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Das Geschäft mit dem Tod

Das Geschäft mit dem Tod

Mit dem Krieg in Syrien und Irak wird viel Geld verdient.

Am Montag legte das Pentagon, das US-Verteidigungsministerium, seinen Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 vor. Danach sollen bis zu 6000 US-Spezialkräfte weiter im Irak und in Syrien stationiert bleiben. Die US-Armeepräsenz sei weiter erforderlich, um zu stabilisieren und um zu verhindern, dass der „IS“ wieder auftauchen könne. Mit 15,3 Milliarden US-Dollar soll die US-geführte „Anti-IS-Koalition“ 2019 von Washington unterstützt werden. Der Betrag übersteigt das Budget für das laufende Jahr 2018 um 2 Milliarden US-Dollar.

In der Summe enthalten sind 1,4 Milliarden US-Dollar, um „US-Partner“ im Irak und in Syrien auszubilden und auszurüsten. 850 Millionen US-Dollar sind für die irakische Armee und die kurdischen Peschmerga im Nordirak gedacht. 300 Millionen US-Dollar gehen an die von den Kurden geführten „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDK) in Syrien. 11.000 SDK-Kämpfer wurden von der US-Armee offiziell seit 2015 bewaffnet und ausgebildet. Mit 250 Millionen US-Dollar wollen die USA eine Grenzschutztruppe im Nordosten Syriens ausbilden, das Gebiet in den syrischen Provinzen Rakka, Hasakeh und Deir Ezzor wird von syrischen Kurden mit US-Streitkräften und Verbündeten der „Anti-IS-Koalition“ kontrolliert. Auch an der südlichen Grenze zu Jordanien will das Pentagon die Sicherheitsmaßnahmen verstärken. Dor wurde ein illegaler US-Militär-Stützpunkt bei Al Tanf errichtet, auf dem die US-Armee mit Verbündeten eine „Neue syrische Armee“ trainiert.

Den größten Teil des Haushaltsplan 2019 macht mit 10,9 Milliarden US-Dollar der Einkauf bei der Rüstungsindustrie aus. Munitionsvorräte müssen wieder aufgestockt werden, die bei den „Befreiungs“-Kämpfen um Rakka und Mosul deutlich geschrumpft waren. Auf der Einkaufsliste der US-Streitkräfte stehen Hellfire Raketen und so genannte SDB-Bomben (Small Diameter Bombs), die präzisionsgelenkt ihr Ziel treffen. Stückpreis 40.000,00 US-Dollar. Die „Effizienz“ der SDB-Geschosse kann u.a. in Mosul und Rakka betrachtet werden, wo sie nach US-Armee-Angaben massiv eingesetzt wurden und ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legten.

Das lukrative Geschäft mit dem Krieg

Die Geschäfte für die US-Rüstungsbranche laufen gut. Der Kampf gegen den „IS“ kostete die US-amerikanischen Steuerzahler nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums 2016 täglich rund 11 Millionen US-Dollar. Den Auftakt der „Anti-IS-Koalition“ in Syrien machten im September 2014 mindestens 47 Marschflugkörper der Marke Tomahawk, die von US-Kriegsschiffen im Golf auf die syrischen Ölförderanlagen im Osten des Landes gefeuert wurden. Der Stückpreis variiert je nach Größe zwischen 500.000 – 2,03 Millionen US-Dollar. Seit Juni 2015 erhöhten sich die täglichen Kosten für den „Anti IS-Einsatz“ der US-Streitkräfte schlagartig um 2 Millionen US-Dollar. Allein die US-Luftwaffe hat seit August 2014 5,5 Milliarden US-Dollar verschlungen.

Foreign Policy präsentierte den Lesern im Oktober 2014 eine genauere Rechnung. Vieles von dem, was im Laufe der Einsätze zerstört wurde, war ursprünglich aus den USA an die irakische Armee geliefert und dort vom „IS“ entwendet worden. Panzer zum Stückpreis von 4,5 – 6,5 Millionen US-Dollar, Humvee Panzerwagen, die zwischen 150.000 bis 250.000 US-Dollar pro Fahrzeug kosten. Die Kosten für einzelne Einsätze, zu denen jeweils mehrere Flugzeuge, Munition und Personal gehören, wurden mit bis zu 500.000 US-Dollar beziffert.

