Das Robert-Koch-Institut (RKI) berichtet seit Anfang März täglich über die Lage in Deutschland im Zusammenhang mit dem neuen Virus Sars-Cov 2 und der von ihm laut Weltgesundheitsorganisation WHO ausgelösten Krankheit Covid-19.
Die Angaben des Institutes und weitere sind die Grundlage, auf der die politischen Entscheidungsträger seit Anfang März deutliche Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens, bis hin zum Kontaktverbot, beschlossen haben und durch die Polizei durchsetzen lassen. Kritische Stimmen dazu werden von selbst von den tonangebenden Medien mit Hilfe vermeintlicher „Faktenchecks“ diffamiert.
Nun zeigen ausgerechnet Daten aus dem RKI selbst, dass Fragen zu der Darstellung der Lage und den politischen Schlussfolgerungen ebenso berechtigt sind wie Zweifel daran.
Dafür trägt unter anderem das „Epidemiologische Bulletin“ 15/2020 vom 2. April bei, herausgegeben vom RKI. Danach ist die Zahl der Teste auf Sars-Cov 2 im März auf 354.521 pro Woche (Stand 29. März, 13. Kalenderwoche) gestiegen. Das war das Dreifache der Teste zwei Wochen zuvor (etwa 127.457). Das war begleitet von einem zunehmenden prozentualen Anteil positiver Testergebnisse von 5,9 Prozent in der Kalenderwoche (KW) 11 auf 8,7 Prozent in der KW 13 (absolut von 7.582 auf 30.741).
Anstieg der Fallzahlen weniger stark?
Weiter heißt es, bis zum 29. März seien 918.460 Labortests erfasst worden, wovon 64.906 positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden wären. Die Autoren weisen darauf hin, „dass die Zahl der Tests nicht mit der Zahl der getesteten Personen gleichzusetzen ist, da in den Angaben Mehrfachtestungen von Patienten enthalten sein können“. Damit dürfte sich auch der Anteil der positiv getesteten Menschen noch einmal leicht relativieren. Die Zahlen stammen dem Bulletin nach von 168 Laboren der Universitätskliniken, Forschungseinrichtungen sowie von klinischen und ambulanten Laboren.
Ein weiterer Beitrag in dem Bulletin gibt eine spezielle laborbasierte Beobachtung der Sars-Cov-2-Ausbreitung wieder. Diese Analyse basiert auf einer 2008 eingeführten Kontrollreihe zu Antibiotika-resistenten Krankheitserregern (ARS). Darin ist zu lesen, dass, im Unterschied zu der gesamten Steigerung auf 8,7 Prozent in der KW 13, bei insgesamt gemeldeten 213.532 Testungen 7,7 Prozent positiv gewesen seien. Die bisher 48 beteiligten Labore nehmen freiwillig teil, heißt es, weshalb es keine repräsentative Stichprobe für die gesamte Bundesrepublik sei. Die Aussagekraft für einzelne Regionen sei unterschiedlich. Mehr als die Hälfte der Teste sei in Arztpraxen vorgenommen worden.
Auch bei der ARS-Reihe wurde festgestellt, dass die deutlich erhöhten Testzahlen ab Mitte März mit einem steigenden Anteil positiver Testergebnisse verbunden waren. Bis zum 29. März habe es Testergebnisse für 195.856 Personen gegeben, wobei 14.125 mehrfach getestet worden seien (7,2 Prozent). Eine beigefügte Grafik zeigt zwar einen Anstieg des Anteils positiver Testergebnisse von etwa 2,5 Prozent am 1. März auf etwa 10 Prozent am 29. März. Aber seit Mitte des Monats hat sich der Anstieg der positiven Ergebnisse deutlich verlangsamt.
Wie sicher kann sich Merkel sein?
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dagegen in ihrem Podcast am 3. April erklärt: „Das Coronavirus breitet sich immer noch mit hoher Geschwindigkeit in Deutschland aus.“ Deshalb sei es noch zu früh, die Regeln zu den Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens zu lockern. Ähnlich äußerte sie sich auf einer Pressekonferenz am Montag.
Laut dem RKI-Bulletin liegt das Durchschnittsalter der positiv getesteten Personen bei 50 Jahren, das der negativ Getesteten bei 42 Jahren. Bei den Männern seien 8,2 Prozent positiv getestet worden, bei den Frauen 5,9 Prozent.
Die Ergebnisse widersprechen anscheinend dem RKI, das zum Bundesgesundheitsministerium unter Jens Spahn (CDU) gehört, und der sich darauf stützenden Politik.
Die Zahlen entsprechen nicht der von dieser Seite verkündeten schnellen und hohen Ausbreitung des Virus und der von ihm laut Weltgesundheitsorganisation ausgelösten Krankheit Covid-19.
Ignoriert die Bundesregierung die Daten?
Das Online-Magazin „Multipolar“ stellt mit Blick auf das RKI-Bulletin vom 2. April nicht nur fest, dass dieses von den meisten bundesdeutschen Medien anscheinend ignoriert werde. Autor Paul Schreyer spitzte am Montag zu: Die Bundesregierung ignoriere grundlegende Daten. Die Auswertungen vom tonangebenden RKI selbst würden zeigen, „dass sich das Virus erheblich langsamer ausbreitet als behauptet“.
„Multipolar“ wird von den drei Journalisten Stefan Korinth, Paul Schreyer und Ulrich Teusch herausgegeben. Sie wollen nach eigenen Angaben „gründliche Analysen und pointierte Kommentare zu Politik und Gesellschaft anbieten – Texte, die im besten Fall über den Tag hinaus wirken“.
Der kritische Statistiker Gerd Bosbach hatte am 3. April im Online-Magazin „NachDenkSeiten“ „Schluss mit (der) Irreführung“ seitens der Politik gefordert:
„Mit der Verdreifachung der Tests ergab sich auch etwas mehr als eine Verdreifachung der positiv Getesteten. Diese Verdreifachung wurde den Bürgerinnen und Bürgern als Verdreifachung der Infizierten vorgeführt. Dabei ist nur der etwas überproportionale Anstieg als Tempo der Übertragung interpretierbar. Und der wirkt weit weniger erschreckend. Wie viele aller Menschen in Deutschland an Covid-19 erkrankt sind oder vom Erreger befallen sind, das ist aus diesen Zahlen leider überhaupt nicht ableitbar.“
Weiß niemand die Wahrheit?
„Multipolar“-Autor Schreyer zitierte in dem Zusammenhang Gerd Antes, Experte für Statistik und Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg. Dieser hatte in einem Interview mit dem Magazin „Der Spiegel“ am 31. März erklärt:
„Wenn in Deutschland plötzlich viel mehr getestet wird, findet man zwangsläufig auch mehr Infizierte. Ob sich wirklich mehr Menschen angesteckt haben, weiß man dann aber nicht.“
Antes sagte dem Magazin: „Die Corona-Fälle, von denen wir jeden Tag im Fernsehen und Radio hören, beschreiben, wer positiv auf das neue Virus getestet wurde. Wie viele Menschen sich tatsächlich infizieren, wissen wir dagegen nicht. Die Schätzungen variieren extrem.“
Diese Streuung sei „ein sicheres Zeichen, dass niemand auch nur ungefähr weiß, wo die Wahrheit liegt.“ Deshalb könne „nur sehr grob“ abgeschätzt werden, wann und in welchem Umfang die Krankenhäuser mit schwer Erkrankten rechnen müssen. Der Statistiker meint auch: „Die Zahlenlücken bergen Risiken in beide Richtungen. Es ist ein sehr schmaler Grat zwischen Alarmismus auf der einen und Verharmlosung auf der anderen Seite.“
Er habe derzeit „das Gefühl, dass die Zahlen eher überschätzt werden und wir mehr Vertrauen haben können, dass die derzeitigen Maßnahmen wirken und das deutsche Gesundheitssystem ausreichend vorbereitet ist auf die Infizierten, die es geben wird“.
Gehen Atemwegserkrankungen insgesamt zurück?
Immer wieder wird davon gesprochen, dass weiterhin mit zahlreichen schwer Covid-19-Erkrankten zu rechnen sei. Deshalb müssten weiterhin viele Intensivbetten in Krankenhäusern und Kliniken freigehalten und neu geschaffen werden, vor allem mit Beatmungsgeräten. „Die Symptomatik von Patienten mit Covid-19 ist unspezifisch, und ähnelt der vieler anderer respiratorischer Erkrankungen“, erklärt das RKI selbst in seinen Unterlagen „Hinweise zu Erkennung, Diagnostik und Therapie von Covid-19 Patienten“.
Diese Erkrankungen heißen „Akute respiratorische Erkrankungen“ (ARE) und haben als Symptome Fieber oder Husten oder Halsschmerzen. Daneben gibt es laut RKI die grippeähnlichen Erkrankungen (influenza-like illness – ILI) mit Fieber und Husten bzw. Halsschmerzen. „Somit gehören alle ILI auch zu den ARE“, so das Institut.
Doch in seinem „Epidemiologischen Bulletin“ 16/2020, das am 3. April online veröffentlicht wurde, ist von Wissenschaftlern des regierungsfinanzierten Instituts unter Leitung des Tiermediziners Lothar Wieler von einem „abrupten Rückgang der Raten an Atemwegserkrankungen in der deutschen Bevölkerung“ zu lesen.
Interessante Daten von Politik ignoriert?
