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Das Eigentor

Das Eigentor

Die USA zahlen einen hohen Preis für ihr Vorgehen in Venezuela. Interview mit dem Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson.

von The Saker

Es wird sehr kontrovers diskutiert, in welchem Zustand sich die venezolanische Wirtschaft befindet und ob die Reformen und Strategien von Hugo Chavez und Nicolás Maduro für das venezolanische Volk entscheidend und von großer Bedeutung waren oder ob sie völlig in die Irre gingen und die derzeitige Krise herbeigeführt haben.

Alle Welt scheint eine ganz klare Meinung darüber zu haben. Ich nicht — mir fehlt einfach das entsprechende Wissen für solche Überzeugungen. Also beschloss ich, einen der geachtetsten unabhängigen Wirtschaftswissenschaftler zu fragen, die es gibt — Michael Hudson, den ich sehr respektiere. Seine Analysen, einschließlich derer, die er mit Craig Roberts gemeinsam erstellt hat, scheinen die glaubwürdigsten und ehrlichsten zu sein, die man finden kann. Tatsächlich hält Craig Roberts Hudson für den „besten Ökonomen der Welt“!

Ich bin Michael für seine Antworten sehr dankbar und hoffe, dass diese zu einem ehrlichen und objektiven Verständnis dessen, was wirklich in Venezuela vor sich geht, beitragen.

The Saker: Könnten Sie den Zustand der venezolanischen Wirtschaft zum Zeitpunkt, als Chavez an die Macht kam, zusammenfassen?

Michael Hudson: Venezuela war eine Erdöl-Monokultur. Seine Exporteinnahmen wurden hauptsächlich für Nahrungsmittel und andere Grundbedürfnisse ausgegeben, die auch im Land produziert hätten werden können. Sein größter Handelspartner waren die USA. Es verschuldete sich also trotz seines Erdölreichtums im Ausland.

Von Anfang an hatten US-Erdölkonzerne gefürchtet, dass Venezuela eines Tages seine Erdöleinnahmen seinem Volk zugutekommen lassen würde, anstatt es der US-Erdölindustrie und seiner lokalen Mittler-Aristokratie zu erlauben, den Rahm abzuschöpfen. Und so hielt diese Erdölindustrie mit Unterstützung der US-Diplomatie Venezuela gleich in zweierlei Hinsicht als Geisel.

Erstens wurden die Erdöl-Raffinerien nicht in Venezuela, sondern auf Trinidad und in den südlichen Staaten der US-Golfküste gebaut. Damit machten es die US-Erdölkonzerne — oder die US-Regierung — Venezuela unmöglich, auf eigenen Beinen zu stehen und eine unabhängige Strategie mit seinem Erdöl zu verfolgen, denn dieses musste ja raffiniert werden. Es bringt ja nichts, Erdöl zu haben, wenn man es nicht raffinieren und damit gebrauchsfertig machen kann.

Zweitens ließen sich Venezuelas Zentralbanker dazu überreden, die Erdölreserven und alle Vermögenswerte aus dem staatlichen Erdölsektor einschließlich Citgo als Sicherheit für Venezuelas Auslandsschulden einzusetzen. Wenn also Venezuela selbst in Zahlungsverzug geriet — oder in den Verzug gezwungen wurde durch US-Banken, die termingerechte Zahlungen auf seine Auslandsschulden verweigerten — waren Anleihegläubiger und große US-Erdölkonzerne per Gesetz berechtigt, sich venezolanisches Erdölvermögen anzueignen.

Diese Politik zugunsten der USA machte Venezuela zu einer typischen polarisierten lateinamerikanischen Oligarchie. Obwohl nominell reich an Erdöleinnahmen, konzentrierte sich sein Reichtum in den Händen einer pro-amerikanisch gestimmten Oligarchie. Sie ließ zu, dass seine Binnenentwicklung von Weltbank und IWF kontrolliert und gesteuert wurde.

Die indigene Bevölkerung, vor allem ethnische Minderheiten auf dem Land, und die städtische Unterklasse war von diesem Erdöl-Reichtum des Landes ausgeschlossen. Die arrogante Weigerung der Oligarchie, den Wohlstand zu teilen oder zumindest eine wirtschaftliche Unabhängigkeit bei den Grundbedürfnissen in Venezuela herzustellen, führte dazu, dass Hugo Chavez die Wahlen wie selbstverständlich gewann.