Der Krieg in Syrien ist für die Rüstungsindustrie weltweit eine Bonanza. Waffen und Munition aus aller Welt werden auf den Schlachtfeldern eingesetzt. Als 2014 die ersten Panzer- und Luftabwehrraketen bei der Nusra Front und Al Khaida auftauchten, wies Washington jede Verantwortung zurück. Tatsächlich waren die Waffen aus den USA zunächst an die Türkei, Jordanien, Irak, Saudi-Arabien oder Katar geliefert worden, von wo sie nach Syrien geschmuggelt wurden.

Im November 2016 präsentierten sich Kämpfer der Ansar al Islam-Front mit infrarotgelenkten Luftabwehrraketen (Typ SA-7 Strela-2, hergestellt in den 1960iger Jahren in der Sowjetunion) . Man werde die Waffen gegen „syrische Kampfflugzeuge und Helikopter“ in Deraa und Qunaitra auf den Golan Höhen einsetzen, erklärten die Kämpfer in einem Video (Orient TV). Während die sowjetischen MANPADS vermutlich aus Waffenbeständen Libyens oder des Iraks stammten oder von der syrischen Armee geplündert wurden, wurden US-amerikanische schultergestützte Raketen (TOW) aus Saudi Arabien geliefert. Sie kamen massiv zum Einsatz, als im März 2015 eine von der Türkei und den Golfstaaten unterstützte „Armee der Eroberung“ (Jaish al-Fatah) aus der Türkei kommend in die Provinzen Aleppo, Idlib und Latakia einfiel und die syrische Armee weit zurückdrängte.

Normalerweise sind Lieferungen dieser Waffen mit Endabnehmer-Zertifikaten versehen. Im Falle der TOW-Raketen waren die Endabnehmer Saudi-Arabien und Katar. Beide waren nicht befugt, die Raketen weiterzuleiten, weil sie in Syrien auch gegen russische und/oder Kampfjets der „Anti-IS-Koalition“ hätten eingesetzt werden können. Im September 2016 änderte sich das, die Weitergabe dieser Waffen wurde von Washington freigegeben. Geliefert wurden sie dem Internetportal Middle East Eye zufolge über Schmuggelwege durch Jordanien und die Türkei. Inzwischen läuft die Lieferung der MANPADS mit offizieller Genehmigung der US-Regierung. Der Haushalt 2018 für das US-Verteidigungsministerium sieht die „Weitergabe von MANPADS an die überprüfte syrische Opposition“ ausdrücklich vor.


Alle nachfolgenden Fotos zeigen Waffen und Munition aus aller Welt, die in IS-Waffendepots bei Al Mayadin, südlich von Deir Ezzor gefunden wurden:

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Foto: Karin Leukefeld, Deir Ezzor/Syrien, Oktober 2017

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Foto: Karin Leukefeld, Deir Ezzor/Syrien, Oktober 2017

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Foto: Karin Leukefeld, Deir Ezzor/Syrien, Oktober 2017

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Foto: Karin Leukefeld, Deir Ezzor/Syrien, Oktober 2017

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Foto: Karin Leukefeld, Deir Ezzor/Syrien, Oktober 2017


Dem Weg der Waffen auf der Spur

Die Europäische Union ko-finanziert ein Institut in Großbritannien, dessen Mitarbeiter versuchen zu erkunden, von wo Waffen und Munition in einem Krieg stammen und wie sie dorthin gelangt sind. Im „Conflict Armament Research (CAR) Institut arbeiten Waffenexperten, die in die Konfliktgebiete reisen, Waffendepots ausfindig machen, Waffen untersuchen und dokumentieren. Jede Waffe und jede Munition sind mit Zeichen und Stempeln markiert, denen man entnehmen kann, wo und für wen sie hergestellt wurden. In einem Bericht vom Dezember 2017 wird beschrieben, wie ein CAR-Mitarbeiter im Irak die Spur und Nachschublinie der IS-Waffen und der IS-Waffenproduktion „bis in die USA“ verfolgte. Dabei wurden beispielsweise in den USA gekaufte Sprengmittel für Sprengfallen und Bomben „umgenutzt“, die der IS im Häuserkampf einsetzte. Ein CAR-Bericht darüber, dass und wie der IS Munition einsetzte, die ursprünglich von den USA an die irakische Armee geliefert worden war, erschien 2014.

