Obwohl linksgrün-versifft als Schimpfwort intendiert ist, nehmen Empfänger aus dem links-liberalen Milieu den Begriff meist dankend als Kompliment an. So entsteht die Paradoxie, dass ein und derselbe Begriff von den einen abwertend, von den anderen als unfreiwillige Hochstilisierung betrachtet wird. Die Webseite „Bedeutung Online“ (1) definiert ihn wie folgt:
„‚Linksgrün versifft‘ ist eine abwertende Bezeichnung für Anhänger von linken, grünen und liberalen Ideen und Weltsichten. Insbesondere sind Wähler der Parteien Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen und der SPD gemeint. Auch werden als ‚Linksgrüne‘ die Jugendverbände Jusos (SPD), Grüne Jugend (Grüne) und Linksjugend (‘solid) (Die Linke) bezeichnet. ‚Linksgrün versifft‘ wird unter anderem von politischen Konservativen und Rechten gebraucht, um politisch Linke zu diffamieren. Mit dem Wort ‚versifft‘ wird eine Verschmutzung beziehungsweise Verdreckung impliziert.“
So birgt dieser Begriff ganz vielfältige Deutungsmöglichkeiten:
Sichtweise 1: Für Konservative / Rechte bedeutet er, dass jeder versifft ist, der „linksgrün“ ist. „Linksgrün“ ist hierbei eine negative Eigenschaft.
Sichtweise 2: Das linksliberale / (pseudo)ökologische Milieu ist stolz, „linksgrün-versifft“ genannt zu werden, weil es stolz darauf ist, aus einer „versifften“ Sichtweise heraus als „versifft“ betrachtet zu werden. Das verdoppelte „Versifft-sein“ hebt das „Versifft-sein“ wieder auf, so wie Minus und Minus wieder Plus ergibt.
Jetzt gibt es allerdings noch eine dritte Deutung dieses Begriffes, die deutlich weitergeht. Bei Sichtweise 1 und 2 bezog sich das „Versifft-sein“ immer auf die jeweiligen Personen, nie allerdings auf die linksgrüne Haltung. Nicht die Person ist versifft, sondern die Werte, die Linksgrün impliziert, sowie die sich in Handlungen zum Ausdruck bringenden Konsequenzen, die sich aus diesen Werten ergeben sollten.
Kurz gesagt: Man ist nicht „Linksgrün-versifft“, weil man linksgrün ist, sondern die eigene Vorstellung von „Linksgrün-sein“ ist versifft.
An und für sich kann eine wahrhaft linke oder grüne Überzeugung nicht versifft sein. Links steht — vereinfacht (!) gesagt — für eine universale Denkweise, den Versuch, die Nöte und Bedürfnisse aller Menschen zu berücksichtigen. Und eine ehrliche und konsequente grüne Haltung ist das absolute Gegenteil von „Versifft-sein“! Diese setzt sich für das Wohlergehen der Natur ein und ist somit der Gegenpol jeglicher Verdreckung und Verschmutzung, also das Gegenteil dessen, was als „versifft“ definiert wird.
Versiffte linke Ansichten
Ein Individuum, das sich selbst für „linksgrün“ hält, kann davon jedoch eine äußerst versiffte Vorstellung haben. Das geeignete Beispiel dürfte hierbei das Spektrum selbsternannter Linker sein, die wir jetzt der Einfachheit halber unter dem Begriff der „Lifestyle-Linken“ zusammenfassen. Also die Linken aus den Yuppie-Vierteln, die sich in ihrem Smoothie aus „Intellekt“ und Karl-Marx-Zitaten suhlen, sich aber zu fein sind, sich mit „dem Pöbel“ aus der Arbeiterklasse einmal an einen Tisch zu setzen.
Ein weiteres Beispiel einer versifften linken Ansicht ist das Problem, das manche mit der Meinungsfreiheit haben. Exemplarisch zeigte sich dies, als 2017 ein „linker“ Kultursenator in Berlin die Preisverleihung an einen Andersdenkenden verhindern wollte und dazu den Betreiber des Veranstaltungsortes, eines Kinos, unter Druck setzte. Eine versiffte Vorstellung dessen, was „links“ bedeutet.
Eine grüne Ansicht kann versifft sein, wenn man sich als grün und ökologisch bewusst wähnt, aber gleichzeitig Avocados isst, regelmäßig mit dem Flugzeug fliegt und auf so ziemlich jede Green-Washing-Aktion hereinfällt. Eine ebenfalls sehr versiffte Ansicht von grün ist die Vorstellung, beispielsweise als Grünen-Politiker die Bombardierung eines Landes — beispielsweise auf dem Balkan — mittragen zu müssen.
Wir sehen, dass wir aus diesem Begriff eine gänzlich neue Bedeutung herausschnitzen können, sodass die Bezeichnung die betreffende Person zwar nicht angreift, aber doch in ihrer Doppelzüngigkeit entblößt.
Quellen und Anmerkungen: