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Auf der Suche nach dem mehrfachen Mehrwert

Auf der Suche nach dem mehrfachen Mehrwert

Künftig sollten nur noch Projekte unterstützt werden, die nicht nur finanziell, sondern auch ökologisch und sozial gewinnbringend sind.

Im Zuge der letzten Jahre ist die Aufmerksamkeit für den Klimawandel deutlich angestiegen. Kaum ein Gespräch unter Freunden, das sich nicht irgendwann um das Klima dreht. Und auch in der öffentlichen Diskussion ist das Thema plötzlich ganz oben auf der Tagesordnung. Endlich!

Auch die Klimaforscher haben plötzlich entdeckt, dass es einen Domino-Effekt gibt, der das Klima sehr rasch ändern könnte.

Ich habe in meinem abschließenden Bericht an das Sekretariat für Zukunftsforschung schon 1996 eingehend vor den selbstverstärkenden Effekten im Klimasystem gewarnt und dies in mehreren Artikeln noch einmal verdeutlicht. Zuletzt 2005 in einer Artikelserie für Telepolis mit dem Titel „Kommt das Jahrhundert der Jahrhundertkatastrophen?“:

Gleichzeitig habe ich damals in meiner Panik, dass unser Klimasystem tatsächlich „kippen“ könnte, einen Ansatz entwickelt, wie wir aus der selbstzerstörerischen Dynamik des ökonomischen Mehrwerts aussteigen können: indem wir die Ökonomie erweitern, von einem einfachen — immer nur individuell berechneten Mehrwert — zu einem mehrfachen Mehrwert.

Damals hatten wir im Sekretariat für Zukunftsforschung zahlreiche gute Ideen, wie wir eine nachhaltige Gesellschaft entwickeln können, und waren aktiv daran beteiligt, als das nördliche Ruhrgebiet zum „Emscher Park“ umgebaut werden sollte. Mit unseren Ideen stießen wir aber immer wieder gegen „ökonomische Betonmauern“. „Wer soll das bezahlen?“, war eine beliebte Frage, oder „Ihre Ideen sind gut, aber wenn ich das mache, bin ich in drei Monaten meinen Posten los“, sagte mir einmal ein Vorstandsvorsitzender einer großen Firma.

Oikos — die Lehre vom guten Haushalten

Dann fiel mir jedoch auf, dass sowohl Ökonomie wie auch Ökologie denselben Wortstamm haben: Oikos.

Befasst man sich einmal eingehender mit dem Unterschied zwischen Ökonomie und Ökologie, kommt man zu einem erstaunlichen Ergebnis: Beide sind im Grunde Lehren vom guten Haushalten.

Sowohl Ökonomie als auch Ökologie leiten sich etymologisch vom griechischen Wort Oikos ab. „Oikos“ ist das Haus oder der Haushalt, „Nomos“ ist die Lehre oder das Gesetz, Ökonomie ist also die Lehre vom guten Haushalten. „Logos“ ist der Sinn oder der Lehrsatz. Ökologie ist also ebenfalls eine Lehre vom guten Haushalten. Wo liegt da eigentlich der Widerspruch?

Ökonomie ist die Lehre vom eigenen Haushalten — was ist meins und wie kann ich es mehren? Ein Mehrwert oder Gewinn wird immer nur einer natürlichen oder juristischen Person zugeschrieben. Es ist tatsächlich nur ein individueller Gewinn.

Bei der Ökologie geht es um den Haushalt der Umwelt. Auch hier finden wir so etwas wie eine Kapitalbildung. Kompost ist ökologische Kapitalbildung. Die Natur schafft sich ihre idealen Bedingungen selbst, indem sie Rücklagen bildet. Der deutsche Wald erschafft etwa einen halben Meter Humus in 100 Jahren. Der Wald bildet also einen Kapitalstock, eine Rücklage, einen ökologischen Mehrwert. Die Prozesse in der Natur und in der Wirtschaft sind durchaus vergleichbar. Denn beide müssen sich letztlich gegen den entropischen Verfall wehren.

Auch im sozialen Bereich gibt es so etwas wie einen Mehrwertprozess. Es gibt Gruppen, die einem „mehr Wert“ geben, einen motivieren und beflügeln, andere saugen Energie bis hin zu einem sozialen Bankrott, der schließlich in der Auflösung der Gruppe endet.

Die Idee, die ich damals hatte: Umwelt, Mitwelt, Ichwelt und Innenwelt müssen jeweils getrennt betrachtet und bilanziert werden, damit wir zu einer umfassenden Betrachtung des tatsächlichen Mehrwerts kommen. Jedes Projekt oder Produkt muss also mindestens dreifach bilanziert werden: ökologisch, sozial, ökonomisch. Die innere Bilanz kann dann jeder für sich machen.

Diese Idee habe ich dann in meinem abschließenden Bericht an das Sekretariat für Zukunftsforschung in ersten Ansätzen entwickelt. Und gerade als ausgebildeter Wirtschaftsingenieur hat mich die Idee eines inneren Mehrwerts, eines inneren Reichtums, über die Jahre hinweg immer wieder fasziniert. Das kommt in der ökonomischen Lehre gar nicht vor, ist aber vielleicht doch wichtig in der Beurteilung der Güte eines Projekts oder einer Idee, wenn wir uns zu einer wirklich nachhaltigen Gesellschaft entwickeln wollen.

Mehrfacher Mehrwert im Prinzessinnengarten

Im Prinzessinnengarten habe ich dann 2011 eine Gruppe von Menschen gefunden, die bereits nach diesem Prinzip arbeitet. Der Prinzessinnengarten ist ein Urban-Gardening Projekt in Berlin Kreuzberg.

In wöchentlichen Treffen werden alle Projekte besprochen und gemeinsam entschieden. Dabei werden in allen Entscheidungen ökonomische, ökologische und soziale Aspekte möglichst gleich gewertet. Es wird also darauf geachtet, dass jedes Projekt tatsächlich einen mehrfachen Mehrwert hat. Auch der innere Mehrwert wird dort so gut wie möglich kultiviert. Letztlich ist natürlich jeder selbst dafür verantwortlich.

An einigen Beispielen will ich zeigen, wie ein mehrfacher Mehrwert erreicht werden kann.

1. Ökologischer Mehrwert

Das Kompost-Projekt

Kompost ist, wie schon erwähnt, der Rücklagen- oder Kapitalbildung in der Ökonomie vergleichbar. Kompost ist also der Inbegriff des ökologischen Mehrwerts.

Im Prinzessinnengarten arbeiten wir an einem Projekt zusammen mit der Freien Universität Berlin (FU-Berlin), bei dem Gemüsereste der Berliner Tafel zusammen mit Holzhackschnitzeln und Pflanzenkohle in einem etwa sechsmonatigen Prozess zu Komposterde verarbeitet werden. Dabei wird nicht nur Humus geschaffen, sondern gleichzeitig werden noch weitere ökologisch positive Effekte erreicht, wie mir Robert Wagner von der FU-Berlin erläuterte:

  • Kohlenstoffspeicherung durch Karbonisierung,
  • weniger Emissionen schädlicher Treibhausgase,
  • geringere Gewässerbelastung durch verminderten Austrag von beispielsweise Nitrat,
  • Zunahme der Kohlenstoffspeicherung im Kompost, weniger CO2-Emissionen,
  • Erhaltung und Aufbau der Humusschicht,
  • Torfersatz, Erhaltung der Moore als wertvolle Feuchtbiotope,
  • regionale Kreislaufschließung.

Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Ein nachteiliger Effekt ist allerdings noch der bisherige Dieselverbrauch und teilweise auch der Geruch bei der Kompostierung. Das ließe sich aber sicherlich noch effizienter und einfacher gestalten.

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Bild 1: Das Kompost-Projekt in Hellersdorf

Der Biomeiler

Ein weiteres Beispiel ist unser Biomeiler, den wir neben einem Gewächshaus auf dem Jerusalem-Friedhof in Berlin Neukölln aufgebaut haben.

Darin werden Holzhackschnitzel und ein wenig Grünschnitt zu einem Turm von etwa fünf Meter Durchmesser aufgeschichtet. Während des Aufbaus werden mehrere Lagen Wasserrohre in den Biomeiler eingelegt und der Biomeiler ständig gewässert, sodass das Holz schön nass ist und bald zu verrotten anfängt. Im Gewächshaus selbst haben wir eine Anzucht-Box — ein kleines Gewächshaus im Gewächshaus — gebaut, die im Frühjahr die Temperaturen bei etwa 20 Grad Celsius halten soll.

Der Biomeiler beginnt nun nach kurzer Zeit zu verrotten und es entstehen Temperaturen von etwa 50 bis 70 Grad Celsius, die wir mit einem kleinen solarbetriebenen Heizkreislauf in die Anzucht-Box führen. Dadurch kann schon einen Monat früher mit der Anzucht begonnen werden und die Pflanzen werden anschließend in unserem Laden verkauft.

Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Traditionell wird dies mit fossil betriebenen Heizungsanlagen gemacht. Wir nutzen hier nur die Verrottungswärme und eine Solarpumpe mit etwa 15 Watt, um die Anzucht im Frühjahr vor dem Frost zu schützen. Ohne fossile Energien. Und am Ende kann man die verrotteten Holzhackschnitzel auch wieder als Kompost nutzen.

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Bild 2: Der Biomeiler vor dem Gewächshaus auf dem Jerusalem-Friedhof in Neukölln

Postfossile Mobile

Als ich 2011 auf der Suche nach einer Werkstatt war, in der ich verschiedene Fahrzeuge bauen und ausprobieren kann, stieß ich auf den Radcontainer im Prinzessinnengarten. Dort helfen wir einmal pro Woche den Anwohnern, ihre Fahrräder gegen Spenden wieder flottzumachen. Für den Rest der Woche kann ich die Werkstatt nutzen, um eigene Ideen zu entwickeln, zu bauen und auf Alltagstauglichkeit zu testen.

Im Laufe der Jahre sind dabei einige interessante Prototypen entstanden. Besonders stolz bin ich dabei auf den SolarScooter, einen Tretroller mit Trethilfe — Pedelec —, mit dem ich schon Jahre vor der derzeitigen Tretroller-Manie durch Berlin gedüst bin.

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Bild 3: Der neue SolarScooter 2015

Der ökologische Mehrwert besteht hier vor allem in dem etwa 50-fach kleineren Gewicht des Rollers im Gegensatz zum Automobil. Dadurch wird nicht nur in der Herstellung nur etwa ein Fünfzigstel der Materialien benötigt, sondern der Roller braucht nur etwa ein Hundertstel der Energie eines Automobils beim Transport. Der ökologische Mehrwert besteht also vor allem in der Reduktion des Energie- und Materialverbrauchs um das Fünfzig- bis Hundertfache.

Gleichzeitig werden etwa achtzig bis neunzig Prozent der Anforderungen an ein Stadtmobil erfüllt: Reichweite bis etwa 40 Kilometer, schnelles Durchkommen ohne Stau, eine Transportmöglichkeit für Aktentasche und Einkauf, Wetterschutz, und zur Not kann man auch mal zu zweit auf dem Roller fahren. Falls es regnet, zieht man einfach einen Poncho über, die Solarzellen vorne schützen die Füße und Beine vor dem Regen. Und im Sommer tankt man einfach in der Sonne.

Jahre vorher hatte ich schon ein erstes Solarmobil entwickelt, mit dem ich drei Kinder und den Einkauf mit Motorhilfe durch die Stadt kutschieren konnte. Auch dieses Fahrzeug hat — bei wesentlich geringerem Energie- und Materialeinsatz — schon fast alle Anforderungen an eine Familienkutsche in der Stadt erfüllt.

Die Idee ist ganz einfach, Fahrzeuge zu entwickeln, die möglichst viele Autofahrer zum Umsteigen auf nachhaltigere Fortbewegungsmittel bewegen können und damit einen erheblichen ökologischen Gewinn zur Folge haben.

2. Sozialer Mehrwert

Leben ist Beziehung. Wir alle kennen das Mehr an Lebenskraft und Lebensfreude, wenn die Beziehungen zu den Mitmenschen positiv verlaufen. Dieses bezeichne ich als sozialen Mehrwert, den wir dringend auch in unsere Kalkulation mit einbeziehen müssen.

Die Leitlinie unseres Denkens und Handelns im Prinzessinnengarten kann vielleicht am besten mit den Worten des Freiheitskämpfers und späteren Präsidenten Uruguays, Pepe Mujica, beschrieben werden:

„Wir wollten eine perfekte Welt. Wir wollten, dass Menschen mehr zu essen, ein Dach über dem Kopf, bessere Gesundheit und Bildung haben. Nichts ist schöner als das Leben, und gleich danach kommt die Gesellschaft. Der Mensch braucht die Gemeinschaft. Er ist, anthropologisch gesehen, Sozialist.“

Wir brauchen die Gemeinschaft, den Austausch mit anderen. Besonders stark war dies immer an den Tagen der offenen Fahrradwerkstatt zu spüren. Oft haben wir nicht nur die Fahrräder wieder flottbekommen, sondern auch die Seelen zumindest ein wenig besänftigen können. Denn es kamen viele Menschen, die mittellos und — deshalb? — oft auch einsam waren.
Aber auch an den Gartenarbeitstagen oder den zahlreichen Workshops sind wir ein Anlaufpunkt des Beisammenseins. Das gemeinsame Gärtnern ist der Anlass für ein soziales Wachstum, das gemeinsame Erlebnis führt zu einem sozialen Mehrwert für alle Beteiligten.

Besonders stark ist dies bei der Arbeit mit Kindern zu spüren. Man kann förmlich mitfühlen, wie diese kleinen Seelen im Miteinander aufblühen. Der Prinzessinnengarten arbeitet in zahlreichen Schulen mit Kindern und bringt ihnen die Natur wieder nahe — im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist eine unglaubliche Freude, zu sehen, wie die Kinder das Wachstum ihrer Pflanzen beobachten können und am Ende auch gemeinsam ernten.

Luciana Saalbach gibt einen kleinen Einblick in die Arbeit mit den Kindern und unsere Aktivitäten im letzten Jahr in diesem Interview mit FoodWatch.

Auch die Arbeit mit geflüchteten Kindern gehört in diese Kategorie. Es ist immer wieder wundervoll, über die Jahre die Entwicklung der Kinder mitverfolgen zu können und zu merken, dass all die Mühe und Anstrengung, die die vorwiegend freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer aufbringen, am Ende doch langsam Erfolge zeigen.

Aber auch der Prinzessinnengarten selbst ist ein Hort des sozialen Miteinanders und in der Gruppe wird sehr viel Wert auf ein positives Gruppengefühl gelegt. Erst kürzlich musste einer der Praktikanten weinen, als seine Zeit bei uns beendet war, einfach weil er von der positiven Atmosphäre im Garten so überwältigt war.

Es ist dieses Mitgefühl, über das ich an anderer Stelle im Rubikon ausführlicher berichte. Denn am Ende sind wir wahrscheinlich doch alle miteinander verbunden.

Der soziale Gewinn stand beim Kompost-Projekt nicht so sehr im Vordergrund, obwohl das Mischen mit Daniel in Hellersdorf immer auch sehr viel Freude bereitet hat. Hier ist der ökologische Gewinn deutlich besser.

Beim Biomeiler hingegen ist das gemeinsame Aufbauen des Meilers durchaus ein Erlebnis. Viele freiwillige Helfer sind notwendig, wenn der Meiler in zwei bis drei Tagen aufgebaut werden muss. Denn das Gelände auf dem Friedhof kann von Maschinen nur eingeschränkt befahren werden. Es ist jedes Mal die gemeinsame Freude aller Beteiligten, wenn die Arbeit geschafft ist, die einen sozialen Gewinn für alle bedeutet. Und natürlich auch für den inneren Mehrwert: Man ist stolz auf das Erreichte.

Bei meinen postfossilen Mobilen liegt der soziale Mehrwert vor allem in der Reduktion der Verkehrstoten und Verletzten durch kleinere Fahrzeuge — derzeit gibt es etwa alle 2,5 Stunden einen Verkehrstoten in Deutschland und alle 1,5 Minuten einen Verletzten durch den Autoverkehr — sowie eine bessere Kommunikation der Verkehrsteilnehmer untereinander, wenn man sich sehen kann und nicht anonym hinter der Glasscheibe versteckt ist.

3. Ökonomischer Mehrwert

Natürlich achten wir bei unseren Projekten auch auf den ökonomischen Mehrwert, denn ohne Gewinn im klassischen Sinne geht’s einfach nicht.