In Tal Afar, einem Ort im Norden des Irak, fand der CAR-Mitarbeiter im September 2017 regelrechte Waffenfabriken des IS, wo u.a. Granaten selber industriell hergestellt oder umgebaut wurden. Zwischen Sprengköpfen fand er Munition für Anti-Panzer-Raketen aus rumänischer Herstellung. Die eingetragene Chargennummer hatte der CAR-Mitarbeiter erstmals 2016 in einem IS-Video gesehen, als eine Kiste dieser Munition mit genau dieser Seriennummer gezeigt wurde, die in den Händen der syrischen Kampfgruppe „Jaish Suria al Jadid“ gelandet war. Später fand er die Munition im Irak wieder.

Die CAR-Recherche ergab, dass ursprünglich 9.252 Stück dieser Munition mit dieser Seriennummer im Oktober 2014 von Rumänien an die US-Armee verkauft worden waren. Vorschriftsgemäß unterzeichnete die USA ein Endabnehmer-Zertifikat aus dem hervorgeht, dass diese Waffen nur von den US-Streitkräften benutzt und nicht an jemanden anderen verkauft werden dürften. Rumänien belegte gegenüber CAR den Verkauf, seitens der US-Armee wurde die Frage, wie die Munition in Syrien und im Irak in den Händen von Kampfgruppen landen konnte, nicht beantwortet.

CAR dokumentierte auch, das Waffenlieferungen für Saudi Arabien sich später bei IS-Kämpfern wiederfanden. In einem Fall wurde eine Flugzeugladung mit 12 Tonnen Munition für Saudi Arabien überprüft. Tatsächlich landete das Flugzeug nicht in Saudi Arabien, sondern in Jordanien. Von dort, das weisen viele Berichte nach, wurden seit 2012 Waffen in großen Mengen nach Syrien geschleust. Die saudische Regierung antwortete nicht auf die Anfrage von CAR. In den Flug involvierte Begleiter bestanden darauf, die Maschine sei in Saudi Arabien gelandet. Alle Flugdaten beweisen allerdings, dass die Maschine in Jordanien landete. „Das ist der Krieg“, so der CAR-Mitarbeiter. „Es ist ein verdammtes Chaos. Niemand weiß, was geschieht und es gibt alle diese Verschwörungstheorien. Wir leben in einer Zeit nach der Wahrheit, Fakten haben keine Bedeutung mehr. Wir aber sammeln Fakten, um irgendeinen Ansatzpunkt für die Wahrheit zu erwischen.“

Erneute Chemiewaffen-Warnungen

Vor wenigen Tagen meldete sich ein Bewohner aus Idlib beim russischen Versöhnungszentrum für die verfeindeten Parteien in Syrien in Hmeimin. Er habe beobachtet, wie in den umkämpften Ort Sarakeb (Provinz Idlib) mindestens 20 Behälter mit Chlor gebracht worden seien. Er vermute, die Behälter gehörten der Nusra Front, die das Gebiet kontrolliere. Die Behälter seien auf drei Wagen transportiert worden, darauf hätten auch Schutzmasken gelegen. Dann habe er gesehen, wie Angehörige der „Weißhelme“ Hilfsmaßnahmen für „betroffene Zivilisten“ geprobt hätten. Professionelle Kamerateams hätten das Ganze gefilmt, ein Mikrofon habe die Aufschrift „CNN“ getragen.

Das Versöhnungszentrum äußerte sich daraufhin am Dienstag (13.2.2018) besorgt, dass eine „Provokation mit Giftgas“ vorbereitet werden könnte und dass man Syrien verantwortlich machen wolle.“ Tatsächlich hat Syrien seine Chemiewaffenbestände zwischen 2014 und 2016 unter internationaler Kontrolle vernichtet.

Vor allem Israel und namentlich nicht genannte „westliche Geheimdienste“ wollen hingegen wissen, dass Syrien – mit iranischer und nordkoreanischer Unterstützung – trotz regelmäßiger UN-Kontrollen weiterhin an einem Chemiewaffenprogramm arbeite. Das stellt nicht nur Syrien, sondern auch die UNO als unglaubwürdig dar. Der französische Präsident Emmanuel Macron kündigte am Dienstagabend in Paris an, dass Frankreich Syrien angreifen werde, sollte sich herausstellen, dass Syrien Giftgas eingesetzt habe. „Wir werden zuschlagen“, sagte Macron. „Die rote Linie wird respektiert.“


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