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Das Ende der Katzenwelt

Das Ende der Katzenwelt

Bei Facebook ereignet sich Zensur im großen Stil — ein literarischer Erfahrungsbericht.

Im Sommer 2020 habe ich mich entschieden, meine Überzeugungen in die Öffentlichkeit zu bringen.

Seitdem der Hanser Verlag mich vor zehn Jahren gebeten hatte, meine Facebook-Seite aufzubauen, wodurch, wie sie meinten, meine schriftstellerische Tätigkeit zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte, habe ich dieser Aufforderung schließlich zugestimmt, wohl mehr aus Pflichtgefühl als Begeisterung. Mit den Jahren hatte ich jede Menge „Freunde“ gesammelt, wie andere Kleider, Schuhe oder Autos anhäufen.

Am Anfang fühlte sich dieses Hobby seltsam an, allmählich habe ich mich daran gewöhnt. Die ganze Welt schien mit einem Knopfdruck erreichbar zu sein, die schöne neue Welt.
Ich habe Freundschaftsanfragen geschickt und etliche selbst erhalten. Den expliziten Wünschen meiner ehemaligen Verlegerin treu folgend, bestätigte ich alle Anfragen. Ohne nachzudenken, drückte ich auf „Bestätigen“ und basta.

Wenn der Verlag es so möchte, tue ich das einfach, sagte ich mir und gleich kam eine Nachricht, die mich auf einen neuen Freund oder neue Freundin hinwies. Ob ich ihre Profile anschauen möchte? Ob ich ihnen eine Nachricht senden möchte? Die Konkretheit der Symbole auf dem Bildschirm wirkte hypnotisierend. Ob ich bitteschön eine Seite liken könne? Warum denn nicht? Ich spielte mit den Tasten, die Tasten spielten mit mir. Ob ich auch noch diese Seite liken möge? Eine Aktion, sofort die Reaktion. Ursache und Wirkung. Und ich begann, der Plattform mehr Zeit zu widmen, weiterhin modern-virtuelle Kontakte zu knüpfen.

Anfangs fand ich es lustig, Musikern, die ich in der Kindheit vergötterte, Anfragen zu schicken, welche die meisten sogar angenommen hatten. Manche ehemalige Rockstars hatten teilweise weniger Freunde als ich. Ich musste daran denken, wie ich mich gefühlt hätte, wenn es früher so gewesen wäre, wenn ich in den Achtzigern oder Neunzigern so intim und direkt mit meinen Lieblingsmusikern hätte kommunizieren können. Es fiel mir ab und zu ein, dass in der heutigen Zeit doch nicht alles schlecht war, jawohl, nicht alles war perfekt, zugegeben, aber immerhin, ich interagierte mit Rockstars, genauer mit Musikern, die früher Rockstars waren, und, obwohl der verführerische Glanz vergangener Epochen teilweise in Rauch aufgegangen war und die kindische Illusion zerplatzte — ich hatte Spaß damit. Ja, ich fühlte mich wie einer mit Pickeln im Gesicht.

Natürlich waren die Zusagen solcher Persönlichkeiten ein Thema gewesen. Oft hatte ich die Facebook-Neuigkeiten mit meinem Bruder besprochen, der mit seiner Familie in Irland lebt. Auch mein langjähriger und tätowierter Freund aus Israel, Kuti, war diesen Freundschaften tief verfallen, wie im noch früheren Leben den harten Drogen. Wir drei wuchsen zusammen auf und ein Teil in uns ist so geblieben, ein jugendlicher Fan, Rockmusikliebhaber aus Petach Tikwa. Viele Menschen verbanden das Heilige Land mit Religion, Krieg, Terror, Milch und Honig — und vielem mehr. Für uns drei Musketiere bedeutete Israel Heavy-Metal-Musik — und nichts mehr. Die langen Haare wurden mit der Zeit kürzer, der Bauch wuchs, Falten kamen zum Vorschein. Was wir in unserer Jugend dachten, waren zukunftsorientierte Träume der Naivität. Die Antizipation wurde mit den Jahrzehnten zur Erinnerung, gefärbt mit kindischen Augen des Vergangenen, betrachtet aus dem Blickwinkel mittelalten Erwachsenseins.

Oft konkurrierten Kuti, mein Bruder Gabriel und ich bezüglich der Rockstar-Facebook-Freundschaften. Mein Bruder schrieb sogar Kommentare zu ausgewählten „Altbekannten“ und ließ sie herzlich grüßen. Gabriel hatte gelegentlich sogar versprochen, diese oder die andere CD zu erwerben, was er natürlich auch tat.

