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Das Poetikon

Das Poetikon

Dichtung für eine (R)evolution aus Geist und Liebe. Teil 7.

Don Karlos
Nach Friedrich Schiller
Dritter Akt/Zehnter Auftritt (Ausschnitt)
Der König und Marquis von Posa

Die berühmte Audienz-Szene aus „Don Karlos“ von Friedrich Schiller, in der heutigen riesigen weltweiten Systemkrise neu gedacht und gelesen, trifft den Nerv der Zeit. Zum ersten Mal präsentiert Das Poetikon einen Theatertext, der mit diesem Brennglas des in Ruhe entwickelten Gedankenflusses nahbar wird.

In die für uns erst einmal ungewöhnlich klingende Sprache der Poesie einzutauchen, lohnt sich. Denn lässt man sich — intuitiv — auf sie ein, wird sie zur Hochsprache des Herzens. Die Sprache der Dichter und Denker heißt es gemeinhin und das nicht ohne Grund. Ist doch die deutsche Sprache so genau in der Verstofflichung, in der Verbalisierung analytischer Abläufe. Verstofflichung deshalb, weil auch Gedanken und Worte Energie/Information sind. Allein schon durch unsere Gedanken und mit unseren Worten werden wir Mit-Schöpfer dieser Welt. Deshalb ist es ratsam, auf sie zu achten.

Im Talmud heißt es:

„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“

Umso wichtiger ist es, dies zu bedenken, wenn sich um einen herum alles überschlägt. „Bewusstsein schaltet Materie“, wie der Biologe Dr. Ulrich Warnke sagt.

Bezüglich der Klarheit der deutschen Sprache habe ich den Vergleich mit meiner (zweiten) Muttersprache Französisch. Diese benötigt viel mehr beschreibende, umschreibende Worte und Nebensätze, wo im Deutschen flux ein neu zusammengesetztes Wort geschöpft ist. Deutsch ist eine strukturierte, konstruktive Sprache und gleichzeitig eine wunderschöne.

Und Schönheit ist auch Heilmittel für die von Verunsicherung, Verzweiflung und Verachtung gepeinigte Seele.

Mit Dichtung erfahren wir augenscheinlich, dass das Ganze immer mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. Denn das Dazwischen ist genauso wesentlich wie das Wort selbst. Sich vom Fluss der Worte tragen zu lassen, ist Balsam für die Seele. Zudem hilft es, das Feld der Hoffnung, Zuversicht und der Harmonie zu stärken, anstatt mit Angst und Zweifel im zerstörerischen Resonanzraum zu verweilen. Kreative Wege finden für die Lösung der Probleme, anstatt sich in die Probleme zu verhaken.

Jetzt da alle Kunst- und Kultureinrichtungen geschlossen sind, haben wir die Möglichkeit wahrzunehmen, dass Kunst keine Zerstreuung und Unterhaltung, sondern Reflexionsraum und Lebensmittel ist. An uns ist es , das Wesentliche durch Kunst und Kultur wieder in Wert zu setzen. Kunst ist nicht nur Spiegel der Schöpfung, sie ist selbst Schöpfung und Manifestation. Manifestation im Lichte des „Schönen, Wahren, Guten“, wie Friedrich Schiller einst in seiner Ästhetischen Erziehung schrieb, ist nicht Manipulation. Es IST. Es ist Teil des Ganzen. Es bleibt im Raum und wirkt. In den vergangenen Jahren war viel Spaltung und Ästhetisierung der Zerstörung in der Kunst zu sehen. Auch dies wurde mit dem Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens unterbrochen.

Die Schönheit und Anmut als Balsam für die Seele zu pflegen, ist gerade jetzt, wo viel Spaltung stattfindet, entscheidend. So kann auch Kunst mit dazu beitragen, dass wir hinter die Dinge blicken, dass wir alte Programmierungen loslassen, dass wir erwachen und selbstverantwortlich, souverän werden und gleichzeitig immer wieder aus der Tiefe unserer Seele schöpfen.

