Das Programm war die Speerspitze des übergeordneten Ziels eines Regimewechsels, dessen Verfolgung seit September 2013 offizielle Politik der Vereinigten Staaten war, als Präsident Obama nach einem Chemie-Angriff in Ghuta bei Damaskus mit Hunderten von zivilen Opfern erklärt hatte: „Assad muss gehen“. Mit diesem Schritt entfernt sich Präsident Trump vom Standpunkt, dass Amerika eine aktive Rolle spielen müsse, um den Abgang des syrischen Präsidenten zu erzwingen, und ist stattdessen bereit, die Entscheidung über Assads Schicksal dem syrischen Volk und seinen Verbündeten zu überlassen. Trumps Entschluss die Unterstützung der „gemäßigten“ Rebellen zu beenden, ist zwar kein Ausdruck einer Politik, die einen Regimewechsel in Syrien verwirft, zeigt aber doch deutlich wie nie zuvor, dass die Vereinigten Staaten ihren Kurs geändert haben und nicht mehr versuchen, einen Regimewechsel in Damaskus als Vorbedingung für eine politische Lösung der syrischen Krise zu erzwingen.
Das Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramm der CIA lässt sich zurückverfolgen bis zum Frühjahr 2011, als in Libyen eine Revolution gegen die diktatorische Herrschaft von Muammar al-Gaddafi ausbrach. Gedeckt durch die Luftherrschaft der NATO waren Kämpfer gegen das Regime in Libyen imstande, die Kontrolle über weite Landesteile zu erlangen. Die CIA begann ein Programm zur Ausbildung und Ausrüstung dieser Kämpfer und lieferte Waffen an Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die diese Waffen ihrerseits nach Libyen verschifften und dort libyschen Rebellen übergaben. (Gewählt wurde dieser umständliche Weg, damit die USA nicht gegen das UN-Embargo über Waffenlieferungen nach Libyen verstießen.)
Im August 2011, nachdem die libysche Hauptstadt Tripolis von Rebellenkräften eingenommen worden war, begann Katar ursprünglich für Libyen bestimmte Waffen umzuleiten in die Türkei, wo sie Rebellenkräften übergeben wurden, die seit Juni 2011 im Kampf gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad standen. Diese Rebellen waren unter dem Dach der Freien Syrischen Armee (FSA) zusammengeschlossen, einer angeblich säkularen Widerstandsgruppe, die in Wahrheit kontrolliert war vom syrischen Zweig der Muslimbruderschaft, die einst in den frühen 80er Jahren von Baschar al-Assads Vater zerschlagen worden war und im Exil in der Türkei, im Libanon und in Jordanien operierte. Während die CIA an diesem Geschehen nicht direkt beteiligt war, wurden diese Lieferungen in Libyen und der Türkei von CIA-Leuten überwacht, um sicherzustellen, dass keine sensiblen Waffen wie etwa handgesteuerte Boden-Luft-Raketen nach Syrien gelangten. Dieser Einsatz, bei dem es um Waffen für zig Milliarden Dollar ging, einschließlich solcher, die von den Vereinigten Staaten ausdrücklich zur Hilfe für libysche Rebellen vorgesehen waren, wurde im Jahr 2012 und bis ins Jahr 2013 fortgesetzt. (Beteiligt an der Koordination dieser Waffenlieferungen war Christopher Stevens, der US-Botschafter in Libyen, der im September 2012 bei einem Anschlag auf das amerikanische Konsulat in Bengasi ermordet wurde.)
Als der Kampf in Syrien an Umfang zunahm, wuchs die Zahl der regimefeindlichen Kampforganisationen. Die FSA nahm einen zunehmend islamistischen Charakter an, und viele ihrer Kämpfer liefen zu extremistischeren Organisationen wie al-Nusra (einem Zweig von al-Qaida) über. Viele der von der CIA besorgten und von Katar über die Türkei geschickten Waffen landeten in den Händen dieser Islamisten-Einheiten, mit dem ungewollten Effekt, dass die USA aktiv al-Qaida und andere extreme und offen US-feindliche Organisationen bewaffneten. Im Bemühen, den Waffenstrom nach Syrien unter Kontrolle zu behalten, ermächtigte Präsident Obama die CIA, die Ausbildung und Ausrüstung syrischer Rebellen auch formal zu übernehmen. Diese Operation, bekannt unter dem Decknamen „Timber Sycamore“, wurde von der Türkei und Jordanien aus mit voller Unterstützung durch deren Regierungen gelenkt.
Von 2013 bis 2015 überwachte Timber Sycamore den Einkauf von Waffen für zig Milliarden Dollar bei Lieferanten auf dem Balkan und vor allem in Kroatien sowie ihre Verschiffung zu Häfen in der Türkei und Jordanien, wo die CIA zusammen mit den türkischen und jordanischen Geheimdiensten Tausende Rebellenkämpfer aus mehr als 50 von der CIA zuvor durchleuchtete Gruppen in Syrien ausbildete und ausrüstete . Die Auswirkung dieses Programms auf den Kampf in Syrien war beträchtlich – bis zum Herbst 2015 taumelte die Regierung von Baschar al-Assad am Rand des Zusammenbruchs, vor allem unter dem militärischen Druck dieser US-gestützten Gruppen auf das Regime. Der Erfolg dieser Rebellen war ein Hauptgrund für die russische Militärintervention in Syrien im Herbst 2015, als die russische Luftwaffe in einem Einsatz zur Rettung des Regimes von Baschar al-Assad gegen eben diese Rebellen losgelassen wurde. Der russische Schachzug funktionierte, und bis zum Jahr 2016 hatte das syrische Militär die Initiative zurückgewonnen, die Stadt Aleppo zurückerobert und die US-gestützten Rebellen an allen Fronten zurückgedrängt.
