Was waren das für tolle Tage, als sich die US-Präsidentschaftswahlen schier endlos vor uns ausbreiteten und man fast zu der Ansicht kommen konnte, sie würden nie enden. Selbst der Wahlabend war ja kein Endpunkt und der noch amtierende Präsident gibt immer noch zu Protokoll, das Oval Office nicht räumen zu wollen. Toll waren und sind diese Tage, weil sie uns in Deutschland in Sicherheit wiegen. Denn so irre, wie es über dem großen Teich zugeht, ist es bei uns nicht.
Glaubt man jedenfalls zuweilen. Daher betont man es in Sonntagsreden. Der Zusammenhalt sei so gut wie nie, weiß der Bundespräsident stets zu erklären. In den Vereinigten Staaten könnte man das nicht behaupten. Olaf Scholz, nächster SPD-Kanzlerkandidat ohne Perspektive, legte nach und sagte ebenfalls sein Sprüchlein auf, wonach wir die gespaltene US-Gesellschaft als Mahnung ansehen sollten. Er sollte echt mal unter Parteigenossen nach Spaltpilzen forschen.
Rechtsradikale Hetzer, Verleumder und Denunzianten
Die Suche fiele ihm nicht schwer. Nur einen Tag, bevor Scholzens Ausführungen in der Bild am Sonntag publiziert wurden, meldete sich eine der beiden Köpfe des sozialdemokratischen Parteivorsitzes zu Wort: Saskia Esken. Von jener Plattform aus, die auch Donald Trump wie kein anderer zu bedienen weiß, ergoss sich ihre Empörung ins Land.
„Oft wurde ich gefragt“, so twitterte sie, „ob ich das Pauschalurteil der Covidioten so nochmal wiederholen würde. Ich habe nachgedacht und muss einräumen: Nein, so pauschal passt das nicht. Viele, die da mitlaufen, sind einfach nur Rechtsradikale, Hetzer, Verleumder und Denunzianten.“
Donald Trump ist in den letzten vier Jahren zum Abziehbild des Teuflischen geworden, zum Verführer und Brandstifter. Dass er weniger Ursache als Symptom und Konsequenz aus dem politischen Versagen des liberalen Lifestyles und der globalistischen Macht- und Funktionseliten war, fällt bei dieser Kategorisierung hinten runter. Dieser Donald Trump ist gewissermaßen ein Unfall der Geschichte, der Anschlag des bösen, des hassenden Amerika auf die braven Mitbürger und eine im Kern nicht ganz so üble Welt.
Um eine Gesellschaft zu spalten, so kann man davon ableiten, braucht es einen ganz besonderen Typus. Einen Advocatus Diaboli, der weiß, wie man Menschen und Gesellschaftsgruppen gegeneinander ausspielt, der eine klammheimliche oder — noch schlimmer! — ganz ungeniert offene Freude daran hat, zu provozieren, Porzellan zu zerschlagen und zu zerstören. Mindestens einer wie jener blonde Racheengel aus seinem nach ihm getauften Tower. Dass es eine schwäbische Hinterbänklerin, die durch Zufall und mangels Alternativen an den Parteivorsitz kam, mindestens so gut kann wie der noch amtierende POTUS: Auf die Idee kommt im Lager der Selbstzufriedenheit kaum jemand.
Nicht spalten lassen? Zu spät!
Wobei wir die Kirche im Dorf lassen sollten. In Deutschland formieren sich mehrere dieses Kalibers gegen gewisse Protestgruppen, ohne deren Motivation überhaupt auch nur zur Kenntnis nehmen zu wollen. Ob öffentlich-rechtliche Sendeanstalten oder Vertreter politischer Parteien — böse Zungen munkeln, es handle sich um dasselbe —, man spricht sich offenbar ab zur Ausgrenzung.