Könnten Sie die verschiedenen Reformen und Veränderungen skizzieren, die Hugo Chavez einführte? Was machte er richtig, was falsch?

Chavez strebte die Wiederherstellung einer Mischwirtschaft in Venezuela an, indem er die Einnahmen, die natürlich hauptsächlich durch das Erdöl generiert wurden, dafür einsetzte, die Infrastruktur auszubauen und Gesundheitsversorgung, Bildung und Arbeit zu fördern, um den Lebensstandard und die Produktivität seines Wahlkreises zu verbessern.

Er scheiterte allerdings dabei, die Veruntreuungen und die wie selbstverständliche Selbstbedienung im Erdölsektor zu stoppen. Ebenso wenig gelang es ihm, die Kapitalflucht der Oligarchen einzudämmen, die ihren Reichtum und sich selbst ins Ausland absetzten.

Dies war nicht „falsch“ — es dauert nur lange, bis man die Störung einer Wirtschaft wieder ausgleichen kann, während die USA gleichzeitig Sanktionen und „schmutzige Tricks“ anwenden, um genau diesen Prozess aufzuhalten.

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für die gegenwärtige wirtschaftliche Krise in Venezuela: Ist sie in erster Linie auf Fehler von Chavez oder Maduro zurückzuführen oder eher auf die Sabotage, Zersetzung und Sanktionen der USA?

Dass Chavez und Maduro eine pro-venezolanische, auf eine wirtschaftliche Unabhängigkeit abzielende Linie hätten verfolgen können, ohne Zorn, Umsturzbestrebungen und Sanktionen der USA auf sich zu ziehen, war ein Ding der Unmöglichkeit. US-amerikanische Außenpolitik ist heute noch immer genauso auf das Erdöl fokussiert wie zu Zeiten der Irak-Invasion unter Dick Cheneys Ägide. Die US-Politik besteht darin, Venezuela wie eine Außenstelle der US-Wirtschaft zu behandeln, die Außenhandelsüberschüsse aus Erdölverkäufen in den USA ausgibt oder ihre Rücklagen in US-Banken anlegt.

Indem die USA Sanktionen verhängen, die Venezuela den Zugang zu ihren Bankkonten in den USA und den Vermögenswerten der staatlichen Citgo verwehren, verunmöglichen sie es Venezuela, seine Auslandsschulden zu begleichen. Dadurch wird Venezuela in den Zahlungsverzug gezwungen. Genau dies hoffen US-Diplomaten dann als Vorwand dafür zu benutzen, Venezuelas Erdölvorkommen zu zwangsvollstrecken und sich seine Auslandsvermögen anzueignen — so, wie es der Paul-Singer-Hedgefonds mit Argentiniens Auslandsvermögen versucht hatte.

Die US-Politik unter Kissinger hatte beabsichtigt, Chiles „Wirtschaft zum Schreien zu bringen“, und die USA verfolgen gegen Venezuela die gleiche Strategie. Sie wollen an diesem Land ein Exempel statuieren: Andere Länder sollen ja nicht auf die Idee kommen, in ihrem eigenen Interesse zu handeln und damit zu verhindern, dass ihre Wirtschaftsüberschüsse in die Taschen US-amerikanischer Investoren fließen.

Vorausgesetzt, Maduro bleibt an der Macht und wird nicht von den USA gestürzt — was sollten Ihrer Meinung nach seine nächste Schritte sein, um die Wirtschaft Venezuelas zu retten?

Mir fällt nichts ein, was er nicht sowieso schon tut. Bestenfalls kann er sich um Unterstützung aus dem Ausland bemühen und damit der Welt zeigen, dass ein alternatives internationales Finanz- und Wirtschaftssystem gebraucht wird.