2011 waren CDs nicht gerade modern, um nicht zu sagen „altmodisch“, dennoch waren sie bei mir und meinem Bruder beliebt. Kuti hatte zu diesem Zeitpunkt seine Tausende CDs bereits verkauft und hörte nun ausschließlich Musik via Schallplatten. Einige von uns waren irgendwo in der Zeit steckengeblieben (mein Bruder und moi), andere waren sogar tiefer in frühere Epochen der Audioentwicklung zurückgeworfen worden, nämlich Kuti, der frühere Drogenhändler und ehemaliger Kult-Nachtclub-Betreiber — zuletzt Kindergärtner. Vielleicht hing mein Freund Kuti so an Schallpaten, da er — mein Bruder und ich auch — in der Jugend keine Schallpaten, sondern Kassetten sammelten. Damals hatten wir keinen Schallplattenspieler gehabt, nur Kassettenrecorder. Kutis war größer und massiver als unserer. Nun, nach so vielen Jahren, hatte Kuti es sich gut gehen lassen, sich endlich doch einen Schallplattenspieler mit einer Menge Platten gegönnt. Mein Bruder und ich sind weiterhin den CDs treu geblieben, vielleicht weil bezüglich der alten Kassetten die CDs doch Hochtechnologie sind! Für meinen Bruder und moi ist der Hörgenuss der Metalmusik mit CDs verbunden, bis zum heutigen Tag — vielleicht für immer!

Komödie — oder Tragödie?

In Petach-Tikwa der Achtziger hatten wir drei, mein Bruder Gabriel, Kuti und ich, uns über neue Musik unterhalten, 2011 chatteten wir mit digitaler Knopfdruck-Geschwindigkeit von drei verschiedenen Ländern aus via Facebook. Die Welt von gestern mischte sich gespenstisch mit der Jetztzeit.

Einige wenige ehemalige Rockstars kannten wir sogar persönlich und waren froh, erneut mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie posteten, wir auch, die ganze Welt schien etwas zu posten, selten Wichtiges, dafür aber oft Katzenfotos.

Ich musste denken: In der guten alten Zeiten gab es Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll, heute Katzenfotos … Miau …

Diese Rockstar-Geschichten machten irgendwie süchtig und eine Zeit lang war ich nicht sehr treu gegenüber meiner Verlegerin gewesen — ich ging sozusagen fremd mit … Stars!

2020 hatte ich die maximale Anzahl von Freunden erreicht. Neben der 5000 auf meiner persönlichen Seite, habe ich einige Jahre zuvor, zusätzlich, eine sogenannte Autorenseite aufgemacht, wo Fans meine Seite liken und Informationen über mich als Schriftsteller bekommen konnten. Um die 900 Facebook-User haben diese Seite geliket. Es kam sogar zu einigen wenigen inspirierenden persönlichen Kontakten. Die Rockstars vergangener Zeiten hätten mich wahrscheinlich ausgelacht, denn der große Aufwand und die viel zu viel auf die virtuelle Plattform investierte Zeit lohnten sich auf gar keinen Fall. Sie standen sozusagen nicht im Verhältnis, viel Investition, wenig Ergebnis. Dennoch war die hervorgebrachte Leistung, besonders für einen bescheidenen deutschen Schriftsteller wie moi, wenn auch nicht hervorragend, doch irgendwie, nun ja, in Ordnung, nach dem Motto: Ein deutscher Schriftsteller ist wohl kein Rockstar.

Pause

Nicht mal die deutschen Rockstars wirken heutzutage wie echte Stars, dachte ich mir einmal, und siehe: vor meinem geistigen Auge erschien … Peter Maffay. Einfach so. Aus dem Nichts. Wie ein Gespenst. Aus der Unterwelt?

Straight out of hell.

Das Resultat dieses unglücklichen Erscheinungsbildes war — wenig Luft. Eigentlich konnte ich kaum noch atmen. Die Katzen auf dem Bildschirm mussten warten, denn ich rang heftig nach Luft, wie ein unbeholfener Asthmatiker, der sein Spray nirgendwo findet. Das Blut schien den Körper nicht mehr zu bewegen. Er bebte. Ich bibberte. Meinem Körper und moi, verknüpft durch eine komplizierte Beziehung, ging es plötzlich höllisch schlecht. Mein Wesen-in-der-Zeit, oder wie Heidegger sagen würde, das Dasein, hatte einen Stromausfall. Blackout.

Ahhhhhhh.
Bist du noch da?, musste ich mich fragen.
Mehr Luft, sagte ich mir. Jetzt!
Atmen!
Meta … Atem …

Ich musste mit mir selbst kämpfen, um die Peter-Maffay-Horror-Vision aus meiner empfindlichen Seele los zu kriegen. Warum lässt mein Geist das alles zu? Fragen über Fragen …

Ich stand auf, wusste nicht, warum, setzte mich wieder. Auf dem Bildschirm flimmerten die Katzen. Wie süß, sagte ich mir, nein, es waren keine Katzen, immer wieder musste ich meinen Speichel schlucken, ich dachte, ich werde erblinden, ich blinzelte wie jemand mit chronischen Augenproblemen, ich wollte die Katzen anschauen, die netten, süßen, kleinen Kätzchen, aber nein, es war … der Maffay!

Ich rieb mir die Augen, dann schloss ich sie.

Geh weg, Peter, geh weg!

Nach einer Zeitlang traute ich mich erneut, meine „Spiegel der Seele“ aufzumachen. Warum? Meine Augen fingen an zu blinzeln, als würden sie bald die Hypnose ihres Lebens erfahren.

Nein!

Eine Stimme wurde lauter und lauter.
Seine Stimme!
Ahhhhhhhhhhh.
Es wurde neblig.

Wo bin ich?

Mallorca. Hochsommer. Blauer Himmel. Balearen-Hitze. Brummender Motor. Brmmmm. Brrrrrrrmmmmmm. Ein kleiner Mann im Lederzeug, altes Gesicht, Falten, schwarze Sonnenbrille, Boots, auf einer großen Harley-Davidson fahrend, Frisur wie im Buche stehend, vom Wind geweht, fast metaphysisch, on the highway … mit Maske.

Pfui Teufel!

Ja, ich kenne ihn persönlich … Noch vor dem Virus, vor der fetischistischen Maskerade. Einmal in Wien, einmal in Tutzing habe ich Peter getroffen.

Ich sagte: Hallo. Er sagte, hey.

Es waren noch Zeiten, damals zeigte man noch Gesicht. Oder Warze. Gesicht mit Warze oder ohne. Je nachdem. Die Glücklichen hatten eine, die anderen eben nicht. Die guten alten Zeiten, die Vor-Covid-Ära. Es war einmal …

Pause

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die schönste Warze unter der Maske?

Born to be … on the highway …

Mich würgte es.
Peter Maffay wahrscheinlich auch. In Mallorca.
Die transsylvanische Wanderwarze versteckt unter einer von dem Winde durchwehten Windel.
Der maskierte Dracula.
Vielleicht zu viel Sonne?

Pause

Da ich mich seit einer Weile auf der Zuckerberg-Plattform aufgehalten habe, sagte ich mir nun im Sommer des Jahres 2020, hier wäre der richtige Ort, um die Wahrheit zu verbreiten. Es war keine leichte Entscheidung meinerseits, ich habe gewartet und gewartet, bis ich letztendlich doch nichts anderes tun konnte.

Tun!

Die Wahrheit lag nah an meinem Herzen, da ich jahrelang Philosophie in Haifa und Tübingen studiert habe. Auch wenn ich an der Universität mehr im Uni-Kaffeehaus Greg gesessen und Cappuccinos getrunken habe, war die Wahrheit doch ein ständiger, auch wenn ein eher stiller, Begleiter. Sie, die liebevolle Wahrheit, hatte mir einen flüchtigen Kuss gegeben, dann war sie wieder verschwunden, aber nie ganz weg. An ihren blumigen Duft kann ich mich bis heute erinnern, an den Hauch der Ewigkeit. Das Gegenteil der Lüge. Und mehr als nur das, viel mehr.

Der Schwarzwald-Philosoph Martin Heidegger wusste dies auch, schon Anfang der Dreißiger des zwanzigsten Jahrhundert.

Ich dachte: Mit so vielen „Freunden“ konnte ich einiges an Reichweite erreichen und die frohe Botschaft in die Welt schicken. Was könnte schon passieren?

Tun!

Wie ich bald herausfand, ja herausfinden musste, konnte einiges passieren!

Prompt bekam ich Mails von den netten, besorgten Schriftstellerkollegen, die vermuteten, etwas wäre mit mir nicht in Ordnung.

Ob ich gesund sei?

Ja!

Warum poste ich denn das, was ich poste? Wo sind die Katzenfotos? Warum keine kleinen süßen Kätzchen? Warum überhaupt ohne Tierbilder posten? Hunde wären auch in Ordnung, müssen ja nicht immer Katzen sein. Kamele, Delphine, sogar Faultiere. Egal was für Tiere.

Weil … — ich … will keine Katzenfotos posten.

