Das Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Regierung signalisiert einen besonders restriktiven Schritt, der in der österreichischen Öffentlichkeit viele, vom Liberalen bis zum Rechtsextremen, zufriedenstellen dürfte: Die Inszenierung der Regierung wird als deutliches Zeichen gegen „den politischen Islam“, gegen „Parallelgesellschaften“ und für „Demokratie“ und „Pluralismus“ gezeichnet. Gleichzeitig zeugt dieses Vorgehen jedoch davon, wie geeignet eine derart hysterische, überzogene Reaktion für die Feindbildproduktion ist.
Das neue Islamgesetz von 2015 rechtfertigt das Vorgehen gegen muslimische Vereine. Dies alles geschieht mit dem Ansinnen, einen Islam österreichischer Prägung zu schaffen, eine quasi kodifizierte muslimische Staatsreligion. Das stößt jedoch aus mehreren Perspektiven auf Probleme:
Für eine Religion wie den Islam, die sich auf verschiedenste Traditionen, Glaubensschulen und so weiter beruft, ist der Ruf nach einem „österreichischen Islam“ ein absurdes Unterfangen.
Und wenn die Finanzierung jener Einrichtungen nicht mehr von ausländischen beziehungsweise privaten Akteuren übernommen wird, wer soll diese dann übernehmen? Der österreichische Staat hat sich hierbei noch nicht zu Wort gemeldet. Das Spar-Dogma unserer neoliberalen Marktreligion ist dabei nicht „Teil der Lösung“, wie Kanzleramtsminister Blümel von Religionen einfordert. Dass auch andere Religionen und Wertehaltungen nicht Teil der Lösung sein können, ist indes ebenso kein Thema
Etwa die römisch-katholische Organisation Opus Dei, die erfolgreich und weitestgehend unbeachtet in Österreich agiert und die durchaus mit Salafis verglichen werden darf: Beide sind sehr konservativ und haben ähnliche Wertvorstellungen, vom Frauenbild bis zur Annahme der Reinheit ihrer Lehre. Oder rechtsradikale Burschenschaften, deren Wertehaltungen oftmals nicht demokratiefreundlich, aber frauenfeindlich und rassistisch sind
Wer käme auf die Idee, diese Organisationen als „bedenklich“ einzustufen? Wer käme auf die Idee, Opus-Dei-Mitglieder auszuweisen?
Bierzelt, Schweinsbraten, Glockenläuten
Ganz abgesehen davon, dass die Österreicherinnen und Österreicher bewusst oder unbewusst wohl gar keinen Austro-Islam wollen. Sei es wegen der romantischen Fremdheit, die man am Brunnenmarkt genießen darf, wenn einem der türkische Kellner den Tee nachschenkt. (Wehe aber, dieser Türke hat eine politische Meinung, die einem nicht entspricht. Oder – noch schlimmer – derselbe Türke schenkt einem nicht mehr den Tee ein, sondern sitzt mit seinem Tablet mir gegenüber. Brunnenmarkter Bobo-Seelen kann so etwas sehr irritieren.)
Der zweite Grund liegt auch auf der Hand, weshalb ÖsterreicherInnen wohl keinen Austro-Islam mögen. Er gehört nicht hierher. Die Politik – nicht erst seit türkis-blau – hat viel dafür getan, dieses Totschlag-Argument zu untermauern. Die Medien, vom Boulevard bis zu Qualitäts-Stadt-Zeitungen, tun das ihre. Warum?
Weil Österreich eben christlich ist und das auch bleiben soll – was immer das bedeuten mag. Vielleicht Bierzelt, Schweinsbraten, Glockenläuten, g’sunde Watschn, auf einem Andreas-Gabalier-Konzert im Suff Frauen belästigen… Ich weiß es nicht.
Weil Österreich demokratisch und liberal ist – was auch immer das bedeuten mag. Vielleicht alles dann gut finden, auch den Islam und den Orient, wenn er sich meinen eigenen Privilegien fügt, wenn er nicht herrschende Ordnungen in Frage stellt und wenn er sich zu der gesichtslosen Masse formen lässt, die die bestehende Ordnung vorbehaltlos gut heißt. Aber bitte: Wenn er das macht, dann trotzdem noch Frisörläden offen lassen und Hummus und süßen Tee, sodass man davon schwärmen kann, wie weltoffen die Stadt und man selbst ist.
Kardinal Christoph Schönborn hat übrigens vorgemacht, wie das geht, gesichtslos zu sein: Ein Bekenntnis zum Spardiktat, diesmal im Namen der kommenden Generationen. Damit ist er voll auf Linie mit dem neoliberalen Dünkel dieser Regierung, das „passt zamm!“
„Das ist erst der Anfang“
Vizekanzler Strache kündigt derweil sinngemäß an, dass dies erst der Anfang sei. Weitere Maßnahmen gegen „Parallelgesellschaften“ dürften schon geplant sein
Was dabei vergessen wird: Die Verabschiedung des Islamgesetzes in Österreich schaffte die legale Basis, gegen unliebsame Akteure vorzugehen, hier im Namen der Religion. Was morgen kommt, ist nicht absehbar. Die österreichische Regierung wird damit aber umso mehr zur Vorreiterin, was den Kampf gegen einen „politischen Islam“ betrifft. Sie kann auch zur Blaupause für ein Europa werden, das sich als „demokratisch und liberal“ versteht, Teile seiner Bürgerinnen und Bürger aber systematisch ausgrenzt und diskriminiert.
Es verdienen dabei fast alle etwas: Die Regierung kann politisches Kleingeld waschen und „den Moslems“ und „den Flüchtlingen“ die Schuld in die Schuhe schieben, wenn es sozialstaatlich weiter steil bergab geht. Sie kann die zunehmende „Versicherheitlichung“ als notwendige Maßnahme gegen Terror und den „politischen Islam“ inszenieren. Und ehe man es sich versieht, droht die Gefahr, dass auch andere unliebsame Akteure zu Staatsfeinden stilisiert werden.
Auch der bürgerlich-liberale Mittelschichtler fühlt sich bestätigt und freut sich, dass etwas getan wird. Seinen türkischen Tee möchte der Bobo-Brunnenmarkter geflissentlich von politisch einwandfreien Türken trinken dürfen
Viele andere freuen sich, dass „die Moslems“ endlich wieder einen auf den Deckel kriegen.
Alle scheinen dabei zu gewinnen. Alle, bis auf jene schwarzhaarigen und dunkelhäutigen Menschen, die mit alledem gar nichts am Hut haben, seien sie Muslime oder nicht.
Der „politische Islam“ ist ein perfektes Feindbild, wenn es darum geht, Herrschaft und Restriktion zu rechtfertigen.
Das ist das Islamgesetz in Action. Und das ist Feindbildproduktion „at its best“.