Den Anfang hierfür hat er bereits mit dem Versuch unternommen, das venezolanische Gold von der Bank of England und der Federal Reserve zurückzuholen. Dies entwickelt sich zu einer „asymmetrischen Kriegsführung“, weil es den Dollar-Standard in den internationalen Finanzen zu gefährden droht. Die Weigerung Englands und der USA, einer gewählten Regierung die Kontrolle über ihr Auslandsvermögen zuzugestehen, zeigt der ganzen Welt, dass einzig US-Diplomaten und -Gerichte fremde Staaten als Erweiterung des US-Nationalismus kontrollieren können und werden.

Der Preis, den die USA für ihre wirtschaftliche Attacke auf Venezuela bezahlen, ist das Zerbrechen des globalen Finanzsystems. Maduros defensive Schritte zeigen anderen Ländern, dass sie sich davor schützen müssen, ein „zweites Venezuela“ zu werden, indem sie sich einen neuen sicheren Hafen und eine neue Zahlstelle für ihr Gold, ihre Devisenreserven und die Finanzierung ihrer Auslandsverschuldung suchen — weg von Dollar, Sterling und Euro.

Einzig auf der institutionellen Ebene kann Maduro erfolgreich kämpfen — er wird den Einsatz erhöhen müssen, um neue Wege einzuschlagen. Sein Plan — dies ist selbstverständlich eine langfristige Planung — besteht darin, Katalysator für eine neue internationale Wirtschaftsordnung zu sein, die unabhängig vom US-Dollar-Standard ist. Auf kurze Sicht wird das nur funktionieren, wenn die USA glauben, dass sie aus diesem Kampf als ehrliche Finanzvermittler, als ehrliches Bankensystem und als Unterstützer von demokratisch gewählten Regierungen hervorgehen können. Die Trump-Administration zerstört diese Illusion gründlicher als es jeder anti-imperialistische Kritiker oder Wirtschaftskonkurrent könnte!

Auf lange Sicht muss Maduro auch die venezolanische Landwirtschaft entwickeln, so wie die USA ihre Landwirtschaft in den 1930er Jahren unter dem New Deal geschützt und fortentwickelt haben — mit landwirtschaftlichen Beratungsdiensten, Krediten für Bauern, Saatgutberatung, staatlichen Marketing-Organisationen für Erntekauf und die Bereitstellung von Technik sowie die Art von Preisstützung, die die USA schon lange einsetzen, um einheimische, die Produktivität steigernde Landwirtschaftsinvestitionen zu subventionieren.

Und der Plan, eine erdölgestützte Krypto-Währung einzuführen? Wird dies eine wirkungsvolle Alternative zum sterbenden venezolanischen Bolivar sein?

Nur eine nationale Regierung kann eine Währung herausgeben. Eine an den Erdölpreis gebundene Krypto-Währung würde zu einem Sicherungs-Vehikel, das anfällig für Manipulationen und Preisschwankungen durch Terminkäufer und -verkäufer wäre. Eine Landeswährung muss auf der Fähigkeit, zu besteuern gründen, und Venezuelas Hauptsteuerquelle — die gerade von den USA blockiert wird — sind Erdöleinnahmen. Venezuela befindet sich also in der gleichen Lage wie die deutsche Mark nach der Hyperinflation der frühen 1920er Jahre. Die einzige Lösung besteht in Zahlungsbilanzhilfen. Und es sieht so aus, als würde diese Hilfe von außerhalb der Dollar-Sphäre kommen.

Die Lösung einer jeden Hyperinflation muss diplomatisch verhandelt und von anderen Regierungen mitgetragen werden. Meine Geschichte internationalen Handels und der Finanztheorie, Trade, Development and Foreign Debt (Handel, Entwicklung und Auslandsverschuldung), beschreibt das Problem der deutschen Reparationszahlungen und wie die Hyperinflation durch die Rentenmark aufgelöst wurde.

Venezuelas Steuer auf ökonomische Erträge würde anfallen auf Erdöl und Luxus-Immobilien sowie auf Monopolpreise und hohe Einkommen — hier vor allem Finanz- und Monopoleinkünfte. Für den Entwurf einer solchen Steuer- und Finanzpolitik braucht es ein logisches System. Seit einem halben Jahrhundert versuche ich zu erklären, wie eine finanzielle und somit auch politische Unabhängigkeit erreicht werden kann. China wendet äußerst erfolgreich eine solche Politik an. Es kann dies tun, weil es im Wesentlichen eine große und autarke Wirtschaft ist, die genügend Exportüberschüsse erwirtschaftet, um für seine Lebensmittelimporte aufzukommen. Venezuela ist dazu nicht in der Lage. Deswegen wendet es sich zurzeit um Unterstützung an China.

