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Cogito, ergo: dumm

Cogito, ergo: dumm

Der Run auf die künstliche zeugt von einem fundamentalen Mangel an natürlicher Intelligenz.

Der kardinale Irrtum der Moderne ist die über weite Strecken unbewusste Identifikation des Menschen mit seinem Verstand, dem Denken, der Ratio, der kleinen ewig ratternden Stimme im Kopf. In Stein gemeißelt hat diese Haltung Gestalt angenommen in den Worten von René Descartes: Ich denke, also bin ich. Oder besser noch: Cogito, ergo sum, denn wer will da schon widersprechen, wenn eine Weltweisheit auf Latein daherkommt. Descartes‘ Argumentation in all ihrer Schlichtheit war etwa so: Selbst wenn man alles anzweifelt, die Wirklichkeit der Welt, die eigenen Wahrnehmungen, ja sogar das Denken selbst, so könne man doch nicht daran zweifeln, dass man zweifelt. Von daher: Ich denke, also bin ich!

Der Irrtum über Eisen im Spinat hielt sich fast fünfzig Jahre, die Descartes'schen Identitätskoordinaten verherrlichen wir nun schon Jahrhunderte, und sie werden dadurch doch nicht richtiger. Der Irrtum, die banale Pointe liegt darin, dass Zweifeln streng genommen eben kein reines Denken mehr ist. Denn der Zweifel im eigentlichen Sinne entsteht schließlich erst oder gerade da, wo das Denken sich an einer anderen Ebene bricht, etwa den Gefühlen oder der Welt der sinnlichen Erfahrungen. Jedoch — ähnlich einer Schnecke, die sich in ihr Haus verkriecht — zog sich Descartes — und mit ihm die akademische Welt an sich — in die Domäne des puren begrifflichen Denkens zurück.

Ja, mit der Verankerung des Seins im Denken hat der französische Philosoph im Grunde jenen ominösen festen Punkt markiert, mit dem sich sprichwörtlich die Welt aus den Angeln heben lässt. Der Vorteil dieses ontologischen Kopfstands liegt auf der Hand: Der so begründete Rationalismus kann beziehungsweise soll ja sogar stets nur den subjektiv völlig ungefärbten kleinsten gemeinsamen Nenner hervorbringen, auf dass die Forscher zukünftiger Generationen auf alle Tage friedlich in ihrer Cafeteria sitzen können, ohne je in einen wirklich grundlegenden Konflikt zu geraten. Der moderne wissenschaftliche Betrieb war so geboren. Heile Welt am Arbeitsplatz: So treibt man gerne sanft dem wohlverdienten Ruhestand entgegen.

Wissenschaft — wie wenig Zauber liegt in diesem Wort

Die abstrakte Naturwissenschaft brachte alsbald allerlei erstaunliche Erkenntnisse hervor über die Welt im Großen wie im Kleinen und in der Welt der Technik natürlich im Besonderen. Standen wir mit Descartes seinerzeit am Abgrund zur Moderne, so sind wir heute natürlich längst einen riesigen Schritt weiter. Und selbst wenn das veranschlagte Ziel — die Welt aus den Angeln zu heben — bis dato noch nicht vollständig erreicht ist, so muss das kein Grund zur Betrübnis sein. Wir sind auf einem guten Weg, und was nicht ist, kann auf jeden Fall noch werden.

Legion ist mittlerweile jedenfalls die Zahl jener, die alles geben, um das große Werk voranzutreiben, und ein identitätsstiftendes Branding hat die Bewegung inzwischen ebenfalls: MINT — so soll das Lutschbonbon der Zukunft schmecken; MINT für Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Doch viele fühlen sich bekanntlich berufen, und nur wenige sind auserkoren. Und so hat kaum jemand den materialistischen Reduktionismus, den ontologischen Nihilismus, ja, den atheistischen Fundamentalismus zu solcher Meisterschaft geführt wie der inzwischen berühmt-berüchtigte Eliteclub der Skeptiker.

Unser aller Hochachtung gebührt dieser exklusiven Loge der neuen Rechthaber, jeder einzelne von ihnen ein stickstoffgekühlter Thinktank vom Schlage eines Captain Spock im Raumschiff Enterprise. Mit solchen Experten sind wir für die neue Zeit gerüstet, mit dieser Riege auf der Kommandobrücke segeln wir gerne in Welten, wie sie nie zuvor ein Mensch je sehen wollte.

Und nun, im Jahr des Herrn 2020, hat der Fluss des Lebens tatsächlich diese historische Engstelle erreicht. Plötzlich wird der bis gestern noch im gemächlich fließenden Amazonas arglos dahintreibende Mensch von zwei äußerst rauen Ufern ruppig in die Zange genommen. Über den Klippen beiderseits der vor ihm liegenden Passage prangen in großen Lettern die Worte: BigTech und BigPharma.

