheidenden Innenministerium.
Diesmal agierte die FPÖ klüger als 2000 bis 2004. Sie trug zwar einige kapitalfreundliche Maßnahmen der ÖVP mit, setzte aber auch pro Kind eine massive Steuerentlastung für alle Werktätigen durch. Diese Maßnahme konnte die FPÖ ihrem Arbeiteranhang als echte Verbesserung vorlegen. Während ein Großteil der einheimischen und (süd-)osteuropäischen Beschäftigten davon profitiert, haben die Migrantengruppen aus der Türkei, Tschetschenien oder dem arabischen Raum, die wenig erwerbstätig sind (und selbst kaum Steuern aufbringen) und die überproportional von Mindestsicherung und Kindergeld leben, kaum etwas von dieser Maßnahme — und das ist natürlich kein Zufall.
Das Hauptthema, für das die Regierung auch von Lohnabhängigen gewählt wurde, waren die Massenimmigration, die Verdoppelung der Zahl der Muslime im Zeitraum von 2001 bis 2017 auf auch offiziell 700.000 — plus vermutlich etwa 100.000 Illegale —, die zunehmende Präsenz des Islam im Schulen und im öffentlichen Raum, die gehäuften und massiv überproportionalen Gewalt- und Sexualdelikte von muslimischen Migranten, die mangelnde Abschiebung von eingewanderten Kriminellen. Viele Lohnabhängige sahen das als bedrohlich für sich und ihre Kinder an und erwarteten von der neuen Regierung Maßnahmen in diesem Bereich. An der allgemeinen demografischen Entwicklung hat die Regierung natürlich nichts geändert, aber es wurde ein Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen beschlossen und Kickl versuchte als Innenminister, die Grenzen stärker zu sichern sowie abgelehnte und insbesondere kriminelle Asylwerber verstärkt abzuschieben (3).
So sehr diese Versuche zur Beliebtheit der Regierung beitrugen und die FPÖ in den Umfragen stabil blieb, war Kickl dabei massiven Angriffen ausgesetzt — von Großkapital, EU, Justiz, Medien, Bundespräsident, Kirche, Opposition, die die neoliberale Migrationspolitik unbedingt fortsetzen wollen. Das Innenministerium wurde aber auch aus einem anderen Grund der entscheidende Streitpunkt der Regierung: Kickl stellte den jahrzehntelangen Zugriff von ÖVP-Seilschaften auf all die Strukturen in diesem Ministerium und deren Machenschaften als ÖVP-Staat im Staat infrage. Das war für die ÖVP inakzeptabel — und trug schließlich wesentlich zum Bruch der Regierung bei.
Interessante Aspekte der Ibiza-Geschichte
Dem globalistischen EU-Establishment war Herbert Kickl ein ähnlich großer Dorn im Auge wie Matteo Salvini in Italien. Ob Leute aus diesem Establishment im Hintergrund an dem berühmten „Ibiza-Video" beteiligt waren, kann nicht sicher gesagt werden. Faktum ist, dass ein Anwalt mit SPÖ-Beziehungen und ein Privatdetektiv mit Kontakten zum ÖVP-kontrollierten Inlandsgeheimdienst BVT den FPÖ-Obmann schon im Sommer 2017 in seinem Urlaub in eine Falle gelockt und globalistische Regimemedien in Deutschland die passenden Auszüge schließlich veröffentlicht haben, um die Regierung in Österreich abzuschießen. Mit einer konzertierten Medienkampagne, unter Beteiligung von Bundespräsident, Justiz und dem Kanzler selbst, ist das dann auch gelungen.
Strache hat gegenüber der angeblichen Oligarchennichte auf Ibiza großspurig von der Vergabe von Staatsaufträgen für Gegenleistungen und einer Übernahme der mächtigen Kronenzeitung fantasiert. Real umgesetzt hat Letzteres die ÖVP-Führung, nämlich durch den Kurz-Vertrauten Investor Rene Benko. Und auch, was finanzielle Zuwendungen des Großkapitals betrifft, ist die ÖVP absolute Spitze. Das ist sicherlich in der Regel auch nicht zum Nachteil der Spender — und es werden von den Besprechungen eben keine Videos öffentlich.
