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Das Feuerzeichen

Das Feuerzeichen

Wer die Macht des Geldes brechen möchte, sollte seine Missachtung radikal zum Ausdruck bringen — durch Geldverbrennung.

Über Geld spricht man nicht. Ich will nicht nur über Geld sprechen, sondern auch über die Verbrennung von Geld.

Sprichwörter offenbaren gewöhnlich den gesunden Menschenverstand, die Weisheit eines Volkes. Die Mehrzahl der Sprichwörter über das Geld aber offenbart einen gravierenden Mangel an Weisheit. Diese Sprichwörter zementieren das kapitalistische Weltverständnis und lehren uns die Furcht vor der Freiheit: „Zeit ist Geld“, „Wer den Rappen nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert“, „Geld regiert die Welt“. Sogar die Dichter erweisen dem Geld ihren Bückling — Margarete in Goethes Faust beispielsweise sagt: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Als ob Geld, Kapital, Rendite und Profit das höchste Ziel menschlichen Strebens seien!

Ich lese hin und wieder an Schulen, Jugendliche sind ein dankbares Publikum. Zuerst stimme ich sie mit Geschichten und Gedichten auf das Geld, seine persönlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen ein. Dann geht’s ans Eingemachte. Ich lasse einen Hundertfrankenschein in der Klasse zirkulieren, lege ihn zerknüllt in ein metallenes Gefäß und zünde ihn an, ich zerstampfe das verbrannte Papier mit einem großen Borstenpinsel, öffne ein Fenster und übergebe die Asche dem Wind. Geld zu verbrennen ist eine pädagogische Maßnahme, ein didaktisches Ritual, das die Jugendlichen verstört — und gewiss zum Denken anregt.

Eine Frage, die mir immer wieder gestellt wird, lautet: „Wäre es denn nicht sinnvoller, mit dem Geld humanitäre oder ökologische Projekte zu unterstützen, statt es zu verbrennen?“ — Eine gute Frage.

Solange wir nach Reichtum streben, wird es Ungerechtigkeit geben, denn Geld- und Grundbesitz sind nur das Symptom eines menschlichen Makels — der Habgier, die zu Zwist, Betrug, Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg führt.

Wer Unrecht vermeiden will, sollte lernen, mit weniger auszukommen. Wer die Ungerechtigkeit überwinden will, muss sich selber überwinden.

Die Spur des Geldes

Seit mehr als 10.000 Jahren begleiten uns unterschiedliche Formen von Geld. Im alten Ägypten gab es nur Tauschgeschäfte. Die Phönizier zahlten mit schweren Kupferplatten, die frühen Römer und Gallier mit Vieh, die Azteken mit Kakaobohnen, die Afrikaner mit den Gehäusen der Kaurischnecken. König Gyges in Kleinasien erfand die Münzen: Gold- und Silberklümpchen wurden zu Plättchen geformt, ihr Wert aufgeprägt. Nun begannen auch die Perser, Griechen und Römer, eigene Münzen zu prägen. In jener Zeit etablierte sich ein reges Bankensystem. Banknoten wurden im 7. Jahrhundert in China erfunden.

Auf der Suche nach Gold, aus dem Geld gemacht wird, besetzten Männer wie Christoph Kolumbus und Hernán Cortés fremde Länder und versklavten und dezimierten die ansässige Bevölkerung. Ende des 15. Jahrhunderts zählten die Kulturvölker der Azteken, Maya und Inkas 70 bis 90 Millionen Menschen, ein Jahrhundert später waren es noch 3,5 Millionen. Das Gold und Silber der Indios wurde an Bord von Galeonen nach Europa transportiert.

Das Mittelalter galt als eine gefährliche Epoche, Reisende wurden oft von Räubern überfallen. Für Händler wart es also sicherer, ihre Reichtümer bei einem Bankier aufzubewahren. Dafür erhielten sie von ihm einen Wechsel, mit dem sie ihre Waren bezahlen konnten. Aus dem Wechsel entstand später die Banknote. 1409 wurde im belgischen Brügge die erste Börse gegründet. Viele Jahrhunderte lang bescherte der Kolonialismus Europa und Amerika — auch dank dem Atlantischen Sklavenhandel — wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand. Allein 11 Millionen Afrikaner wurden nach Amerika verschleppt, während der Überfahrt starben 1,5 Millionen. Das war die Geburtsstunde des Kapitalismus.

