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Das Poetikon

Das Poetikon

Dichtung für eine (R)evolution aus Geist und Liebe. Teil 8.

Novalis
Aus: „Glauben und Liebe oder der König und die Königin“ (Ausschnitt)
sowie „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“

Wir sind alle unsere eigenen Könige. Herrschaft des Selbst/der Selbstermächtigung — und nicht beherrscht von einer Kronen-Sekte. Erkenne Dich selbst — als das, was Du bist: Tempel für den Geist (Gottes). Mensch. Mens. Mens sana in corpore sano — ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Hier erschließt sich die Ableitung von mens = Geist zu Mensch.

Das Gedicht „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren“ des Romantikers Novalis aus dem Jahr 1800 ist ein Loblied auf Reise nach innen, auf die Introspektion oder auch Meditation, auf das sich besinnen des reinen Menschseins — Rückbesinnung auf den Ur-kult, der zu Kult-ur umgedreht wurde, auf den Prozess der Lebendigkeit, der Kreativität, ungebunden festgelegter Rituale.

Gerade jetzt, wo so massiv in das Menschsein systemisch manipulativ eingegriffen wird, ist es wichtiger denn je, „eins zu sein mit allem, was lebt: Das ist der Himmel des Menschen. Und Freiheit ist das Wissen, dass dieser Himmel inwendig in uns ist.“ — frei nach William Shakespeare, Friedrich Hölderlin, Leo Tolstoi und dem Thomasevangelium.

Ewiger Friede ist in uns. Nur aus unserem Inneren heraus wird er entstehen. Durch den umgedrehten Ur-kult ließen wir uns trennen und „mit papiernen Kitt“ verbilden, anstatt zu spüren, dass alles in uns ist und wir uns nur zu erinnern brauchen. Aus unserer Intuition heraus — die ein ganzheitlicher Balanceakt zwischen Herz und Verstand ist — sind wir mit dem Ur-grund — oder auch höheres Selbst genannt — verbunden. Die Verknüpfung zur Quelle allen Seins ist direkt, wir brauchen keine „Zwischenhändler“.

„Wie würden unsere Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit des ewigen Friedens erschiene“, schreibt Novalis in der Fragmentensammlung „Glauben und Liebe“, als wenn er die ganze spaltende Entwicklung der kommenden 200 Jahre von seinem Standpunkt im Voraus überblickte.

Novalis lädt ein zum bedingungslosen Selbstausdruck. Wenn wir uns befreit haben von den falschen Identifikationen mit den relativen Erscheinungsformen der materiellen Welt, können wir ganz in sie — die Welt — eintauchen, sind in Kommunikation mit der Schönheit der Schöpfung, die uns ernährt. Schönheit ist Lebensmittel.

Mit unserem freien Willen können wir auch spaltende Inversionen aufheben, die uns Jahrhunderte eingeimpft wurden wie zum Beispiel: „Mach dir die Erde untertan“. Wir können solche zerstörerischen Glaubenssätze umdrehen und erkennen sogleich einen tiefen Sinn: „Mach dich der (Mutter)Erde untertan“ — im Sinne von, hüte sie mit Anmut, behüte und bewahre sie, diene dem Ganzen mit De-mut.

Genieße ihre Schönheit, denn diese Interkonnektivität ist auch ihre Nahrung. Sie lebt von unserer liebevollen Kontemplation. Kontemplation — mit dem Tempel schwingen, der wir sind, der die ganze Erde ist. Das Bild ist stark: Jesus hat die Händler aus dem Tempel geworfen. Werfen wir — ein jeder von uns — sie jetzt aus unserem eigenen Tempel: nicht mehr die Natur ausbeutend, sondern aus ihr in Respekt schöpfen und sie beschützen. Die Natur ist Fülle und Reichtum. Dann wird unsere Welt (wieder) zum Paradies. Und wir brauchen die Hülle der Schein-Konstruktionen nicht.

Gerade jetzt, wo unsere Sinne durch sich überschlagende Ereignisse betört werden und wir wahrscheinlich noch mehr Medien konsumieren, als je zuvor, können Novalis Gedanken und Gefühlsbilder als Impuls zur Einkehr dienen. Seine Dichtung lädt uns ein, mehr in Kommunikation mit den Elementen zu treten, anstatt sie starr zu beschwören oder sogar zu vergewaltigen. Es ist ein mystischer Weg.