Lasst Euch ein auf Schillers Geist, der zeitlos inspirierend und unzerstörbar ist!

„Geben Sie Gedankenfreiheit!“ Dieser Appell des Marquis Posa an den König war bereits in der DDR ein geflügeltes Wort, um sich durch die Blume der Kunst als Gleichgesinnte zu erkennen.

In Zeiten, in denen man für geäußerte, vom Mainstream abweichende Gedanken schon Gefahr läuft, verleumdet oder gar rufgemordet zu werden, ist es nicht falsch, sich an diese poetische Widerstandstechnologie zu erinnern.

Schillers Text ist derart luzide und präzis, dass er Reflexionsrahmen für vielschichtige Perspektiven auf die heutige Situation gibt.

Auch wenn es reizvoll wäre, Parallelen zwischen König Philipp II. von Spanien und heutigen Machteliten zu ziehen, möchte ich Sie einladen, diesen Ausschnitt vollkommen unvoreingenommen pur zu genießen und wirken zu lassen.

Nur so viel sei gesagt, dass er seine von Papa Karl V. geerbte Weltmacht schon in Kooperation mit mächtigen Geldgebern errichtete, unter anderen den Fuggern. Später im Text heißt es über Philipp II., der als einer der ersten Bürokraten-Herrscher galt: „Wozu Menschen? Menschen sind für Sie nur Zahlen, weiter nichts“. Das lässt bereits tief blicken.

Sehr bemerkenswert ist auch, dass in dieser Passage so klar herauskommt, dass es die Menschen selbst sind, die sich frei-willig von der Macht erniedrigen lassen und sie dadurch erst legitimieren. „Erschrocken fliehen sie vor dem Gespenste ihrer inneren Größe!“ Das gilt uns. Das ist unser Anteil am Prozess der MetAMORphose, den wir gerade vollziehen dürfen.

Gleichzeitig wird die Hybris der Herrschenden beschrieben. Macht gedenkt das natürliche „Weltverhängnis“, das heißt den zyklischen, evolutiven Lauf der Lebendigkeit zu manipulieren. Das lässt einen unvermutet an die Transhumanismus- und Eugenik-Agenda eines Bill Gates und Konsorten denken, die offenkundig ganze Regierungen unter Druck zu setzen vermögen.

Unglaublich, was in Schillers Worten steckt, als er den Marquis sagen lässt: „Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit und sähen Tod. Ein so erzwungenes Werk, wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern. Der Mensch ist mehr als Sie von ihm gehalten“.

Deshalb stellt Posa als Mensch die Forderung nach dem geheiligten Naturrecht in den Raum:

„Geben Sie uns, was Sie uns nahmen, wieder. Werden Sie von Millionen Königen (jeder von uns ist ein König, Anmerkung der Autoren), ein König (…) Werden Sie uns Muster des Ewigen und Wahren. (…) Neu erschaffen wird die Erde. (...) Stellen Sie der Menschheit verlorenen Adel wieder her!“

Das wäre wiederum der Part der Mächtigen, die uns in ihrem System eingepfercht haben und ausbluten lassen. Davon bedarf es einer regelrechten Befreiung — einer Befreiung aus jahrzehntelangen, jahrhundertelangen Banden, die anfangen zu bröckeln. Jetzt ist die Gelegenheit, sie zu beseitigen … Möge es geschehen!

Steigen wir also mitten hinein in den Auftritt von König Philipp II. und Marquis Posa. Hier geht es um den reinen Gehalt der Poesie und nicht so sehr um den Kontext des Dramas. Dieser ist absolut übertragbar auf unsere Welt des 21. Jahrhunderts, den aktuell stattfindenden Machtmissbrauch der Regierenden und einzelner einflussreicher Global Player.

Dieses Poetikon ist — wie alle anderen auch — ohne Vorkenntnisse genießbar, auch wenn einem die „Anstrengung des Selberdenkens nicht erspart“ bleibt, wie es der Ausnahmebote in Elfriede Jelineks Stück „Rechnitz (Der Würgeengel)“ ironisch auf den Punkt bringt.


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