Um die Bedeutung dieses Schrittes zu verstehen, muss man ins Jahr 1944 zurückblenden, als in Bretton Woods die wirtschaftliche Nachkriegsordnung ausgehandelt wurde. Mit einem Trick gelang es den USA, den Dollar mit Gold gleichzusetzen. Die Delegierten unterschrieben am Ende der Konferenz nicht den fertigen Vertrag, sondern nur Blätter mit gepunkteten Linien, wie John Maynard Keynes später schrieb (zitiert nach Georg Zoche: Krieg und Geld, swissfuture, Nr. 2/2013, S. 24-30). Im bereinigten Dokument, welches das amerikanische Konferenz-Sekretariat ein paar Wochen später den beteiligten Staaten schickte, war das Wort «Gold», das als Deckung des neuen Weltwährungssystems vorgesehen war, durch «Gold oder Dollar» ersetzt worden. Damit machten die USA den Dollar zur globalen Reservewährung, von der man eigentlich nie genug haben konnte. Sie setzten zudem das Konzept der Leitwährung um, mit dem die Nazis 1940 in Erwartung eines baldigen Sieges die wirtschaftliche Hegemonie sichern wollte.
Die Regelung ermöglichte es den USA, beliebig Dollars zu drucken, solange sie ihre Währung zum Kurs von 35 Dollar pro Unze in Gold konvertierbar hielten. Die wachsenden Handelsbilanzdefizite und vor allem die hohen Kosten der imperialen Politik und des Vietnamkriegs nährten die Zweifel an der Fähigkeit der USA, ihre Verpflichtungen einzuhalten. 1971 lagen die US-Goldreserven noch bei 17 Prozent der Verbindlichkeiten (Yanis Varoufakis: Der globale Minotaurus. 2012. S. 117.). Anfangs August 1971 schickte der französische Präsident Georges Pompidou ein Kriegsschiff nach New Jersey, um Dollars gegen Gold aus Fort Knox einzutauschen, und wenige Tage später, am 15. August war es um den Vertrag von Bretton Woods geschehen: Präsident Nixon erklärte, der Dollar sei nicht mehr in Gold konvertibel.
Die Gefahr – aus Sicht der Amerikaner – war gross, dass der Dollar damit auf seinen realen Wert sinken könnte, nämlich auf das, was man damit in den USA kaufen konnte. Um einem Sturz ihrer Währung zu verhindern, mussten die Amerikaner den Bedarf nach Dollars hoch halten. Nixons Sicherheitsberater Henry Kissinger gelang dies, indem er Saudi-Arabien 1973 dazu brachte, sein Öl nur noch gegen Dollar zu verkaufen und die Überschüsse in US-Staatspapieren anzulegen. Als Gegenleistung verpflichteten sich die USA zu militärischem Schutz und Waffenlieferungen. Bis 1975 gingen alle in der OPEC vereinigten Ölförderstaaten dazu über, ihr Öl nur noch gegen Dollar zu verkaufen. Weil sämtliche Staaten Erdöl und damit auch Dollars brauchen, konnten sie ohne grosse Bedenken Dollar-Reserven anhäufen, was es den USA ermöglichte, ihre imperiale Politik fortzusetzen und sie mit Schulden in der Gestalt frisch gedruckter Dollars zu finanzieren.
Die Situation war für die USA zwar komfortabel, aber auch gefährlich, denn sie steckten in einer Falle, die bereits 1959 als «Triffin-Dilemma» bekannt wurde, benannt nach dem belgisch-amerikanischen Ökonomen Robert Triffin, das er in seinem Buch «Gold and the Dollar Crisis – the Future of Convertibility» (Yale University Press, 1961) beschrieb. Beim Triffin-Dilemma geht es um Folgendes: Damit der Dollar als Welthandels- und Reservewährung überhaupt funktionieren kann, muss er auch ausserhalb der USA in genügender Menge vorhanden sein. Das ist nur möglich, indem sich die USA verschulden, d.h. mehr Waren importieren als exportieren und mit frisch gedruckten Dollars bezahlen. Auf der anderen Seite ist eine Währung nur stabil, wenn das Land, das sie herausgibt, eine ausgeglichene Leistungsbilanz ausweist. Das kann natürlich auf Dauer nicht gut gehen: «Ob es eine Chance gibt», schrieb Triffin in seinem Buch, «diese Probleme rechtzeitig genug zu bewältigen, bevor eine grössere Krise des internationalen Währungssystems erfolgt, ist eine ganz andere Frage, die nur die Geschichte allein beantworten kann und beantworten wird.»