Mit der Industrialisierung setzte die Ausbeutung der Arbeiter ein. Auf den Börsenkrach von 1929 folgt eine Massenarbeitslosigkeit. Ende des Zweiten Weltkriegs wurden der Internationale Währungsfonds und die Weltbank gegründet. 1987 erlebten die Weltbörsen die größten Kursstürze seit Jahrzehnten — verstärkt durch die Globalisierung der Kapitalmärkte. 2008 zieht der Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers eine gigantische Finanz- und Wirtschaftskrise nach sich. Dennoch hält man weiterhin am Neoliberalismus fest. Die Digitalisierung der Finanzmärkte wird vorangetrieben, die Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche in Kauf genommen.

Heute bevölkern 7,3 Milliarden Menschen den Planeten. 4,8 Milliarden leben in der südlichen Hemisphäre, Hunderte Millionen unter unwürdigen Bedingungen. Laut Weltbank kontrollieren die 500 mächtigsten transnationalen Konzerne 52,8 Prozent des Weltbruttosozialprodukts. Die 85 reichsten Milliardäre besitzen genauso viele Vermögenswerte wie 3,5 Milliarden Menschen, das heißt der ärmste Teil der Menschheit. Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger oder den Folgen chronischer Unterernährung, obwohl die Erde in der Lage wäre, 12 Milliarden Menschen ausreichend zu ernähren. Der neoliberale Kapitalismus hat eine „kannibalistische Weltordnung“ (Jean Ziegler) geschaffen, die nicht nur einzelne Menschen vernichtet, sondern auch die Natur, die Biosphäre des Menschen. Indem wir skrupellos die Ressourcen des Planeten plündern, die Umwelt zerstören und das Klima aufheizen, bereiten wir die Endlösung der Menschheit vor.

Haben oder Sein

Der entfesselte Kapitalismus ist ein dystopischer Kapitalismus. Auch hierzulande beschert er uns eine monetäre Klassengesellschaft: Den 20 Prozent Armen, die mit dem Existenzminimum oder mit noch weniger auskommen müssen, stehen zehn Prozent Reiche gegenüber. Die reichsten fünf Prozent besitzen mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens. Das ewige Gejammer der Herrschenden — sprich: der Finanzoligarchen und ihrer Büttel, der Politiker — über die wirtschaftlich schlechten Zeiten ist eine Anbiederung an die kleinen Angestellten, Arbeiter, Bauern und sozial Benachteiligten. Tatsächlich mästen die Oberen ihre Bankkonten. Im Chor schreien sie nach Wohlstand und Sicherheit — sprich: nach sozialer Ausbeutung in Billiglohnländern und Arbeitslosigkeit in Deutschland. Der utopische Kapitalismus schafft die Voraussetzungen für die Unzufriedenheit der Menschen und ihre Anfälligkeit für populistische und fundamentalistische Heilslehren.

Im Neoliberalismus ist das Geld der Gott der Waren und der Gott der Menschen, die zu Waren degradiert werden.

Der Mensch der Ersten Welt hat alles im Überfluss und ist der seelische Sklave seiner Schöpfung.

Haben kann man so vieles: Geld, Kleider, Schmuck, Autos, Diplome, Titel, Immobilien, Firmen, Fabriken, Wertpapiere, Kunstgegenstände, Arbeitskräfte, Sexualpartner. Dennoch macht der Besitz nicht zufrieden. Sein hingegen kann man nur sich selbst. Aber indem man sich als Einzelwesen erfüllt, wird man Teil eines kosmischen Ganzen und empfindet Glück.

Wir haben alles, wir haben nichts — die Liebe fehlt.

Das Blut der Erde

Wir dienen dem Götzen Geld, wobei uns jedes Mittel recht ist. Wir investieren in nationale und transnationale Konzerne von Biologie und Chemie, Industrie, Großtechnologie, Waffenhandel und so weiter, die sich der demokratischen Kontrolle weitgehend entziehen. Wir sahnen Riesengewinne ab. Die hemmungslose Bereicherung hat eine hohe Verschuldung der Dritten Welt zur Folge. Die Besessenheit, Kapital zu vermehren, macht nicht Halt vor Menschenrechtsverletzung und Mord. Die Habgier hortet Flucht- und wäscht Drogengeld. Alles wird käuflich: Fauna, Flora und menschlicher Lebensraum ebenso wie Vorrechte, Machtpositionen und die Gesinnung von Menschen.