Die vielen Workshops und Aktivitäten tragen zum Teil zu dem wirtschaftlichen Erfolg des Prinzessinnengartens bei. Haupteinnahmequelle sind aber das Café und der Gartenbaubetrieb. Hinzu kommen zahlreiche Projekte, mit denen wir versuchen, neue Wege zu gehen. Dazu gehört auch das Kompost-Projekt.

Beim Kompost-Projekt gewinnen alle Beteiligten: Die Berliner Tafel musste bisher immer für die Entsorgung der Essensreste teuer bezahlen. Jetzt werden die Reste für die Hälfte des Geldes abgenommen und davon der Transport bezahlt. Eine ökonomische Entlastung der Berliner Tafel. Am Ende kann der Kompost mit einem Gewinn verkauft werden. Gleichzeitig werden Arbeitsplätze geschaffen. Ökonomisch ein Gewinn für alle Beteiligten.

Allerdings hat die Pilotphase bisher nicht dazu geführt, dass das Projekt auf ökonomischer Basis alleine weitergeführt werden kann. Daran muss noch gearbeitet werden. Grundsätzlich ist es aber ein guter Ansatz, die hochwertigen Essensreste wieder zu Kompost zu verarbeiten und den Kreislauf zu schließen.

Anders beim Biomeiler. Die anfängliche Investition in die Wasserrohre und die Heizungsanlage hat dazu geführt, dass jetzt jedes Jahr mit den Holz- und Grünschnittabfällen des Friedhofs eine kleine Anzucht-Box genutzt werden kann, damit die Jungpflanzen dann anschließend in unserem Laden gewinnbringend verkauft werden können.

Die postfossilen Mobile haben sich wirtschaftlich auch nicht wirklich gelohnt, aber die Einnahmen aus dem Projekt sorgten zumindest dafür, dass ich immer wieder weitere Fahrzeugideen verwirklichen konnte. Mich interessiert vor allem die Entwicklung neuer Fahrzeuge und wie wir in Zukunft auf diesem Planeten dauerhaft und in Fülle leben können, ohne dabei die Natur zu zerstören.

4. Innerer Mehrwert

Was ist innerer Reichtum? Ich glaube, das kann nur jeder für sich selbst beantworten. Aber was mich über die Jahre immer wieder angetrieben hat, war durchaus auch die innere Zufriedenheit mit den Projekten, an denen ich beteiligt war. Alleine das Düsen mit dem SolarScooter durch Berlin, als noch keiner an diese neue Transportmöglichkeit dachte, erfüllt mich immer wieder mit Freude.

Vor allem, wenn ich mit meinen Fahrzeugen dann durch die schon bestehenden Grünwege fahre, wie sie in Berlin doch recht häufig zu finden sind: entlang des Landwehrkanals, durch den Tiergarten, durch den Treptower Park, entlang der Spree, am alten Mauerstreifen et cetera. Die frische Luft, das Singen der Vögel, die göttliche Natur, die sich zu jeder Jahreszeit in einem anderen farbenfrohen Bild zeigt, haben bei mir einen Schatz an Erinnerungen hinterlassen, einen inneren Reichtum angehäuft. Und natürlich auch die ganzen Kontakte mit positiv denkenden Menschen im Prinzessinnengarten und in Kreuzberg allgemein.

Dringender Handlungsbedarf

Nachdem ich lange Jahre dachte, die Idee selbstverstärkender Prozesse im Klima sei vielleicht doch nur Theorie, weil die globale Temperatur bis 2010 relativ stabil blieb, so bin ich jetzt durch den sprunghaften Anstieg der globalen Temperatur 2016 wieder alarmiert, dass wir den Umbau in eine nachhaltige Gesellschaft — schneller als bisher gedacht — vorantreiben müssen.

Die Idee des Oikos hat mir immer wieder geholfen, mich für oder gegen bestimmte Projekte zu entscheiden, weil ich mir mit diesem Bilanzierungssystem ein umfassendes Bild von den ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen machen kann.