Doch nicht gesund!
Nicht gesund? Warum denn … warum?
Krank!
Ich?
Jawohl!
Aber …
Also doch!

Meine Kollegen empfahlen mir, Ärzte und Psychiater aufzusuchen. Sofort. Sie drängten mich dazu. Bin ich … ich bin doch nicht krank!
Die beflügelten schreibenden Kollegen glaubten mir nicht.
Sie beurteilten und verurteilen mich.
Sie wussten es besser, viel besser als ich.
Krank!

Ich war aber gesund. Kerngesund. So heil wie nie zuvor in meinem Leben. Warum waren sie aggressiv und akzeptierten meine Meinung nicht? Warum so intolerant?

Freundschaften endeten. Als Facebook-Freund wurde ich von vielen Konten gelöscht. Einfach so — mit einem Klick weg. Für immer.

Dies erinnerte mich an vergangene Zeiten, aber womöglich wissen diese Schriftsteller mehr über die deutsche Geschichte als ich … Was hätte bloß Heidegger dazu gesagt? Wahrscheinlich irrelevant, heute nach der Meinung von Philosophen zu fragen. Von Schriftstellern, von Wissenschaftlern. Sind die meisten nur noch Pseudo-Philosophen, Pseudo-Künstler, Pseudo-Wissenschaftler? Ist das nackte Überleben das Ziel?

Mehrere nannten mich … Rechts.
Wie bitte?
Du bist ein Rechter, schrieben mir manche, bevor sie mich endgültig gelöscht haben. Und ja, sogar Das N-Wort ist gefallen … Nazi!

Pause

Im Sommer 2020 fiel es für mich schwer, über solche Sachen zu lachen. Ich … ein … N. Diskutieren wollte ich, Leute mit Argumenten und rational überzeugen. Dass ich so ein … nie war, nie werden kann, wie auch denn?

Pause

Anstatt aufbauender Gespräche wurde ich aufs Schlimmste beschimpft, als wäre ich der letzte Verbrecher, der allerletzte Drecksack. Was habe ich schon gemacht, um diese hochkarätigen Worte meiner Kollegen zu verdienen? Ich habe meine Erkenntnisse weitergeleitet, Artikel und Videos, die für mich, wie ich dachte, auch für andere interessant sein könnten.

Bereits als ich Ende des Sommers meine Eltern in Ungarn besuchte, bekam ich Warnungen von Facebook, die meinen Laptop-Bildschirm wie einen Weihnachtsbaum schmückten. Sie drohten, mich zu sperren, wenn ich die Artikel und Videos verbreite, die ich doch so gerne übermittelte. Facebook, verbündet mit den sogenannten Faktencheckern — die im Übrigen alles andere als Fakten checken —, die Fake-Checker wissen ja besser, was man posten sollte und was nicht, und da ich mich offensichtlich nicht so gut mit fiktiven Fakten auskenne und, wie sie meinten, Missinformationen verbreite, würden sie, die Fake-Checker, behilflich sein, mich zu belehren, über fiktive und fantastische, ja unwirkliche Fakten aufklären, mich dazu drängen, meine recherchierten Informationen mit ihren Fehlinformationen zu korrigieren, die sie aber, ohne Beweise vorzulegen, als echte Angaben feststellen, einfach so, das Falsche als das Wahre vortäuschen, ohne mit den Wimpern zu zucken, weil sie über Macht verfügen, nicht die Wahrheit, sondern ihre, eine Als-ob-Richtigkeit, zu forcieren, also selbst falsche Neuigkeiten in die Welt setzen, Fake-Fakten und im besten Fall Halbwahrheiten, die Fake-Fakten-Checker. Und wenn ich immer noch nicht verstehen sollte, dass die Wahrheit in ihrer Welt nicht zählt, nur ihre Machtwort-„Wahrheit“, die Scheinrealität einer amoklaufenden Terror-Virtualität, dann … musste ich mit den Konsequenzen leben.

Gehorchen!

Vielleicht zum ersten Mal im Leben war ich mit Zensur konfrontiert. Ich dachte, es musste etwas in den Nachrichten sein, welche ich verbreite, etwas Wahres, Wichtiges, denn wenn nicht, wäre Facebook nicht so sauer auf mich. Wenn ich Katzenfotos gepostet hätte, wäre ich nicht in dieser Weise unter Druck gesetzt worden.