Das Jahrhundert der Biotechnologie

Die Biologie war einst eine niedliche kleine Wissenschaft, in der man Blätter und Blüten zwischen Buchseiten gepresst und Käfer unter rund geschliffenen Glasscheibchen bestaunt hat. Jene unschuldigen Zeiten sind leider lange vorbei, und seither ist das Fach erst zur Mikro-, dann zur Molekularbiologie mutiert und hat nun als Biotechnologie auf die akademische Überholspur gewechselt, um etwa die Physik als prägende Disziplin der Zeit abzulösen.

Es ist eine unbequeme Wahrheit, aber ähnlich der Physik um 1900 sind Biotech und Genschnipselei heute im Grunde gerade erst aus dem Ei geschlüpft und machen die ersten gymnastischen Dehnübungen. Mit entsprechender Naivität wurde so etwa Glyphosat über Jahre quasi als leckere Limonade für Blumen angepriesen, und die aktuell entwickelte genbasierte Impfung, die menschliche Zellen als Bioreaktoren in Betrieb nimmt, wird uns in Kürze wohl als „kleiner Stich für den Menschen, aber großer Schritt für die Menschheit“ verkauft werden.

Ist der Damm der ethischen Bedenken — wie oldschool kann man sein? — dann erst einmal gebrochen, eröffnet sich den Kreationisten von morgen eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten. Und wie einst bei den Kernphysikern steht zu befürchten, dass auch die Nachfolger der Blütenzupfer und Käferzähler keine Ruhe geben werden, bis sie sich ihre eigene Atombombe gezimmert haben — wie die dann auch immer aussehen mag. Und irgendein Dürrenmatt der Zukunft wird dann wohl eine Hohn- und Spottkritik mit dem Titel „Die Biotechniker“ schreiben müssen. Obwohl, wenn man es recht bedenkt, wäre dies natürlich auch schon wieder ein historischer Stoff. Mary Shelleys „Frankenstein“ erschien schließlich bereits im Jahr des Herrn 1818, und sieh mal an — ein Zwillingsjahr, geradeso wie heute! Na, wenn uns das nicht mal zu denken gibt ...

Wollt ihr die totale Digitalisierung?

Alle Macht geht vom Virus aus — so hieß es zuletzt treffend, und, ja sicher, vorläufig stimmt das natürlich. Doch das ist nur vorübergehend. Das eigentliche Paradigma der neuen Legalität soll anscheinend bald schon lauten: Alle Macht dem Mikrochip!

Gilt aktuell noch die Buchstabenfolge der Corona-RNA als oberster Gesetzestext, so werden am Ende womöglich Nullen und Einsen das Volk als Souverän ablösen. Das weltumspannende digitale Netz, die Krake Internet, Robotik und Künstliche Intelligenz setzen an, das analoge Leben im Stile eines Überfallkommandos komplett zu unterwerfen und die ausladenden Baumwipfel individueller Freiheit zu einem kompakten kleinen Bonsai zurechtzustutzen. Ganz nach dem Motto: quadratisch, praktisch, gut.
Es ist denkwürdig — und ich füge hinzu, dass ich nur unter Schmerzen die Kanzlerin zitiere, aber vielleicht war es der letzte Satz, den sie noch in Manier eines Staatsmanns gesagt hat, und das war bereits 2013: „Das Internet ist für uns alle NEULAND.“

Hohn und Spott war damals die Reaktion der Medien, und in der digitalen Gemeinde, welche wähnte, die Macht der Logarithmen souverän am Zügel zu führen, hatte man nur ein mitleidiges Lächeln für diesen Rest von ... Besonnenheit. Damals muss in der kleinen Angela der Glaube an die Institutionen verloren gegangen sein. Und dann erschien da eines Tages dieser Christian — klar, dass er die orientierungslose alte Frau so leicht kidnappen konnte ...

Das Herz der Finsternis

Im Grunde gibt es nur eine rationale Erklärung für 2020: Der ganze Corona-Wahnsinn muss in Wirklichkeit der Bond-Film sein, der nicht in die Kinos kam. Und wie üblich in der mittlerweile so angestaubten Agentenfarce: Die Rolle des Weltzerstörers wird mal wieder von einem Deutschen gespielt. Diesmal ist es der unwiderstehlich unsympathische Klaus Schwab, Begründer und Chef des Davoser Weltwirtschaftsforums, der den Globus unterwerfen will.