Diese Reise nach Innen ermöglicht einmal mehr, dass sich „Licht und Schatten zu echter Klarheit werden gatten“. Sie lässt uns wieder besser unterscheiden, was lösungsorientiert, heilsam ist und was nur unseren „Angstporno“ nährt. Genau aus dieser falschen Identifikation können wir jetzt ausbrechen. Individuell wie kollektiv stehen wir an der Schwelle und sehen schon ein wenig in diese neue Welt. Das Feld des Wandels wächst.

Neulich las ich auf Telegram auf dem T-Shirt einer jungen Frau diese Aufschrift: „Wir wollen keine neue Normalität. Wir wollen auch keine alte Normalität. Wir wollen Freiheit, Frieden, Souveränität. In Liebe.“

Dem braucht es nichts hinzuzufügen. Sowohl im Tinnitus der Dringlichkeit als auch mit göttlicher Gelassenheit schwingt, alles anzunehmen wie es ist und wie es kommt, in dem Bewusstsein, dass wir es selbst mit in der Hand haben. Je mehr Menschen jetzt aufwachen, hinter den Vorhang der in Szene gesetzten Welt blicken und so die Verbrechen des Tiefen Staats ans Licht kommen, desto schneller wird diese MetAMORphose stattfinden. Doch dieser Aufwachprozess ist und bleibt ein individueller Prozess, der allerdings sehr schnell globale Auswirkungen verursachen kann, weil wir uns krisenbedingt kollektiv in einem Augenblick der höchsten Sensibilität befinden. Hierin besteht das positive Potenzial dieser, unserer Zeit.

Die revolutionäre Ästhetik der Romanik ist auch deshalb als weltfremd abgestempelt worden, weil sie schon die Gefahr der spaltenden Machtgefüge, des Utilitarismus und der Profitmaximierung offenlegte und daher eben diesen Machtinteressen im Weg stand. Die Romantiker warnten davor und waren mit ihrer Poesie mächtiger als man in unserer einseitig festgelegten — bisher offiziell tradierten und in Erziehungsanstalten eingebläuten — Geschichtsschreibung erahnen mag. Ihre Träume führten tatsächlich in die Freiheit und Souveränität. Es lohnt sich, unsere jüngere Geschichte neu zu beleuchten und auch zwischen den Zeilen zu lesen und neuere Erkenntnisse über den Verlauf des vergangenen Jahrhunderts zu integrieren.

Heute stehen wir wieder an der Schwelle zur Freiheit und zum Frieden. Wollen wir sie überschreiten, müssen wir unseren ganzen Mut sammeln und sie einfordern. Wir alle sind eingeladen, festgefahrene Sichtweisen abzulegen, alles neu zu prüfen und das Gute zu bewahren. Eine sehr ratsame Maßnahme wäre, statt die Mainstream-Medien denken zu lassen, selbst das Heft in die Hand zu nehmen. Die Schöngeistigkeit der Dichter und Denker ist ein inspirierender Leitfaden, um sich zu öffnen. Dichtung ist Lebendigkeit — auf das Dazwischen kommt es an, auf assoziative Kommunikation zwischen den Worten — und belebt die Vielfalt.

Gerade jetzt, wo das derzeit herrschende System auf der Klippe steht und Mühe bekommt, sich weiter durch unsere schwindende freiwillige Zustimmung zu legitimieren, sind wir, die wir Frieden und Freiheit wünschen, träumen und erahnen, die Hüter der Schwelle. Sie trennt die Spreu vom Weizen. Wir lernen, uns in Geduld zu üben, denn der Übergang soll ja diesmal nicht manipulativ sein, sondern sich auf natürliche Weise manifestieren — durch uns, den Manifestationen des (göttlichen) Geistes:. Mens sana in corpore sano.

Zuallererst finden wir den Frieden und die Freiheit — die wir uns wünschen — inwendig in uns und manifestieren sie mit unserem schöpferischen Sein. Nichts kann diesen Lebensstrom aufhalten. Es ist nur die Frage, ob und wie lange wir noch eckige Runden um den heißen Brei drehen …


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