Die Gefahr für den Dollar besteht in einem immanenten Vertrauensverlust, denn er besteht im Wesentlichen aus Schulden, die nicht bezahlt werden können. Die USA haben eine grössere Krise ihrer eigenen Währung durch einige geschickte Manöver, loyale Verbündete wie Japan, Deutschland und Grossbritannien und vor allem durch eine rigorose Verteidigung des Petrodollars als alleiniger Handelswährung für Erdöl verhindern können. Mit welchen Mitteln, das zeigen die Beispiele von Ländern, die Erdöl auch gegen andere Währungen verkaufen wollten oder dies immer noch tun: Irak, Iran, Libyen, Russland, Venezuela. Wer sich der Dollar-Hegemonie entgegenstellt, lebt gefährlich.
Neu an dem chinesischen Versuch, die Dollar-Dominanz zu brechen, ist die Tatsache, dass er von einem Erdölimporteur und von einem Land auf Augenhöhe lanciert wird, das die USA nicht so einfach disziplinieren können. China handelt nicht aus wirtschaftlicher Not, sondern höchstwahrscheinlich aus langfristiger Strategie, verfügt es doch über riesige Dollar-Reserven, könnte die Importe locker in Dollar bezahlen und müsste kein neues Zahlungsmittel aufbauen. Aber es will den Yuan zu einer globalen Währung ausbauen, die nicht nur im direkten Handel mit China in Gebrauch ist. Und es handelt nicht allein.
Als Wirtschaftsraum für diese Währung kommen zunächst die Länder der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in Frage, also China, Russland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan und seit kurzem Indien und Pakistan mit zusammen drei Mrd. Menschen oder rund 42 Prozent der Weltbevölkerung. Die anderen BRICS-Staaten Südafrika und Brasilien könnten folgen. Und auch für die OPEC-Staaten dürfte ein goldgedeckter Yuan attraktiv sein gegenüber einem Dollar, dessen Vertrauen im Wesentlichen nur noch von der US-Militärmacht aufrechterhalten wird. Worum es geht, machte der russische Präsident Putin am BRICS-Gipfel vom 5. September im chinesischen Xiamen klar: «Wir sind bereit, mit unseren Partnern zusammenzuarbeiten, internationale Finanzreformen voranzutreiben und die übertriebene Dominanz einer beschränkten Anzahl von Reservewährungen zu überwinden.» Das sind nette diplomatische Worte für die Dollar-Hegemonie, die zu mehreren Kriegen, einigen Regime-changes und wiederholten Schuldenkrisen führte.
Was der Versuch mit den Rohöl-Futures, die Ende Jahr eingeführt werden sollen, taugt, wird sich weisen. Gold-Kontrakte in Yuan, die im Juli in Hongkong eingeführt wurden, seien allerdings bis jetzt nur «mässig erfolgreich» erfolgreich gewesen, schreibt die Nikkei Asian Review. Die amerikanische Reaktion, obwohl nicht direkt gegen das neue Finanzinstrument gerichtet, ist auf jeden Fall äusserst heftig. So haben die USA China mit dem Ausschluss aus dem SWIFT-Zahlungssystem gedroht, wenn es die Sanktionen gegen Nordkorea nicht befolge. Ob sich die amerikanischen Drohungen gegen die vergleichsweise kleine nordkoreanische Gefahr richten oder nicht doch eher gegen die Gefährdung der Dollar-Hegemonie, ist Spekulation. China reagiert auf jeden Fall relativ gelassen. Der chinesische Botschafter sagte gemäss einem Bericht von CNBC, die USA sollten weniger drohen und stattdessen mehr auf Dialog und Verhandlungen setzen.
Doch die USA scheinen sich auf alles vorzubereiten. Bereits am 15. September 2016 wurde ein Treffen der US-Militärspitze bekannt, an dem zu Händen des Senats die Siegeschancen in einem grossen Krieg gegen China und Russland, also in einem Dritten Weltkrieg diskutiert wurden. Fazit: Die USA werden gewinnen, aber es wird wohl länger dauern als erwartet und vor allem mehr kosten (Bericht dazu auf New Eastern Outlook). Ob das nur ein Trick für mehr Geld für das Pentagon oder ein ernst gemeintes Planspiel war, ist schwierig zu beurteilen. Aber es zeigt doch, dass sich die USA in ihrer Existenz bedroht fühlen und offenbar bereit sind, auch die allerletzten Optionen in Betracht zu ziehen.
Wie mit kriegsbereiten Grossmächten umzugehen ist, die gar nicht mehr verhandeln wollen, dazu fehlt der Welt seit über 60 Jahren die Erfahrung. Wir müssen möglicherweise sehr schnell lernen.
Quellen: