Bislang haben wir uns mit der Notwendigkeit eines alternativen Gesellschaftssystems und mit den humanistischen Grundprinzipien eines solchen beschäftigt. Wir haben ein politisches System entwickelt und darauf aufbauend eine alternative Form der Verteilung, Versorgung und Produktion. Im Folgenden werde ich nun auf gesellschaftliche Aspekte eingehen. Dabei schließt dieser Artikel thematisch an den vorherigen an und geht dann auf spezifischere, gesellschaftliche Aspekte ein.
Wachstum
Wachstum ist im Kapitalismus für den Erhalt des Systems unabdingbar. Um die immer höheren Schulden zu bedienen, muss der Umsatz von Waren und Dienstleistungen immer weiter gesteigert werden. Nur so kann der Kapitalfluss aufrechterhalten werden. Dies wird jährlich im Bruttoinlandsprodukt (BIP) zusammengefasst, dessen Steigerung alleiniges Ziel jedes Wirtschaftens ist. Wachstum ist daher um jeden Preis notwendig.
Dabei ist jedes Mittel recht, welches Wachstum generiert. So werden am laufenden Band neue, zu einem großen Teil nutzlose Produkte ersonnen und auf den Markt geworfen, während zeitgleich über mediale Propaganda in Form von Werbung in den Menschen der Kaufwunsch geweckt wird. So stapelt sich der Besitz bei den Menschen, dessen alleiniger Zweck es lediglich ist, sich immer weiter zu mehren – spiegelt Besitz doch den gesellschaftlichen Status wider. Wachstum wird somit auch im Privaten zum absoluten Ziel erklärt.
Dass die ständig steigende Produktion qualitativ immer minderwertigere Produkte hervorbringt, die obendrein mit dem Ziel konstruiert wurden, so schnell wie möglich ersetzt werden zu müssen, führt auch zu einem ungebremsten und rücksichtslosen Abbau von Ressourcen. Hinzu kommen ein immer höheres Aufkommen an Abfällen, giftigen Abgasen und Abwässern. Immer rücksichtsloser wird der Planet in ein auszubeutendes Ressourcenlager auf der einen Seite und eine Müllhalde auf der anderen verwandelt.
Der Drang nach Wachstum ist Auslöser für den Klimawandel, der die Steigerung sowohl der Anzahl als auch der Schwere von Naturkatastrophen verursacht, und für den fortschreitenden Raubbau an der Natur, der zu einem nie dagewesenen Artensterben führt. Ziel des Wachstums ist dabei niemals die angemessene Versorgung aller Menschen, sondern einzig und allein der Erhalt des ausbeuterischen Systems. Ein Ende des Wachstums gibt es nicht und darf es auch nicht geben, droht doch ansonsten das System zu kollabieren.
Qualität statt Quantität
In einer neuen Welt wird es ein quantitatives Wachstum nicht länger geben. Im Gegenteil: Deindustrialisierung und der Rückbau großer Konzerne und Fertigungsanlagen werden zu einer kontrollierten Schrumpfung führen und der Natur Raum zur Rückeroberung geben. Auf diese Weise sollen nicht nur das Artensterben, sondern auch die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels aufgehalten werden.
Es wird jedoch innerhalb der verbliebenen Bereiche ein qualitatives Wachstum geben. Nichts spricht dagegen, die Medizin weiterzuentwickeln, wenn sich die Ergebnisse nicht dem Kapital unterzuordnen haben. Auch in der Landwirtschaft wird beständig daran gearbeitet werden, die Qualität der angebauten Feldfrüchte zu steigern, ohne sie genetisch zu verändern oder mit Tonnen an Pestiziden zu besprühen.
Es ist jedoch jene Produktion, die keinerlei tatsächlichen Nutzen erfüllt, außer jenen, künstlich erzeugte Bedürfnisse für kurze Zeit zu befriedigen, die vollständig abgeschafft werden muss. Auf diese Weise wird der Mensch von seinen propagandistisch erweckten Bedürfnissen befreit und bekommt die Möglichkeit, ein tatsächlich selbstbestimmtes Leben zu führen.