Als grotesk historischer Kontrapunkt zu seinem Namensvetter Gustav und dessen legendären „Sagen des klassischen Altertums“ hat sich der weltentrückte Klaus in den Schweizer Jetset-Alpen fantasievoll die Mythen unserer goldenen Zukunft zusammengesponnen. Sein durchweg in orwellschem Neusprech verfasstes Opus Magnum „The Great Reset“ entpuppt sich nach Entschlüsselung des einschlägigen Gegenteilcodes als zünftiges Planeten-Umstülpungspamphlet, ja als Zeugnis von veritablem Größenwahn, mit dem Potenzial, Hitlers „Mein Kampf“ als Unschrift der Geschichte Konkurrenz zu machen. Nie zuvor hatten die Worte Helmut Schmidts einen passenderen Adressaten: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!“

Das Neusprech in Schwabs geistigem Parabelflug beginnt bereits im Titel. So geht es natürlich keineswegs um ein großes Zurücksetzen — „Reset“ — der Wirtschaft, sondern ganz im Gegenteil um einen derben Schubs nach vorn, hinein in eine Zukunft, über die niemals irgendein Volk demokratisch abgestimmt hat. Es geht um eine abenteuerliche, ja haarsträubende Mega-Transformation der ökonomischen und sozialen Strukturen, wie sie über Jahrhunderte Bestand hatten, und — oh Wunder der Ironie, welch Treppenwitz der Geschichte — eben jenes merkelsche NEULAND ist es wohl, in dem wir uns fortan gefälligst heimisch fühlen sollen.

Der Himmel wird uns auf den Kopf fallen

Bei der anstehenden vierten industriellen Revolution, so Schwabs steile These, gehe es nicht darum, wie wir Dinge tun. Vielmehr seien wir es diesmal selbst, die verändert würden. Unverblümt deutet Schwab damit an, wofür sein Herz schlägt: den noch bis vor kurzer Zeit eigentlich nur milde belächelten Transhumanismus.

Es geht, salopp gesagt, um die Symbiose, um die Verschmelzung von Mensch und Maschine auf individueller wie auch auf gesellschaftlicher Ebene — und ohne Rücksicht auf etwaige Reste von Sentimentalität und Gefühlsduselei —, den Chip unter der Haut, die Computer-Hirn-Schnittstelle, die Bargeldabschaffung, 5G, Impfungen als die multiple bio-technische Optimierung des ach so mangelhaft geborenen Menschenwesens. Und der religiöse Glaube wird hierbei nicht mal abgeschafft, lediglich eine minimale Neujustierung der spirituellen Ausrichtung gehört zum Programm: Die Theosphäre wird zur Technosphäre.

Der Transhumanismus ist für uns alle NEULAND

Darf man das wenigstens noch sagen? Und wenn ja, wie lange noch?! Schließlich sieht manch ein Freak der Szene die Welt an einem Punkt, an dem es gelte, den analogen Menschen als Affen von heute hinter sich zu lassen, um als Menschmaschine, als Cyborg, eine neue Ära der Evolution einzuläuten.

Eine vollkommen neue Form von Spaltung scheint damit vorprogrammiert. Auf der einen Seite die Schar zukunftsgläubiger Technojünger, auf der anderen Seite ein kleines gallisches Dorf unbelehrbarer Humanreaktionäre. Ja, ein neuer faschistischer Wahn von Über- und Untermenschen, ein Rassismus 2.0, steht wohlmöglich in diesen Tagen bereits auf der Türschwelle des Planeten, und Dürrenmatt scheint sich auch hier zu bestätigen: „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.“

Der neue Übermensch

Ringen ist eine Sportart, die zurzeit nicht gerade Hochkonjunktur hat — der Mindestabstand ist einfach sehr schwer einzuhalten. Doch die meisten werden immerhin noch wissen, gerungen wird in drei verschiedenen Stilen: griechisch, römisch und faustisch. Das Besondere am faustischen Ringen: Der Athlet kämpft mit sich selbst, und gewonnen hat, wer es schafft, sich an den eigenen Beinen in die Luft zu heben. Zugegeben, eine Königsdisziplin — nur für wahre Meister zu empfehlen, und selbst von denen scheitert fast jeder, alle eigentlich. Doch diesmal — mit Schwab und Konsorten an der Seite —, da bin ich mir sicher, kann es für uns alle nur eine Antwort geben:

WIR SCHAFFEN DAS!

Epilog

Es gibt eine Antithese zu Descartes‘ geistigem Kurzschluss: Der Verstand ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.

Das klingt reichlich bieder in unseren modernen Ohren, eher nach Volksweisheit, und Latein ist auch nicht im Angebot. Dafür haben diese Worte Goethes aus dem „Faust“ einen entscheidenden Vorteil: Sie sind die reine Wahrheit. Doch statt ein Mal in der Geschichte zur Besinnung zu kommen, spielen wir lieber die nächste Runde Zauberlehrling, bis es wieder heißt: „Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los.“

Wie also hier enden, wie also hier anders enden, als die Schlussworte eines Meisterwerks einer gerade endgültig ausklingenden Epoche illusionslos abzuwandeln:

Alles Vergängliche
ist nur ein Gleichnis.
Das Unzulängliche,
hier wird’s Ereignis.
Das Unbeschreibliche,
hier geht es ab,
das logisch Heidnische
zieht uns hinab.

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