Wie viel Beistand können China, Russland und der Iran leisten und wie viel können sie tun, um zu helfen? Glauben Sie, dass diese drei Länder zusammen der Sabotage, der Zersetzung und den Sanktionen der USA entgegenwirken können?

Keines dieser Länder ist derzeit in der Lage, venezolanisches Öl zu raffinieren. Das erschwert es ihnen, von Venezuela Zahlungen in Erdöl entgegenzunehmen. Einzig ein langfristig angelegter, im Voraus bezahlter Liefervertrag würde funktionieren. Und selbst dann — was würden China und Russland tun, wenn die USA einfach ihr Eigentum in Venezuela an sich rissen oder sich weigerten zuzulassen, dass Russlands Erdölunternehmen Citgo übernimmt? In diesem Fall wäre die einzige Antwort, US-Investitionen im eigenen Land als Kompensation zu beschlagnahmen.

Zumindest können China und Russland einen zu SWIFT alternativen Banken-Clearingmechanismus bereitstellen, so dass Venezuela das US-Finanzsystem umgehen kann und seine Vermögenswerte vor dem willkürlichen Zugriff durch US-Behörden oder Anleihegläubiger sicher sind. Und selbstverständlich können sie auch das Gold, das Venezuela aus New York und London zurückbekommt — wie viel auch immer das sein mag — sicher verwahren.

Vorausschauend müssen China, Russland, Iran und andere Länder deswegen einen neuen internationalen Gerichtshof gründen, der sich mit der zu erwartenden diplomatische Krise und deren finanziellen und militärischen Konsequenzen befasst. Ein solcher Gerichtshof — mit seiner assoziierten internationalen Bank als Alternative zu US-gesteuertem IWF und Weltbank — bedarf einer klaren Ideologie, um einen Rahmen für die Prinzipien nationaler Selbstständigkeit und internationaler Rechte zu schaffen, die ihn ermächtigen, seine Urteile umzusetzen und zu vollstrecken.

Damit würden US-Finanzstrategen vor eine Wahl gestellt: Wenn sie weiterhin den IWF, die Weltbank, die Welthandelsorganisation und die NATO als verlängerten Arm einer zunehmend aggressiven US-Außenpolitik betrachten, werden sie damit riskieren, die USA zu isolieren. Europa wird sich dann entscheiden müssen, ob es weiterhin ein wirtschaftlicher und militärischer Satellit der USA bleiben möchte oder sein Glück mit Eurasien versuchen wird.

Dennoch berichtet Daniel Yergin im Wall Street Journal vom 7. Februar, dass China sich nach allen Seiten abzusichern versucht, indem es eine Hintertür-Verhandlung mit Guaidós Gruppe eröffnet hat. Offensichtlich verfolgen sie das Ziel, denselben Deal, wie man ihn bereits mit Maduros Regierung verhandelt hat, abzuschließen. Ein solcher Deal wird jedoch kaum in der Praxis eingehalten werden, wenn man die Feindseligkeit der USA gegenüber China bedenkt sowie Guaidós absolute Abhängigkeit von verdeckter Unterstützung durch die USA.

Venezuela bewahrte eine große Menge seines Goldes in Großbritannien und seines Geldes in den USA auf. Wie konnten Chavez und Maduro diesen Ländern trauen oder hatten sie keine Wahl? Gibt es realisierbare Alternativen zu New York und London oder sind sie noch immer die einzige Option für die Zentralbanken der Welt?