Das schon vor der Regierungsbildung angelegte Video gab dem Establishment die Möglichkeit, die eigentlich ungewünschte Regierung jederzeit in die Luft zu jagen. Kurz konnte dabei auf Kosten des Koalitionspartners weiter zulegen. Vorbereitet hat eine Clique den Bruch vermutlich schon vorher, indem man der FPÖ ständig Distanzierungen zu den Identitären et cetera abnötigte. Die Einfallstore für das Funktionieren dieses Spieles waren Strache und Verkehrsminister Hofer. Strache als Person hatte wohl immer eine Art Aufsteigermentalität, fühlte sich wohl in schicken und noblen Kreisen und buhlte um die Anerkennung der Medien. Letzteres galt auch für Hofer, dem es zusätzlich noch um Respektabilität in rechtskonservativ-katholischen Milieus ging.
Interessant ist aber schließlich, wie der Bruch ablief. Der angeschlagene Strache hatte seinen Rücktritt angeboten und es war mit Kurz eine Fortsetzung der Koalition ohne Strache vereinbart. Plötzlich verlangte aber Kurz, wohl in Absprache mit dem Bundespräsidenten und womöglich anderen Figuren aus dem globalistischen Establishment, den Rücktritt von Kickl, der mit Straches Ibiza-Eskapaden null zu tun hatte. Das bewies, dass es eigentlich um die Kontrolle des Innenministeriums im engeren und um Kickls Migrations- und Sozialpolitik ging, dass Kickl der eigentliche Störfaktor für die globalistische Agenda war (4).
Kickls politische DNA
Aufgewachsen ist der 1968 geborene Kickl im sozialdemokratischen Arbeitermilieu der ländlichen Industriestadt Radenthein in Kärnten. Sein Vater arbeitete nicht nur im örtlichen Industriebetrieb, sondern spielte für Radenthein in der Bundesliga Fußball. Kickl junior besuchte das Gymnasium in Villach und ging danach zum Studium nach Wien. Der linke Mainstream unter linken Lehrern und Professoren stieß ihn ab, Haiders volkstümliche Art sagte ihm zu und er heuerte 1995 bei der FPÖ an, in Parteiakademie und Wahlkampforganisation.
Kickl gehörte nicht einer der Burschenschaften an, die das zentrale Kaderreservoir der FPÖ bilden, und auch nicht zu den jungen Karrieristen von Haiders „Buberlpartie". Vielmehr gilt er als Einzelgänger, der nicht über „Networking“ glänzt, sondern als ausgezeichneter Analytiker, Stratege und Rhetoriker. Kickl ist bekennender Fan der Hegelschen Dialektik und galt innerparteilich lange Zeit als „Sozialist“, weil er der sozialen Frage stets große Bedeutung zumaß. Dementsprechend wurde er später auch Sozialsprecher der FPÖ. 2005 sagte er der grün-linksliberalen Wochenzeitung Falter, er habe „weltanschaulich viel mehr mit den Linken gemeinsam als mit irgendwelchen Turbokapitalisten“.
Kickl betreibt in seiner Freizeit Individualsportarten wie Bergsteigen und Triathlon, Letzteres bis hin zu extremen Formen wie dem Celtman. Das sagt sicher auch einiges über ihn als Person aus: Er ist ein „harter Hund“, hat etwas Asketisches, verfügt über Selbstdisziplin, Ausdauer, Widerstandsfähigkeit, Entschlossenheit. Das hat auch politische Bedeutung.
Kickl ist ziemlich unempfindlich für den Druck von Medien und politischem Establishment. Damit hat er etwas, was jeder Regimegegner, egal ob marxistischer Klassenkämpfer oder Rechtspopulist, braucht. Er will den Mainstream-Journalisten nicht gefallen, sondern versteht, dass es nicht um sie geht und dass er vieles richtigmacht, wenn sie ihn hassen.
Und Kickl biedert sich nicht bei den „besseren Kreisen“ an, ihre Anerkennung interessiert ihn — anders als Strache oder Hofer — einen Dreck, er sieht sie als die Profiteure des Regimes — und in seiner Freizeit will er ohnehin nichts mit solchen Leuten zu tun haben, sondern lieber allein in den Bergen unterwegs sein.