Jene Produktion, die am Ende verbleibt, wird weiterhin auf ein hohes Maß an Qualität ausgelegt sein, sodass die produzierten Güter so lange wie möglich eingesetzt werden können. Weiterhin wird das Gewerbe der Handwerker anwachsen, da in einer neuen Gesellschaft vermehrt Dinge ohne Maschinen produziert und vor allem vermehrt repariert werden. Auch die Forschung wird beständig an einer Verbesserung aller Lebensumstände arbeiten, sich dabei insbesondere um das Recycling und die Entgiftung der Natur kümmern. Somit findet auch hier ein qualitatives Wachstum der Umwelt und der Gesundheit der Menschen statt.
Wachstum bedeutet dann nur noch, die Qualität von Gütern und Lebensmittel sowie der Lebensumstände insgesamt zu verbessern. Es handelt sich also um ein rein qualitatives Wachstum, um einen Anstieg der Wertigkeit.
Arbeit
Eine umfassende Deindustrialisierung und Demonetarisierung hat auch weitreichende Konsequenzen für das, was wir heute Arbeit nennen. Dabei wird sich das Verständnis der Arbeit wandeln und der Wert der Arbeit an sich wieder in den Vordergrund rücken.
Im Kapitalismus ist der Zweck des Menschen, neben dem Konsum, die Arbeit. Dies wird ihm schon von frühester Kindheit an eingetrichtert, ist die Arbeit doch ein Wert, der von der Gesellschaft im Allgemeinen vorgelebt wird. Verwunderlich ist das nicht, denn schließlich hängt doch Wohl und Wehe der Menschen mit dem Geld zusammen, welches mit der Arbeit untrennbar verbundenen scheint. Der alleinige Zweck der Arbeit für den Einzelnen ist es, Geld zu verdienen, um sein Leben bestreiten zu können. Doch dient diese Arbeit wirklich den einzelnen Menschen, welche diese ausführen?
Die Unterwerfung unter dieses entwürdigende System wurde durch das Mantra der „Selbstverwirklichung“ und „Selbstoptimierung“ noch idealisiert.
Den Menschen wird vermittelt, dass es allein in ihrer Macht steht, ob sie aufsteigen oder absteigen, ob sie ein vernünftiges Auskommen erhalten, oder in die Armut hinabsinken. Jeder Abstieg sei daher selbstverschuldet. Dass das vollkommener Blödsinn ist, lässt sich leicht anhand von unterschiedlichen Lohn-Statistiken, beispielsweise zwischen Männern und Frauen, sowie Berichten von Diskriminierung am „Arbeitsmarkt“, womöglich aufgrund verschiedener Ethnien, feststellen. Beides ist auch heute noch äußerst aktuell.
Die Lüge, dass jeder und jede alles nur Erdenkliche erreichen könne, solange er oder sie sich nur gut genug anstrenge, ist die elaborierte Fassung des Exportprodukts „American Dream“, das zur Erklärung für die großen gesellschaftlichen Ungleichheiten in den USA wohl nur übrig ließe, dass der Großteil der Bevölkerung aus Faulpelzen bestehe. Realistisch? Sicher nicht.
Unabhängig von der Arbeit und der Position ist ein jeder dem ständigen Leistungsdruck ausgesetzt, der konstanten Drohung des Versagens, des Scheiterns und der möglicherweise darauffolgenden Armut. So lastet sich eine überwältigende Mehrheit nur zu gerne weitere Arbeit bis zur totalen Selbstaufgabe auf, nur um der gesellschaftlichen Ächtung, die ansonsten möglicherweise folgen könnte, zu entgehen – und gleichzeitig dem Traum vom Aufstieg zu näherzurücken, dessen universelle Erreichbarkeit ihr vorgegaukelt wird.
Auf diese Weise versklaven sie sich freiwillig für die Profitinteressen des Kapitals.
Der ständige Arbeitsdruck und die Versagensangst dienen zudem dem Zweck, die Menschen in den Blasen ihrer eigenen Leben gefangen und beschäftigt zu halten. So können sie das große Ganze, das immer offensichtlicher versagende System, entweder nicht sehen oder wagen es zumindest nicht, dieses zu hinterfragen – aus Angst vor Repressionen.
