Die vergangenen drei Jahre waren insbesondere für coronakritische Rechtsanwälte eine charakterliche Härteprobe, eine berufliche Unzumutbarkeit. Aber auch abseits des Coronaschlachtfelds werde ich als Rechtsanwältin mit Fällen von Unmenschlichkeit betreut, bei denen ich nicht nur fassungslos bin, sondern im wahrsten Sinne die Übelkeit in mir aufkeimt. Und das nicht ausschließlich aus meinem christlichen Werteverständnis heraus.
So lautete kürzlich die Rechtsanfrage eines verzweifelten Sohns: „Mord mit registriertem, zugelassenem Sanitärfahrdienst wie ein Auftragskiller. Zum Zweck Mord durch Einschläferung, und nur zu dem Zweck, wurde Vater direkt zum Palliativort entführt, wo er in kürzester Zeit, innerhalb von 2 bis 2 1/4 Stunden, eingeschläfert wurde.“
Hintergrund dieser Rechtsfrage war ein wohl eskalierter Familienstreit zwischen Geschwistern und dem verstorbenen Vater. Die Tochter, seit Jahren verstritten mit dem Vater, hatte den Sanitätsdienst verständigt, nachdem der Vater im Haushalt gestürzt war. Was danach geschah, kann bislang anhand der Krankenakten und Unterlagen nur rekonstruiert werden:
Der Vater wurde vom Leiter der Palliativstation und einem weiteren Sanitäter aufgrund des Notrufs der Tochter in dem verständigten Sanitärfahrzeug abgeholt. Die Tochter gab an, dass der Vater seit Jahren schwer erkrankt sei. Der Leiter der Palliativstation vermerkt später zweimal im Sanitärprotokoll: „mutmaßlicher Wille: Patient möchte in Ruhe sterben.“
Diese Aussagen stehen in unmittelbaren Widerspruch zu den Aussagen und letzten Handlungen des Vaters. Dieser war laut Hausarzt nicht erkrankt, ging regelmäßig wandern und hatte vor drei Wochen erst ein neues Fahrzeug erworben.
In den Krankenakten finden sich auch gegenteilige Aussagen einer Krankenschwester:
Kognition, Bewusstsein
Bewusstsein / Vigilanz 4: wach
Orientierung (Person, Ort, Zeit, Situation) 4: zu allen Qualitäten
Kenntnisse erwerben 4: volle Fähigkeit
Alltagskompetenz 4: nicht beeinträchtigt
Kommunikation und Interaktion
Hören 4: keine Hörbeeinträchtigung
Sehen 4: keine Sehbeeinträchtigung
Sich mitteilen 4: volle Fähigkeit
Selbst initiierte Aktivitäten 4: initiiert umfassend eigene Aktivitäten
Merkmale herausfordernden Verhaltens 4: Nein
„Außer Bluthochdruck keine Vorerkrankungen bekannt“
Die Krankenschwester vermerkte zudem starke Angst bei dem Patienten.
In der Palliativstation wurde der Vater dann an die Medikation angeschlossen und verstarb wenig später. Hierzu heißt es in der Krankenakte:
.
15:57 1. Liegetag
Erklärung: PVK, EB re. = Peripherer Venenkatheter, Ellbogen rechts
„letzte angeordnete Medikation“
Lorazepam SMT 1mg (Tavor Expidet) 1 - 1 - 1 Tablette
Morphin EDB 10mg/5ml (Oramorph) 10 - 10 - 10 - 10 - 10 - 10 Milligramm“
„Medikation
Lorazepam SMT 1mg (Tavor Expidet) Tablette 1 - 1 - 1
Morphin EDB 10mg/5ml (Oramorph) Milligramm 10 - 10 - 10 - 10 - 10 - 10“
[GA, S. 27]
„Medikation - ausführlich
Lorazepam SMT 1mg (Tavor Expidet)
Anordnung ab dem 03.12.2019 16:02 (bis zum Absetzen)
Morphin EDB 10mg/5ml (Oramorph)
Anordnung ab dem 03.12.2019 16:02
dokumentiert am 03.12.2019 16:02
Milligramm: 10 - 10 - 10 - 10 - 10 - 10
Kurz vor dem Todeseintritt wird in der Patientenakte notiert:
„Patient hat flache Atmung mit sehr langen Atempausen. Angehörige hinzugeholt und ihnen erklärt, dass Patient nun verstirbt und es nun nur noch Minuten sind. ... flache Atmung mit sehr langen Atempausen ... nun verstirbt und es nun nur noch Minuten sind Procedere.“
Verständigt wurde von der Palliativstation jedoch nur die seit Jahren verstrittene Tochter.