Neuformierung und Corona-Politik
Die unverschämte Forderung der ÖVP nach Rückzug Kickls aus dem Innenministerium wurde von der FPÖ nicht hingenommen und die Regierung platzte. Die Folge der Ibiza-Affäre war ein Absturz der FPÖ in Umfragen und insbesondere bei den Lokalwahlen in Wien. Die Partei hatte eine Doppelspitze installiert, Kickl als angriffiger Klubobmann und Hofer als moderater Parteichef. Das war letztlich eine halbherzige Maßnahme, die nur mäßig funktionierte. In der Praxis hielt sich Hofer aus der Tagespolitik zunehmend heraus und Kickl gab immer mehr den Kurs vor.
Das betraf insbesondere die Corona-Politik, wo sich die FPÖ nach einer Zögerlichkeit zu Beginn zunehmend gegen die Panikmache des globalistischen Parteienkartells und diverse Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseinschränkungen der schwarz-grünen Regierung stark machte. Und es war dabei vor allem Kickl, der diesen Kurs prägte. Anders als Hofer lässt er sich selbst nicht impfen und tritt für echte Entscheidungsfreiheit in der Impffrage und die Regimepropaganda und den indirekten Zwang ein. Den ersten öffentlichen Konflikt mit Hofer gab es, als dieser die Maskenpflicht im Parlament unterstützte, während Kickl und der gesamte FPÖ-Klub hinter ihm sich demonstrativ verweigerten. Das zeigte deutlich, dass eine Entscheidung zwischen Hofer und Kickl anstand.
Vor allem aber beteiligten sich Kickl und seine engsten Mitstreiter auch an den großen Mobilisierungen gegen die Zwangsmaßnahmen in den ersten Monaten 2021. Vor Zehntausenden Menschen hielt Kickl im Wiener Prater eine Brandrede gegen die Corona-Politik der Regierung und skandierte mit der Menge „Kurz muss weg!“. Das erschreckte das politische und mediale Establishment zutiefst und die Hetze gegen die Bewegung wurde mit einer gegen Kickl kombiniert. Der ließ ich aber weder einschüchtern noch von seinem Kurs abbringen.
Nach seiner Designierung als FPÖ-Obmann wurde er in einem ORF-Interview Anfang Juni erneut anklagend darauf angesprochen.
Kickl antwortete, er werde weiter den Kontakt mit der Bevölkerung suchen, nicht mit dem Finger auf die Leute zeigen wie die ORF-Redakteurin, nicht unterscheiden zwischen den feinen Leuten im politischen Establishment und den schmuddeligen Leuten auf den Demos.
Vielmehr sei in der Verteidigung der Grund- und Freiheitsrechte ein Schulterschluss mit der Bevölkerung notwendig und dafür sei er sich nicht zu fein. Die Medien sollten da — so sein Gegenangriff auf den ORF — auch einen Beitrag dazu leisten und nicht zum Lautsprecher der Regierung verkommen. Die Gefährder der Demokratie säßen in der Bundesregierung (5).
Auf der Grundlage dieser Corona-Politik gelang der FPÖ in den vergangenen Monaten ein deutlicher Wiederaufschwung. Hatte sie bei den Nationalratswahlen noch 16,2 Prozent und lag bei Umfragen Anfang 2020 nur noch bei 10 bis 12 Prozent, ist sie nun wieder auf 18 bis 20 Prozent gestiegen. Gewonnen hat sie vor allem wieder viele von denen, die 2019 zu den Nichtwählern gegangen waren, aber auch viele Menschen aus den Schichten, die von der Corona-Politik des Regimes besonders kritisch gegenüberstehen: Arbeiter, Angestellte, Kleingewerbetreibende. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mit einem noch klareren Kurs unter Kickls Obmannschaft dieser Aufstieg weitergehen wird. Bei den grün-liberalen Kommentatoren, die jetzt meinen, Kickl werde Leute verschrecken und der FPÖ schaden, ist einfach nur der Wunsch der Vater des Gedankens. Für einzelne Konservative mag das gelten, es wird aber bei weitem durch den Zustrom anderer Gruppen überwogen.