Der russischen Intervention konnten die USA und ihre Verbündeten nichts Wirksames entgegensetzen. Einer der Gründe dafür war der Umstand, dass zwischen den US-gestützten Rebellen und den extremistischeren Kämpfern von al-Nusra und anderen Islamisten-Gruppen kein großer Unterschied erkennbar war. Während die Vereinigten Staaten gegen die russischen Luftangriffe protestierten, mussten sie sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass Timber Sycamore beileibe nicht nur die sogenannte FSA bewaffnete. In der Türkei wie in Jordanien zweigten korrupte Geheimdienstoffiziere Millionen von Dollar an Waffen und Munition ab und verkauften sie auf dem schwarzen Markt, wo al-Nusra und, seit 2014, der IS sie kauften. Oft verkauften die US-gestützten Rebellen ihre von den USA beschafften Waffen ebenso an al-Nusra wie an den IS, und in vielen Fällen liefen Kämpfer mit US-Ausbildung mitsamt diesenWaffen über. Tausende Kämpfer unter dem Banner von al-Nusra und IS waren in Wahrheit von der CIA bewaffnet und ausgebildet worden.
Ein anderes Problem der USA war die zunehmende Diskrepanz zwischen ihrem Ziel, sogenannte „moderate“ syrische Rebellen zu unterstützen, das auch von Jordanien, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien verfolgt wurde, und der Bereitschaft der Türkei und K atars, radikalere Kämpfer gegen Assad auszubilden und auszurüsten, darunter Al-Nusra (Al-Qaida) und den IS. Diese Position der Türken und Katarer liegt darin begründet, dass beide die Muslimbrüder unterstützen, die in Syrien in verschiedenen radikal-islamischen Gruppierungen aufgingen, welche zwar unter dem Deckmantel der FSA agierten, in Wirklichkeit aber für Al-Qaida und den IS kämpften. Die Unterstützung der Muslimbrüder durch Katar wurde für Ägypten, Jordanien und die Golfstaaten untragbar, die in der Folge die Muslimbrüder als Terrororganisation verboten. Das Ende von Timber Sycamore ist unmittelbar mit der andauernden Krise zwischen Katar und seinen Nachbarn am Golf aufgrund der Unterstützung der Muslimbrüder verbunden. Die Unterstützung Katars durch die Türkei wiederum hat angesichts der Mitgliedschaft Ankaras in der NATO für die USA ebenfalls zu diplomatischen Verwicklungen geführt, die durch die Beendigung des Ausbildungs- und Waffenlieferungsprogramms der CIA in Syrien etwas entwirrt werden.
Die Entscheidung von Präsident Trump, Timber Sycamore zu beenden, ist der Dreh- und Angelpunkt des übergeordneten politischen Vorhabens, die Kontrolle über die Ziele der USA in der Region zu erlangen. In vielerlei Hinsicht war Washingtons Politik des Regime Change in Syrien, dessen wesentlicher Bestandteil das Ausbildungs- und Waffenlieferungsprogramm der CIA war, verantwortlich für die gegenwärtige Krise in Syrien und in der gesamten Region. Der zentrale Denkfehler bestand darin zu glauben, dass in Syrien eine moderate, säkulare Kraft existiere, die in der Lage und gewillt sei, das Regime von Baschar al-Assad zu stürzen. Das hat zu der Entscheidung geführt, die Region mit Waffen und Munition aus der Hand der USA zu fluten, was letztendlich aber nur die Ausbreitung des islamistischen Extremismus unter der Fahne von Al-Qaida und des IS beschleunigte.
Tatsache ist, dass es keine erwähnenswerte säkulare, moderate Kraft in Syrien gab. Nahezu die gesamte Anti-Assad-Front wird von islamistischen Extremisten dominiert, die bei einem Sturz Assads seine säkulare Diktatur durch etwas viel Schlimmeres ersetzen würden. Obamas Politik des Regime Change in Syrien hat, genauso wie die Politik von Bush im Irak, lediglich Kräfte entfesselt, die die USA nicht kontrollieren konnten, den amerikanischen Steuerzahler Milliarden Dollar gekostet und das Blut von amerikanischen Militärangehörigen vergossen, die bei der Umsetzung dieser Politik ihr Leben verloren.
Die Entscheidung von Präsident Trump, Timber Sycamore zu beenden, und damit Obamas „Assad muss weg“-Politik gleich mit zu begraben, ist in diesem Kontext der bis jetzt eindeutigste Ausdruck seines Willens, die erfolglose Politik der Vergangenheit zu zügeln. Diese Entscheidung des Präsidenten ist ein Befreiungsschlag für die Vereinigten Staaten, die sich nun dem Kampf gegen den IS und den islamischen Extremismus widmen können, einem Kampf, der nicht mehr von einer Politik behindert wird, die den Interessen Amerikas kaum zuträglich ist und gleichzeitig seine Gegner stärkt. Durch die Zusammenarbeit mit Russland mit dem Hauptziel der Zerschlagung des IS versetzt Präsident Trump die Vereinigten Staaten in die Lage, eine wichtige Rolle bei der Gestaltung einer politischen Lösung für Syrien, die dem syrischen Volk und der Region Frieden bringen wird, zu spielen. Der Weg zu einer solchen Lösung wird nicht einfach werden und es ist ungewiss, ob es sie überhaupt geben wird. Timber Sycamore aber war in diesem Zusammenhang nur ein Klotz am Bein, und Präsident Trump tat gut daran, diesen abzuschütteln.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel "Say Goodbye to Regime Change in Syria auf der Webseite The American Conservative. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ebenfalls ehrenamtlichen Rubikon-Lektoratsteam lektoriert.