Die Menschen im Kapitalismus sind ihrer Menschlichkeit beraubt, werden nur als Ressource betrachtet, die angemessen ausgebeutet werden muss, und zu arbeitenden Konsumenten degradiert, die das Rad des Kapitalismus mit diesen beiden Funktionen am Laufen zu halten haben. Der Sinn der Arbeit ist nicht, ihnen einen anständigen Lohn, eine Beschäftigung und ein Leben in Würde und Sicherheit zu gewährleisten. Auch jede Arbeit, die auf den ersten Blick mit der Produktion nichts zu tun hat, ist eng mit ihr verzahnt. Zum Beispiel verordnet der Arzt die zuvor produzierten Medikamente und schaffte so einen stetigen Bedarf an erneuter Produktion. Nebenbei erhält er außerdem die Arbeiter und Konsumenten so lange wie möglich in einem verwertbaren Zustand. So ist Arbeit, in Verbindung mit Geld, das Machtinstrument der kapitalistischen Diktatur und gleichzeitig der größte Dienst an ihr.
Nutzbringende Arbeit
In einer neuen Gesellschaft wird die Arbeit zwar nicht vollkommen abgeschafft werden können, aber auf ein Minimum reduziert werden. Nach der Abschaffung überflüssiger Produktionsprozesse und der Reduktion der Wirtschaft auf das notwendige Minimum werden viele Arbeitskräfte, nicht nur im primären und sekundären, sondern auch im Dienstleistungssektor freigesetzt werden – man denke nur an die überflüssig werdende Werbeindustrie oder all jene Dienstleister, die sich ausschließlich mit Geld beschäftigen.
Zwar wird durch den Wandel im Sektor der Landwirtschaft, weg von der Industrialisierung, der Arbeitsaufwand in diesem Bereich steigen, jedoch wird dieser Aufwand durch die unzähligen, freigesetzten Arbeitskräfte problemlos aufgefangen werden können. Die nun noch vorhandene Arbeit wird gleichmäßig auf die Menschen, je nach ihren Fähigkeiten und Kräften, verteilt werden. So wird sich die Gesamtarbeitszeit der Menschen drastisch verkürzen.
Auf diese Weise verbleibt ihnen Zeit, ein wahres, gesellschaftliches Leben aufzubauen. Arbeit dient in dieser neuen Gesellschaft allein dem Zweck, die Versorgung der Menschen zu gewährleisten und ist keine reine Beschäftigungsmaßnahme mehr. Umso mehr, als dass es kein Geld mehr gibt, das mit ihr verknüpft ist. Die Grundversorgung aller Menschen findet unabhängig von der Arbeit statt.
Dabei wird natürlich nicht jeder Mensch zum Landwirt werden müssen. Vielmehr wird die Arbeit unter der Anleitung erfahrener und ausgebildeter Landwirte ausgeführt werden, die weiterhin die Aufsicht über die landwirtschaftlichen Flächen innehaben. Die Arbeitskräfte werden auch nicht mehr in eine Hierarchie gezwängt. Alle Arbeit findet auf Augenhöhe und kooperativ statt, Befehlsstrukturen wird es nicht mehr geben. Zudem wird sich jeder Mensch, der in der Landwirtschaft tätig sein wird, an den Ratssitzungen des entsprechenden Rates teilnehmen können und dort auch Stimmgewicht haben. Dasselbe wird für andere Sektoren gelten, wie zum Beispiel der verbliebenen Produktion in Fabriken.
Arbeit wird ferner nicht durch Zwang auf die Menschen verteilt werden. Jedem steht es frei, seinen Interessen und Stärken zu folgen und sich im jeweiligen Bereich zu betätigen. Durch die geringen Arbeitszeiten wird es zudem denkbar sein, ohne Probleme mehrere Arbeiten aufzunehmen oder die freie Zeit in ein gesellschaftliches Leben zu investieren.
So wird ein jeder Mensch sich wieder über seine individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften identifizieren können anstatt über seine Arbeit, die lediglich ein künstliches Identifikationsmerkmal darstellt.