Dieselben Kommentatoren hoffen auf Friktionen in der FPÖ beziehungsweise wollen sie herbeireden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist vorerst eher gering. Kickl hat seit längerer Zeit eine Führungsgruppe mit Generalsekretär Michael Schnedlitz, Dagmar Belakowitsch und Christian Hafenecker formiert. Und vor allem ist den meisten Funktionären völlig klar, dass Kickl einen Aufstieg der Partei bringen wird und dass die Parteibasis in der überwältigenden Mehrheit für Kickl ist.
Auch Manfred Haimbuchner, der in Oberösterreich in der Landesregierung mit der ÖVP bleiben will, weiß sehr gut, dass sämtliche Nationalratsabgeordneten aus Oberösterreich hinter Kickl stehen. Darüber hinaus ist Oberösterreich die Hochburg des Widerstandes gegen das Corona-Regime und der Kurs von Kickl unter Parteimitgliedern und erheblichen Teilen der Bevölkerung sehr populär. Würde Haimbuchner sich ernsthaft gegen Kickl stellen, würde das in seiner Landespartei einen massiven Konflikt bedeuten und er sich mitten im Landtagswahlkampf selbst ins Knie schießen.
Rinks und Lechts in der FPÖ
Viele Liberale und Linke glauben, dass mit Kickl ein Rechtsruck der FPÖ erfolgt. Das ist ausgemachter Unsinn und sagt mehr über diese Linken aus als über die FPÖ. Festgemacht wird der angebliche Rechtsruck daran, dass Kickl in der Flüchtlings- und Migrationspolitik einen schärferen Kurs vertrete. Tatsächlich will er abgelehnte Asylwerber konsequent abschieben, Zuwanderung begrenzen und tritt dabei für eine Politik an, wie sie Australien oder die dänische Sozialdemokratie betreiben. Er unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von Strache oder Hofer. Aber natürlich gibt es unter Funktionären und Anhängern der FPÖ, teilweise auch bedient durch FPÖ-Slogans, etliche Rassisten, die Menschen aus anderen Kulturkreisen pauschal geringschätzen und abwerten.
Ein solch wirklicher Rassismus sollte aber unterschieden werden von einer bestimmten Migrationspolitik oder auch von Kritik an reaktionären Traditionen in anderen Kulturen. Genitalverstümmelungen in Afrika oder die Frauenfeindlichkeit im Islam müssen genauso angreifbar sein wie etwa die autoritären Strukturen in der katholischen Kirche. Dass viele Linke eine politische Einordnung im Wesentlichen über die Frage der Migration vornehmen, zeigt ihre Abwendung von einem Klassenstandpunkt und von Kapitalismuskritik. Mit ihrem moralisierenden Multikulturalismus sind sie zu einem Anhängsel des globalistischen Regimes geworden. Und als solches verstehen sie natürlich nicht, wie neoliberale Migrationspolitik, One-World-Ideologie und Kapitalinteressen zusammenhängen.
Kickl hat selbst auch, zumindest ansatzweise, diesen Zusammenhang hergestellt. In einer Pressekonferenz Ende Juni 2021 sagte er, die ÖVP-Politik gegenüber Zuwanderung sei nur vorgeblich restriktiv. Tatsächlich bediene die ÖVP die Interessen ihrer Großspender nach billigen Arbeitskräften.
Von Kickl jedenfalls sind, anders als bei Haider oder dem jungen Strache, keine bedenklichen Bezüge auf den Nationalsozialismus bekannt. Er hat selbst mit dem Burschenschaftsmilieu wenig zu tun. Während sich Hofer über seine Mitgliedschaft im St. Georgs-Orden und den konservativen Unternehmer, ÖVP-ler und Adeligen Norbert van Handel um Kontakte zur herrschenden Klasse bemühte, hat Kickl mit solchen Kreisen nichts am Hut. Und während der wirtschaftsliberale Haimbuchner versucht, gewisse Kontakte zu Joachim Haindl-Grutsch von der regionalen Industriellenvereinigung herzustellen, setzt Kickl auf die „kleinen Leute“. Hatte die FPÖ schon unter Strache die frühere Unterstützung einer Minderheit des Kapitals verloren, wird das unter Kickl noch mehr gelten. Das Großkapital steht offen gegen Kickl. Unter seiner Führung wird die FPÖ in der sozialen Frage „linker“ sein als je zuvor.