Geld ist das folgenschwerste Symptom menschlicher Entfremdung vom Ursprung. Im Streben nach Geld und Eigentum verlieren wir, was uns menschlich macht — die Lust am Geben und Teilen. Wir vergnügen uns, doch wir freuen uns nicht; denn zum Vergnügen gehört Besitz, zur Freude aber Genügen.

Wir sind gefangen im finanziellen Teufelskreis: Geld kostet Zinsen. Zinsen müssen bezahlt werden und erfordern daher Rendite. Steigende Gewinne bedingen stetes Wachstum. Ökonomisches Wachstum ist angewiesen auf den massiven Einsatz von industrieller und digitaler Technologie. Die überbordende Herstellung von Produktions-, Wirtschafts- und Konsumgütern stört den ökologischen Haushalt der Natur, die Befriedigung wachsender Bedürfnisse schadet der Umwelt. Zur Behebung der Umweltschäden braucht es Geld. Geld kostet Zinsen …

Der Zins ist der Kredit, den wir bei der Umwelt aufnehmen, um unsere Technologien zu finanzieren, die sie zerstören. Zins und Zinseszins sind das Blut der Erde.

Das Wirtschaftswachstum ist ein Etikettenschwindel. Was wächst, ist die Anzahl der Infarkt- und Drogentoten im Norden und der Epidemie- und Hungertoten im Süden. Was wächst, ist die Ausrottung von Pflanzen- und Tierarten. Was wächst, sind Abfallberge und Plastikinseln. Was wächst, sind CO2- und Ozonwerte. Was wächst, ist die Hitze.

Aus der Wohlstandsgesellschaft wurde die Konsumgesellschaft, die das wahllose Verbrauchen zu ihrem obersten Prinzip ernannt hat. Aus der Konsumgesellschaft ging die Risikogesellschaft hervor, die für noch mehr Profit auch massive Nachteile, Verluste und Schäden in Kauf nimmt. Heute ist der Höhepunkt der Risikogesellschaft längst überschritten. Auf Wohlstand, Konsum und Risiko folgt der ökologische Selbstmord. Wir leben in einer Suizidgesellschaft.

Besitz belastet

Wer hat ein finanzielles Interesse an meinem Konsumverhalten? Inwieweit geht mein Lebensstandard auf Kosten der Dritten Welt? Trägt er zur Umweltzerstörung bei? Benütze ich, was ich habe? Brauche ich, was ich benütze? Was ist lebensnotwendig und was überflüssig? Auf was kann verzichtet werden?

Eine einzige Wirklichkeit wiegt tausend Möglichkeiten auf. Ein winziger Verzicht bewirkt mehr als tausend Einsichten.

Rettung liegt im Loslassen. Wie einer in Seenot sich nicht ans sinkende Schiff klammern soll und sich in die Fluten stürzen muss, um zu überleben, so finden wir das Glück nicht im Besitz, sondern im Verzicht. Aufgeben, Gehenlassen, Abschied-nehmen bedeutet Freiheit — Festhalten, Fesseln, Sammeln heißt Gefangenschaft. Verzicht ist die reinste Form der Hingabe. Die Bereitschaft zum Verzicht ist eine Voraussetzung für Glück.

Das Geld ist unser beliebtester Fetisch und ein großes Tabu. Im Gegensatz zu anderen Dingen des täglichen Gebrauchs besitzt es die Aura der Unantastbarkeit, der Unzerstörbarkeit. Wäre es aber wirklich unantastbar und unzerstörbar, erwiese sich die menschliche Freiheit als Illusion. Die Abhängigkeit vom Geld kann durch einen bewussten Akt des Verzichts überwunden, die persönliche Freiheit durch freiwillige Beschränkung errungen werden.

Wer Geld verbrennt, entsagt der Selbstdefinition durch Besitz.

Reinigendes Feuer

Ist es Blödsinn, Geld zu verbrennen? Ist es Aktionskunst? Ist es ein spirituelles Ritual? Ist es eine religiöse Handlung? Ist es ein politisches Fanal? Ist es eine subversive Tat? Ist es ein Verbrechen? Ist es Wahnsinn?