Hinzu kommt, dass es den Menschen offenstehen wird, ihren Beruf im Laufe ihres Lebens mehrfach zu wechseln. Die dazu notwendige Bildung steht ihnen jederzeit offen. Auch die Versorgung durch die Räte ohne das Surrogat des Geldes wird nicht der Faulheit Vorschub leisten. Jeder Mensch braucht im Leben einen Sinn, eine Beschäftigung, eine Tätigkeit, die ihm diesen Sinn vermittelt. Die neue Gesellschaft wird somit nur verhindern, dass Menschen in Arbeiten gedrängt werden, die ihrem Wesen widerstreben, verhindert einen weiteren Anstieg des Unglücks der Menschen und sorgt für eine zufriedenere, positiver eingestellte Gesellschaft insgesamt.
Jene Menschen, die Selbstversorger werden und sich damit von der gesellschaftlichen Versorgung unabhängig zu machen verstehen, werden nicht einmal mehr Anteil an der Arbeit im gesamtgesellschaftlichen Rahmen nehmen müssen, sondern ihre Kräfte werden sich ausschließlich auf ihre eigene Versorgung beschränken können. Natürlich sind sie trotzdem nicht von der gemeinschaftlichen Arbeit ausgeschlossen. Sie können sich jederzeit in die Gemeinschaft einbringen und auch das gesellschaftliche Leben mitgestalten. Auf diese Weise werden diese Menschen nicht von der Gesellschaft insgesamt abgetrennt werden, sondern es bleiben verbindende Elemente bestehen.
So wird Arbeit in der neuen Gesellschaft wieder ihrem ursprünglichen Zweck, der Versorgung der Menschen, zugeführt und dient nicht länger als Herrschaftsinstrument. Für eine solche Organisation der Gesellschaft ist jedoch ein umfassendes Bildungssystem grundlegend, das mit dem, was im Kapitalismus unter Bildung verstanden wird, nichts mehr gemein hat.
Bildung
Im Kapitalismus ist die Bildung zu einer reinen Indoktrinationsmaschinerie verkommen. Einzig dem Zweck dienend, junge Menschen an das System anzupassen und so schnell wie möglich in vorgefertigte Arbeiten zu pressen, wobei die für das System „Nutzlosen“ schnell aussortiert werden, hat nicht zum Ziel, aufgeklärte und kritische Menschen heranreifen zu lassen, sondern vorgefertigte Wahrheiten alternativlos und ohne Widerspruch in ihren Köpfen zu verankern.
Dabei werden Menschen ganz im Sinne der herrschenden Ideologie des Kapitalismus zu egoistischen, ellenbogengeleiteten Individuen herangezogen, die stets nur ihr eigenes Vorankommen im Blick haben. Um ihre Mitmenschen oder ihre Umwelt kümmern sie sich nur, wenn ihr Gewissen ihnen die Auswirkungen ihrer eigenen Lebensweise um die Ohren schlägt, oder wenn sich daraus ein Geschäft machen lässt. Durch diese Zersplitterung der Menschheit in eine Ansammlung nebeneinander und gegeneinander existierender Individuen wird auch wirkungsvoller Widerstand im Keim erstickt. „Jeder ist sich selbst der Nächste.“
Auch die Universitäten, deren Aufgabe es ursprünglich war, Menschen den Raum zu geben, sich zu selbständig und kritisch denkenden Menschen entfalten zu können, zeichnen sich durch eine extreme Einseitigkeit der Lehre aus. Insbesondere wenn es um wirtschaftliche Fragen geht. Hier wird der Kapitalismus stets als das beste aller Systeme dargestellt, seine Fehlfunktionen und offenkundigen Fehler werden dabei schlicht ignoriert.
Bildung erfüllt nicht den Zweck, Kindern Wissen zu vermitteln, sondern es geht um den Prozess der Unterwerfung und der Anpassung an das System. Wer sich der gegebenen Hierarchie unterordnet, dem winkt am Ende seines Bildungsweges ein Abschluss einer Berufsausbildung, mit dem er seine Unterwerfung nahtlos fortsetzen darf. Den Menschen in die Lage zu versetzen, diesen Beruf zu ergreifen, ist auch das Endziel der Bildung. Mit kritischem und selbstbestimmten Denken hat das nichts zu tun.
Bildung als Selbstfindung
In einer neuen Gesellschaft erfüllt Bildung den Zweck, jeden Menschen zu einem selbstbewussten, sich selbst, seine Mitmenschen und seine Umwelt liebenden, kritisch denkenden und sich seiner Stärken bewussten Geist heranwachsen zu lassen.
Zu diesem Zweck wird es die Aufgabe der Lehrenden sein, Schülern nicht nur die Grundfähigkeiten in den Bereichen Rechnen, Lesen und Schreiben beizubringen, sondern ihnen auch dabei zu helfen, ihre individuellen Stärken und Vorlieben herauszuarbeiten und ihnen kritisches Denken und Hinterfragen nahezubringen. Daher ist es wichtig, überflüssige Unterrichtsinhalte durch solche zu ersetzen, die dieses Ziel verfolgen. Das starre Muster an vorgegebenen Fächern und Inhalten muss aufgebrochen und den Interessen der Kinder folgend angepasst werden.
Wichtig wird es sein, Menschen nicht zu Egoisten heranzuziehen, sondern ihnen Mitmenschlichkeit vorzuleben.
Es ist erforderlich, sie umfassend über die Wunder der Natur und die menschliche Abhängigkeit von dieser aufzuklären, sodass sie diese als das sehen, was sie ist: ein untrennbarer Bestandteil des Menschen.
Auch wird sich Bildung nicht darauf beschränken dürfen, nur die Grundfertigkeiten eventueller, späterer Berufe zu vermitteln. Menschen müssen von Spezialisten wieder zu Generalisten werden, die einen kritischen Sachverstand nicht nur in ihrem Fachbereich besitzen, sondern die grundlegenden Zusammenhänge und Funktionsweisen der Welt und der Gesellschaft verstehen. Ihnen muss das Handwerkszeug mitgegeben werden, sich in jeden Bereich vertieft einarbeiten zu können.
Dazu wäre es beispielsweise denkbar, das Konzept der freien Schulen der anarchistischen Individualisten zu reaktivieren, in denen Kinder zu freien Geistern heranwachsen konnten und mit einer Bandbreite von Fähigkeiten ausgestattet wurden.
Weiterhin muss die Möglichkeit bestehen, jedem Menschen ein größtmögliches Maß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit zu vermitteln. Zu diesem Zweck werden Inhalte über alle Bereiche der Selbstversorgung angeboten werden, die jeder zu jedem Zeitpunkt seines Lebens erlernen können soll. Bildung endet somit nicht mehr mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, sondern wird ein Leben lang und von jedem Menschen in Anspruch genommen werden können.
So wird jeder zu jedem Zeitpunkt in seinem Leben seinen Wissensschatz vergrößern, sich beruflich neu orientieren oder einfach aus Interesse an Bildung partizipieren können. Möglich wird das durch den Wegfall überflüssiger Arbeit sowie die gleichmäßige Verteilung der restlichen Arbeit werden. Hierdurch wird jedem Menschen genügend Zeit verbleiben, sich weiterzubilden.
Auch wird es keine strenge Unterteilung in Schüler und Lehrer mehr geben. Ein Lehrer wird jeder sein können, der über besonderes Wissen oder spezielle Fähigkeiten verfügt, die er mit anderen Menschen teilen möchte. Wer in einem Kurs Lehrer sein wird, könnte somit im Folgenden als Schüler teilnehmen. Dieses Konzept lässt sich zumindest auf die Bildung von Erwachsenen anwenden. Doch auch Kindern gegenüber werden Lehrer keine streng autoritären Diktatoren mehr sein dürfen. Sie werden ihnen mit Respekt und Wertschätzung begegnen und ihnen ihren vollen Wert als Individuum vermitteln.
Bildung wird durch all diese Änderungen ein wichtiger Grundbaustein einer funktionierenden, neuen Gesellschaft werden. Denn durch sie wird den Menschen nicht nur die Funktionsweise des Systems nahegebracht werden, sondern auch die Fähigkeit, kritisch zu reflektieren. Sie wird daher auch elementarer Bestandteil einer funktionierenden Demokratie sein. Sie wird den Menschen die wichtigen Grundprinzipien der Liebe, Mitmenschlichkeit und Ökologie, auf denen die neue Gesellschaft aufgebaut sein wird, vermitteln.
Wissenschaft und Fortschritt
An die Bildung schließt sich unmittelbar die Frage an, wie sich die Wissenschaft verändern wird. Damit eng verbunden ist der Begriff des Fortschritts.