In den Untersuchungsunterlagen findet sich die handschriftliche Notiz eines Arztes „Verdacht auf Pankreaskarzinom“.
Im Abschlussbericht heißt es wiederum: „Diagnose bei Entlassung: Keine Diagnosen erfasst.“
Völlig unklar ist ebenfalls, aus welchem Grund der Vater nicht mit seinem Sohn vor Todeseintritt telefonieren konnte, dieser nicht verständigt wurde. Das Mobiltelefon des Vaters ist bis heute nicht auffindbar.
Auch, wenn dieser Sachverhalt abschließend von der Staatsanwaltschaft und einem Gericht ermittelt und bewertet werden muss: Tatsache ist, dass der tatsächliche Wille des Vaters weder erfragt noch ermittelt wurde. Die (Vor)erkrankungen — schon aufgrund der Kürze des Untersuchungszeitraums — nicht festgestellt worden sein können. Der Sohn nicht verständigt wurde.
Während ich die Unterlagen lese und an den Vater denke, überkommt mich eine tiefe Traurigkeit, die in meine Seele dringt und sie für ein paar Sekunden gefangen nimmt.
Politisierte Strafverfolgungsbehörden
Und dennoch und unglaublich: die Staatsanwaltschaft ermittelt — wieder einmal — nicht oder nur schleppend. Dabei ist es überfällig, dass die offenkundig straffreien Räume im Bereich der ärztlichen Behandlungen beseitigt und die Verantwortlichen zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden.
Dass die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland weder unabhängig sind und politisch gesteuert werden, ist seit Jahren bekannt. Gerade in den Coronafällen waren die Handlungen und der Wortlaut der Strafverfolgungsbehörden so identisch, dass von einer Einflussnahme durch Arbeitsanweisungen und Besprechungen ausgegangen werden muss. Leitfäden wie „Nachdrückliche Verfolgung von Straftaten in Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie“ sind bereits in die Öffentlichkeit gelangt. Ein Verbesserungswille ist nicht erkennbar — auch weiterhin werden Justizministerien mit langjährig politisch aktiven Personen besetzt. Es wäre wohl naiv anzunehmen, dass — selbst beim besten Vorsatz des betroffenen Ministers — dieser nicht auch politisch agiert. Zugehörigkeitsgefühl und Loyalität lassen sich nicht von heute auf morgen abstreifen, schon gar nicht im Unterbewusstsein. Es wäre auch kein gutes Zeugnis für einen ehemaligen Politiker. Gleichzeitig sind Minister auch in der Regel Abgeordnete. Summiert mit der Weisungsbefugnis gegenüber der Judikative kann von Gewaltenteilung wohl kaum mehr die Rede sein.
Einige Richterpersönlichkeiten drehten in der gerade politisch sehr angespannten Lage dermaßen frei, dass der einzig vernünftige anwaltliche Rat in dieser Eskalation sinnbildlich nur noch sein konnte: „Alle Mann in Deckung!“, während man als Rechtsanwalt die Scherben aufkehrte und sich um Schadensbegrenzung bemühte.
Trauriger Höhepunkt dieser Gesinnungsjustiz: die Anklage eines mutigen Familienrichters wegen angeblicher Rechtsbeugung, der sich als einziger Justizvertreter richtigerweise schützend vor die staatlicherseits misshandelten Kinder stellte.
Aussagekräftiger könnte der menschlich desaströse Zustand der Justiz, insbesondere beim Schutz der Schwächsten und der Verpflichtung, die Würde der Menschen gemäß Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz aktiv zu schützen, nicht ausfallen.
Rechtlich kann die Entscheidung des mutigen Richters wohl kaum als „bewusst in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt“ (2) bezeichnet werden. Denn welches Gericht zuständig ist — Familiengericht oder Verwaltungsgericht — hatte jüngst erst der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt: Maßnahmen gegenüber schulischen Behörden — hier: mit dem Ziel der Unterlassung schulinterner Infektionsschutzmaßnahmen — ist der Rechtsweg zu den Familiengerichten im Verfahren nach § 1666 Abs. 1 und 4 BGB nicht eröffnet, es sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Diese haben bedauerlicherweise im Übrigen in der Coronakrise — zumindest aus der Sicht des kritischen Rechtsanwalts — den Rechtsstaat in weiten Teilen in Windeseile gegen die Wand gefahren.