Das klingt erstaunlich, da die von Sars-Cov 2 laut WHO ausgelöste Covid-19-Krankheit eben dazu gezählt wird und angeblich immer mehr Menschen davon betroffen sind. Zudem kann laut dem Bulletin wegen Zeitverzugs der Daten noch nicht eingeschätzt werden, welchen Einfluss die Einschränkungen für die Bürger seit dem 9. März auf den Verlauf habe.
Dagegen haben die RKI-Wissenschaftler festgestellt, dass die ARE-Raten seit der 10. KW (2.3. – 8.3.2020) „stark gesunken sind“. Diese Entwicklung sei sowohl bei Kindern (bis 14 Jahren) und bei den Jugendlichen und Erwachsenen (ab 15 Jahren) zu verzeichnen. Sie fügen hinzu:
„Insbesondere bei den Erwachsenen ist ein so deutlicher Abfall der ARE-Raten über mehrere Wochen extrem ungewöhnlich und konnte in keiner der drei Vorsaisons verzeichnet werden.“
Eine ähnliche Entwicklung haben sie laut dem Bericht bei den ILI beobachtet, die ein Indikator für die jährliche Grippewelle sei. „Der überproportionale Rückgang der ILI-Raten im Vergleich zu den ARE-Raten bildet damit das durch die Maßnahmen beschleunigte Ende der diesjährigen Grippewelle ab.“ An dieser Stelle schreiben die Wissenschaftler, entgegen ihrer anfänglichen Einschränkungen, das gebe „einen klaren Hinweis darauf, dass die Distanzierungsmaßnahmen für die Verlangsamung der Ausbreitung von Atemwegserkrankungen wirksam sind“.
Nicht schlimmer als in den Vorjahren?
Die Statistikgrafiken in dem Bulletin zu den ARE- und ILI-Raten ermöglichen einen Vergleich zu den Daten der Erkältungssaisons 2017/18 und 2018/19. Dabei zeigt sich, dass der Anstieg dieser Erkrankungen trotz der Ausbreitung des neuen Coronavirus sich im Rahmen der Vorjahre hielt. Er liegt auch deutlich unter den Daten aus der Saison 2017/18. Die damals „tödlichste Grippewelle seit 30 Jahren“ hatte laut „Ärzteblatt“ rund 25.100 Menschen in Deutschland das Leben gekostet. Das Fachblatt berief sich dabei auf das RKI.
Warum die Atemwegserkrankungen hierzulande trotz der von der WHO am 11. März verkündeten Corona-Pandemie nicht deutlich angestiegen und dagegen so deutlich zurückgegangen sind, wird von den Wissenschaftlern nicht weiter erklärt.
„Multipolar“-Autor Schreyer bezeichnet es als „skandalös“, dass die Daten durch die Politiker ignoriert werden. Das gelte insbesondere, „weil die Regierung die beschlossenen Maßnahmen, wie Schul- und Geschäftsschließungen, Einschränkung der Bürgerrechte (Versammlungsverbot, ‚Kontaktsperre‘) weiterhin mit dem isoliert betrachteten Anstieg der Fallzahlen beziehungsweise der ‚Reproduktionszahl‘ rechtfertigt“.
Er fragt: „Was treibt die Regierung an?“ Die ist weiter nicht auf Exit-Kurs, wie die Kanzlerin am Montag erst erklärte. „Damit stellt sich in aller Schärfe die Frage, weshalb die Maßnahmen, die Tausende Unternehmen absehbar in den Konkurs führen und Millionen Familien an den Rand des Nervenzusammenbruchs, dennoch stur aufrechterhalten werden“, so Schreyer.
Wurde Kritiker online mundtot gemacht?
Er meint, dass den Regierungsverantwortlichen die Zusammenhänge bewusst sind und die also mit voller Absicht“ so handeln.
Eine Anfrage des Magazins an das Bundespresseamt, aufgrund welcher wissenschaftlichen Daten die Bundesregierung zur Einschätzung einer bedrohlich hohen Infektionsgeschwindigkeit gelangt ist, sei unbeantwortet geblieben, ebenso eine Anfrage an das Bundesgesundheitsministerium. Für Schreyer und andere bleibt die Frage:
„Wie angemessen sind die getroffenen Maßnahmen, angesichts der tatsächlich vorliegenden Zahlen?“
Kritische Stimmen zum Handeln der politischen Verantwortlichen und der sie beratenden Wissenschaftler wie die des Lungenarztes Wolfgang Wodarg werden ignoriert und diffamiert. Das Magazin „Der Spiegel“ warf ihm gar „gefährlichen Falschinformationen“ vor. Das führte unter anderem anscheinend dazu, dass Wodargs Webseite am Montag von der Betreiberfirma abgeschaltet wurde. Nach Protesten dagegen können inzwischen können wieder alle Interessierten nachlesen, die der sach- und fachkundige Mediziner seine Zweifel und Kritik begründet.
Redaktionelle Anmerkung: Der Artikel erschien zuerst auf SputnikNews.