Durch die Begrenzung des Begriffes des Fortschrittes im kapitalistischen Wirtschaftssystem auf den rein technischen Fortschritt wird jede gesellschaftliche Weiterentwicklung behindert, indem suggeriert wird, die Gesellschaft befände sich bereits auf dem höchsten Stand der Entwicklung. Fortschritt wird mit der Entwicklung neuer, überflüssiger, aber den Absatz und das Wachstum fördernder technischer Produkte gleichgesetzt, die jedoch zugleich zu einer gesellschaftlichen Degenerierung führen. Durch die Zuwendung der Menschen zur Technik entfremden sie sich von sich selbst.
Auch die Wissenschaft dient im Kapitalismus dem Zweck, den Status Quo aufrecht zu erhalten. Sie bringt vorrangig neue Produkte, sei es im technischen Bereich, im medizinischen oder im Bereich der Lebensmittelindustrie, auf den Markt. So werden jene Wissenschaftsfelder massiv von großen Firmen unterstützt, welche ein möglichst profitables Ergebnis versprechen; nicht vergessen darf man hier vor allem das Militär. Altruistische Motive vermögen es daher nicht mehr, sich durchzusetzen.
Fortschritt ist nur dort möglich, wo der Kapitalismus ihn als potentielles Geschäft für sich entdeckt.
Weiterhin dient die Wissenschaft der Verschleierung schädlicher Auswirkungen kapitalistischer Produkte. So finanzieren Firmen Studien, welche die Unbedenklichkeit ihrer Produkte bestätigten, obwohl schon der gesunde Menschenverstand anderes nahelegt. Gleichzeitig werden unabhängige Studien, die zu gegenteiligen Ergebnissen kommen, diskreditiert.
Indem Wissenschaft nicht die Ursache wahrer Probleme, sondern nur deren Symptome behandelt, legitimiert und unterstützt sie das bestehende System und versucht, dessen Auswirkungen zu verbergen. So ist die Antwort auf gesundheitsschädliche Auswirkungen von Abfällen, Abwässern und Gasen nicht die Beseitigung der Ursachen, sondern die Verbesserung der Therapie für Folgeerkrankungen, mit denen sich wiederum eine Menge Geld verdienen lässt.
Dies ist jedoch nicht der Boshaftigkeit der Wissenschaftler geschuldet, sondern entspringt der schlichten Notwendigkeit, um finanzielle Mittel für die Forschung werben zu müssen. Diese kommen in immer größeren Anteilen aus der Privatwirtschaft, die damit natürlich Interessen und auch Erwartungen verbindet. So erklärt sich auch das Interesse der Wissenschaft an der Entwicklung immer neuer Waffensysteme. Wissenschaft und Fortschritt dienen somit als Antriebsmittel des kapitalistischen Verwertungssystems.
Ferner hat das kapitalistische System auch progressive Entwicklungen für sich vereinnahmt, indem es sie unter enormem finanziellen Aufwand aufgekauft und sich durch Patente gesichert hat – nur um sie niemals in die Praxis umzusetzen und hierdurch die eigenen Profite zu gefährden.
Patente dienen auch der Sicherung von Profiten. Vor allem in der Landwirtschaft lassen große Agrarunternehmen Saatgut patentieren und verkauften es teuer an die Landwirte. Diese, einmal abhängig davon, müssen für jede Aussaat neu einkaufen, da die geernteten Feldfrüchte nicht oder nur noch eingeschränkt keimfähig sind, und schwemmen so hohe Gewinne in die Kassen der Agrarunternehmen. Diese Erscheinung setzt sich auch in anderen Bereichen fort.
Gesamtgesellschaftlicher Fortschritt
In einer neuen Gesellschaft wird der Begriff des Fortschrittes sich nicht allein im technischen Fortschritt erschöpfen. Fortschritt wird die Gesamtheit der Weiterentwicklung menschlicher Gesellschaft bedeuten. Er wird damit nicht allein in einem Bereich stattfinden, sondern sich auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Wissenschaft vollziehen.
Ziel der Wissenschaft wird es sein, an einer konsequenten Verbesserung menschlichen Zusammenlebens und der Lebensqualität mitzuwirken. So wird sie an einer beständigen Verbesserung in allen Lebensbereichen arbeiten, ohne dabei in einen künstlichen, sich von der Natur entfernenden Pseudofortschritt abzugleiten, der lediglich Symptome überdeckt, jedoch nicht die Ursachen von Problemen angeht. Durch die Unabhängigkeit von privaten Geldern soll diese Art des Fortschritts gewährleistet werden.
Das Patentsystem wird abgeschafft und durch ein offenes Register aller Entwicklungen ersetzt werden. Ergebnisse der Forschung und des Fortschrittes werden nicht mehr ausschließlich für Privatinteressen genutzt werden, sondern der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, sodass diese sie nutzen und weiterentwickeln kann. Dafür muss ein System geschaffen werden, welches das gewonnene Wissen verbreitet und für alle verständlich machen wird. Hier ist die Mitarbeit der Medien und der Bildungseinrichtungen denkbar.
Zudem wird im Prozess der Transformation jedes Patentregister der Welt nach all jenen Erfindungen durchsucht werden müssen, die einzig zu dem Zweck patentiert wurden, sie der Öffentlichkeit zu entziehen. Diese müssen, sofern sie einen Nutzen für die Gesellschaft haben, dann durch die Wissenschaft überprüft und imitiert werden, um ihre tatsächliche Funktionalität zu verifizieren, und anschließend der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.
Der Wissenschaft werden durch die Räte alle Mittel bereitgestellt werden, welche diese benötigt. Wissenschaftler werden selber in Räten organisiert sein, welche die Bedürfnisse an Mitteln der einzelnen Disziplinen sammeln und an die entsprechenden Stellen weitergeben. Zudem suchen sie nach Kooperationsmöglichkeiten und unterstützen sich bei interdisziplinären Problemen.
Wissenschaft wird allein auf friedlichen, der Menschlichkeit dienlichen Fortschritt ausgerichtet sein. Die Entwicklung von Waffensystemen, Giftstoffen und anderen schädlichen Produkten wird nicht mehr toleriert, da die Wissenschaft der Menschheit im Allgemeinen, nicht aber den Profitinteressen einzelner Teile derselben dienen wird.
Hauptaufgabe der Wissenschaft wird es jedoch sein, die fatalen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt in der Vergangenheit abzufedern und nach Möglichkeit abzuwenden oder zu beheben sowie für die Zukunft zu vermeiden. So wird beständig an alternativen Formen der Energiegewinnung, der Landwirtschaft oder der Produktion geforscht werden. Weiterhin werden Methoden des Recyclings überflüssig gewordener Produkte entwickelt sowie die Säuberung von Luft, Böden und Gewässern von den vielen verschiedenen Giftstoffen, welche die Menschheit dort eingebracht hat, in Angriff genommen. In einem folgenden Artikel werde ich hierauf näher eingehen.
Wissenschaft und Fortschritt werden keine Disziplinen einer gebildeten Elite sein, sondern jedem Menschen offenstehen. Durch eine allumfassende und auf die Bedürfnisse des Einzelnen abgestimmte Bildung wird es jedem Interessierten ermöglicht werden, sich in die Wissenschaft einzubringen. Auf diese Weise finden individuelle Ansätze zu Problemlösungen ihren Weg in die Forschung.
Darüber hinaus muss es den Wissenschaftlern ermöglicht werden, sich in öffentliche und politische Diskussionen wirksam einzuschalten. Sie werden zu Themen, die eine politische Entscheidung betreffen, konsultiert. Dabei wird sichergestellt werden, dass sich die Meinungspluralität in der Wissenschaft auch in der Öffentlichkeit widerspiegelt. Auf diese Weise sollen Entscheidungen auf einem möglichst breiten wissenschaftlichen Fundament gegründet werden.
In einer neuen Gesellschaft dienen Bildung, Wissenschaft und Fortschritt somit der gesamtgesellschaftlichen Fortentwicklung und nicht den Interessen einzelner. Das gesellschaftliche Leben wird sich in einer neuen Gesellschaft grundlegend ändern. Dies ist bereits deutlich geworden, wird aber in den folgenden Artikeln noch eingehender behandelt werden.
Quellen und Anmerkungen:
Zu Teil 1 der Serie geht es hier.
Zu Teil 2 der Serie geht es hier.
Zu Teil 3 der Serie geht es hier.