Kickl ist den Kapitalisten und Globalisten aber auch deshalb zu unfein, weil er in der demokratischen Frage das sich entwickelnde totalitäre Regime angreift.
Während das globalistische Parteienkartell aus ÖVP, Grünen, Liberalen und Sozialdemokraten — die sich in Wien als besondere Scharfmacher hervortun — den Great Reset von Klaus Schwab und Bill Gates gehorsam vorantreiben, ist Kickl in Österreich der einzige Spitzenpolitiker, der sich wirklich für die Grund- und Freiheitsrechte hervortut. Insofern ist er in dieser wesentlichen politischen Frage weitaus „linker“ als sämtliche Parlamentsparteien und auch der Großteil der außerparlamentarischen linken Szene.
Steht man auf historische Vergleiche, könnte man die Revolution von 1848 heranziehen: Damals, im aufsteigenden Kapitalismus, stand die entstehende Arbeiterbewegung in einer Front mit den bürgerlich-liberalen Kräften der Burschenschaften gegen das totalitäre Regime der Fürsten, verband sich der Kampf für demokratische Freiheiten mit der sozialen Frage. Heute, im niedergehenden Spätkapitalismus, geraten die Kräfte der Linken und Arbeiterbewegung, die man noch als system- und kapitalismuskritisch betrachten kann, in der Freiheitsbewegung in eine Front mit bürgerlich rechtspopulistischen Kräften, die Grundrechte verteidigen — und auch heute wird sich die demokratische Frage mit der sozialen verbinden.
Kickls Wahl und die Folgen
Kickl wird in den nächsten Monaten seinen Begriff der „sozialen Heimatpartei“ mit neuem Leben füllen, die Ablehnung einer aktuell neu anwachsenden Zuwanderungswelle mit der sozialen Frage verbinden. Angesichts der anstehenden wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Folge der Corona-Maßnahmen wird er damit auch Erfolg haben. Und er wird gleichzeitig die FPÖ verstärkt als Partei der Grund- und Freiheitsrechte positionieren und dabei auch Mobilisierungen auf der Straße und den Kontakt mit der Widerstandsbewegung nicht scheuen. Kickl wird als Anwalt der „kleinen Leute“ gegen das feine Politikestablishment auftreten.
Und dieses Establishment wird er gehörig unter Druck bringen. Die ÖVP hatte mit Hofer die Option eines fliegenden Regierungswechsels von Grün zu Blau. Diese Option ist weg, nicht nur, weil Kurz noch unglaubwürdiger würde. Kickl hat mehrfach betont, dass es mit einer Kurz-ÖVP keine Koalition geben werde. Dass die türkise Karrieristenclique um Kurz untragbar sei, würden auch immer mehr ÖVP-ler verstehen und ein „Reinigungsprozess“ in der ÖVP sei denkbar. Mit den ehrlichen Schwarzen sei durchaus eine Koalition möglich, wie etwa mit Landeshauptmann Thomas Stelzer in Oberösterreich. Das lässt nicht nur Haimbuchner seine Regionalregierung, sondern Kickl setzt damit den Hebel genau an dem Spalt an, der sich bei der ÖVP ohnehin immer mehr öffnet.
Nach den geringschätzigen Chatäußerungen aus der Kurz-Clique über Stelzer und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, dem öffentlichen Bild von Korruption und abgehobener Arroganz und den wiederholten Gerüchten über Homosexualität der Kurz-Clique dürfte die Begeisterung über den ehemaligen Messias Kurz in der ÖVP deutlich im Sinken sein. Der clevere Kickl wird diese Unstimmigkeiten zu nutzen wissen.
Auch die SPÖ wird durch Kickl unter Druck geraten, und zwar aus zwei Gründen: Der erste ist ein inhaltlicher, denn Kickl wird verstärkt soziale Fragen thematisieren. Das hat sich zuletzt schon angedeutet, als die von der Regierung geplante Kürzung des Arbeitslosengeldes am klarsten von der FPÖ angeprangert wurde. Die SPÖ wird da mitziehen müssen, will sie unter den Lohnabhängigen nicht noch weiter ins Hintertreffen geraten. Und zweitens wird Kickl der SPÖ Angebote machen, gegen die türkise Kurz-Clique Zweckbündnisse einzugehen, etwa in sozialen Fragen, gegen Korruption oder beim Ausmisten des jahrzehntelangen Zugriffs der ÖVP auf das Innenministerium. Für Teile der SPÖ, bei denen die Kurz-ÖVP völlig verhasst ist, wird das verlockend sein, besonders in industriellen und ländlichen Regionen wie dem Burgenland, wo eine SPÖ-FPÖ-Koalition jahrelang stabil funktioniert hat. Widerstand wird es dagegen parteiintern aber von zwei anderen Gruppen geben, nämlich den linksakademischen Funktionärsschichten in Wien und den zahlreichen mit der SPÖ verbundenen türkischen Vereinen, die Erdogans AKP nahestehen. Kontroversen dürften da programmiert sein.
Dass Kickl ÖVP und SPÖ unter Druck setzt, in Schwierigkeiten bringt und damit das globalistische Parteienkartell, das den Great Reset betreibt, destabilisiert, ist grundsätzlich eine gute Sache. Aber auch für die Widerstandsbewegung gegen das Corona-Regime selbst wird die Wahl Kickls zum Parteichef Folgen haben. Die positiven Folgen werden sein, dass die Anliegen der Bewegung eine klare und rhetorisch starke Stimme im Parlament, in den Mainstreammedien und in der öffentlichen politischen Wahrnehmung haben werden. Negativ kann sein, dass die Bewegung zunehmend mit der FPÖ identifiziert werden könnte. Dass die organisierte Linke sich von der Bewegung fernhält oder sie sogar bekämpft, verstärkt natürlich diese Entwicklung.
Falsche Kritik an der FPÖ
Etliche Linke und zahlreiche Mainstream-Journalisten bringen die FPÖ mehr oder weniger mit der NSDAP in Verbindung. Das ist Unsinn. Es mag in der FPÖ, vor allem in der Vergangenheit, einige Leute mit NS-Affinitäten gegeben haben, zur Charakterisierung einer Partei taugt das aber nicht. In dieser Logik müsste man die Pro-NATO-Politik der Grünen, inklusive den Angriff auf Jugoslawien, als anarchistisch kategorisieren, weil der grüne Außenminister Joschka Fischer früher in Frankfurt anarchistischer Steinewerfer war. In dieser Logik wären die portugiesischen Konservativen eine mao-stalinistische Partei, weil Manuel Barroso in seinen jungen Jahren Führer einer maoistischen Organisation war.
Der politische Charakter einer Partei bestimmt sich über ihre Programmatik — solange sie nicht völlig von der tatsächlichen Politik losgelöst ist — und vor allem über ihre politische Praxis. In der Programmatik distanziert sich die FPÖ ganz eindeutig und immer wieder vom NS-Regime. Aber was ist mit der Praxis der FPÖ? Im Unterschied zu einer normalen rechten Partei greift eine faschistische Strömung die bürgerlich-demokratische Ordnung ganz offen an. Und vor allem setzen faschistische Parteien nicht in erster Linie auf Wahlen, sondern auch und besonders auf paramilitärische Verbände zur Terrorisierung von politischen Gegnern und vor allem der Arbeiterbewegung. Es handelt sich um kleinbürgerliche Massenbewegungen, die die Agenda des Großkapitals gegen Widerstand und besonders eine kämpferische Arbeiterklasse gewalttätig unterstützt. Die politische Praxis der FPÖ ist eine andere: Sie orientiert sich auf Wahlerfolge innerhalb des politischen Systems.
Bezeichnet man die FPÖ als faschistisch, müsste man ja die Konsequenz ziehen, dass in Kärnten unter Haider — dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus deutlich widersprüchlicher war als das der heutigen FPÖ-Führung — der Faschismus an der Macht war oder dass das heute in Oberösterreich teilweise der Fall sei. Die Kategorisierung der FPÖ als faschistisch, eine solch inflationäre Verwendung des Nazi-Begriffs bedeutet auch nichts anderes als eine Verharmlosung des wirklichen Faschismus und des NS-Regimes. Wenn Manuel Barroso den FPÖ-Vorschlag von Auffanglagern für Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen nach dem australischen Modell mit den mörderischen Nazi-Konzentrationslagern gleichsetzte, dann war das ein demagogischer und geschmackloser politischer Missbrauch.
Tatsächlich ist es, auch wenn das für Linke nicht leicht anzuerkennen ist, vielmehr so, dass die FPÖ als einzige Parlamentspartei aktuell Grund- und Freiheitsrechte gegen das totalitäre Verbots- und Überwachungsregime der Globalisten verteidigt.
Besonders „rechts“ ist die FPÖ höchstens in der Frage der Zuwanderung, wenn man die Zustimmung zu der aktuellen Migrationsagenda der Globalisten als „links“ betrachtet. Die FPÖ vertritt auch längst keinen völkisch-biologistischen Rassismus, sondern betont stärker als andere Parteien solche Konzepte wie Nation und Kulturtradition. In der Willfährigkeit gegenüber globalistischen Großkonzernen und Banken sind ÖVP und NEOS, und wohl auch SPÖ und Grüne, „rechter“ als die FPÖ. Bezüglich Monarchie, Kirche und auch in Geschlechterfragen war die FPÖ jahrzehntelang liberaler als die ÖVP; das hat sich erst zuletzt graduell verändert (6).
Die „Linke“ und die FPÖ
Der größte Fehler vieler sogenannter Linker ist aber, dass sie sich, infiziert von der eigenen moralisierenden Hysterie bezüglich der FPÖ, in ein Boot mit dem globalistischen Großkapital und seinen politischen Vertretern setzen. Das sind genau die Leute, die seit Jahren und Jahrzehnten die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen immer weiter verschlechtern und bedrohen. Unterstützt werden sie von Anti-FPÖ-Mainstream-Journalisten und -Künstlern, die es sich mit Presseförderungen und Subventionen im herrschenden System bequem eingerichtet haben und die auf den FPÖ-wählenden, politisch-unkorrekten, „primitiven Pöbel“ hinabblicken. Eine „Linke“, die an dieser Front auch nur anstreift oder sich sogar in diese Front einreiht, verhält sich wie ein Anhängsel des Establishments und wird von der arbeitenden Bevölkerung zu Recht auch so wahrgenommen. Eine solche „Linke“ verspielt ihren Anspruch auf Politik im Interesse der Ausgebeuteten und Unterdrückten und sie ist zu Recht unter den Lohnabhängigen hoffnungslos verloren.
Das erste, was klassenkämpferische Aktivisten, die nicht zum Anhängsel des herrschenden Establishments werden wollen, tun müssen, ist eine unaufgeregte Einschätzung der Lage und der FPÖ. Sie müssen aufhören, aus politischer Hilflosigkeit hysterisch mit der Nazi-Keule herumzufuchteln. Sie müssen damit Schluss machen, die gesamte Politik ausschließlich über die Fragen von Rassismus und so genanntem Antifaschismus zu betrachten. Sie müssen auch anerkennen, wenn die FPÖ, wie etwa bei der Verteidigung von Grundrechten gegen das Corona-Regime, relativ richtige Positionen einnimmt. Sie sollten gleichzeitig kritisieren, wenn die FPÖ konservative Positionen, wie zuletzt zur Kirche, einnimmt, und nicht darüber hinwegsehen, weil man die Kirche heute als Bündnispartner in der großen Pro-Migrations-Front des Establishments ansieht.
Das vielleicht Wichtigste ist zu verstehen, warum sich die große Mehrheit der Arbeiter zuletzt der FPÖ zugewandt hat. Der Hauptgrund ist, dass die österreichische Linke seit Jahrzehnten dabei versagt hat, eine Politik in der und für die Arbeiterklasse zu entwickeln, dass diese Linke akademisch und subkulturell abgehoben und mit dem Establishment verwoben ist, dass sie mit dem sozialen und kulturellen Leben einfacher Lohnabhängiger, in den Städten und noch mehr in den ländlichen Industrieregionen, nichts zu tun hat, dass sie ihre eigene subkulturell und politisch-korrekt codierte Sprache spricht und dass die FPÖ offensichtlich in der Wahrnehmung der Arbeitenden viel näher an ihrer Kultur und an ihren Sorgen dran ist.