Rechtlich dürfte aber der Tatbestand der Rechtsbeugung auch aus anderen Gründen nicht erfüllt sein: Unter Rechtssachen sind all diejenigen rechtlichen Angelegenheiten zu verstehen, bei welchen sich mehrere Beteiligte mit — mindestens möglicherweise — widerstreitenden rechtlichen Interessen gegenübertreten. Dabei müssen solche in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren nach Rechtsgrundsätzen verhandelt und entschieden werden (3), was bei einer vom Gericht bloß angewiesenen Behörde in einer Familiensache doch fragwürdig erscheint, zumal Strafnormen zugunsten eines Angeklagten restriktiv anzuwenden sind.
Selbst, wenn man die Behörde unter „Partei“ im Sinne des § 339 StGB und „Dritte i.S.d. § 1666 Absatz 4 BGB subsumieren möchte, stellt sich die Frage, in welchem Umstand eine Lage zu sehen ist, die zugunsten oder zum Nachteil einer Partei verändert worden sein soll. Eine teleologische Reduktion der Strafnorm, die gerade im Strafrecht angezeigt ist, würde wohl zu dem Ergebnis führen, dass der Sachverhalt unter die Norm nicht subsumiert werden kann. Denn durch die Entscheidung muss gerade eine Lage geschaffen worden sein, die zu einem Vor- oder Nachteil für eine Partei führt, der bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften voraussichtlich nicht zu erreichen gewesen wäre. (3) Auch hat der mutige Richter eine vorbildliche Beweisaufnahme und Würdigung vorgenommen, sodass wohl kaum die konkrete Gefahr einer falschen Entscheidung eingetreten sein dürfte. (4)
Auch weitere Erfahrungen von erfahrenen Rechtsanwälten entmutigen. Gerade in Strafsachen sind die Missstände im Grunde untragbar. Auch erscheinen eine Vielzahl von Regelungen der Strafprozessordnung doch offenkundig verfassungswidrig. So stellt zur Verfahrenseinstellung nach Paragraph 153 a StPO der Bundesgerichtshof (BGH) etwa in ständiger Rechtsprechung fest, dass die Unschuldsvermutung weiter fortgilt, eine Einstellung nach § 153 a StPO gerade kein Schuldeingeständnis darstellt. (5) Die strafprozessrechtliche Regelung fordert selbst aber im Tatbestand, dass der Richter in der Unterinstanz ein „Entgegenstehen der Schwere der Schuld“ feststellen soll, was widersinnig und denklogisch ausgeschlossen sein dürfte.
Auch kann ich mich aus meiner Referendarzeit daran erinnern, dass — ähnlich wie wohl die Ärzte im eingangs geschilderten Fall die Patientenakten „geschönt“ beziehungsweise verfälscht haben — die Polizeiberichte so darstellt wurden, dass den handelnden Polizeibeamten aus dem Sachverhalt kein Fehlverhalten angelastet werden konnte, was in nicht wenigen Fällen leider mit dem realitätsnahen Sachverhalt wenig zu tun hatte. Sicher ist es richtig, die Polizei zu stärken, aber nicht ohne gleichzeitig die erheblichen Missstände aufzudecken und zu beseitigen.
Mein Urteil über die deutsche Justiz sind harte Worte, sie dürften aber vielen Betroffenen und engagierten Rechtsanwälten aus der Seele sprechen.
Wenn sich Redewendungen wie „vor Gericht ist man auf hoher See“ in der Gesellschaft etabliert haben, zeigt dies an, dass es nicht besonders gut steht um die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land und um das Vertrauen der Bürger in dessen Funktionsfähigkeit.
Es geht nicht darum, die Beschäftigten im Staatsdienst an den Pranger zu stellen. Doch sollten gerade diese nun aktiv zur Aufklärung des Coronageschehens beitragen. Etwa durch Reflektion des eigenen Fehlverhaltens, Offenlegung, an welcher Stelle politische Einflussnahmen stattfanden, und konstruktiven Verbesserungsvorschlägen. Corona hat uns — bedauerlicherweise — gezeigt, dass Deutschland in der Justiz im Ländervergleich im hinteren Drittel platziert ist.
Mein juristisches Sportlerherz blutete, während andere ausländische Gerichte in der Corona-Rechtsprechung vorbeizogen. Wohl in Naivität getragen, waren und sind kritische Rechtsanwälte außerordentlich bemüht, den deutschen Gerichten die Bälle zuzuspielen oder zumindest Argumentationslinien aufzuzeigen, die es ermöglichen, die Exekutive in ihre Schranken zu verweisen. Zukunftsgerichtet trage ich mich zumindest noch in der Hoffnung, dass die deutsche Justiz aus dem Coronaversagen gelernt hat und die Missstände beseitigt werden, damit wir uns zukünftig wieder unter den besten Juristen in der Welt behaupten können.