Ob AfD-Wähler oder sogenannte Corona-Leugner: Sie kommen in diesem Weltbild nicht als Steuer- oder Gebührenzahler oder schlicht nur als Bürger vor. Man erklärt sie zu Blödmännern und -frauen. Für schrecklich dumm und verwegen, für Leute aus einer gestrigen Welt, deren Ansichten und Gründe man gar nicht erst nachvollziehen möchte. Denn Verständnis, um Gottes willen, so weit darf man nicht gehen, das wäre ja Kapitulation. Sollen sich doch die Abgehängten wieder an die Lokomotive hängen, die uns durch die Erfolgslandschaften unserer Republik zieht. Und all die Missverstandenen und Besorgten: Lernt verstehen, seid sorglos — aber bitte verlangt nicht Verständnis für eure Alltagssorgen!
Dies aber wäre die Verantwortung von Medien und Politik: Mit Menschen sprechen, sie verstehen, begreifen, woher der Argwohn kommt, und eben den Kurs so ändern, dass die Menschen sich wieder mitgenommen fühlen. Davon waren wir in den letzten Jahren weit entfernt. Jeder, der Zweifel an den Narrativen der letzten Jahre äußerte, wurde in die Ecke gestellt. Aktuell eben jene, die die Corona-Politik kritisieren und als Corona-Leugner bezeichnet werden. Nicht von ungefähr soll das Wort übrigens an Holocaust-Leugner erinnern. Selten wird so offensichtlich geframed.
Saskia Esken mischt da nur von den billigen Plätzen aus mit. Sie fischt nach Komplimenten, die man in den sozialen Netzwerken stets dann einholt, wenn man besonders großkotzig gegen die vermeintlichen Doofköppe vom Leder zieht. Fast täglich belehren Volksvertreter die Menschen von oben herab, weisen sie arrogant zurecht und stigmatisieren sie. Die SPD-Vorsitzende ist da im Grunde nur ein kleiner und noch recht neuer Fisch im Teich der Überheblichkeit.
Divide et Corona
Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat freilich nur zur sonntäglichen Erbauung gesprochen. In der profanen Gesellschaft hat der Sonntag ja durchaus nicht mehr die religiöse Bedeutung, die er einst hatte. Aber um zu erheben und zu beseelen, da taugt er noch recht gut. An jedem verdammten Sonntag wird das Wort an die Bürgerinnen und Bürger gerichtet, um drei Takte zu diesem und jenem zu sagen. Dass diese Takte gar nicht zur Musik passen, die im Alltag geblasen wird, spielt überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil: Je weiter weg so eine Sonntagsrede von der traurigen Wirklichkeit ist, desto ergriffener sind Medien und Politik von der Botschaft.
In diesem Sinne hat Scholz etwas verkündigt, was schon längst gar kein Thema mehr ist. Wir stehen doch nicht etwa am Rande einer drohenden Spaltung, ängstlich guckend, ob da ein Donald Trump um die Ecke biegen könnte, der sie endgültig vollzieht. Darüber sind wir doch weit hinaus. Die Spaltung vollzieht sich längst. Es brodelt an allen Ecken, Demos und Übergriffe auf Staatsbeamte sind doch kein Zufall. Sie dokumentieren, welchen Kurs wir halten. Einen Trump brauchen wir dazu nicht.
Die Pandemie ist dabei nicht die Ursache. Sie ist ein zufälliges Ereignis, das jetzt als Symptom des längst schwelenden Niedergangs wirkt. Die Spaltung ist jedoch schon lange im Gange, sie gehörte zum Instrumentarium jener, die teilten und herrschten — und es noch immer tun. Mit dieser Methode fuhr man die Leistungsfähigkeit des Staates herunter, sparte bis an die Grenze des Staatsversagens. Ob nun fehlende Krankenhausbetten oder Pflegekräfte: Spaltung war Programm.
Wie auch in den Gesundheitsämtern, die stets unterbesetzt waren und die uns jetzt einen personalbedingten Inzidenzwert von 50 positiv getesteter Personen auf 100.000 Einwohner bescheren. Hätte es diesen rüden Kurs der Spaltung und Einsparung so nicht gegeben, wer weiß, wo der Inzidenzwert heute angesiedelt wäre. Teile dieser Wahrheit könnten aber verunsichern und Saskia Esken dazu bringen, den Autor zu beleidigen. Lassen wir es daher gut sein für heute …