Richtige Kritik an der FPÖ
Die Arbeiter wenden sich der FPÖ zu, weil diese als die einzige Kraft erscheint, die sich mit dem Establishment anlegt, die vom Establishment dafür gehasst wird und mit deren Wahl man sichtbar eine Ablehnung gegenüber der herrschenden Politik, die die Lebensbedingungen der Lohnabhängigen immer weiter verschlechtert, artikulieren kann.
Statt die Arbeiter arrogant und moralisierend zu schulmeistern, müsste eine Linke, die Politik für die Unterdrückten ernst meint, endlich beginnen, den Lohnabhängigen zuzuhören.
An der FPÖ kritisieren sollte man nicht ihre Konfrontation mit dem Establishment, sondern vielmehr, dass sie in ihrer Ablehnung des Systems zu oberflächlich ist. Die FPÖ beklagt negative Erscheinungsformen des Systems, zuletzt die totalitäre Entwicklung des Corona-Regimes. Aber sie ist dennoch eine bürgerliche Partei. Kickl attackiert vielleicht mal den Turbokapitalismus oder die Globalisierung. Kritisiert werden damit Auswüchse des Kapitalismus, aber nicht der Kapitalismus als solcher, der diese Auswüchse durch seine Expansionsdynamik hervorbringt. Dementsprechend verteidigt die FPÖ demokratische Grundrechte oder auch die Souveränität von Nationalstaaten gegen ungewählte Cliquen der Globalisten und sie fordert mehr direkte Demokratie. Aber sie stellt nicht die Verfügungsgewalt der Großkapitalisten über die Wirtschaft infrage, sie fordert nicht die Enteignung von Big Pharma, von Big Tech, der Banken und all der anderen großen Konzerne.
Ohne eine solche Enteignung wird die Macht der Globalisten niemals gebrochen werden können. Und deshalb sind die teilweise richtigen Forderungen der FPÖ inkonsequent und unzureichend. Ein Ausdruck der nur oberflächlichen Kapitalismuskritik der FPÖ ist auch ihre Haltung gegenüber den Lohnabhängigen. Sie vertritt zwar etliche soziale Forderungen und hat die Sympathie der meisten einheimischen und aus Osteuropa stammenden Arbeiter, aber sie baut kaum betriebliche oder gewerkschaftliche Interessensvertretungen der Beschäftigten auf, um ihre Position im Kampf mit den Managements zu verbessern, sie organisiert die Arbeiter nicht als Arbeiter um ihre Interessen, sondern als Staatsbürger um Interessen von Staat und Nation. Sie ist eben letztlich eine Partei, die für den Kapitalismus eintritt, lediglich in einer weniger globalisierten und mehr sozial- und nationalstaatlich regulierten Art und Weise.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Diese historischen Passagen sind weitgehend eine Zusammenfassung des informativen Textes von Julia Masetovic: Charakteristika und Veränderungen des „Dritten Lagers“, http://www.trend.infopartisan.net/trd0217/t420217.html
(2) Ebenda.
(3) MAGIS: Österreich: Islamisierung, die Politik der Rechtsregierung und die Bedeutung der FPÖ, https://hintergrund-verlag.de/spaetkapitalistische-systementwicklung/magis-oesterreich-islamisierung-die-politik-der-rechtsregierung-und-die-bedeutung-der-fpoe/
(4) MAGIS: EU-Wahl zwischen Neoliberalismus und Rechtspopulismus – mit einem ausführlichen Nachtrag zum Strache-Ibiza-Skandal, https://hintergrund-verlag.de/spaetkapitalistische-systementwicklung/magis-eu-wahl-zwischen-neoliberalismus-und-rechtspopulismus/
(5) Herbert Kickl im Interview im ORF-Report: https://www.youtube.com/watch?v=Q2IZxuT4baI
(6) Masetovic, ebenda.