So konnte ich nach meinen Erkenntnissen zum drohenden Klimawandel nicht mehr ohne schlechtes Gewissen Auto fahren, sondern wollte neue Wege für den Transport in der Stadt finden. Deshalb habe ich im Laufe der Jahre zahlreiche Fahrzeuge entwickelt und im Alltag ausprobiert, die nur einen Bruchteil des Energiebedarfs eines Automobils haben, aber trotzdem etwa 80 bis 90 Prozent der Mobilitätsbedürfnisse eines Haushalts abdecken.

Denn obwohl das Fahrrad schon eine vorzügliche Alternative zum Automobil ist, so nutzen es doch bisher nur wenige und ich glaube, dass man mit ein bisschen Motorisierung und etwas Wetterschutz noch sehr viel mehr Menschen zum Umsteigen auf kleinere und leichtere Fahrzeuge bewegen kann. Leider habe ich bis dato immer noch keinen Hersteller gefunden, der wirklich Lust hat, neue Solarmobile auf die Straße zu bringen.

Meine wichtigste Erkenntnis ist jedoch: Man muss nicht auf die Politik oder die Industrie warten, sondern kann selber aktiv werden. So versuche ich Flugreisen inzwischen zu meiden, fahre fast ausschließlich mit meinen E-Fahrzeugen, genieße die Natur und die Menschen an meinem Arbeitsplatz oder in der direkten Umgebung und arbeite in einem Kollektiv, das mehrfachen Mehrwert erzeugt.

Weniger ist mehr. Vor allem Zeit für mich ist mir in den letzten Jahren wichtiger geworden. Ruhe einkehren lassen, aussteigen aus dem Stress des Alltags, soweit es geht. Wenn ich nicht immer mehr haben will, sondern zufrieden bin mit dem, was ich habe, kann ich den Moment und den inneren Reichtum genießen.

Was wären dringende Projekte nach dem Oikos-Prinzip?

Zum Beispiel Fahrradstraßen

Nebenstraßen des Autoverkehrs, die in Durchgangsstraßen für Fahrräder umgewandelt werden. Minimale ökonomische Kosten bei tausendfachem ökologischem und sozialem Gewinn. Vor allem entlang der Flüsse und Kanäle könnten wunderbare Grüntangenten in den Städten entstehen. Und Fahrradwege müssen endlich von Fahrradfahrern gestaltet werden und nicht von Bürokraten, die am liebsten mit dem dicken Dienstwagen kutschiert werden und die störenden Fahrradfahrer letztlich nur von der Straße weghaben wollen.

Güterverkehr auf die Schiene

Wir haben damals im Sekretariat für Zukunftsforschung an automatischen Umschlagsystemen für den Containerumschlag auf der Schiene gearbeitet. Damals war das wohl etwas früh. Aber jetzt ließe sich die Idee eines Güter-Intercity, der in nur zehn Minuten seine Container austauschen und dann weiterfahren kann, mit bewährter Robotertechnologie leicht verwirklichen. Denn die Schiene braucht nur etwa ein Zehntel der Energie für den Gütertransport wie die Straße und ist schon heute voll elektrifiziert. Es ist lächerlich, dass jetzt alle Anstrengungen unternommen werden, um den Straßenverkehr zu automatisieren und zu elektrifizieren, obwohl dies auf der Schiene schon längst möglich ist.

Ökologische Landwirtschaft

Die Monopolisierung unserer Lebensmittelproduktion und damit einhergehend die Industrialisierung der Landschaften führen inzwischen zu einem radikalen Wandel in unseren Ökosystemen. Erste Anzeichen sind der dramatische Rückgang der Insektenpopulation von etwa 70 Prozent, dem leider auch die Zahl der Singvögel folgen werden. Wir müssen lernen, wieder im Einklang mit der Natur zu produzieren.

Kompostierbare Babywindeln

Wenn man sich den Haufen an Plastikmüll vergegenwärtigt, den nur ein Neugeborenes im Laufe der ersten Jahre mit den Plastikwindeln hinterlässt, dann wundert man sich, dass es überhaupt noch Platz in unseren Deponien gibt. Inzwischen gibt es aber kompostierbare Windeln aus Kartoffelstärke, die einfach mit dem Inhalt auf dem Kompost landen können. So wird das Neugeborene vom Schädling zum Nützling für die Natur. Das wäre doch ein guter Start ins Leben...

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