Man hat der Bank of England oder der Federal Reserve nie wirklich getraut, aber es schien undenkbar, dass sie einem offiziellen Kontoinhaber verweigern würden, sein eigenes Gold abzuheben. Das übliche Motto ist „Vertraue, aber prüfe.“ Die mangelnde Bereitschaft oder auch Unfähigkeit der Bank of England, zu bestätigen, bedeutet, dass das ehemals Undenkbare eingetreten ist: Haben diese Zentralbanken das Gold auf Termin im Post-London Gold Pool oder seinen Nachfolger-Rohstoffmärkten verkauft — in dem Versuch, den Preis niedrig zu halten, um den Schein eines solventen US-Dollar-Standards aufrecht zu erhalten?

Paul Craig Roberts hat beschrieben, wie dieses System funktioniert. Es gibt Terminbörsen für Währungen, Aktien und Anleihen. Die Federal Reserve kann ein Angebot über den Kauf einer Aktie in drei Monaten zu, sagen wir, 10 Prozent über dem aktuellen Kurs machen. Spekulanten kaufen daraufhin die Aktien und treiben dabei den Preis in die Höhe, damit sie vom Versprechen „des Marktes“, die Aktien zu kaufen, profitieren können. Wenn dann also die drei Monate vergangen sind, wird der Preis gestiegen sein. So hat das US „Plunge Protection Team“ (Arbeitsgruppe des US-Präsidenten zu den Finanzmärkten, Anmerkung der Übersetzerin) den US-Börsenmarkt gestützt.

Das System wirkt auch anders herum, um die Goldpreise niedrig zu halten. Die Zentralbanken im Besitz von Gold können sich zusammentun und anbieten, in drei Monaten Gold zu einem niedrigen Preis zu verkaufen. „Der Markt“ wird feststellen, dass es unsinnig wäre, jetzt noch mehr Gold zu kaufen und damit den Preis in die Höhe zu treiben, wenn es bald Gold zu niedrigeren Preisen gibt. So beeinflusst der Termingeschäfte-Markt den heutigen Markt.

Nun stellt sich die Frage, ob Gold-Ankäufer — so zum Beispiel die russische und chinesische Regierung — so viel Gold gekauft haben, dass die US-amerikanische Federal Bank und die Bank of England tatsächlich ihre Terminverkäufe „ausgleichen“ mussten und kontinuierlich ihr Gold aufgebraucht haben?

In diesem Fall hätten diese in den Tag hineingelebt und dabei die Goldpreise so lange wie möglich niedrig gehalten. Dies wohl wissend, dass die USA, wenn die Welt eines Tages zum Goldtauschstandard von vor 1971 zurückkehrt, schließlich kein Gold mehr besitzen und unfähig sein würden, ihre Militärausgaben im Ausland aufrecht zu erhalten — ganz zu schweigen von ihrem Handelsdefizit und ausländischen Disinvestitionen in den Börsen- und Anleihemärkten der USA. Mein Buch über den Super-Imperialismus erklärt, warum die USA gezwungen waren, den Vietnam-Krieg zu beenden: Sie besaßen kein Gold mehr. Dieselbe Logik ist heute auf das riesige US-Netzwerk von Militärstützpunkten auf der ganzen Welt anwendbar.

Die Weigerung von England und den USA, Venezuela auszubezahlen, bedeutet, dass ausländische offizielle Goldreserven zur Geisel US-amerikanischer Außenpolitik werden können und sogar zur Geisel von Urteilen US-amerikanischer Gerichtshöfe, wenn diese beschließen, das Gold an ausländische Gläubiger auszuhändigen oder wer auch immer entsprechend dem US-Gesetz ein Verfahren gegen diese Länder anstrengt,

Diese Geiselnahme macht deutlich, dass andere Länder dringend eine tragfähige Alternative entwickeln müssen — vor allem, weil die Welt nun „ent-dollarisiert“; eine Golddevisenwährung ist die einzige Möglichkeit, das militärisch verursachte Zahlungsbilanzdefizit der USA oder jedes anderen Landes, das sich auf einen Militärschlag vorbereitet, zu zügeln. Ein Militärimperium ist sehr teuer — und Gold ist eine „friedliche“ Beschränkung von militärisch verursachten Zahlungsdefiziten. Die Details werden in meinem Buch Super Imperialism: The Economic Strategy of American Empire (1972), auf Deutsch aktualisiert in Finanzimperium (2017), genauer dargelegt.