Anstatt mich bedroht zu fühlen und mich dem Diktat der Big-Tech-Ideologie zu beugen, gab mir dieser unangenehme Hauch der Unterdrückung Kraft, um mich noch mehr für die gute Sache, für die Freiheit zu engagieren. Zensur war ein großes Übel — und ich war tief drinnen. Es war, als würde ich in einen Exkrementen-Abgrund heruntersteigen, in die Treibsand-Stinkhölle.

Langsam aber sicher verstand ich, wie sehr Mainstream-Plattformen Teil des geplanten Narratives waren und dass sie mit freier Meinungsäußerung und Wohlwollen für die Bevölkerung nichts am Hut hatten. Ganz im Gegenteil: Facebook erklärte Meinungen, die nicht in ihre Weltanschauung passten, den totalen Krieg. Und um was handelte es sich, wenn nicht um Unterdrückung, Verbot der Meinungsfreiheit, Unfreiheit? Dass sich hier eine finstere Gesinnung manifestierte, war offensichtlich. Und diese Ideologie war gegen die freie Meinung, gegen uns Menschen. Für wen war sie denn gut? Diese Frage musste ich mir stellen.

Cui bono?

Wenn Facebook mein Konto für einen Tag, eine Woche, und später, für einen Monat sperrte, fühlte ich mich … geehrt. Es war wie eine Auszeichnung. Mein Eindruck wurde zur Überzeugung — ich machte etwas Richtiges.

Zensur ist nicht der Weg, dachte ich. Zensur ist Verzweiflung. Zensur ist düster wie Schlamm. Wenn Zensur ein Tier wäre, dann wäre sie ein Stinktier.

Nach einem Jahr — im Sommer 2021 — war es soweit. Von einem Tag auf den anderen hat mich Facebook lakonisch benachrichtigt, dass sie mein Konto wegen Richtlinienverstoß „für immer“ sperren. Und siehe, es war tatsächlich soweit, auf meiner Seite stand geschrieben: Dein Konto wurde deaktiviert.

Heideggers Freundin, Hannah Arendt, die die Banalität des Bösen beschrieben hatte, meinte damit nicht die höchste Ebene des Bösen, nicht die echten Killer, sondern die Verdummten, die einfach nur dadurch böse sind, dass sie die Befehle des wirklich Bösen gehorchen und ausführen. Nein, das Echt-Böse möchte nur, dass die Menschen denken, dass es, das Echt-Böse, banal sei — es ist es aber nicht. Der Drache ist genial böse und hält in seinen Händen einen genial-bösen Plan. Das ist nicht banal, sondern furchterregend in seiner Perversität.

Das muss man verstehen. Sollte man jedenfalls versuchen.

Die heutigen Kollaborateure mit dem Killer-Bösen wissen nicht einmal, dass sie mitmachen — sie denken, sie würden das Gute tun. Man kann es ihnen nicht übel nehmen, denn das Monster hatte daran hart gearbeitet. Aber der Monster-Killer gewinnt nicht. Wir gewinnen. Wir sind nicht genial, aber auch nicht banal — und nicht böse. Nur Menschen. Zwischen Echt-Gut und Echt-Böse. Vielleicht ein wenig neurotisch, aber doch human. Die Freiheit und die Wahrheit gewinnen.

Es ist nur eine Frage der Zeit. Hier, im Theater namens Leben. Hier, auf dieser Bühne namens Welt. Es ist nicht vorbei, bis die dicke Dame singt.


Quellen und Anmerkungen:

Apropos Singen. Ende 2021 erschien ein von Kuti, meinem Bruder und mir lang erwartete Platte von Iron Maiden. Kuti und Gabriel machten sich große Hoffnungen, während ich skeptisch war. Leider stellte sich heraus, dass ich doch Recht hatte.
Kuti sagte: Seit 1988 haben die Jungs nichts auf die Reihe gekriegt.
Mein Bruder sagte: 1984 war der Höhepunkt.
Momentan bin ich mehr für 1981, widersprach Kuti.
Powerslave ist doch besser als Killers, beharrte mein Bruder.
Seventh Son of a Seventh Son, sagte ich.
Die letzte gute Platte, sagte Kuti. 1988 … das waren Zeiten!

Pause

Das Tor öffnet sich. Paul, der Sänger von Iron Maiden, kommt heraus. Er winkt uns zu. Kuti lacht. Ich lache. Mein Bruder lacht. Wir alle lachen. Eine weiße Taube fliegt hoch. Der Himmel beginnt zu weinen. Die Sonne scheint durch die dunklen Wolken. Wir baden im goldenen Regen, umarmen einander und tanzen. Im Hintergrund spielt eine sanft-melodisch-brutale Gänsehautmusik. Und plötzlich ertönt eine Powerstimme: Killer behind you ...

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