Das Geld ist der Treibstoff der Menschheit und als solcher das große Ja. Der „magischen“ Geldvermehrung liegen pseudo-religiöse Rituale zugrunde. Die Geldverbrennung ist ein Feuerzeichen, ein befreiendes Feueropfer — es vereinigt uns mit dem Selbstlosen in und außer uns. Das Feuer reinigt und läutert, es verleiht Kraft und Gesundheit, Leben und Gedeihen. Was es verbrennt, wird zu Asche. Und Asche ermöglicht organisches Wachstum und Neubeginn.

Wer Geld verbrennt, entzieht dem Weltmarkt einen bestimmten Handelswert. Im Feuer verwandelt sich dessen negative Energie in einen positiven Seinswert, der nun dem Weltgeist zur Verfügung steht.

Wer Geld verbrennt, sagt Nein zur technokratischen Gesellschaft und damit Ja zum eigenen Überleben. In diesem Sinn ist die Geldverbrennung ein ökologischer Protest.

Die Verantwortung ist die angemessene Antwort des Menschen auf das Sein.

Die Geldverbrennung ist eine mögliche Antwort des Bürgers auf die Suizidgesellschaft.


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Peter Fahr verbrennt 1998 Geld an der Sekundarschule Schwabgut in Bern. Foto: Titus Stern


Jens Lehrich: „Nur Mut! Wenn wir uns ändern, verändert das die Welt!“


Hier können Sie das Buch bestellen: als Taschenbuch oder E-Book.


Stimmen zum Buch:

„Ich möchte allen Menschen raten, mutig zu sein, und sich nicht durch Angst erdrücken zu lassen. Wer mutig ist kann freudig und gewaltlos seinen Weg gehen. Das ist bestimmt nicht immer einfach. Aber Mut öffnet Türen, die sonst verschlossen bleiben. Die in diesem Buch abgedruckten Texte zeigen, wie wichtig Mut im 21. Jahrhundert ist.“
Dr. Daniele Ganser, Friedensforscher

„Das ist ein ganz besonders Buch, denn mit jedem seiner vielfältigen Beiträge werden Sie eingeladen, ermutigt und inspiriert, sich mit all jenen zu verbinden, die künftig nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander leben wollen.“
Dr. Gerald Hüther, Sachbuchautor und Vorstand der Akademie für Potentialentfaltung

„In einer Zeit, in der regressive Kräfte sehr von den Verunsicherungen in unserer Gesellschaft profitieren, brauchen wir Mutmacher mit einem langen Atem. Menschen, die uns mit Fakten und Bildern speisen, die uns an unser eigenes Potential für Veränderung und Glück erinnern. Danke Rubikon! Für dieses Buch und für eure gesamte Arbeit.“
Veit Lindau, Autor und Bewusstseinsforscher

„Dieses einzigartige Buch macht großen Mut zur Veränderung. Es verwandelt Verzweiflung in Hoffnung, Wut in Liebe und ist ein kraftgebender Kompass durch schwere Zeiten. Für mich eines der wertvollsten Bücher der letzten Jahre.“
Jens Lehrich, Autor und Comedian

„‚Nur Mut!‘ ist ein Buch, das den Leser dazu auffordert, sich selbst zu ermächtigen. Wer sich im aufrechten Gang den Problemen dieses Planeten entgegenstellt, macht sich zwar angreifbar, kann von sich aber behaupten, in der Stunde der Bewährung seine eigene Angst besiegt zu haben. Ohne solche Menschen hat unsere Spezies keine Zukunft. Die Belohnung für gelebten Mut ist ein Leben, in dem die Angst nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.“
Ken Jebsen, investigativer Journalist

„Nur, wenn wir uns selbst und unsere Gefühle erkennen, wenn wir unser Unbewusstes bewusst machen und aus dem kollektiven Stockholm-Syndrom, auf das man uns von Kindertagen an festgelegt und zu dem man uns erzogen hat, aussteigen, können wir wirkliche Liebe, vor allem aber unsere tägliche Unterdrückung erkennen. Dann können wir aus dem inneren wie äußeren Gefängnis aussteigen und unser eigenes Leben leben, in dem wir zu fühlen beginnen, was gut und ungut, was richtig und gelogen, was Liebe und was Ausbeutung und Unterdrückung ist. Wider den Gehorsam! Die Wahrheit schlummert in jedem von uns.“
Jens Wernicke, Autor und Publizist

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