Die USA haben sich bei der Zerstörung der dollarzentrierten globalen Finanzordnung verzockt. Diese Ordnung hatte es den USA ermöglicht, die „einzigartige Nation“ zu sein, die es sich erlauben konnte, Zahlungsbilanzdefizite und Schulden im Ausland anzuhäufen, die sie nicht die Absicht hat — oder nicht in der Lage ist — zurückzuzahlen. Sie behaupten, dass die Dollars, die ihre Militärausgaben im Ausland abwerfen, diese Länder mit ihren Zentralbankreserven „versorgen“ — in Form von Anleihen an das US-Schatzamt, also Schatzanweisungen und kurzfristigen Schatzwechseln, die das US-Haushaltsdefizit und die US-Militärausgaben sowie das größtenteils militärische Zahlungsbilanzdefizit finanzieren.

Berücksichtigt man, dass die EU sich wie eine Filiale der NATO und des US-Bankensystems verhält, müsste oben genannte Alternative bedeuten, sich der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit anzuschließen und das Gold in Russland und/oder China aufzubewahren.

Was können andere lateinamerikanische Länder wie Bolivien, Nicaragua, Kuba und vielleicht auch Uruguay und Mexiko tun, um Venezuela zu unterstützen?

Das Beste, was lateinamerikanische Nachbarländer tun können, ist, sich an der Schaffung eines Instrumentes zur Förderung der Ent-Dollarisierung zu beteiligen und damit auch an der Schaffung einer internationalen Institution, die die Schuldenabschreibung von Ländern überwacht, die ihre Schulden nicht zurückzahlen können — und dies ohne Austeritätsmaßnahmen und damit ohne die Zerstörung ihrer Wirtschaft.

Wir brauchen auch eine Alternative zur Weltbank, die Kredite in der einheimischen Währung vergibt, in erster Linie, um Investitionen in die heimische Nahrungsmittelproduktion zu subventionieren. Dadurch könnte man die Wirtschaft gegen ausländische Lebensmittelsanktionen absichern — das Äquivalent zu einer militärischen Belagerung, die eine Kapitulation durch Hungersnot herbeiführen möchten. Diese Weltbank für wirtschaftliche Beschleunigung würde die Entwicklung der Autarkie ihrer Mitglieder an erste Stelle setzen, anstatt einen Exportwettbewerb zu fördern und gleichzeitig Kreditnehmer mit Auslandsschulden zu belasten, die sie anfällig für die Art finanzieller Erpressung machen, wie Venezuela sie gerade erlebt.

Als römisch-katholisches Land könnte Venezuela päpstliche Unterstützung für eine Schuldabschreibung und eine internationale Institution erbitten, die die Zahlungsfähigkeit von verschuldeten Ländern überwacht, ohne Austerität, Abwanderung, Entvölkerung und eine erzwungene Privatisierung des Gemeingutes aufzuerlegen.

Zwei internationale Prinzipien sind vonnöten. Erstens sollte kein Land gezwungen werden, seine Auslandsschulden in einer Währung wie dem Dollar oder seinen Satelliten — zu bezahlen, deren Bankensystem so handelt, dass Zahlungen verhindert werden.

Zweitens sollte kein Land verpflichtet werden, Auslandsschulden auf Kosten seiner innerstaatlichen Autonomie abzubezahlen — dazu gehören das Recht, die Außenpolitik selbst zu bestimmen, Steuern aufzuerlegen und eigenes Geld zu schöpfen. Außerdem sollte kein Land dazu gezwungen werden, öffentliche Güter zu privatisieren, um Auslandsschulden zu begleichen. Jede Verschuldung dieser Art ist ein „fauler Kredit“, der die Verantwortungslosigkeit des Gläubigers widerspiegelt, — oder, schlimmer noch, bösartige Aneignung von Vermögenswerten in einer Zwangsvollstreckung, die Ziel und Sinn des Darlehens war.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten!


The Saker ist das Pseudonym eines Bloggers und vielsprachigen Analysten, der sich vor allem mit dem Nahen Osten und Russland auseinandersetzt und unter http://thesaker.is/ schreibt.

Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Saker interview with Michael Hudson on Venezuela, February 7, 2019“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.

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