Fülle und Freude
Gerade aber die Mangelhaftigkeit an Inhalt und Form ist es, was die deutsche Justiz seit jeher ausmacht. Sei es auf der Rechtsfolgenseite, etwa der Schmerzensgeldzumessung, der Rechtsauslegung oder des entwertenden Menschenbildes im Strafrecht. Unsere seit den Weltkriegen durch fremde Mächte bestehende parasitäre Besetzung und fehlende Selbstliebe würde ich als Juristin als Gründe für diesen Mangelgedanken im Rechtswesen im Wesentlichen benennen.
Um als Christin einen Gegenvorschlag auf diesen künstlich erzeugten menschlichen Mangelzustand formulieren zu wollen, erlaube ich mir einmal wertschätzend die Worte des ehemaligen und jüngst — unmittelbar am 31. Dezember 2022 — verstorbenen Papst Benedikt XVI zu zitieren:
„Dabei ist ein Leben in Fülle und Freude das, was sich jeder Mensch wünscht.“
Die Liebe Gottes und zu Gott, die nicht allein in der historisch kritischen Auslegung der Bibel zu suchen ist, könne die Leere füllen (6). Leider verwehrt, aber gerne gefragt hätte ich im Gegenzug, aus welchem Grund gerade die katholische Kirche selbst einen Mangel manifestiert. Aus welchem Grund ist das Priesteramt nur Männern vorbehalten? Sich erhöhend auf Kanzeln und in goldenen Gewändern? Warum das Abverlangen einer Keuschheit, obgleich Gott den Liebenden die Sexualität als Heiligtum ausdrücklich zugewiesen hat? Warum das Schlachten von Lämmern, wenn die Figur Jesu mit dem jungen, schutzbedürftigen Tier in seinen Armen abgebildet wird? Und nicht die Ehe dürfte aus sich heraus heilig sein, sondern allein die Liebe ist heilig. Denn sowohl die Bibel, als auch die Ehe sind menschengemacht — sprich naturgemäß irrtum- und fehlerbehaftet.
Ob wir die Unmenschlichkeit, wie im eingangs geschilderten Fall der sogenannten „gewerbsmäßigen Sterbehilfe“, tatsächlich ausschließlich rechtlich lösen können und sollten, ist fraglich. Möchte aber der Glaube an Gott als gesellschaftlicher Wertekompass — insbesondere in Auslegung der katholischen Kirche — hierauf und die vorstehend aufgezeigten Widersprüchlichkeiten eine Antwort finden, kann sie nicht in einer rückwärtsgewandten, mangelbesetzten und irrationalen Haltung verharren. „Weil es so in der Bibel steht“, dürfte keine überzeugende Antwort sein, die es ermöglicht, ein fester Bestandteil einer Gesellschaft zu sein und zu bleiben und sich dort als Wertekompass zu verankern.
Nach den mündlichen Überlieferungen, waren die letzten Worte des Papstes Benedikts XVI sein Bekenntnis der Liebe zu Gott. Gerne würde ich fragend erwidern, dass für mich die Liebe zu Gott nicht das ist, was wir zu begreifen vermögen. Sondern das, was wir zu begreifen versuchen, während wir unsere Herzen für die — unendliche — Liebe Gottes, mit all unseren Sinnen öffnen. Vielleicht ist das Leben dann in seiner Fülle und Freude weicher und gnädiger, als wir es uns selbst gestatten, — mehr innerer Frieden, Seele und Poesie.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Entscheidung vom 6. Oktober 2021, XII ARZ 35/21
(2) vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1992 — 4 StR 353/92, BGHSt 38, 381, 383; Urteil vom 9. Mai 1994 — 5 StR 354/93, BGHSt 40, 169, 178; Urteil vom 6. Oktober 1994 — 4 StR 23/94; Urteil vom 5. Dezember 1996 — 1 StR 376/96, BGHSt 42, 343, 345; Urteil vom 21. August 1997 — 5 StR 652/96 ; Urteil vom 4. September 2001 — 5 StR 92/01, BGHSt 47, 105, 109; Urteil vom 11. April 2013 — 5 StR 261/12, NStZ 2013, 648, 651; Urteil vom 18. Juli 2013 — 4 StR 84/13; NStZ 2013, 655, 656.
(3) BGHSt 42, 343, 351; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2009 1 StR 201/09
(4) BGH Urt. vom 20. September 2000 - 2 StR 276/00
(5) BVerfG NJW 1991, 1530
(6) https://www.youtube.com/watch?v=dm2PpUx9jFM&t=2165s